Zugang, Sichtbarkeit und Nutzer

Ein paar Gedanken zu einem Chatgespräch, dass ich in ähnlicher Form neulich führte.

Liebevoll haben wir mühsam unsere Nutzer in den Informationskompetenzschulungen und ausführlichen Beratungsgesprächen daran gewöhnt, dass Sie nicht nur in unserem Bibliothekskatalog recherchieren sollen, sondern auch in den regional übergeordneten Katalogen. Es ist schön zu sehen, wenn sie dann tatsächlich diesem nettgemeinten Tipp nachkommen und tatsächlich das E-Book finden, das sie möchten.

Doch jetzt wird es schwierig und sie kommen nicht weiter. Zum Glück bietet meine Bibliothek einen Chat an, so dass der Nutzer oder die Nutzerin sich auch auf diese Weise Hilfe verschaffen konnte.

So kam es zu folgender Chat-Anfrage

Nutzer: Hallo, ich habe über den GVK folgendes Buch gefunden. http://gso.gbv.de/DB=2.2/PPNSET?PPN=723643253
Nutzer: Hat die HSU nicht die dafür benötigten Rechte?
Bibliothekar: Hallo einen kleinen Augenblick bitte. Ich prüfe es.
Bibliothekar: Ich habe das Buch gefunden
Bibliothekar: Dieses Buch hat, wenn Sie bei besitzende Bibliotheken schauen, keine Bibliothek angegeben, d.h. niemand besitzt dieses Buch.
Nutzer: Es ist doch eine elektronische Ressource.
Bibliothekar: d.h. auch wir können Ihnen leider keinen Zugang zu diesem Buch im Moment ermöglichen
Nutzer: Der link ganz unten führt bei mir ins Leere.
Nutzer: http://www.gbv.eblib.com/patron/Login.aspx?r=needlogin
Bibliothekar: Es ist ein E-Book, aber um Ihnen darauf einen Zugang zu ermöglichen, muss die Bibliothek eine Lizenz besitzen.
Bibliothekar: Wir besitzen momentan keine Lizenz.
Nutzer: Könnte dieses eBook denn einmalig erworben werden?
Biblothekar: Sie können gerne einen Anschaffungsvorschlag bei der Bibliothek einreichen: http://ub.hsu-hh.de/skripte/anschaffungsvorschlag/index.php
Bibliothekar: Da entscheidet dann der entsprechende Fachreferent, ob das Buch angeschafft wird oder nicht
Bibliothekar: und das ist unter anderem auch abhängig von der angebotenen Lizenz.
Bibliothekar: Ich habe noch geschaut, ob eventuell eine gedruckte Ausgabe vorhanden ist.
Bibliothekar: leider nicht, denn Sie hätten das gedruckte Exemplar dann per Fernleihe bestellen können.
Nutzer: Gut, dann werde ich den Weg des Anschaffungsvorschlages gehen…vielen Dank für Ihre Hilfe
Bibliothekar: gern geschehen –
Bibliothekar: Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag 🙂
Nutzer: Vielen Dank nochmal und ebenfalls einen schönen Tag 😉

Da gibt es ein Buch, das passend ist und das eigentlich wie sofort verfügbar aussieht, weil es ja elektronisch ist und dann komme ich als Nutzer nicht ran, weil keine Bibliothek über eine entsprechende Lizenz verfügt. Nun könnte man sagen, wer des Lesens mächtig ist, sieht, dass unter Besitzende Bibliothek(en) keine Bibliotheken stehen und als kleveres Kerlchen, wüsste man dann, dass man damit auch bei seiner Bibliothek keinen Zugang erhält. Das ist eigentlich eine logische Übertragunsleistung. Doch die Leistung des Nutzers geht ja weiter. Das Buch gibt es elektronisch, also müsste ich doch Zugang erhalten können, auch wenn die Bibliothek es nicht besitzt.

Diese Problem ist nicht das erste Mal aufgetaucht und dürfte auch anderen KollegInnen bekannt sein. Ich vermute mal, dass einerseits die Erwartungshaltung unserer Nutzer sehr hoch ist. Sie sehen, dass es etwas gibt, also muss man dort auch über seine Bibliothek herankommen können. Da es elektronisch vorhanden ist, sollte es kein Problem sein.

Aber gerade der Zugang zu elektronischen Medien wird zunehmend ein Problem. Immer mehr Bücher gibt es nur noch elektronisch. Hier ist eine Bestellung per Fernleihe unmöglich, sollte das Buch in der eigenen Bibliothek nicht vorhanden sein. Das heißt auf Dauer eine Verschlechterung der Informationsversorgung. So sind zwar mehr Medien sichtbar, aber sie sind nicht für die Nutzer zugänglich.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, inwieweit es Sinn macht, Bücher in Katalogen nachzuweisen, die über gar keine Bibliothek zugänglich gemacht werden können. Zwar werden die Nutzer fündig, aber anders als bei gedruckten Werken, kommt er an diese Medien im Zweifelsfalle gar nicht.

Momentmal, kann man da natürlich sagen, Bibliografien erlauben ja auch nur den Nachweis von Literatur. Ich glaube, da müssen wir uns nochmal stark unterhalten, welche Aufgabe ein Katalog wie der GVK hat und welche Aufgabe vielleicht der Spezialkatalog einer Spezialbibliothek hat. Natürlich kann man jeden Katalog wie eine Bibliografie nutzen, aber zuallerst geht man zum Katalog, um darüber Literatur zu beschaffen. So werden Kataloge doch in der Regel in unserem bibliothekarischen Alltagsgeschäft an den Nutzer verkauft.

6 Kommentare

  • Ja, das kommt immer öfter vor, dass Studierende bibliographische Angaben – nicht nur aus Katalogen, auch auch solche aus Datenbanken, gering schätzen, weil die Einschätzung/Erfahrung/Erwartung da ist, man könne doch in der Regel gleich zum Volltext durchmarschieren. Ich bemühe mich bei Informationskompetenz-Veranstaltungen immer, das Hohelied auf die bibliographische Angabe zu singen, bei der dann noch ein zweiter Schritt – via Katalog, Fernleihe oder Dokumentlieferdienst wie Subito – notwendig ist. Und ich betone immer, dass regionale und überregionale Kataloge dem Bibliographieren dienen – im Unterschied zum lokalen Katalog.

  • Dörte Böhner

    Hallo Jürgen,

    bei den überregionalen Katalogen, aber insbesondere beim GVK verweisen wir immer wieder darauf, dass diese Sachen, sofern nicht bei uns vorhanden, per Fernleihe bestellt werden können. Und da ist es doch schon naheliegend für einen Nutzer, dass wenn etwas elektronisch vorhanden ist, dass dann auch in irgendeiner Form ein elektronischer Zugriff schnellstmöglich passieren könne.
    Es ist ihnen schon klar, dass sie von ddort aus i.d.R. einen weiteren Schritt zur Literaturbeschaffung machen müssen.
    Literatur entdecken geht hingegen sehr gut mit dem Discovery-System. Hier müssen wir noch daran arbeiten, ihnen zu vermitteln, dass dieses eben auch reine bibliografische Nachweise enthalten kann.

    Die tatsächliche Schwierigkeit taucht aber vermehrt dadurch auf, dass Literatur in einem von Ihnen für die Online-Fernleihe genutzten Katalog auftaucht, auf die sie nicht zugreifen können, weil überhaupt keine Bibliothek einen Nachweis dazu hat.

  • Das Problem liegt doch darin, daß Nutzer glauben, wenn ein Buch elektronisch vorliegt, ist es für alle sofort verfügbar. Nö, ist es eben nicht, sondern eine Frage der Lizenzierung. Sonst wäre es Open Access. Wir hier wissen das, nur die Nutzer nicht. Diesen Unterschied noch einmal deutlich in den Schulungen herauszuarbeiten, würde mehr Klarheit bringen.

    • Dörte Böhner

      Auf diesen Unterschied wird mehrfach bei uns in den Schulungen eingegangen. Nur häufig passiert es dann doch, dass Nachweis elektronischer Medien mit Zugang verwechselt wird. Das Problem, was sich ergibt, ist die Tatsache, dass die Unterschiede zwischen Katalog (ruhig auch überregionaler Bestandsnachweis) und Bibliografie (reiner Nachweis von Literatur) durch bestandslose Angaben in Katalogen zunehmend verwischt. Meine Erfahrung ist, dass unsere Nutzer sich damit extrem schwertun. Sie lieben klare Aussagen. Mit dem Instrument können Sie das und das herausfinden. Hier ist es offensichtlich ein Beispiel, dass dem nicht so ist. Daher zielt meine Frage darauf, welche Aufgaben ein solcher Katalog erfüllen soll. Früher ging es um den reinen Bestandsnachweis, um eine Beschaffung zu ermöglichen. Für das Herausfinden, was es an Literatur gibt, gab es Bibliografien. Einfache Regeln, für viele zwar schwerz zu begreifen, aber wenigsten etwas Nachvollziehbares.

      Mischen tut sich dies nun erheblich durch Discovery-Systeme, die oft sowohl Bestände nachweisen als auch die bibliografischen Daten von Literatur, die dann im nächsten Schritt in einer Beschaffungsrecherche weitergesucht werden muss. Auch das ist erklärbar, weil sich das hier nicht auf wenige Ausnahmen beschränkt.

      Alles ist erklärbar, solang es gut erklärbare Regeln gibt. Allerdings wenn in einem Katalog bibliografische Daten nachgewiesen werden, zu denen es keinen Bestand gibt oder in diesem Fall eine Bibliothek mit Lizenz, ist das nur schwer zu vermitteln. Das ist meine Meinung dazu. Wenn es einen plausiblen Erklärungsansatz gibt, den man als Fausregel einem Studierenden an die Hand geben kann, dann werde ich nix weiter daran zu bemängeln haben.

  • Owl

    Deswegen übersetze ich gerne für unsere Leser das Wort “Discovery” mit Entdecken, nämlich Entdecken von Literatur aller Art, unabhängig davon, ob es in unserer Bibliothek vorhanden ist oder nicht. Allerdings gibt’s Schlaumeier, die den voreingestellten Haken “nur lokal verfügbar” entfernen und sich dann erkundigen, wo denn nun der Standort in der lokalen Bibliothek sei *kopfschüttel*.

  • Dörte Böhner

    Wir haben uns in der HSU-Bibliothek im Sprachgebrauch für Literatursuchmaschine entschieden, um einen zu bibliothekarischen Eindruck zu vermeiden.
    In der Vorstellung dieses Suchangebots spreche ich dann i.d.R. von einer Suchmaschine, deren Trefferliste nachträglich auf den Bestand der Bibliothek eingegrenzt werden kann. Bevor man ein Häkchen bei “Nur lokalen Bestand” gesetzt hätte, erhielten sie eben nur einen Nachweis eines Titels und müssten im nächsten Schritt eine Beschaffungsrecherche durchführen. So lässt sich an der Stelle das ganze Spektrum des Discovery-Systems ausnutzen und der Recherchierende hat eine Richtlinie an der Hand, die ihm hilft, für sich Fehler zu vermeiden.