Möchten Bibliotheken so gesehen werden?

Wir beklagen uns über ausbleibende Nutzer und immer mehr geschlossene Bibliotheken. Wir kommen negativ in der Presse herüber und dann arbeiten einige scheinbar auch noch aktiv weiter an diesem verstaubten Image, wie der Artikel der Volksstimme über den 7. Bibliothekstag des Landes Sachsen-Anhalt verdeutlicht:

Kein DVD-Verleih, sondern Besinnung auf das Kerngeschäft

Wie wollen wir unsere Daseinsberechtigung begründen, wenn wir anfangen, Abstriche dort zu machen, wo sich unsere Nutzer befinden?

Auf dem 7. Bibliothekstag wurde am 28.04. in der Stadt- und Kreisbibliothek Haldensleben schwerpunktmäßig über ein moderns Qualitätsmanagement gesprochen. Der Landesverband der Bibliotheken lud zusammen mit dem Landesverwaltungsamt BibliothekarInnen ein, um ihnen das derzeit laufende Projekt eines Qualitätsmanagement-Verbundes vorzustellen und schmackhaft zu machen. Mit einer Zertifizierung von Bibliotheksangeboten soll die Servicequalität der teilnehmenden Bibliotheken erhört und eine größere Kundenzufriedenheit erreicht werden. Das Projekt endet Juni 2011.

Wer über die Qualität der Angebote spricht, muss sich auch mit denjenigen auseinandersetzen, welche zukünftig durch die Bibliotheken erbracht werden und die den Nutzer in die Bibliothek locken sollen. Ein Qualitätsmanagement kann dabei helfen, die Bibliotheken im Land besser aufzustellen. Es wird gerade auch vor dem realen Hintergrund der Sparzwänge des Landes, der Landkreise und Kommunen notwendig. Einsparungen haben fast abenteuerliche Züge, da häufig nicht mehr fachliche Überlegungen bei Entscheidungen im Vordergrund stehen.

In Sachsen-Anhalt gibt es 206 kommunale Bibliotheken. Eine statitische Zahl, die sicher den Eindruck vermitteln kann, dass das Land damit gut aufgestell ist. Doch sind zunehmende Anpassungen an den demografischen Wandel des Landes notwendig, denn der Alterdurchschnitt steigt stetig. Auch die finanziellen Rahmenbedingungen werden schlechter, während die Ansprüche der Nutzer wachsen und auch die eigenen Qualitätsansprüche sich ändern.

Ein Thema ist sicherlich die Leseförderung, die nicht nur in Sachsen-Anhalt ein großes Thema in den Bibliotheken ist. Lesungen von Autoren, Lesenächte, Buchbesprechungen sind nur einige Angebote, die man hier aufzählen könnte. Thomas Leimbach, Präsident des Landesverwaltungsamtes, riet den Besuchern des Bibliothekstages dann jedoch dringend davon ab, sich noch mehr auf den DVD-Verleih oder Computerspiele zu verlagern.

Als ich diese Aussage gelesen habe, musste ich sehr tief durchatmen.

” Ich sage Ihnen, die mediale Vielfalt wird Sie erschlagen. Nötig ist eine Rückbesinnung auf das Buch, auf das Kerngeschäft “, so Leimbach.

Verzeihung, so bitte nicht. Bibliothken müssen sich der medialen Vielfalt stellen. Wie sollen sie auf Dauer Lotse in einer immer weiter diversifizierten Medienlandschaft sein, wenn Sie sich auf “Bücher” beschränken sollen. BibliothekarInnen müssen sich auskennen in dieser Landschaft, um den steigenden Anforderungen an sie gewachsen zu sein. Das bedeutet aber auch, den Leser mit den “gefilterten” Angeboten zu füttern, ihn aber nicht einzuschränken. In freier Mediennatur wird er sich mehr oder weniger auch damit auseinandersetzen müssen. Bibliotheken beschäftigen sich nicht umsonst mit Themen wie Informations- und Medienkompetenz. Das sind Aufgabenfelder, in denen Sie meiner Meinung nach Services anbieten können und die deutlich machen, dass sie eine Daseinsberechtigung haben. Leseförderung ist nur ein kleiner, unbestritten notwendiger Teil innerhalb der bibliothekarischen Arbeit als “Bildungseinrichtung”.

Jürgen Plienninger überträgt die Forderung von Herrn Leimbach eindrücklich auf den Daimler-Konzern und zeigt, wie absurd diese ist.

Wenn zum Daimler-Konzern keine Flugzeuge (DASA), keine Haushaltsgeräte (AEG) mehr gehören, dann hat sich der Konzern strategisch auf sein Kerngeschäft, nämlich den Autobau, zurückgezogen.

Hoffentlich haben viele der Kollegen vor Ort damals heftig protestiert. So gesehen zu werden, als Bücherangebotsanstalt… Nein Danke!!! Das wäre die einfachste Möglichkeit, Bibliotheken bald ganz wegzurationalisieren, denn Buchvorstellungen, Autorenlesungen und Lesenächte können genausogut vom Buchhandel, Volkshochschulen und Theatern organsiert werden.

Aufmerksam geworden über:
Plieninger, Jürgen: Rückbesinnung auf das “Kerngeschäft”?, netbib weblog

Quelle:
Lüthe, Ivar: Kein DVD-Verleih, sondern Besinnung auf das Kerngeschäft, Volksstimme.de