Aussonderungsprofis? – Bookfarm.de

Bookfarm.de verspricht beim “Abbau überschüssiger Buch- und Medienbestände” behilflich zu sein. Aussonderungen sind immer ein Problem. Falsch angepackt, können sich rasch heftige Diskussionen entfachen, nicht nur bei der Frage, ob Bücher schon ausgesondert werden müssen oder ob eine Aussonderung überhaupt gerechtfertigt ist. In Thüringen ist dies z.B. in dem nicht veröffentlichten (Inventarisierungsrichtlinie, Stand 1. April 2010, S. 15) “Runderlass Z2-003/95-13-24505-02 für den Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst zur „Aussonderung und Verwertung von landeseigenen beweglichen Sachen mit Ausnahme von Dienstfahrzeugen und Geräten der Informationstechnik (§ 63 ThürLHO)“ vom 20.06.2002, zu beziehen über Dez. 2” geregelt.

Ursache: Bibliotheken von Universitäten und Fachhochschulen müssen ihren Nutzern i.d.R. die aktuellste Literatur zur Verfügung stellen, unabdingbar bei Fächern wie Recht, Wirtschaftswissenschaften, Informatik usw. Sehr schnell – manchmal schon von einer Auflage zur nächsten – gelten Bücher dabei als veraltet. Neben den hohen Kosten für den Erwerb der neuen Literatur, bedeutet die veraltete Literatur häufig ein Problem in Bezug auf den Platz, den sie wegnimmt und die Kosten für die Entsorgung. Altpapierpreise sind im freien Flug, so dass die Bibliotheken statt ein wenig am Altpapier zu verdienen, zunehmend draufzahlen. Dies versucht das Antiquariat Bookfarm.de jedenfalls auf seinen Seiten zu vermitteln. Dem widersprechen aktuelle Mitteilungen, die deutlich machen, dass der Preis für das Altpapier sich eher verdoppelt hat.

Dennoch kommen auf Bibliothekare je nach Masse der Bücher weitere Kosten zu. So können Transportkosten auf die Bibliothek umgelegt werden. Ob wie die Firma behautet, für die Trennung von Beigaben, Folierungen, Etiketten (teure) Handarbeit notwendig ist, glaube ich nicht. Es gibt heute viele mechanische Trennungsverfahren, die eine vorherige Trennung per Hand überflüssig macht. Dieses Argument ist bei näherem Hinsehen für mich nicht haltbar.

Zu beobachten ist, dass dennoch in vielen Bibliotheken einige Regalmeter “Altlasten” vorhanden sind und Regal- und Magazinraum blockiert.

Magazin der Staatsbibliothek zu Berlin

Magazin der Staatsbibliothek zu Berlin, CC-Lizenz BY-SA 3.0, Wikimedia Commons

Um diese Bestände abzubauen, werden seitens der Bibliotheken häufig Bücherflohmärkte veranstaltet, die aber vom Personal vorbereitet werden müssen und bei denen zwar billig veraltete Literatur an die Studierenden verscherbelt wird, aber andererseits bleibt viel Material zurück. – Das Antiquariat spricht in diesem Fall von 10-20 Prozent des angebotenen Materials. Eine Entsorgung, die danach ansteht, passiert meistens dann heimlich über eine direkte Abholung, denn die Gefahr einer negativen Schlagzeile ist vielen zu naheliegend, wenn die Bücher über die reguläre Altpapiertonne erfolgt. Immer wieder muss man da mit einem Unverständnis seitens der Studierenden, Bevölkerung oder sogar der übergeordneten Verwaltung rechnen.

Bookfarm.de preist sich dabei als Lösung für dieses Problem an.

Hier kommt die Philosophie der Bookfarm zum Ansatz: wir wissen, dass die ausgeschiedenen Buchmassen der Bibliotheken ein enormes Informations- und Wissenspotential speichern, dass dem wissenschaftlichen Diskurs nicht verloren gehen darf. Auch die ältere Ausgabe eines wissenschaftlichen Buches kann für den Forschenden und Studierenden ein wertvolles Arbeitsinstrument darstellen.

Natürlich besticht das Angebot von Bookfarm.de auch durch den günstigen, von der Buchpreisbindung nicht mehr erfassten Beschaffungspreis für den Kunden. Bibliotheken setzen sich nicht dem Stigma der Buchentsorger aus und sorgen auch noch für die Schaffung von Jobs für “Buchfarmer”.

Um sich nicht dem Vorwurf, jeden Mist unter die Leute zu schmeißen, auszusetzen, werden die Bücher entsprechend durch Buchfarm.de in Sach- und Zustandsgruppen vorsortiert und zu stark gebrauchte Bücher zu Altpapier umgewandelt (“ausgesondert”). Danach setzt man auf eine “Relevanzprüfung” der besser erhaltenen Titel. Auflage und Verfügbarkeit sind dabei die Kriterien für die Erstellung eines Online-Angebotes. Dafür wird mit modernen ISBN-Scanverfahren gearbeitet. Zuletzt erfolgt noch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, wobei mittels einer eigens entwickelten Preisabgleichssoftware der billigste, d.h. “kompetitiveste” Preis ermittelt, um bei vergleichbaren Angeboten der preiswerteste Anbieter zu sein.

Was will Bookfarm.de? Eigentlich alle Arten von Fachliteratur der letzten 10-15 Jahre, möglichst natürlich vergriffene Bücher natürlich. Bibliotheken sollten eine kurze Excel-Liste an das Antiquariat senden, damit dieses sich einen Überblick über das Volumen verschaffen kann. Aber auch ganz alte Titel, Beiträge des klassischen Antiquariats, werden gerne genommen, unabhängig von Alter und Zustand. Für diese erfolgt ein marktorientiertes Angebot. Danach kommt ein Außendienstmitarbeiter, um den Zustand genauer unter die Lupe zu nehmen. Danach kann zwischen zwei Varianten seitens der Bibliothek gewählt werden.

  1. “Alles oder Nichts”-Lösung – höhere Handlingskosten seitens Buchfarmer.de für Personal, LKW, Entsorgungskosten für vollständig auszusondernde Literatur
  2. gezielt nach Sachgruppen aus Buchfarmer.de-Schwerpunkten im ausgewählten Konvolut – geringere Handlingskosten

Auf der Referenzliste von Bookfarmer.de sind die Universitätsbibliothek der Bundeswehr, die Universitätsbibliothek München, die Universitätsbibliothek Hamburg, die Universitätsbibliothek Bamberg und die Universitätsbobliothek Regensburg.

Etwas verwirrend wirkt es meiner Meinung nach schon, wenn Bookfarm.de mit einer Referenz über Bücherverkäufe wirbt, welche die UB der Ludwig-Maximilians-Universität dem Antiquariat “Amazonistan” ausstellt. Das darin erwähnte Antiquariat konnte ich nicht online ausfindig machen, während Bookfarm.de seine Angebote zumindest über ZVAB.de, Antiquariatsportal oder AbeBooks.de vertreibt. Auf anderen Plattformen findet man heraus, dass das Antiquariat ursprünglich wohl auch mal Antiquariat Bräuer hieß oder Teil dessen war (siehe Ende der URL: http://www.buchfreund.de/Antiquariat-Braeuer).

Das Geld für die so vom Antiquariat erworbenen Bücher wird nach Erstellung eines Vergütungsvorschlages bar bei Abholung ausgezahlt oder überwiesen. Buchhalterische und haushaltstechnische Vorteile verspricht Bookfarm.de jedoch mit seiner “bargeldlosen” Vergütung. Dabei beliefert das Antiquariat die Bibliothek mit Neubüchern aus einer Wunschliste im Gegenwert der vereinbarten Summe und unter Einberechnung eines marktüblichen Rabattes. (Ohne Kommentar)

Im Angebot von Bookfarm.de gibt es einige Unklarheiten für mich. Bestimmte Argumente sind veraltet. So ließ 2008 der Altpapierpreis zu wünschen über, heute ist er jedoch so hoch wie nie. Handarbeit wird für die Altpapierverarbeitung vorausgesetzt, die aber nicht notwendigerweise anfallen muss, dank neuer mechanischer Papiersortiermaschinen. Das größte Fragezeichen ergab sich aus dem verlinkten Referenzschreiben.

Wer hat Erfahrungen mit diesem Antiquariat? Ab welcher Grundmasse lohnt sich die Beauftragung des Antiquariats? Gibt es Erfahrungen, inwieweit eine derartige “Entsorgung” der ausgesonderten Bücher im Einklang mit den jeweiligen Aussonderungsrichtlinien der Länder, insbesondere von Thüringen besteht? Wie seriös ist das Unternehmen? Um es mit Aktenzeichen XY zu sagen: “Über sachliche Hinweise” wäre ich dankbar.