Es gilt noch viele Probleme bei der Deutschen Digitalen Bilbliothek zu lösen

Nächstes Jahr soll mit der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) ein gigantisches Online-Vorhaben starten. Das Internetportal der DDBN soll jedermann Zugriff zu hochauflösenden Bildern, Millionen Handschriften, Fotografien und anderen kulturellen Schätzen verschaffen. Dabei reichen ein paar Mausklicks, um zum Ergebnis zu kommen. Dabei soll das gesamte relevante Wissen, dass derzeit in Biblitoheken und Museen Deutschlands versteckt ist, zugänglich gemacht werden. Außerdem soll sich die DDB als Portal erweisen, über das man irgendwann auf das gesamte Wissen der Welt zugreifen können soll. Utopie oder nur eine extrem ehrgeizige Vision?

Momentan müssen die Macher der DDB jedoch mit vielen Problemen kämpfen und dafür Lösungen finden.

Im Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv sieht man heute schon die Chancen für die Wissenschaftler. So wäre es den Wissenschftlern eine erhebliche Erleichterung, wenn sie sich im Internet schon ein Manuskript anschauen können, bevor sie dann im Archiv mit dem Original arbeiten. Das würde das Original schonen, weil die Wissenschaftler noch besser vorbereitet damit arbeiten könnten.

Fasznierend dürfte sich die DDB auch auf Kunst- und Kulturinteressierte auswirken. Wollten Sie nicht schon mal die Handschrift Jeand Pauls bewunder oder sehen, welche Korrekturen Ludwig von Beethoven an seinen Diabelli-Variationen gemacht hat. Und haben Sie sich nicht schon mal die Frage gestellt, welche Schätze ungezeigt in den Magazinen der Museen schlummern?

Die Leiterin des Delf von Wolzogen und ihre Kollegen waren so begeistert von der Idee, ihre Bestände allen zugänglich zu machen, dass sie schon lange bevor von der DDB überhaupt die Rede war, anfingen, Originale ihres Archivs zu scannen. So waren 2002 bereits fast 20 000 Publikationen, darunter viele Fontane-Handschriften eingescannt. Sie waren Vorreiter und eigentlich zu schnell, denn die Technik, die sie vor knapp 20 Jahren nutzten ist heute veraltet und es fehlte an passenden Standards. So ist die Auflösung vieler Scans einfach zu gering. Um Masse zu schaffen, verzichtete man zunächst darauf, einzelne Aufnahmen zu katalogisieren, d.h. sie durchgängig mit Schlagwörtern, Seitenzahlen und Kapitelüberschriften zu beschriften. Damit können diese digitalsierten Archivalien kaum für die DDB nutzbar gemacht werden.

Und hier ist das Fontane-Archiv kein unglücklicher Einzelfall, denn viele Einrichtungen haben losgelegt und arbeiten auch heute noch ohne vernünftigen, auf ein großes Ganzes ausgerichteten Plan. Nun, verwunderlich ist das nicht, da die Bundesregierung erst 2009 beschloss, eine nationale digitale Bibliothek aufzubauen, zu einem Zeitpunkt, da unzählige Einrichtungen längst in eigenen Projekten ihre Kräfte bündelten. So ist das Konzept der DDB auch nicht darauf ausgelegt, zentral die Medien zu sammeln und für einheitliche Digitalsierungsrahmenbedingungen und -richtlinien zu sorgen, sondern ihr Auftrag ist es, eine Struktur zu schaffen, in der dann die bestehenden digitalen Beständer der Institutionen zusammengeführt werden sollen. So soll ein Internetportal geschaffen werden, das seinen Nutzern einen einheitlichen Zugang zu den Beständen der 30.000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen bietet.

Die Idee ist schwierig umzusetzen, da die einzelnen Institutionen, die bereits zwischen 120 und 150 Millionen Euro investiert haben, ihre Eigenständigkeiten bewahren möchten.

[…] es hakt heftig bei dem Versuch, die vorhandenen digitalen Bestände nun auch tatsächlich zusammenzuführen. Ein Grund dafür ist der deutsche Föderalismus.

In Brandenburg hat man aus den Erfahrungen des Fontane-Archivs gelernt. Dort gibt es bereits seit 2007 die “Brandenburgische Runde Digitalisierung von Kulturgut” mit Vertretern von Bibliotheken, Museen und anderen Bildungseinrichtungen, welche vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur gegründet wurde. In Planung befindet sich ein Landeskompetenzzentrum entstehen. Doch Kehrseite dieses Angebots ist, dass sie an der Landesgrenze halt macht und eine Koordinierung zwischen den Ländern weiterhin fehlt. Hier bedarf es einer zentralen Leitung. Kann dies die Deutsche Nationalbibliothek leisten, bzw. will sie es? Wenn nicht, gibt es andere Möglichkeiten, die von den Verantwortlichen in den Ländern angestrebt und akzeptliert werden kann? Oder muss erst eine entsprechende Einrichtung ähnlich des abgewickelten Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI) geschaffen werden?

Aus den Fehlern des Fontane-Archivs, wo man drauflosdigitalisierte, ohne einen Blick fürs Ganze zu haben und aus den Fehlern all der anderen Einrichtungen hat man nur bedingt Lehren gezogen. So hat man sich bis heute noch nicht auf ein ideales Format für Scans und Katalogisierungsdaten geeinigt. Und auch was digitalisiert werden sollte, ist noch nicht mal ganz klar. Benötigen wir Digitalisate desselben Buches, welches oft nicht nur in verschiedenen Institutionen, sondern auch in verschiedenen Ländern vorliegt. Keiner kann nachvollziehen, was bereits vorhanden ist, denn eine verlässliche Gesamtübersicht der Bestände gibt es nicht. So gibt es viele Scans bereits doppelt und dreifach. Und auch der Zugang derzeit ist oft schwierig oder von Außen gar nicht möglich, weil gar nicht bekannt ist, dass es das bereits digitale Scans gibt.

Die Schuldfrage an diesem Durcheinander ist nicht ganz so einfach. Sind die Museen und Bibliotheken schuldig, die fortschrittlich sein wollten und seiten Jahren dabei sind, ihre Bestände zu digitalisieren? Ist der Bund schuldig, der es nicht schafft, die Projekte ordentlich zu koordinieren? Sind es die fehlenden Strukturen in den Ländern, die einen Austausch untereinander erheblich erschweren?

Für die Macher der DDB ist klar, dass diese organisatorischen Probleme lösbar sind. Noch ein großes Thema sind die Verfahren der automatischen Bild- und Texterkennung, welche die Katalogisierung dieser Massen deutlich vereinfachen würden. Ein Verzeichnis der digitalisierten Bestände (Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke, ZVDD) der einzelnen Wissenschafts- und Kultureinrichtungen ist im Aufbau. Derzeit sind sich alle sicher, dass die DDB Ende 2011 online geht und wachsen wird. Dazu sollen Bund und Länder jährlich 2,6 Millionen Euro beisteuern. Diese Summe reicht für die Entwicklung und den Betrieb der Internetseite der DDB. Nicht finanzierbar sind damit jedoch weitere Digitalisierungen.

Die Finanzierung der neuen Digitalisierungen ist das größte Problem der DDB. Frankreich stellt dafür nach einem Beschluss von 2009 750 Millionen Euro zur Verfügung. Deutschland? Da ist an so eine Summe nicht zu denken. Da wird gekleckert statt geklotzt, so dass beispielsweise die Mitarbeiter im Fontane-Archiv ihre Fehler längst ausgebügelt haben wollten und die zu gering aufgelösten Bilder erneut eingescannt und die Katalogisierung abgeschlossen haben wollten. Doch es fehlt an Personal dafür und so werden ihre Digitalisate wohl nicht Teil der DDB.

Und nicht alle Kultureinrichtungen und Museen haben ein wirkliches Interesse, Teil der DDB zu werden und ihre Bestände in ausreichender Auflösung zugänglich zu machen. Hier denkt man über Zugangshürden nach, damit die Einnahmen auch zukünftig stimmen. Kritisch äußerte sich z.B. der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Prof. Hermann Parzinger zu dem Gedanken, alles kostenfrei zugänglich zu machen. Er benötigt eine Refinanzierung der Angebote, um seine Objekte zugänglich und erhalten zu können. So müssten neben den technischen und strukturellen Problemen auch ideelle Einstellungen gelöst werden. Von urheberrechtlichen Dingen will ich hier erst gar nicht sprechen, denn die Historie allein wird einen Erfolg der DDB meiner Meinung nach nicht möglich machen. Otto Normalverbraucher erwartet mehr als nur Nachweise und “alte” Kulturschätze.

Quelle,
Ehrich, Isso: 2011 geht ein Jahrhundertvorhaben ans Netz: die Deutsche Digitale Bibliothek, Märkische Allgemeine