Im „Märchen-Zentrum“ ist die Hölle los!

Eigentlich kann sich jede Bibliothek glücklich schätzen, wenn sie ihre Daseinsberechtigung mit phantastischen Nutzer- und Ausleihzahlen rechtfertigen kann. In Berlin werden diese aber immer mehr zum Problem. Das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, welches schnell den Spitznamen „Märchen-Zentrum“ erhielt, ist die am 12.Oktober 2009 eröffnete neue Zentralbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin. Mit dieser bekommt die UB der HU erstmals in seiner Geschichte ein eigenes Gebäude. Vorher war sie 100 Jahre Untermieterin in der Staatsbibliothek zu Berlin. Mit dem Neubau kehrt die UB außerdem zurück in die unmittelbare Nähe des Campus in Mitte.

Das momentane Hauptproblem der Bibliothek sind ihre Nutzer. Diese haben die Bibliothek mehr als nur gut angenommen: sie stürmen die UB geradezu. Hätte man mit diesem Ansturm rechnen müssen? Diese Frage kann man sowohl mit Ja als auch mit einem Nein beantworten. Ja, in dem Sinn, dass in das neue Gebäude der UB zahlreiche Zweigbibliotheken integriert wurden, darunter die Bibliotheken sehr lese-intensiver Fächer wie Geschichte oder Philosophie. Nein, wenn man bedenkt, dass man die Platzkapazitäten mit etwa 1200 Lesesaalplätzen mehr als verdoppelt hat. Dennoch scheinen diese nicht auszureichen. So musste die Bibliothek Anfang Mai 2010 bekanntgeben, dass es ab sofort nicht mehr möglich ist, Einzelarbeitsplätze zu reservieren. Diese sind bis ins nächste Jahr ausgebucht. Doch nicht nur die Einzelarbeitskabinen sind ausgebucht, auch im Lesesaal findet man dieser Tage selten ein freies Plätzchen.

Mittlerweile wurde das Platzproblem sogar durch die Presse wahrgenommen. Diese berichtet von Quotierungen, gar ominösen Parkscheiben, verschobene Abgabeterminen von Hausarbeiten und Protesten von Studenten anderer Hochschulen. Was ist los im „Märchen-Zentrum“?

Ganz einfach: Die Bibliothek ist beliebt und das nicht nur bei den eigenen Studenten, sondern auch bei externen Nutzern. Diese Leser stürmen vermehrt in die UB, seit man in der Staatsbibibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin (Stabi) ein Hauptmagazin wegen einer Asbestsanierung schließen musste. Das führte dazu, dass man bereits kurz nach Öffnung der Bibliothek keinen Platz im Lesesaal mehr findet. Deswegen sah man sich von Seiten der Bibliotheksleitung gezwungen, nach Lösungen zu suchen.

Die erste Maßnahme, die ergriffen wurde, war die Einführung einer „Pausenscheibe“. Deren Umsetzung ist relativ simpel und orientiert sich an der Parkuhr fürs Auto. Jeder Nutzer erhält eine, bevor er seinen Arbeitsplatz einnimmt. Wenn er diesen verlässt, muss die Uhrzeit eingestellt werden. Ist man nach einer Stunde nicht an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt, wird dieser vom Bibliothekspersonal geräumt. Ein Nachteil dieser „Pausenscheibe“ ist mit Sicherheit der Personalmehraufwand, der hierbei notwendig wird. Anderseits blockiert niemand mehr stundenlang einen Platz, ohne ihn direkt zu nutzen. Die „Pausenscheibe“ für die Bibliothek ist also eine ganz sinnvolle Sache und würde sicher auch in anderen Einrichtungen Sinn machen.

Als Nutzer des Berliner Bibliotheksnetzes fällt mir hier sofort die Stabi ein, die dies unbedingt einführen sollte. Besonders im Lesesaal am Potsdamer Platz macht es sich eine Spezies namens Phantomleser gern gemütlich. Egal wann man den Lesesaal betritt, er ist schon da und belegt frech mit Kleidungsstücken, Büchern sowie seinem Laptop einen kompletten Tisch. Nur sehen tut man diesen Leser nie, auch nicht, wenn man stundenlang ihm gegenüber in der Bibliothek arbeitet. Hier entsteht oft der Eindruck, dass sich hinter den Phantomlesern Nutzer verbergen, die auf Biegen und Brechen ihre monatlichen Nutzergebühren absitzen wollen und wenn nur in Form einer Jacke. Dieser Nutzer hat zumindest in der UB der HU keine Chance mehr. Mal ehrlich, er ist für die restlichen Nutzer, die wirklich in der Bibliothek arbeiten wollen, einfach nur lästig.

Die Eingeführte „Pausenscheibe“ hat, meiner Meinung nach, mit einer Stunde eine äußerst großzügig bemessene Zeitspanne. In dieser Zeit schafft man es locker auf die Toilette, zum Essen oder auf eine Zigarette vor das Gebäude. Das Problem im Fall des „Märchen-Zentrums“: Es hat nicht wirklich etwas gebracht. Immer noch kann man problemlos ein Schild „Wegen Überfüllung geschlossen“ vor der Bibliothek auf hängen.

Die immer noch sehr gespannte Situation in der Bibliothek erreichte in Form von Protesten seitens der Dozenten, welche immer öfter mit verstörten Studenten kämpfen müssen, die nicht in die Bibliothek gekommen sind und daher ihre Arbeiten nicht schreiben konnten, bis zur Universitätsleitung. Die Folge war eine Quotierungen der Lesesaalplätze. Damit stehen die Plätze auf der zweiten bis zur vierten Etage nur HU-Angehörigen zur Verfügung. Die externen Nutzer erhalten somit eine Etage mehr, auf der sie die Lesesäle nutzen können. Als Folge hagelte es Proteste seitens der Studierenden der Freien Universität, die seit Schließung des Stabi-Magazins vermehrt auf die Bestände der UB zurückgreifen. Das führte dazu, dass man diese Quotierung kurzzeitig wieder rückgängig machte, doch Anfang Mai, nach erneuten Protesten der eigenen Studenten und Mitarbeiter, wieder einführen musste.

Ich persönlich finde diese Verfahrensweise richtig. Das Grimm-Zentrum ist die Zentralbibliothek der HU und hat in diesem Sinn in erster Linie die Versorgung der eigenen Studenten und Mitarbeiter sicherzustellen, zumal die nicht mehr auf die jeweilige Zweigbibliothek zurückgreifen können, da diese in der UB aufgegangen sind. In diesem Sinne ist es eigentlich schon mehr als großzügig seitens der Bibliotheksleitung, dass den externen Nutzern eine Etage mehr als den eigenen Nutzern zusteht. Meiner Meinung nach sollte es eher umgekehrt sein, denn die Studierenden und Mitarbeiter der Humboldt-Universität sind schließlich die Hauptklientel der Bibliothek.

Ein Problem, welches in dieser Situation deutlich sichtbar wird, sind die knappen Rahmenpläne in denen sich die neuen Studenten heute bewegen. War es im Magisterstudiengang noch möglich, in Absprache mit dem Dozenten, individuelle Abgabetermine festzulegen, gibt es diese Möglichkeit im Bachelor- und Masterstudium nicht. Der Studierende schreibt auch nicht mehr zwei bis drei Hausarbeiten pro Semester, sondern eher vier bis fünf und alle müssen zur gleichen Zeit fertiggestellt werden. So bleibt durchschnittlich ein bis zwei Wochen pro Arbeit und keine Zeit, noch vier Wochen auf die Buchbestellung in der UB zu warten. Das direkte Literaturstudium in der Bibliothek lässt sich somit gar nicht vermeiden. Hierbei sind die leseintensiven Studiengänge meist auch noch die mit den meisten Studenten. Dies kann nur eine Kapazitätenknappheit in der UB nach sich ziehen.

Doch nichts scheint zu helfen, weder die „Pausenscheibe“ noch die Quotierung der Plätze. Als letzte Konsequenz drohen nun wohl Gebühren für externe Nutzer. Diese würde besonders hart die Studenten der anderen Hochschulen treffen. Gespräche über eine Einführung gab es bereits im Akademischen Senat, sie sollen jedoch das letzte Mittel sein. Ob diese das Problem dann lösen, ist fraglich, aber eins ist gewiss: Es wird bestimmt wieder Proteste der externen Nutzer geben.

Erstaunlich finde ich in dieser Situation, dass an keinem Punkt darüber diskutiert worden ist, ob die Lesesaalplätze von Anfang an zu gering bemessen wurden. Vielleicht ist dies aber auch der Fall, weil diese Diskussion müßig wäre und das Problem nicht lösen kann, zumal man auch einfach mal sagen muss: im Nachhinein kann man alles besser machen, jedoch kann niemand grundsätzlich alle möglichen „Katastrophen“ im Vorhinein bedenken. Denn wer konnte denn bereits bei der Planung ahnen, dass man in der Stabi Asbest findet. Für die Studenten und Mitarbeiter kann man nur hoffen, dass sich die Situation spätestens dann entspannt, wenn die Stabi wieder in vollem Umfang nutzbar ist. Das wird allerdings dauern.

Quellen:
Beikler, Sabine: Unter strenger Beobachtung: In Tagesspiegel vom 08.02.2010.

Warnecke, Tillmann: Bibliothek zu voll: HU quotiert Plätze (http://www.tagesspiegel.de/wissen/bibliothek-zu-voll-hu-quotiert-plaetze/1805858.html): In Tagesspiegel vom 22.04.2010.

Warnecke, Tillmann: Gebühren für Bibliothek der HU? (http://www.tagesspiegel.de/wissen/gebuehren-fuer-bibliothek-der-hu/1815152.html): In Tagesspiegel vom 06.05.2010.

21 Kommentare

  • Ich finde es bei der ganzen Diskussion um das Grimm-Zentrum sehr interessant, wie allen Kassandra-Rufen zum Trotz die Bibliothek als Ort ihre Bedeutung behält und man muss ja schon fast sagen: verstärkt. Denn die digitale Verfügbarkeit eines Mediums allein scheint kein ausreichender Grund zu sein, die Bibliothek nicht aufzusuchen. Vielmehr ist es ein diffuses und scheinbar schwer entwirrbares Konglomerat aus informationswissenschaftlichen, gesellschaftlichen, soziologischen und psychologischen Aspekten, das die Nutzer dazu bewegt, die Bibliothek weiterhin physisch aufzusuchen.
    Ich bin mal gespannt, wie sich diese Diskussion bei der UB der HU noch entwickeln wird.

  • Olaf Eigenbrodt

    Das Problem bei der Platzbemessung sind hier die Vorgaben, die gemacht werden. Als Beispiel nenne ich hier mal die sehr lesenswerte HIS-Publikation zur Ressourcenplanung von Hochschulbibliotheken (2005) leider vergriffen aber Open Access unter: http://www.his.de/pdf/pub_hp/hp179.pdf
    Die Bemessungsgrundlagen, die dort für Arbeitsplätze in Bibliotheken genannt werden, wurden durch alle Neubauten der letzten Jahre (nicht nur in Berlin) widerlegt. Der neue DIN-Fachbericht 13 ist da etwas großzügiger, weil er die Bibliothek ausdrücklich auch als Lernort und sozialen Raum begreift. Die Herausforderung bei allen laufenden und zukünftigen Baauprojekten wird sein, wie man die Alltagserfahrung überfüllter Bibliotheken gegen die für Planer und Unterhaltsträger zugänglichen Bedarfszahlen positioniert.

    • Dörte Böhner

      Die Bedeutung der Bibliothek als Lernort ist in den letzten Jahren doch zunehmend in den Vordergrund getreten. Ein Grund, der sicherlich eine Verstärkung dieses Vorganges verursacht bzw. in Gang gesetzt hat, ist der Bologna-Prozess. Vermutlich war bei der Planung des Grimm-Zentrums eine solche Notwendigkeit zur Schaffung von “Lernraum” noch nicht ganz offensichtlich, aber gab es nicht entsprechende Indizien im europäischen Umfeld, die einen Trend zu einer intensiveren Nutzung der Bibliothek erkennen ließen?

  • Katharina Lachmann

    Sehr geehrter Herr Eigenbrodt,

    vielen Dank für den Hinweis auf die Publikation.
    Ich denke die Planung eines Lesesaals ist wohl die größte Herausforderung bei der Konzeption einer solchen Bibliothek. Die dabei vorgegeben Zahlen können helfen, doch sie sind nun mal kein Orakel. Egal wie gut die Planung ist, am Ende entscheidet doch der Nutzer, ob er diesen annimmt oder nicht. Die weiteren Umstände, wie in diesem Fall die Schließung eines Magazins der Stabi, kann man einfach nicht vorhersehen und somit auch schlecht in eine Planung einbeziehen.

  • Dörte Böhner

    @Klaus Graf
    Der Beitrag soll eine Diskussions anregen. Wer sollte im Hauptaugenmerk einer UB stehen? Mitarbeiter der UBs verstehen meist die Angehörigen der eigenen Uni als primär zu bevorzugende Nutzer, denn danach werden räumliche und personelle Kapazitäten geplant und finanziert. Danach kommen Schüler als potentielle Studierende der Universität und Forschende, die das Rennomee der Universität und damit der Bibliothek verbessern und danach kommen allen anderen.

    Natürlich werden die Angebote der UB aus öffentlichen Mitteln finanziert und ganz deutlich wird im Beitrag gesagt: “Als letzte Konsequenz drohen nun wohl Gebühren für externe Nutzer.” Doch bis es soweit kommt, werden sicherlich noch viele Diskussionen geführt werden und vermutlich werden weitere Alternativen ausgelotet. Doch muss sichergestellt werden, dass Studierende der Humboldt-Universität die Möglichkeit haben, in angemessener Zeit ihr Studium zu beenden, d.h. die UB muss für sie gut nutzbar sein. Dass hier bei der Raumplanung etwas schief gelaufen ist, ist nun mehr als offensichtlich, wird jedoch in absehbarer Zeit nicht gelöst werden können.

  • Es ist absolut indiskutabel, externe Nutzer und Hochschulangehörige gegeneinander auszuspielen. Im Bereich des Remote Access denken auch solche Hochschulbibliotheken, die sich lächerlicherweise Landesbibliotheken nennen, ausschließlich an die vermeintlich eigene Klientel und nicht an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die das Geld geben, damit die Happy Few nutzen können. Und beim Remote Access gibts nicht wie beim HU-Beispiel Platzprobleme. Die Misere einer benutzerfreundlichen Literaturversorgung für die wissenschaftlich Interessierten in Berlin ist das Problem, und von daher ist es selbstsüchtig und kurzsichtig, was hier von Lachmann und Böhner zu lesen war.

    • Dörte Böhner

      Ich habe nur eine Diskussion wiedergeben, die ich im Rahmen sinkender Geldmittel und Personalknappheiten immer wieder gehört habe. An keiner Stelle habe ich gesagt, dass es sich dabei um meine persönliche Meinung handelt. Eine Service-Lösung im Sinne eines zunehmenden Open-Access von Informationen ist zwar wünschenswert, aber der derzeitige Rahmen stimmt nicht. Dafür müssen wohl auch urheberrechtliche Rahmenbedingungen und ein Bewusstsein seitens der Wissenschaftler dafür aufgebaut werden. Dies lässt sich nicht mit einer Brechstange erzwingen. Die Humboldt-Universität engagiert sich hier auch im Rahmen einer eigenen Open-Access-Erklärung. Über Erfolge lässt sich natürlich auch hier immer streiten.
      Dass der Bibliotheksneubau des Grimm-Zentrums diverse Mängel aufweist, ist hier im Blog mehrfach aufgegriffen wurden. Auch die derzeit ergriffenen Maßnahmen müssen kritisch hinterfragt werden, doch sollte ein Kompromiss auch akzeptiert werden. In nächster Zeit wird keine räumliche Erweiterung des Baus möglich sein und den Studierenden der Humboldt-Universität sollte schon die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr Studium in einem angemessenen Zeitrahmen zu absolvieren, um für den Steuerzahler nicht noch teuerer zu werden.

  • Katharina Lachmann

    Sehr geehrter Herr Graf,

    auch ich bin gegen die Einführung von Gebühren, genauso wie die Leitung der Bibliothek. Aber “…man (kann) problemlos ein Schild „Wegen Überfüllung geschlossen“ vor der Bibliothek auf hängen” ist leider keine Übertreibung meiner seitens, sondern der momentane Zustand der sich dem Nutzer bietet und zwar seit Monaten. Was im in der Praxis bedeutet: Das sich bereits vor der Öffnung Schlangen vor der Bibliothek bilden und man ab einer gewissen Uhrzeit einfach keinen freien Platz mehr findet. Was die Zugänglichkeit für alle auch erheblich einschränkt, wenn sie mich fragen.

    Ich bin ebenfalls dagegen die externen Nutzern den Zugang gänzlich zu untersagen. Doch die am meisten über diese Quotierung “motzen” sind die Studenten der FU und hier sei die Frage gestattet: “Haben diese nicht eine eigene UB?” Außerdem ist diese nicht als Dauerzustand gedacht, sondern nur so lange bis auch wieder auf die Staatsbibliothek zugegriffen werden kann. Zudem zeigt sich bei der momentanen Situation in Berlin, wie schwer gerade die Studenten die Schließung eines Magazins der Stabi trifft. Und hier kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Als Student der Geschichtswissenschaft in Berlin kommt man um die Stabi nicht herum und Geschichte ist nicht das einzige Fach in dem das so ist. Die Studenten können ihre Arbeiten nicht fristgerecht abgeben und es hagelt massive Proteste, darauf musste die UB reagieren.

    Und um hier noch mal auf die eigenen Erfahrungen zurück zugreifen: Mich regen diese Leute auf, die Stundenlang nicht nur einen Lesesaalplatz, sondern einen komplette Tisch belegen ohne physisch anwesend zu sein. Genau so etwas soll mit der Pausenscheibe unterbunden werden und ich finde diese Lösung kreativ.

    Ich finde es bedauerlich das sie meinen Betrag so indiskutabel finden, denn eine sachliche Diskussion mit Ihnen über dieses Beitrag würde ich als äußerst spannend empfinden.

  • @Dr. Klaus Graf: was hat der Bibliotheksbau mit Open Access zu tun? Das sind zwei komplett unterschiedliche Dinge, die nicht miteinander vermischt werden sollen. Bibliotheken – und das wurde in der Diskussion schon mehrfach erwähnt – haben noch weitere Funktionen, als nur den Zugang zu “Büchern”. Sie sind in erster Linie ein realer Ort zu Informationen, bieten also Bedingungen zur Informationsbeschaffung. Dann sind sie vor allem auch ein sozialer und kommunikativer Ort. Hier geht es also um bauliche Gegebenheiten, nicht um Publikationsarten. Also was hat ein Bibliotheksbau mit Open Access zu tun?

  • Olaf Eigenbrodt

    Um an dieser Stelle mal ein grundsätzliches Missverständnis hinsichtlich der Flächenbedarfsberechnung für (öffentlich finanzierte) Bibliotheksbauten auszuräumen (gilt also nicht nur für den konkreten Fall sondern generell). Diese Berechnungen werden nicht von der Bibliothek (die im Planungsprozess meist als Nutzerin des Gebäudes läuft) angestellt, sondern von Unterhaltsträgern, Prüfbehörden und letzendlich auch den zuständigen Rechnungshöfen. Wenn man als Bibliothek das Glück hat, Einfluss auf diese Prozesse zu nehmen, dann kommt man vielleicht auf 1200 Arbeitsplätze, was dann vielen Außenstehenden bis zur Eröffnung als sehr hochgegriffen erscheint. Ich kenne aber viele andere Projekte, in denen in diesem Bereich während der Bauphase sogar noch gespart wurde, was aber nicht den Bibliotheken anzulasten ist. Wenn die Kennzahlen es also nicht hergeben, werden die Prüf- und Genehmigungsbehörden nach bestem Wissen und Gewissen immer die Zahl der Arbeitsplätze nach Kriterien der Wirtschaftlichkeit bemessen.

    In der Tat existiert in Berlin eine strukturelle Unterversorgung mit Bibliotheksarbeitsplätzen – und das trotz Staatsbibliothek, die ja nicht vom Land Berlin betrieben wird. Andererseits wird diese Unterversorgung gerade durch die Neubauten – auch an TU/UdK und FU wurde ja gebaut, bitte nicht vergessen – erst besonders sichtbar, da diese Anziehungspunkte für die Studierenden sind. Ich kenne in Berlin aber auch keine Bibliothek, die sich der Schaffung weiterer Arbeitsplätze verschließen würde (an der FU läuft aktuell ein Projekt, an der HU ist eines in Planung).

    Auch wenn ich glaube, das Herr Graf zum Zwecke der polemischen Zuspitzung seines Arguments die Beiträge falsch interpretiert hat, gebe ich ihm grundsätzlich Recht was die Forderung nach einem offenen Zugang der Hochschulbibliotheken angeht. Ich denke auch nicht, dass hier Gebühren wirklich die Situation entschärfen. Nur die, die es sich wirklich nicht leisten können, würden wegbleiben, alle anderen leiten aus den Gebühren eher eine Forderung nach einem Arbeitsplatz ab. Die Konflikte würden größer, ein Teil der Nutzer würde ausgeschlossen aber nichts wäre gewonnen.

    Ich beneide die Kolleginnen und Kollegen, die hier Entscheidungen treffen müssen nicht, schließlich sind sie zwischen widerstreitenden Interessen gefangen, die sich kurzfristig nicht vereinbaren lassen. Und darin stimme ich Frau Lachmann zu: Bisher haben sie das mit der nötigen Sensibilität und guten Ideen so gut es ging gemeistert (dies bitte nicht als Ausdruck alter Verbundenheit verstehen).

  • Dörte Böhner

    Passend zu der derzeitigen Diskussion gibt es eine Umfrage im Tagesspiegel, ob Universitätsbibliotheken von externen Nutzern Gebühren erheben sollen.

    Umfrage am rechten Rand

    Meine Antwort war übrigens: NEIN. Unhabhängig von der Problemlösungsdiskussion hier im Blog bin ich schon der Meinung, dass jedem, der wissenschaftlich arbeiten möchte, die Bibliothek zur Verfügung stehen muss. Die Rahmenbedingungen dafür sind jedoch ein weites Feld, welches eben einer Diskussion bedarf.