Das Drama um “21 gute Gründe”

Die Druckversion des Strategiepapiers “21 gute Gründe” wurde jetzt vom VDB veröffentlicht. Im Vorwort von Barbara Lison heißt es:

Hier haben Sie schon einmal die Gelegenheit, den journalistisch bearbeiteten Text und die Standards für Öffentliche Bibliotheken und Hochschulbibliotheken sowie das Musterbibliotheksgesetz zur Kenntnis zu nehmen.

Kritik scheint nicht sonderlich willkommen zu sein bei den Verantwortlichen für das “Strategiepapier”. Es scheint eher die Strategie zu herrschen: Augen zu und durch, wir machen doch, was wir wollen. Die Änderungen sind wirklich mehr als sparsam in die “geänderte” Fassung des Textes eingeflossen.

Als Autoren dieses so leider unbrauchbaren Schriftstückes werden in der Danksagung von Barbara Lison genannt:

Mein ganz besonderer Dank gilt den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, die die Basistexte verfasste (Gabriele Beger, Ulrich Hohoff, Hella Klauser, Heinz-Jürgen Lorenzen, Cornelia Vonhof, und Ulla Wimmer) sowie Anne Buhrfeind für die journalistische Erarbeitung der endgültigen Textfassung.

Da ist es wohl als mißglückt zu bezeichnen, was aus der ursprünglichen Idee – Politiker zu informieren, den BibliothekarInnen, die das übernehmen sollen, entsprechende Argumente zur Hand zu geben – geworden ist.

Beliebte Sätze sind weiterhin enthalten. Zwar heißt es nicht mehr

Bibliotheken? Stimmt. Die gibt’s ja auch noch.

sondern

Bibliotheken? Stimmt. Da gehen ja so viele Leute hin!

Das bessert das Problem nicht. Es wäre genau die Wortwahl, die ich wählen würde, um etwas sehr sarkastisch zu untermalen und es damit genau negativ zu meinen. Das ist der erste Schmankerl. Über mehr muss man glaube nicht reden, außer über den Umfang, der mit 17 Seiten und 21 Gründen immer noch als zu lang zu bezeichnen ist.

Ein Blick auf die Autoren und ein Blick auf die Standards für Hochschulbibliotheken lässt die Frage aufkommen, wo die ausgeschriebenen Experten für diesen Bereich zu Wort gekommen sind? Die Autoren des Werkes sind mehr als nur ÖB-lastig.

Die BID wird in Kürze die neue Image-Broschüre für die deutschen Bibliotheken in einem Vorabdruck publizieren. Die Publikation in einer ausreichend großen Auflage für den Einsatz vor Ort planen wir für Anfang des kommenden Jahres.

Die Kritik an diesem Werk wurde jedoch bewusst weggebügelt und unter den Tisch gekehrt. Kleinigkeiten wurden geändert, an die großen Probleme des Papiers wurde sich jedoch nicht herangewagt. Dies ist nicht dienlich, die Bibliotheken, die das Papier letztendlich verkaufen sollen, davon zu überzeugen und mit dem notwendigen Enthusiasmus anzustecken, der für eine überzeugende Lobbyarbeit notwendig ist.

Quelle:
Bibliothek & Information Deutschland (BID): 21 gute Gründe für gute Bibliotheken

Anmerkung:
Ich habe inzwischen die Knolle Murphy (978-3-407-79898-5) gelesen.
Nett, aber doch ein wenig ungeeignet für die Werbung.

9 Kommentare

  • Kath

    Die Fragen die sich mir beim lesen eher aufdrängen: An wenn richtet sich das Papier?  Was will man damit erreichen?
    Dies sind Dinge die man eigentlich beim Schreiben solcher Papiere vor Auge haben sollte. Vielmehr hat man ein paar einfach formulierte Dinge zusammengetragen (die den zeitlichen Aufwand teilweise nicht rechtfertigen), aber wie man die Probleme löst darüber schweigt man sich aus. Dieses Papier wird wohl kaum an den zuständigen Stellen Beachtung finden oder gar etwas ändern.
    Zumal es sich auch nicht wirklich von der ursprünglichen Version, außer in ein paar Formulierungen, unterscheidet. In diesem Fall sollte man solche Papiere doch nicht in der Fachwelt zur Diskussion stellen, wenn man am Ende an der Meinung der anderen nicht interessiert ist.

  • Dörte Böhner

    Kath, noch jemand, der sich diese Frage stellt, an wen sich das Paper richtet. Ich wusste es aus Hintergrundgesprächen und hab da meine Zweifel entsprechend angemeldet.
    Mich interessiert auch deine Frage, wie es kommt, dass so wenig an dem Papier geändert wurde.  Warum fehlt der Mut zu einer radikaleren Überarbeitung? Warum hat man sich keinen Profi-Lobbyisten herangeholt? Auch wenn eine Journalistin mit Anne Burfeind:x: herangeholt worden ist, so spricht das Ergebnis jedoch nicht für eine wirkliche Unterstützung. :confused:

  • Kath

    Ich finde einige Formulierungen auch bedenklich, bzw. nennt man Fakten ohne sie zu belegen. Woher haben die Macher z.B. das Kinder heute nicht mehr vorgelesen wird oder Eltern mit ihren Kinder keine Bilderbücher durchblättern? Gab es dazu Umfragen? Das fragt sich nicht nicht nur der Politiker, sondern auch die Mutter die in der Bibliothek die Broschüre durchblättert.
    Es werden teilweise Internetseiten oder Projekte im Internet erwähnt, wo die links zu den jeweiligen Seiten nicht aufgeführt sind. Das wäre ein muss, um Interessenten und Fördern zu zeigen was es tolles in deutschen Bibliotheken gibt und das diese Dinge ankommen und ausgebaut werden sollten.

    Die Liste der Mängel an diesem Papier läßt sich fortsetzen und dies finde ich etwas peinlich, wenn man bedenkt das man ja angeblich das dem Fachpublikum zur Disskusion gegeben hat. Diese Disskusion hätte man sich schenken können.

    Aber nun mal erstnhaft, Dörte: An wenn richtet sich denn nun das Papier? Lass mich nicht dumm sterben. 😉

  • Dörte Böhner

    Hallo Kath,
    das Papier richtet sich mit seinen Inhalten an Politiker und ähnliche lokale Entscheidungsträger, die auf das Schicksal öffentlicher Bibliotheken Einfluss nehmen. Soweit ich das verstanden habe, ist das die Hauptzielgruppe, die mittelbar mit diesem Strategiepapier erreicht werden soll. Vermitteln sollen die Inhalte, die in diesem Papier stehen jedoch Bibliothekare, d.h. die sollen Argumente aus diesem Papier entnehmen, mit denen sie dann gegenüber ihren Lokalpolitikern argumentieren können, warum die kleine Bibliothek für den Ort so wichtig ist.

    Und eine Sache muss ich glaube noch klarstellen. Die Diskussion bezieht sich auf den ersten Teil dieses gesamten Papiers. Die hier getroffenen Aussagen gelten nicht für die Anhänge, die fachlich fundiert sind.
    Ab dem Punkt, was “Bibliotheken brauchen” werden die Punkte klar und knapp. Wären die 21 Gründe in diesem Stil zusammengefasst worden, hätte man vielleicht ein gutes Papier für Politiker gehabt, dass sie sogar noch selbst lesen würden.
    Die Anhänge sind ebenfalls nicht von dieser Diskussion betroffen. Hier handelt es sich um fachlich fundierte Aussagen, die natürlich für Politiker viel zu schwerfällig sind. Daher ist die Idee, es einfach formulierten Papers zu begrüßen. Allerdings hätte man sich bei der Formulierung und dem Umfang nochmal Ansprechpartner und Zielsetzung genauer vor Augen führen sollen.

  • Kath

    Danke, für die Aufklärung.
    Ich bin ehrlich gesagt auch nur vom ersten Teil (den 21 Gründen) ausgegangen.

    Denoch finde ich das man bestimmte Fakten, und es geht hier gar nicht um die Dinge die im zweiten Teil stehen, sondern wirklich um die reine Argumentation in den 21 Gründen, belegen sollte. Dies gillt besonders wenn man es als Argumentationshilfe für die kleinen Bibliotheken, außerhalb der Großstädte, benutzen möchte. Den gerade dort kann es passieren das der Regionalpolitiker der Zuständig ist, eben nicht die aktuellste Pisastudie im Kopf hat.
    Zudem denke ich nicht das ein oder zwei links mehr das Papier zusätzlich aufblähen würden und wenn es gute Projekte (gerade für Kinder und Jugendliche gibt) warum nicht auf diese Art auf sie verweisen.

  • Also ich würde auch bestreiten, dass die Punkte in den Anhängen “fachlich fundiert” seien. Woher kommen die den? Wer hat den Debatten um diese Standards und Forderungen geführt? Wo kommen diese Zahlenwerte in den Anhängen eigentlich her? Was sagen sie aus? Mag sein, dass das Musterbibliotheksgesetz eine Relevanz hat, aber die anderen Anhänge erscheinen mir ähnlich unfundiert, wie der gesamte Text. Und die vorgeschlagenen Standards sogar gefährlich, weil sie nicht einhaltbar sind. (Z.B.: 90% der Nuzenden finden die Bibliothek gut? Was sagt das aus? Wie erhebt man das? Ist eine Bibliothek gut, wenn alle zufrieden sind? Seit wann? Wo sind eigentlich die anderen Standards hin, die man sonst im bibliothekarischen Feld gerne anführte, bspw. in der Katalogisierung?) Und immer noch die Lieblingsfrage: wozu um alles in der Welt ist eine “Bibliotheksentwicklungsagentur” notwendig? Um sich gut zu fühlen?
    Andererseits: “Bibliotheken 73”, “Bibliotheken 93”, “Bibliothek 2007”, “21 Gründe” – die Liste wird länger werden, ohne das außerhalb des Bibliothekswesens jemand diese Texte ernst nimmt. Und bei der letzten beiden weiß ich, dass sie auch in Teilen des Bibliothekswesens nicht wirklich ernst genommen werden.
    Allerdings darf der BID auch veröffentlichen, was er will, schließlich ist er ein Verband von Vereinen. Hypokritisch finde ich nur, dass dieses Papier überhaupt zur Diskussion stand, wenn die Diskussion dann doch nicht ernst genommen wurde.

  • Dörte Böhner

    Hallo Karsten,

    wie fachlich fundiert diese Sachen sind, ist die andere Seite der Medaille, aber im Vergleich zum ersten Teil scheinen sich wenigstens einige Leute Gedanken gemacht zu haben. Die Autoren haben hier versucht schon irgendwo klar zu sagen, was sie möchten. Problematisch ist, dass gerade aus bestimmten Bereichen, z.B. den Fachhochschulen (Unis mal nicht beachtet, weil ich das nicht einschätzen kann)keine Experten hinzugezogen worden sind und dort eine Diskussion erst nach der vollendeten Diskussionsrunde im Netz entstanden sind. Dennoch möchte ich den Überlegungen nicht jegliche fachliche Erfahrung absprechen. Sie sind ausgedrückt worden, wenigstens das.
    Dass wir uns in dieser Hinsicht schon in vielen Dingen mit so wenig zufrieden geben müssen, zeigen deine oben aufgeführten Publikationen leider auch. Wir müssen vielleicht uns und Bibliotheken weniger ernst und wichtig nehmen, damit wir mit spielerischer Leichtigkeit neue Ideen entwickeln, die dann doch zukunftsorientierter wirken, ohne schwer und behäbig zu sein. Sicherlich sind die “21 guten Gründe” dafür ein Versuch, leider doch eher ein im Voraus gescheiteter.

    Die eigentliche Verweigerung zur Diskussion und dem Umgehen mit den Diskussionsergebnissen finde ich problematisch. Eine Diskussion anzufangen, heißt auch, aus der entstandenen Kritik Schlüsse zu ziehen und sie umzusetzen. Hier darf man dann nicht halbherzig und unter Zeitdruck handeln. Sicherlich sind Fristen sinnvoll, aber nur dann, wenn sie so gestaltet werden, dass eine Diskussion auch in einem geeigneten Kompromiss endet. Hier hatte man eher das Gefühl, man ist so dermaßen überzeugt von dem was man da zusammengeklaubt hat, dass man für alles andere taub geworden ist. Schade, weil doch sicherlich viel Arbeit in diesem Papier steckt.

    Zu deiner Lieblingsfrage nach “BEA”. Ein wenig mehr Absprache in vielen Bereichen würde glaube den Bibliotheken nicht schaden. So bleibt der Erfolg von Millionen häufig doch davon abhängig, ob jemand auf ein Projekt aufmerksam wird, ob sich Bibliotheken zufällig für die Zusammenarbeit finden oder nicht. Koordination durch eine solche Agentur könnte in einigen Fällen sicherlich auch die ein oder andere Doppeltentwicklung verhindern. Das ist eine interessante Diskussion, die du damit aufwirfst, die aber dann hier in einem eigenen Beitragszweig diskutiert werden sollte, um ihr mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

  • Katharina

    Man sollte nicht diskutieren wenn man kein ernsthaftes Interesse an den Ergebnissen hat, bzw. sollte man es auch lassen wenn die Zeit fehlt diese Ergebnisse auszuwerten und einzuarbeiten.
    Außerdem finde ich sollte man auch endlich mal anfangen Papiere für den alltäglichen Gebrauch zu entwickeln die sich in der Realität auch umsetzen lassen. Keine der oben genannten Papiere konnten in die tägliche Realität der Bibliotheken übernommen werden oder verwirklicht werden. Man schreibt Fantasiegebilde nieder von denen man bereits von Anfang an weiß das sie sich schwer umsetzten lassen.
    Zu Karsten’s Lieblingsfrage: Hatten wir so was ähnliches nicht schon mal? Vor dem Hintergrund dieser Tatsache denke ich das sich so etwas schlecht realisieren lässt. Zumal man mit der Frage rechnen muss: Wo zu, ohne ging es doch auch? Aber Dörte hat Recht die Frage nach dem “BEA” führt in diesem Zusammenhang zuweit. Wobei diese Diskussion nicht uninteressant ist.

  • Dörte Böhner

    Ich glaube, wir brauchen schon Visionen, in welche Richtung sich die Bibliothekswelt entwickeln soll und wir brauchen Visionen, wie wir das Ganze umsetzen wollen. Darauf zu verharren, dass die Situation so, wie sie ist, schwer genug zu bewältigen ist, ist der falsche Weg. Sicherlich müssen wir versuchen, eine Sprache zu finden, die von Politikern verstanden wird, eine Sprache zu finden, die von Kindern verstanden wird, eine Sprache zu finden, die von Studenten, von Professoren oder Geldgebern verstanden wird. Nicht jedoch funktioniert das, wenn man versucht, das in einem Papier zu erledigen. Dafür fehlt uns das :ei: des Kolumbus.