Geldschneiderei oder notwendig? – Gebühren für Bestseller-Entleihungen

Wer heute schnell über eine Bibliothek in Deutschland einen Bestseller ausleihen möchte, sieht sich häufig mit einem gebührenpflichtigen Bestseller-Service konfrontiert. Diese Entwicklung ist schon seit einigen Jahren in vielen öffentlichen Bibliotheken in Deutschland zu sehen. Der Service richtet sich an alle, die es besonders eilig haben, einen Bestseller zu lesen. Für Musik-CDS, Filme, DVDs gibt es dieses Angebot auch. Dabei können die Bibliotheksbenutzer gegen eine zusätzliche Gebühr von 2-3 Euros diese Medien ohne Vormerkung und Wartezeit entleihen. Dieser Service ist dabei nicht ganz unumstritten.

Wie funktioniert das. Unmittelbar nach Erscheinen der Bestsellerlisten von Wochenmagazinen wie Spiegel und Focus oder überregionalen Tageszeitungen, wird eine ganze Exemplaranzal der Bestsellertitel erworben und eingearbeitet, um sie möglichst schnell für den Service zur Verfügung stellen zu können. Monika Ziller, Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands und Direktorin der Stadtbibliothek Heilbronn sieht in den Bestseller-Services eine wichtige Ergänzung des Angebots öffentlicher Bibliotheken, da die Medien auf diesen Listen in Bibliotheken auch sehr stark nachgefragt werden. Im Rahmen eines solchen Services ließe sich diese Nachfrage schneller und umfassender bedienen. Auch die Stadtbibliotheken und Köln und Würzburg haben positive Erfahrungen damit gemacht, zumal durch diesen Bestseller-Servie der Bestand um viel gefragte Titel erweitert werden könnte.

Ganz unproblematisch sind aber die hohen Gebühren nicht, wenn es um die Frage der Informationsfreiheit geht. So sieht der Arbeitskreis kritischer BibliothekarInnen “Akribie” zum einen eine unhinterfragte Unterstützung des Bestseller-Wesens, kritisiert aber auch die hohen Gebühren, die bei diesem Angebot erhoben werden.

„Gebühren für die Berechtigung zur Medienausleihe oder sogar für den Zutritt zu Bibliotheksbeständen stehen generell in einem Spannungsverhältnis zu dem grundgesetzlich garantierten Recht auf Informationsfreiheit“, erklärt Frauke Mahrt-Thomsen von Akribie. „Und ab einer gewissen Höhe sind sie nicht mehr mit diesem Grundrecht vereinbar.“

Stadtbibliotheken wie z.B. in Würzburg entschärfen dieses Argument dadurch, dass man die Bestseller-Titel auch im “normalen” Bestand anbietet, wo jedoch häufig lange Wartzeiten und Vormerkungen in Kauf genommen werden müssten, nach dem Motto: ‘Wer nicht zahlen will, der muss halt warten.”

Doch nicht nur die Informationsfreiheit ist ein Kritikpunkt. Durch das Erheben von Gebühren auf die “Vermietung” (Ausleihe) einzelner Medien, sei laud Mahrt-Thomsen aus die Grenze des den Bibliotheken von den Urhebern zugebilligten und durch die Bibliothekstantieme abgegoltenen Verleihprivilegs überschritten. 1

„Sie gehen damit vom kostenlosen Verleihen zum mit Gebühren belegten Vermieten über, und das ist sowohl nach deutschem Urheberrecht wie nach EU-Public Lending Right nicht erlaubnisfrei und kann als Wechsel zu einer wirtschaftlichen Aktivität gewertet werden.“

Dies wird durch ein Rechtsgutachten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels von 2005 bestätigt, das im Bestseller-Service eher ein Vermieten als ein Verleihen sieht.

Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Bibliotheken Erwerbszwecke verfolgen (…). Die für eine einschlägige Vermietung erforderlichen Nutzungsrechte haben die Bibliotheken nicht erworben. Infolgedessen begehen sie Urheberrechtsverletzungen, wenn die bisherige Praxis zur Überlassung von Bestsellern fortgeführt wird.

Bisher hat man jedoch wohl auf eine gerichtliche Überprüfung dieser Position verzichtet, da bisher keine wirtschaftlichen Folgen für Verlage und Buchhandel durch den Bestseller-Service in öffentlichen Bibliotheken bemerkt wurde. Häufig sind Bibliothekskunden auch Buchhandelskunden und erwerben in vielen Fällen das Buch letztendlich doch, z.B. als Geschenk.

Der Bibliotheksverband vertritt eine andere Meinung, da durch den Bestseller-Service keine Gewinne erwirtschaftet werden und das Angebot sich lediglich selbst trägt, könne man nur von einem Verleihen von Medien sprechen. Hermann Rösch, Mitglied des Ausschusses für den freien Zugang zu Informationen und Meinungsfreiheit im Weltverband der Bibliotheken, sieht im Bestseller-Service eine akzeptable Praxis. Allerdings gilt dies nur unter der Bedingung, dass die Bestsellerbücher auch ganz regulär in der Bibliothek vorhanden und zu den gleichen Bedingungen wie andere Bücher ausgeliehen werden können. Dieses sich selbst finanzierende Angebot hat aber auch Vorteile sowohl für den Bibliotheksnutzer als auch für die Bibliotheken.

„Sie können so eine zusätzliche kundenorientierte Dienstleistung anbieten sowie auf akute und aktuelle Nachfrage flexibel reagieren. Nutzungssteigerung und Imagegewinn sind also die zu erwartenden Effekte – und die sind für Bibliotheken wichtiger denn je.“

Quelle:
Giersberg, Dagmar: Bestseller-Service in Bibliotheken: Service oder Kommerz?, Goethe-Institut e. V.

  1. Mehr Informationen: „Bestsellerservice“ in bundesdeutschen Bibliotheken, Stellungnahme von Akribie (Arbeitskreis Kritischer BibliothekarInnen), 12.12.2010 []

5 Kommentare

  • Neurasthenio

    Nicht nur von den dargelegten Rechtspositionen eine zweischneidige Sache. Die Doppelung Normalbestand gegen Gebührenmodell setzt, wie sie hier dargestellt wird doch voraus, daß beim gebührenpflichtigen Bestseller keine Wartezeiten durch Vormerkungen gegeben wären. Was, wenn sich dort auch eine längere Interessentenliste findet, die die Schnelligkeit ad absurdum führt? Wie wird das reguliert?

    • Dörte Böhner

      Wie das in den einzelnen Bibliotheken gehandhabt wird, weiß ich nicht, aber sicherlich kann das dazu führen, dass von einem Buch mehr Exemplare erworben werden, als dies vielleicht auf den Gesamtbestand der Bibliothek gesehen sinnvoll wäre.

  • ich glaube, dass dahinter wieder einmal eine Lobby steckt und zwar die Publisher/Bücher Lobby. so können sie noch einen weiteren Absatzkanal nutzen um etwas Geld in ihre Kassen zu spülen.

    • Dörte Böhner

      So weit reicht die Lobby-Arbeit der Verlage dann doch nicht. Dies zeigt sowohl die reine Duldung solcher Angebote und als auch die kritische Auseinandersetzung im Bibliotheksbereich.

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