Ruhige Antwort auf den Heidelberger Appell

Ben Kadens Antwort auf den Heidelberger Appell ist so umfassend und meines Erachtens unbedingt lesenswert, dass er nicht in meinen Twitter-Links untergehen soll.

Kaden, Ben: Hunde, sollen sie ewig stehlen? Der Heidelberger Appell und sein argumentatives Umfeld auf Kontext

Wissenschaftlicher Diskurs sieht jedenfalls irgendwie anders aus. Aber darum geht es bei der Gruppenhysterie wohl auch nicht.

Weiter lesenswert:

Steinhauer, Eric: Heidelberger Leimrute auf Wissenschaftsurheberrecht

Graf, Klaus: Heidelberger Leimruten auf Archivalia

Mein Beitrag: Hilflosigkeit und Ohnmacht auf Verlegerseite hier im Blog

Dietrich, Frank P.: Wissen will frei sein, Leserbrief in der TAZ

Spielkamp, Matthias: Open Excess: Der Heidelberger Appell auf Perlentaucher.de

Kaden, Ben: Auf dem Apellplatz: Die Urheber rufen zur Rettung der Zukunft. im IBI Weblog

Helfrich, Silke: Öffentlich finanziert – privat kassiert im CommonsBlog

Roland Reuß im Kreuzzug gegen Open Access auf Netzpolitik.org

Pfennig, Thilo: GoogleBooks in der Kritik via Ritinardo

Dresdener E-Books lassen auf sich warten

Mitte 2009 war die Markteinführung des in Dresden gefertigten E-Book-Lesegerätes der Firma Plastic Logic angekündigt worden. Nun soll der Reader Januar 2010 zur Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas präsentiert werden.

Der Herrsteller führt drei Gründe für die Verschiebung des Marktauftritts an. So hatte sich bereit der Start der Produktion der Kunststoff-Lesemappen verschoben. Auch wird die Verschiebung mit dem “gegenwärtigen Marktumfeld in den USA und Europa”erklärt, das momentan für ein neues elektronisches Gerät nicht geeignet ist. Plastic Logic möchte außerdem weitere Funktionalitäten als ursprünglich angekündigt in den Reader integrieren.
Drei Gründe führte Lichten für den verspäteten Marktauftritt an: Der

Der Reader soll in einem etwa A4-großem Format (22 x 28 cm) geliefert werden. Die Schirmfläche fällt durch einen Rahmen etwas kleiner aus. Man setzt natürlich auf die E-Ink-Technologie, anders als jedoch bei den Readern von Sony und Amazon verwendet man kein Silizium sondern Plastik. Dadurch wird das extrem dünne Display auch sehr flexibel. Zum aufrollbaren Display reicht es aber noch nicht. Ähnlich wie beim Kindle wird das Gerät drahtlos bespielt. Und ganz wie beim Flepia lässt es sich mittel einer Touch-Oberfläche gestisch steuern.

Hoffen wir, dass dieses Gerät mit den neuen Implikationen die Anforderungen der wissenschaftlichen Community beachten wird, wie die Möglichkeit Anmerkungen zu machen oder Zitate zu markieren, denn die bisherigen Geräte von Sony und der Kindle haben diese Funktionalitäten nicht.

Quellen
Elektronische Lesegeräte aus Dresden kommen später via heise online
Plastic Logic: Lesegerät kommt erst 2010 auf DNN online

Hilflosigkeit und Ohnmacht auf Verlegerseite

Bei Textkritik heißt es:

Das verfassungsmäßig verbürgte Grundrecht von Urhebern auf freie und selbstbestimmte Publikation ist derzeit massiven Angriffen ausgesetzt und nachhaltig bedroht.

Und da passt die Googlepolitik und die OA-Politik hinein. Oh Schreckgespenst: Nur einmal eine lächerliche Entschädigung von 60 $ pro eingescanntem Buch von Google? Deutsche Verleger reagierten darauf beunruhigt mit einen öffentlichen Appell.

Die ersten Unterzeichner des von Manfred Meiner, Vittorio Klostermann und KD Wolff zusammen mit dem Heidelberger Literaturwissenschaftler Roland Reuss Schreibens sind der Zeit-Herausgeber Michael Naumann, der Chef des Carl Hanser Verlags Michael Krüger und namhafte Autoren wie Daniel Kehlmann (“Die Vermessung der Welt”), Sibylle Lewitscharoff (Preis der Leipziger Buchmesse) und der Konstanzer Bibliothekar Uwe Jochum. Dies sind nur einige der bisher 253 Unterzeichner (Stand: 23.03.09, 23.00 Uhr).

Der Aufruf sieht das deutsche Urheberrecht durch international agierende Firmen ausgehöhlt und auf Dauer bedroht. Google und Youtube werden als Plattformen illegal hochgeladener Inhalte angesehen, mit deren Hilfe geistiges Eigentum entwendet wird.

In der Frankfurter Rundschau ist ein Feuilleton des Literaturwissenschaftlers Roland Reuss veröffentlicht worden. Hier äußert Reuß sich in einer propagandistischen Art und Weise zu Googles sicherlich nicht immer korrekten Art und Weise im Umgang mit Werken. Untermalt wird dies mit eine Totenkopfmaschinenmaske Google als “Bücherfresser”. Geschmacklos war das erste, was mir dazu einfiel.

Geschmacklos und wenig objektiv ist auch die Wortwahl mit dem das beschrieben wird, was Google Books macht. Schamlos, Enteigner, angeblich, freibeuterisch, grenzenlos, bedingungslos, Gier, ad acta legen, lethargisch, gedankenlos, alternativlos, Prostitution, Schlange, gewaltsam, Kollateralschäden – dies alles sind Begriffe aus dem Wortarsenal, mit dem Reuss allein auf der ersten Seite auf unbedarfte und leider vielleicht auch uninformierte Leser schießt. Nach einer sachlichen und zweckdienlichen Auseinandersetzung mit einem Problem klingt das nicht.

Im Gegenteil, der Artikel hinterlässt den Eindruck, dass hier jemand hilflos und überfordert um sich schlägt, weil ihm irgendwie nicht jeder Recht gibt und ihm Felle und Argumente schwimmen gehen. – Bei dieser Wortwahl merke ich, dass ich ebenso wie bei dem propagandistisch längst nicht mehr sachlich bin. Wenn ich jedoch nicht mehr in meinem subjektiven Empfinden sachlich bleiben kann, sollte ich diesen Beitrag eigentlich nicht weiterschreiben, um nicht auf die gleiche Stufe zu rutschen wie Herr Reuss.

Im Zentrum des Appells steht daher die Forderung an die Bundesregierung, das “bestehende Urheberrecht entschlossener und mit allen Mitteln” zu verteidigen.

Dies kann jedoch nicht die Antwort auf die sich ändernden Rahmenbedingungen sein. Die Informationswelt ist geprägt durch neue Möglichkeiten, wo der Leser sehr schnell selbst zum Autor wird, und neuen Anforderungen, z.B. E-Books oder auch die immer stärker werdende Digitalisierung. Man muss sicherlich nicht jeden Trend mitmachen, aber sich von vornherein vor den Neuerungen zu verschließen und auch nicht die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass andere wie die “Allianz deutscher Wissenschaftsorganisationen” für ihren Bereich gewichtige Argumente haben, kann auf Dauer tödlich für die Branche und Autoren sein, die hier nicht mit Schritt halten.

Ich habe im Zusammenhang mit dem Internet und der dort stattfindenden Veränderung der Medienwelt nicht ein einziges Mal das Wort “Medienevolution” gehört. Immer hatte sich da wohl der kleine Buchstabe r (Medienrevolution) eingeschlichen.

Eine Steurung der derzeit stattfindenden Veränderungen ist notwendig. Aber Steuerung heißt nicht das Steuerrat stur auf Kurs zu halten, weil die nächste Monsterwelle (Veränderung) das Schiff damit von der Seite erwischen und unter Wasser drücken könnte. Man muss auch Gegensteuern und in diesem Fall ist der Artikel von Reuss wohl als ein panisches Übersteuern zu werten.

Solche Artikel wie dieser von Herrn Reuss gehören in diese Diskussion genauso wenig wie ein all zu blauäugiger Umgang mit Open Access. Beides schadet der Wissensgesellschaft und ihrer Zukunft mehr als dass es hilft.

Quellen
Reuss, Roland: Enteignet die schamlosen Enteigner! via Frankfurter Rundschau Online
Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte Institut für Textkritik
Schärferes Urheberrecht versus Künstlersozialabgaben für Google via heise online