Gabi Scherzer, Erfinderin und Autorin, mit der Erzählschiene. Foto: privat

Die Erzählschiene – das Bibliotheksangebot kreativ erweitern

Gabi Scherzer, Erfinderin und Autorin, mit der Erzählschiene. Foto: privat

Gabi Scherzer, Erfinderin und Autorin, mit der Erzählschiene. Foto: privat

Ein Gastartikel von Wenke Bönisch, kinderbibliothek.blogspot.com.

Seit Urzeiten erzählen sich Menschen Geschichten. Sie unterhalten, vermitteln Wissen und schaffen eine Beziehung zwischen Erzähler und Leser, Eltern und Kind, zwischen Mann und Frau, zwischen Freunden, in der Familie, mit Kollegen, Bekannten. Ursprünglich werden sie mündlich tradiert, von der einfachen kurzen Erzählung bis zum großen Spannungsaufbau mit Flüstern, Raunen, Geräuschen, Gesten und Mimiken. Je lebendiger eine Geschichte erzählt wird, desto gebannter liest und hört das Publikum – egal ob groß oder klein.
Noch unterhaltsamer werden die mündlich erzählten Geschichten, wenn sie mit Bildern untermalt werden. Traditionell setzt man dafür das Kamishibai ein. Doch nun bietet Gabi Scherzer mit ihrer Erzählschiene, die sie vor zwei Jahren während ihrer Arbeit mit dem Kamishibai erfand, noch viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten beim Erzählen an.

Was ist die Erzählschiene?

Die Erzählschiene ist ein Birkenholzbrett mit drei gestaffelten Schienen, das man auf seinen Schoß legt. Die Geschichte wird gleichzeitig sowohl mündlich erzählt als auch mit Figuren aus festerem Papier/Karton gespielt. Wie bei einem Theaterstück werden die Figuren je nach ihrer Rolle und Handlung in der Geschichte auf die Schiene geschoben. Sie agieren miteinander. Bühnenbilder wie Meer, Wald, Schloss, Häuser usw. können aktiv ins Spiel einbezogen werden: so versteckt sich z. B. hinter ihnen eine Figur, die im geeigneten Moment vom Erzähler zur Seite geschoben und damit für die Zuschauer sichtbar gemacht wird. So nehmen Kinder zeitliche und räumliche Abläufe in der Erzählung plastischer wahr. Komplexe Handlungsstränge werden überschaubar und transparent. Eine einfache wie grandiose Idee eines erzählenden Papiertheaters. Kreativität und Geschick können sich bestens entfalten. Unterhaltung und Spannung kommen nicht zu kurz.

Wie kann die Erzählschiene als bibliothekarisches Angebot genutzt werden?

Die Bibliothek befindet sich aktuell im Funktionswandel zu weiteren Aufgaben, die als dritter Ort neben dem Wohnen und Arbeiten beschrieben werden. Ein breites, barrierearmes Freizeit- und Bildungsangebot hat sie nun zu bedienen. Hier kann die Erzählschiene mit vielfältigen Angeboten in der Bibliothek punkten.

Zunächst sei die eigentliche Verwendung als Papiertheater bei Leseförderangeboten für Kindergartenkindern und Grundschülern genannt. Warum nicht einmal ein Bilderbuch oder Kinderbuch mit der Erzählschiene erzählen? Die Kinder können nach dem Vorlesen des „Originals“ die Figuren selber gestalten. Dabei kann in Gesprächen die Rolle der jeweiligen Figur, ihr Charakter näher besprochen werden. Zum Schluss wird die Geschichte mit der Erzählschiene noch einmal erzählt. Oder man greift auf die kreativen Geschichtensets von Gabi Scherzer (farbiges und schwarz-weißes Figurenmaterial mit Drehbuch, Spieltipps, Erzählritual) aus dem Don Bosco Verlag zurück.

  • Die Erzählschiene wird in einem Weiterbildungsangebot für Pädagogen und Lehrkräfte vorgestellt: ihre Handhabung, ihr kreatives und sprachförderndes Potential, ihr Mitmachcharakter wird in einer Erarbeitung eines Kinderbuches für die Zielgruppe selbst erfahren.
  • Eine Erweiterung des Angebotes wäre die Möglichkeit, die Erzählschiene auszuleihen, um sich von dem hohen Aufforderungscharakter der kleinen Bühne auch zuhause zu überzeugen.
  • Die Erzählschiene kann auch einen festen Platz in der Kinderecke finden, um mit bereitliegendem (Figuren-) material individuell bespielt zu werden.
  • Oder man nutzt die Erzählschiene als Eyecatcher für ausgewählte Medien. Mit einer bunten, kreativen Figurengestaltung kann man beispielsweise ein Medium des Monats, Neuerscheinungen oder ein Rätsel originell präsentieren.

Die Erzählschiene hilft kreativen Ideen zum Geschichtenerzählen auf die Welt. Sie erweitert unkompliziert das Bildungsangebot, weckt Lesebegeisterung und fängt mit ihrer einfachen Unterstützung lebendigen Erzählens kleine und große Büchermenschen ein.
Weitere Informationen zur Erzählschiene finden Sie bei Gabi Scherzer (https://www.gabi-scherzer.de/), die neben zahlreichen Bildkartensets für die Erzählschiene selbst auch Weiterbildungsangebote dazu für Bibliothekare, Pädagogen und Literaturbegeisterte anbietet.

Die Autorin des Beitrags, Wenke Bönisch, rezensiert seit mehr als 6 Jahren Kinder- und Jugendbücher auf ihrem Blog https://kinderbibliothek.blogspot.com/ und beschäftigt sich intensiv mit kreativer Sprach- und Leseförderung aller Altersklassen.