Warum ich einige Bibliotheken mit Onleihe zum Kotzen finde …

Es tut mir Leid, dass ich das so sagen muss, aber die Onleihe und ich werden nie Freunde. Die Onleihe verkauft als defacto-Monopolist ein veraltetes Geschäftsmodell als Erfolg – durch Adobe-DRM unbrauchbar gemachte Bücher werden Bibliotheken für schweineteures Geld angeboten und somit schon mal ein finanzielles Zugangsproblem geschaffen, welches dazu führt, dass Bibliotheken die Digitale Kluft weiterhin verstärken statt zu entschärfen. Und die Bibliotheken lizensieren als ob es kein Morgen und vor allem keine anderen (genauso schlechten) Anbieter gibt, nur um dann toll tönen zu können, dass sie E-Books im Angebot haben. Geschenkt, das ist so und die Macht der Marke reißt eben mit.

Und dann heute die Nachricht, dass die Onleihe zur Verkaufsplattform wird. Na gut, möchte man meinen. Kommt halt jetzt noch ein Kaufbutton dazu (schulterzuck). Bibliotheken werden eben auch eCommerce-Anbieter, wie der Buchreport so schön titelt. Da hofft man bei der Divibib und der ekz wohl, das man mit dem schlechten Angebot (Buch ist ausgeliehen, konnte nicht zuende gelesen werden u.a. Gründe), das große Geschäft macht. Irgendwo denke ich, gibt es einen Fehler im System bei elektronischen Medien, wenn Dr. Jörg Meyer, Geschäftsführer der divibib-Mutter ekz.bibliotheksservice GmbH, das als Erfolg1 verkauft:

“Allein im Jahr 2013 hatten wir bei acht Millionen Gesamtausleihen in der Onleihe mehr als 1,5 Millionen Vormerkungen.”

Und nein, ich finde es von den Bibliotheken, die sich da an der Pilotphase beteiligen, nicht in Ordnung, dass sie sich dafür zur Verfügung stellen. Liebe Stadtbüchereien Düsseldorf, Hamburger Öffentlichen Bücherhallen und liebe Bibliotheken des Onleihe-Verbunds Oberlausitz, warum lassen Sie sich so vor den Karren der ekz spannen und sorgen nicht dafür, dass wenigsten in gewisser Weise noch eine Wahlfreiheit für Ihre Nutzer bleibt? Warum lassen Sie zu, dass Ihre Angebote kommerzialisiert werden? Ist der Bibliotheksnutzer bereits gedanklich soweit zum Kunden geworden, dass er Geld ausgeben soll, damit Ihr Angebot besser aussieht? Das ist aus meiner Sicht nicht mehr Service, sondern der falsche Weg. Verbessern Sie Ihr E-Book-Angebot, in dem Sie die Lizenzbedingungen angehen. Ideen, was man da machen könnte, gibt es viele. Ca 2000 Bibliotheken sind der Onleihe verfallen? Warum setzen Sie nicht auf diese Masse, um Dinge in Bewegung zu bringen?

Ach ja, man kann schnell vergessen, um was es geht, wenn man für jedes verkaufte E-Book Provision bekommt, oder? Wird das Angebot dann nicht noch schlechter, weil gar kein Interesse mehr besteht, Bücher zu verleihen? Werden Sie zum Buchhändler, abhängig von einem Kaufanbieter – in diesem Fall Sofortwelten.de2, der Ihnen irgendwann die Provisionen kürzt und zunehmend Sortiment und Angebotskonditionen bestimmt? Wird Ihr “Ausleihangebot” so gestaltet, dass möglichst viel verkauft wird, um Provisionen einzustreichen? Für was wird das Geld dann ausgegeben? Für die Finanzierung einer immer teuerer werdenden Verkaufsplattform?

„Mit dem Kaufbutton wollen wir nicht nur bekräftigen, dass von digitalen Ausleihplattformen auch Kaufanreize ausgehen, wie es schon mehrfach in internationalen Studien belegt wurde, sondern auch konkrete Kaufvorgänge ausgelöst werden“, so Meyer weiter.

Liebe Bibliotheken, nochmal: Sie verbessern damit nicht Ihren Service für Bibliotheksnutzer, sondern verschlechtern ihn! Bibliotheken waren für mich immer etwas Kommerzfreies, wo ich mich hinbewegen konnte, ohne mehr als meine Jahresgebühr auszugeben, wo ich die Sicherheit hatte, dass ich nicht zufällig Geld ausgebe, das nicht eingeplant war, weil, wenn ich etwas entdeckt hatte, konnte ich es mir leihen. Mag der Verkaufsbutton jetzt vielleicht noch klein sein … – nur wie lange bleibt das so?

Jürgen Plieninger zeigt deutlich, dass wir uns das im realen Leben nicht vorstellen könnten.

Wenn ein Buch ausgeliehen wird, kommt eine örtliche Buchhandlung und stellt einen Stellvertreter ein, auf dem dafür geworben wird, doch das Buch zu kaufen, anstatt zu warten, bis es wieder im Regal auftaucht. Vielleicht gibt es auf diesem Stellvertreter auch noch eien [sic!] Aufkleber, die in grellen Farben zeigen, wie oft das Buch bereits vorbestellt ist, um einen größeren Kaufanreitz zu setzen. Das wäre gut für die Bibliothek, denn sie bekäme eine Provision, falls die Leser/die Leserin das Buch kauft. Und daran ist ja auch nichts schief, es wird ja niemand gezwungen zu kaufen, der Kunde ist König und hat Entscheidungsfreiheit.

Und ganz ehrlich liebe Bibliotheken, Sie setzen mit so einem Verkaufsbutton kein “Zeichen der Verbundenheit mit der Buch- und Verlagsbranche”. Wo bleiben Ihre lokalen Buchhändler? Wer so bei der ekz am Schlauch hängt, tut nix für die lokale Buchwirtschaft3 und macht sich auf Dauer genauso abhängig wie die Kunden von Amazon, die aber i.d.R. wenigstens wissen, dass sie sich da in ein bequemes Abhängigkeitsverhältnis begeben. Das sehen Ihre “Kunden” nämlich nicht. Liebe Bibliotheken, Sie haben einen Ruf zu verlieren und setzen zur Zeit alles daran, das zu tun. Was passiert, wenn wie versprochen dann andere Anbieter hinzu kommen? Muss da für jeden Anbieter ein entsprechend eigener Verkaufsbutton eingeblendet werden?

Ich finde das scheinheilige Angebot der Onleihe zum Kotzen und auch das offensichtlich immer mehr im Kundenbegriff denkende Bibliothekswesen, dass sich auf sowas einlässt! Hier wird etwas als “Win-Win-Situation” verkauft, was nur einen Gewinner kennt und einen großen Verlierer. Und diese Verlierer werden Öffentliche Bibliotheken sein, die in direkte Konkurrenz zu anderen Online-Buchhändlern treten, die ihren gesetzlich implizierten Auftrag verlassen. Sie zeigen damit deutlich, dass Öffentliche Bibliotheken in einer sich digitalisierenden Welt überflüssig werden4, wenn es darum geht, jedermann einen Zugang zu Informationen zu ermöglichen, um am Geschehen in der Gesellschaft teilhaben zu können. Offensichtlich ist dies ein Punkt, bei dem Bibliotheken nicht sehen wollen, dass sie sehenden Auges ihren eigenen Fortbestand gefährden.

[Update]
Es geht schon los. Der Börsenverein sieht Probleme bei den Provisionszahlungen. Da hat der Protest seitens der Vertreter der Verlage und des Buchhandels nicht all zu lange auf sich warten lassen und der Ton wird vermutlich noch ein wenig härter werden, als er jetzt ist.

[Update]
Hier nochmal eine etwas sachlichere Auseinandersetzung von mir hier im Blog:
Onleihe, Kaufbutton, Bibliotheken

Quellen:
Onleihe führt Kaufbutton ein, Onleihe Blog
EKZ bietet Onleihe-Kunden Kauf-Option an: Bibliotheken bauen E-Commerce aus, Buchreport.de
Plieninger, Jürgen: Ein Verkaufsbutton bei der Onleihe?, Netbib
Haupt, Johannes: E-Book-Verleih Onleihe bekommt Kaufen-Option, Lesen.net

  1. Warum konnten nicht 100% positiv abgedeckt werden? Wir sprechen hier von elektronischen Medien, die nicht physisch irgendwo vorliegen. Es gibt genug Lizenzmodelle, die genau das ermöglichen könnten. []
  2. Tochterfirma der ekz []
  3. Ach ja, die lokale Buchwirtschaft ist lokal und verfügt ja leider i.d.R. über kein eigenes Verkaufsportal. Auch da ist man also auf das Angebot von Marktriesen angewiesen. Hm, wie laut würde die deutsche Buch- und Verlagsbranche aufheulen, wenn Bibliotheken da auf Amazon verweisen würden, so in der Art: Sie besitzen einen Kindle und können daher das Angebot unserer Onleihe nicht nutzen? Hier können Sie das Buch für Ihren Kindle bei Amazon erwerben. []
  4. Lesen Sie bitte auch die Kommentare zu diesem Beitrag vom Mai 2014. Das “Erfolgsmodell Onleihe” ist im Grunde eine teure Mogelpackung für Bibliotheken. []