Verleger kehren DRM nicht wirklich den Rücken

DRM von Adobe wird laut Johannes Haupt von Lesen.net bei 3/4 aller Großverlage eingesetzt, d.h. DRM ist ein Thema in Verlagen. Dass es in der Branche eine kleine Diskussionen zu diesem Thema gibt, zeigt sich nur mittelbar, so z.B. in der Meldung, dass der Campus-Verlag einen DRM-Verzicht verkündete.

Der Campus-Verlag erklärte, auf “harte” Digital Rights Management-Maßnahmen (DRE) verzichten zu wollen und dafür ein neues, digitales Wasserzeichen (Social DRM) von HGV einzusetzen, um so den Schutz der Urheberrechte bei seinen PDF-Büchern sicherzustellen.

Geworben wird mit der Unabhängigkeit von verwendeten Lesegeräten und den dadurch fehlenden technischen Hürden. Wissen muss der Käufer, dass beim Download ein individuelles Wasserzeichen erzeugt wird, welches eindeutig dem Käufer des PDFs zugeordnet wird. Dabei werden sichtbar und unsichtbar die PDF-Version des E-Books mit der Transaktionsnummer Ihrer Bestellung mehrfach markiert. So lassen sich zwar Kopien weitergeben, aber sie lassen sich immer zum Käufer des Ursprungdokuments zurückverfolgen, sollten illegale Kopien auftauchen.

Haupt überprüfte im Shop von Campus, wie weit der Verzicht vom Campus-Verlag wirklich gegangen ist und stellte fest, dass dies trotz der vollmundigen Pressemitteilung recht halbherzig passiert.

Während die PR-Nachricht impliziert, alle von Campus offerierten pdfs würden ab sofort sozial geschützt sein, stolpert man auch im neuen Online-Shop immer wieder über Hinweise bei pdf-Dateien, dass zur Lektüre Adobe Digital Editions und ein kompatibles Lesegerät von Nöten seien.

Ausnahmslos nicht vom DRM-Verzicht betroffen sind dabei die EPUB- und mp3-E-Books, welche Campus auf der Verlagshomepage e-books.campus.de anbietet. Im FAQ des e-Book-Shops von Campus heißt es dazu:

Aus rechtlichen Gründen verwenden wir bei den ePub-Versionen sowie einigen PDFs den Kopierschutz von Adobe (ACS4). Voraussetzung für die Nutzung der Inhalte ist Ihre Registrierung bei Adobe (…).

Der Verlag muss sich die Frage stellen lassen, warum er die PDFs zwar mit Social DRM verkauft, die ePub-Version jedoch mit Adobe DRM, wenn rechtliche Gründe für den DRE-Schutz vorlägen. Haupt schlussfolgert daraus:

… vielmehr dürfte hier am Ende des Tages doch die Furcht vor den dunklen Charakterzügen der eigenen Kundschaft gesiegt haben, ist soziales DRM aus textbasierenden epub-Dateien doch ungleich leichter zu entfernen als aus pdfs.

Zu begrüßen ist, dass mit der Einführung von sozialem DRM der Campus-Verlag einen richtigen, aber dennoch zögerlichen Schritt in die richtige Richtung macht. Auffallend ist, dass man nicht wie einige Verlage das “Schimpf-Kürzel” DRM völlig vermeidet und die E-Book-Leser für dumm verkauft, sondern deutlich macht, dass DRM unter einer sozialen Komponente verwendet wird. Das “Social” steht dabei eher für ein “soziales” Verhalten der Käufer, so ein bißchen in der Art “ihr könnt machen was ihr wollt, wir halten euch an einer langen Leine, die nur straff gezogen wird, wenn ihr etwas macht, was uns nicht gefällt.”

Die sehr zögerliche Umsetzung zeigt deutlich die Skepsis der deutschen Verlage gegenüber der digitalen Welt.

Fachverlage wie Campus sind dabei im besonderen Maße vom “Digital Shift” betroffen: Schon heute oftmals beachtlichen Umsatzanteilen durch digitale Literatur stehen potenziell besonders große (theoretische) Verluste durch eine Piraterie ihrer zumeist recht teuren und in nur kleinen Stückzahlen verkauften Werke gegenüber.

Sofern sich etwas ändert, sind dies meist Einzelaktionen von Verlagen. Ein einheitliches Vorgehen, wie dies eine große Anzahl von Verlagen in Frankreich getan hat, ist in der deutschen Buchbranche nicht zu bemerken.

Und ganz offen gesagt, mit der “Cloud”, von der derzeit in der Computerwelt gesprochen wird, wird DRM mehr denn je ein Thema sein. “Cloud Computing” bedeutet, dass Programme und Daten zentral über Server bereitgestellt werden. Lokale Installationen dienen nur dazu, Zugriff auf diese Server zu erhalten. Das ausschließlich online verfügbare Datenmaterial ist so geschützt, dass ein Weiterverbreitung, d.h. auch ein legaler Austausch, nicht mehr unmittelbar möglich ist.

Der bekannte Computerbuchverlag Galileo Press ist ein Befürworter der Wolke, da nun die E-Books nur noch auf dem verlagseigenen Servern gelesen werden kann. Eine entsprechende Plattform wird derzeicht durch die Fachleute des Verlages umgesetzt. Galileo Press weiß auch, dass selbst solche sicheren Systeme nicht vor Angriffen geschützt sind und gerade einen großen Nachteil hat die Cloud: E-Books ohne Online-Verbindung lesen funktioniert dabei nicht. Daher sucht man bei Gallileo Press auch nach einer Offline-Lösung und das bedeutet wiederum, dass der Verlag hier über eine DRM-Lösung nachdenkt.

O’Reilly verzichtet ganz auf Schutz, da der Lesekompfort, die Bücher immer und überall lesen zu können, ein wichtiger Vorteil ist. Piraterie lässt sich dadurch nicht ausschließen, aber man geht von Einzelfällen aus. Der amerikanische O’Reilly Verlag verkaufte online in 2010 88% aller Verkäufe als digitale Version. Gerade im Fachbereich Computer erreicht man aber auch die Early Adopter. Auch die Gefahr einer Kannibalisierung von Print- und E-Book sieht der Verlag nicht, da beide Arten ihre Berechtigung in unterschiedlichen Anwendungssituationen bewiesen.

Bei Galileo liegt der digitale Bereich noch bei etwa 5% der gesamten Verkäufe, aber in zwei bis drei Jahren erwartet man ein Wachstum auf 30 bis 40%. Fast entschuldigend klingt es dann, wenn ergänzt wird:

„Dennoch haben unsere Leser einen starken emotionalen Bezug zu Printexemplaren.“

Die Programmierer von Fraunhofer betonen die Chancen von digitalen Wasserzeichen, welche bereits bei Hörbüchern, Videos und Fotos erfolgreich und für die digitale Welt schon recht lange eingesetzt werden. Zwar gibt es bei Texten wesentlich weniger Möglichkeiten, einen entsprechenden Code einzubringen, aber hier würde die Kombination verschiedener Techniken für eine große Sicherheit sorgen. Neben der Manipulation von Abständen zwischen Buchstaben, ließe sich der Code auch im Cover verstecken. Vorteil wäre, dass das Wasserzeichen selbst dann bestehen bleibt, wenn der Text ausgedruckt und wieder eingescannt würde. Damit bietet dieses Verfahren einen recht sicheren “social” ausgerichten Schutzcharakter.

Verlage werden nicht auf DRM verzichten. Sie werden es entweder verschleiern – wir schützen unsere E-Books nur noch mit Wasserzeichen -, die Nutzungssituationen kontrollieren – wir setzen auf die Cloud – , oder weiterhin striktes Digital Rights Management verwenden. Zumindest werden Zugänge weiter individualisiert, um so eine gewisse Kontrolle über die Nutzung der E-Books zu behalten.

Bibliotheken werden darunter leiden. Bereits jetzt gibt es immer mehr Bücher, denen nicht wie früher eine CD-ROM beigelegt wird, die zusammen mit dem Buch verliehen werden kann. Diese Bücher werden ergänzt mit digitalen Inhalten, die über eine Registrierung auf Verlagsseite und einem einmalig verwendbaren Freischaltcode abgerufen werden können. Diese digitalen Inhalte sind häufig weiteren Nutzern der Bibliothek nicht mehr zugängig. Auf Rückfrage bei entsprechenden Verlagen hieß es, dass es sich bei den digitalen Ergänzungsangeboten um ein Angebot für den Endkunden zählt. Dies sei jedoch nicht die Bibliothek. Ob dies rechtlich so zu halten ist, wage ich zu bezweifeln, jedoch wäre allein die Verwaltung der Codes und Zugänge ein erheblicher Aufwand, der nicht ohne weiteres von Bibliotheken geleistet werden kann.

So wird bei vielen Verlagen noch immer auf die Keule gesetzt, statt für eine Urheberrechtsaufklärung über Pflichten und Rechte der Nutzer zu sorgen.

Quellen:
Campus setzt erstmals ein neues, digitales Wasserzeichen der HGV ein, Buchmarkt.de, 28.02.2011
Haupt, Johannes: Campus kehrt Adobe DRM (ein bisschen) den Rücken, Lesen.net, 28.02.2011
CeBIT 2011: Digitales Rechtemanagement in der „Cloud“ : Im digitalen Dunst , Buchreport.de, 02.03.2011

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