Serbischer Nationalbibliothekar Sreten Ugricic muss gehen

Meinungsfreiheit in Serbien ist verboten und führt zu einer absurden Kündigung.

Den Auftakt gab ein Artikel des montenegrinischen Schriftstellers Andrej Nikolaidis. Er nimmt Bezug auf die Feier zum 20-jährigen Bestehen der «Republika Srpska», eines Teilstaats Bosniens. Dort, in der Festhalle in Banja Luka, hatte die Polizei am Vorabend des Anlasses, zu dem neben lokalen Würdenträgern auch die Staatsspitze Serbiens erschien, Sprengstoff entdeckt. Ein Angestellter soll ihn dort gelagert haben.

Schriftsteller und Leiter der serbischen Nationalbibliothek in Belgrad Streten Ugricic muss gehen, weil er sich in einer Petition des Milosevic-kritischen Forums pisaca gegen die Hetzjagd auf den montenegrinischen Kolumnisten Andrej Nikolaidis1 stark macht. Er ist einer von 25 Mitunterzeichnern.

Ugricic, der als einziger Unterzeichner seine Haltung zum Fall Nikolaidis öffentlich kommentierte, lieferte sich damit selbst ans Messer.

Der serbische Innenminister Dacic erklärte daraufhin einer Boulevardzeitung, dass Ugricic gerne unterstützen könnte, wen er wolle, aber nicht als Bibliotheksleiter, sondern als Gefangener. Damit nutzte die serbische Regierung die Gunst der Stunde, um einen Kritiker loszuwerden, obwohl er sein Amt als Bibliotheksleiter erfolgreich ausgefüllt hat. Ihm ist es zu verdanken, dass aus der Ruine der serbischen Nationalbibliothek erneute eine Institution auf dem neuesten Stand der Technik wurde, welche in das europäische Bibliothekssystem gut integriert ist. Innerhalb von 24 Stunden nach der Medienkampagne des Innenministers verlor Ugricic sein Amt.

In einer Belgrader Debatte zum Thema “Was bleibt von der Freiheit?” hatte Sreten Ugricic kürzlich mit einer Gegenfrage geantwortet: “Schlagstöcke oder Bücher?”

Wenn das die beiden Alternativen im Kulturkampf sind, den seine Heimat gerade austrägt, dann geht die Tendenz eindeutig in Richtung Schlagstock.

Meinungsfreiheit zählt im “demokratischen” Serbien von heute noch immer nicht.

Quelle
Jakiša, Miranda: Hetzjagd auf serbische Art, Tagesspiegel
Jandl, Paul: Belgrader Schlagstöcke, Die Welt
Ernst, Andreas: Keine Lust auf Diskussion, NZZ

  1. Der Kolumnist wurde u.a. durch den serbischen Filmregisseur Emir Kusturica („Underground“) jahrelang wegen angeblich erlittener „seelischer Schäden“ verklagt. Dieser war jedoch nicht mundtot zu kriegen und hat Anfang Januar mit den Beiträgen „Was von Groß-Serbien übrig ist“ und „Make-up eines politischen Monstrums“ die politischen Gemüter erregt. Zusammen mit Zitaten aus seinem Roman “Mimesis” (2003) führte dies zu einer Verurteilung des Autors als Terrorist. []