[Bericht] Podiumsdiskussion „Open Science – Chancen und Herausforderungen der digitalen Wissenschaft“

Gestern fand im Rahmen der Open Access Week und des Berliner Bibliothekswissenschaftlichen Kolloquiums (BBK), veranstaltet vom Open Access Koordinationsbüro der Helmholtz-Gemeinschaft, dem Computer- und Medienservice, der Universitätsbibliothek und dem Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin sowie dem Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin, die Podiumsdiskussion „Open Science – Chancen und Herausforderungen der digitalen Wissenschaft“ im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin statt.
Das Thema versprach eine interessante Diskussion, zumal die Protagonisten auf dem Podium aus sehr unterschiedlichen Einrichtungen und Fachrichtungen kamen und sich in der Person von Dr. Angelika Lex eine Vertreterin eines der derzeit umstrittensten wissenschaftlichen Verlage – Elsevier – der Debatte stellte.
Den Einstieg machte nach einer Begrüßung durch den Leiter des Grimm-Zentrums, Dr. Andreas Degkwitz, der Mathematiker und Präsident des Konrad-Zuse-Zentrums für Informationstechnik Berlin (ZIB) Prof. Dr. Martin Grötschel. Ausgehend von einer Maximalforderung, die er in einem Interview vor nunmehr 11 Jahren in Bezug auf die wissenschaftliche Informationsversorgung formuliert hat – “Ich will alles und zwar sofort, jederzeit, überall und kostenlos zur Verfügung haben” – schlug er aus dem Blickwinkel des Wissenschaftlers einen weiten Bogen vom Bekenntnis zu und der Umsetzung von Open Access, über die Publikationspraxis bis hin zum Umgang mit Forschungsdaten und der Verantwortung für deren nachhaltigen Zugang. Er endete mit der Erkenntnis, die sich im Folgenden wie ein roter Faden durch die Diskussion zog: nämlich, dass wir anfangen müssen, unsere eigenen Forderungen, vor allem in Bezug auf Open Access, auch selbst umzusetzen.
In dieser Stimmung begann die eigentliche Podiumsdiskussion, an der neben den bereits erwähnten Dr. Degkwitz, Prof. Dr. Grötschel und Dr. Lex noch Dr. Christoph Bruch (Helmholtz-Gemeinschaft), Prof. Dr. Ortwin Dally (Deutsches Archäologisches Institut), Dr. Jeanette Hofmann (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) und Dr. Anne Lipp (Deutsche Forschungsgemeinschaft) teilnahmen. Die Rolle des Moderators übernahm Prof. Dr. Peter Schirmbacher (CMS der Humboldt-Universität zu Berlin). Alle PartizipantInnen machten ihre jeweiligen Standpunkte deutlich, bevor dann das Publikum mit Fragen in die Diskussion einbezogen wurde. Dabei kristallisierten sich schnell einige zentrale Fragen heraus: Welche Rolle werden die wissenschaftlichen Verlage in der Zukunft spielen? Schaffen es die WissenschaftlerInnen, sich von (künstlichen) Institutionen wie dem Impact Factor zu lösen? Wo liegt die moralische/akzeptable Obergrenze für die Gewinnspanne eines wissenschaftlichen Verlags? Wie werden WissenschaftlerInnen zukünftig miteinander arbeiten (kollaborativ in virtuellen Forschungsumgebungen)? Wie gehen wir mit dynamischen Publikationsformen um? Und last but not least: welche Aufgaben erwachsen den Gedächtnisinstitutionen aus den aktuellen Entwicklungen?

Fazit: Eine spannende Veranstaltung, bei der ein Thema diskutiert wurde, das sicher nicht nur den Teilnehmern gestern Abend im Auditorium des Grimm-Zentrums auf den Nägeln brennt, dessen Komplexität aber natürlich nicht in zwei Stunden erschöpfend diskutiert werden kann, wie neben Herrn Schirmbacher zum Abschluss der Veranstaltung (“ich weiß, Sie würden hier mit uns auch noch bis Mitternacht diskutieren”) auch Matthias Fromm im Fazit seines lesenswerten Blogbeitrags feststellt.

Eine kleine Glosse: Prohibition bei E-Books

Derzeit habe ich das Gefühl, wenn es um E-Books geht und entsprechende Angebote seitens der Verlage für Endnutzer und Bibliotheken, kann man fast von einer Prohibition sprechen. Süchtigmachend sind Bücher ja schon an sich und der E-Book-Leser ist besonders süchtig, denn bei entsprechenden Angeboten liest er wesentlich mehr. Was bleibt also über, als die zunehmende Zahl süchtiger E-Book-Leser vor den schädlichen Einflüssen des Buches zu beschützen?

Andererseits führt das wie bei der alkoholischen Prohibition dazu, dass böse Piraten sich erheben und zu Schmugglern werden, die dann nicht zu fassen sind.. Sie Schmuggeln den verbotenen Stoff zu verschiedenen Quellen, von wo aus der “wissende” Leser sein Suchtmittel beschaffen kann. Und wie während der Prohibition erleben wird, dass Verbote nur dazu führen, dass der geneigte Süchtige sich seinen Stoff aus illegalen Quellen beschafft und auch nicht immer weiß, welches Viehzeug (Würmer, Viren, Trojaner) er sich da auf sein Gerät einschleppt. Auch ist die Qualität nicht immer die beste, aber zum Teil besser, als die durch Digital Rights Enforcement (hartes DRM) beschädigten Dateien.

Schauen wir uns mal an, welche Varianten es gibt, um Nutzer in die Illegalität zu treiben:

  1. Gar kein E-Book-Angebot machen, weil die Bücher könnten ja geklaut werden. – Damit bringt man findige Köpfe dazu, die interessanten Bücher einzuscannen, OCR-Software darüber laufen zu lassen und dieses dann als E-Book illegal anzubieten. Ergebnis: Buch und Einnahmen weg, potentielle E-Book-Leser und Kunden weg, alle unzufrieden, weil die Qualität schlecht ist und es keinen finanzielle Einnahmen für den Verlag gibt.

  2. Das E-Book kommt erst zeitversetzt. – Der geneigte Leser wird sich nicht E-Book und P-Buch zulegen. Er wird ggf. auf das E-Book warten, das dann vergessen, weil es andere interessante Angebote gibt, die er ja auch noch lesen könnte. Kann er nicht warten, will das Buch aber lesen, dann nutzt er Bücher der Variante 1. Ergebnis: Einnahmen weg, Nutzer verärgert und Buch und Einnahmen weg, potentielle E-Book-Leser und Kunden weg, alle unzufrieden, weil die Qualität schlecht ist und es keinen finanzielle Einnahmen für den Verlag gibt.

  3. DRE schützt das Buch bis zur Unnutzbarkeit. – Das DRE wird durch IT-Kundige beseitigt und das Buch landet auf illegalen Download-Börsen. Der geneigte Leser kauft einmal ein solches geschütztes Buch, sieht, die Qualität ist schlechter als die, die er aus illegalen Quellen bekommt. Ergebnis: Die meisten beschaffen sich die “befreiten” Bücher in besserer Qualität von illegalen Plattformen mit dem Risiko, das Lesegerät zu infizieren oder mehrere Anläufe (Zeit) zu benötigen, um ein Buch guter Qualität zu erhalten. – Ergebnis: Leser, potentieller Kunde beschafft sich so ein Buch nur einmal. Weitere Bücher bezieht er dann wieder illegal. Der zahlwillige Kunde wird mit schlechter Qualität verärgert, zumal das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht stimmt. Der Verlag generiert geringe Einnahmen.

Zu ähnlichen Ergebnissen wie in dieser StudieStudie zu den Filesharern der Musik, gelangt auch J.K. Rowling. Sie berichtet

[… ], dass ein attraktives, legales Angebot Piraterie eindämmen kann, als sie die „Harry-Potter“-Bände in digitaler Version zur Verfügung stellte: Die Entscheidung, auf DRM zu verzichten (zu Gunsten eines digitalen Wasserzeichens), habe die Piraterie nicht beflügelt, sondern reduziert, so die Erfahrung der „Pottermore“-Betreiber. Unmittelbar nach dem Start des E-Book-Programms sei das illegale Angebot zwar größer geworden, doch die Community habe die Raubkopien abgelehnt (hier mehr).

Liebe Verlage, nur mal so ganz nebenbei:
Viele Ihrer Kunden haben ein Urheberrechtsbewusstsein. Sie möchten einen angemessenen Preis für die Schöpfung der von Ihnen vertriebenen Werke von Autoren zahlen. Dies wird sicherlich sichtbar in dem Projekt “The Humble eBook Bundle”, wo Nutzer E-Books erwerben, ganz nach dem Motto: “Pay what you want. Support charity. Read.” Also, bitte gebt uns die Möglichkeit, legal, zu fairen Preisen Bücher als E-Books zu erwerben oder kostenfrei über eine Bibliothek zu beziehen. Die Bibliotheken selbst sind ja bereit, entsprechend für die Subskription von E-Books zu bezahlen (siehe die steigenden Zahlen teilnehmender Bibliotheken bei der Onleihe) bzw. Tantiemen dafür zu entrichten.

Warum also verwehrt ihr mir und anderen, die legal an E-Books kommen wollen diese Möglichkeit bzw. kriminalisiert uns im Vornherein, indem ihr uns unterstellt, wir werden die Bösen sein, die E-Books ungehindert ins Netz schleusen wollen?

Die Prohibition ist gescheitert und das wird auch bei den E-Books passieren. Es ist noch kein DRM-System aufgebaut worden, dass nicht geknackt wurde. Die Musikindustrie zeigt, dass man mit dem psychologischen Schutz, aber Dateien guter Qualität zu angemessenen Preisen, seine Kundschaft halten kann. Ich persönlich war froh, als ich aus sicherer Quelle ohne großen Aufwand meinen Stoff beschaffen konnte. Und dafür bin ich wie viele andere bereit, etwas zu zahlen. Nutzt dieses Potential, liebe Verlage. Es ist da, aber Ihre Leser haben eine klare Vorstellung davon, was sie akzeptieren und was nicht.

Leistungsschutzrecht für Presseverleger – Petition

Zum Leistungsschutzrecht versuchen Sie sich mal eine eigene Meinung zu bilden.

Der Film erläutert die Auswirkungen eines potenziellen Leistungsschutzrechts für Verlage, räumt mit Unwahrheiten auf und erläutert, wen das Leistungsschutzrecht wirklich tangiert. Mehr Informationen unter www.pro-leistungsschutzrecht.de

Hier die andere Meinung:

Die Freiheit des Netzes wird durch große Verlagskonzerne bedroht.
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist der erste Schritt zu einem eingezäunten Internet der digitalen Mautstationen!

Bitte informiere auch Deine Familie, Kollegen, Freunde und Bekannte über das LSR, seine Folgen für uns alle und bitte sie, diese ePetition mitzuzeichnen, verbreite den Link und Das Video auf Twitter, Facebook und wo immer Du online unterwegs bist.

Weitere Informationen findet du auf http://www.leistungsschutzrecht.info

Videoquelle: Anonymous

Wem vertraut man da? Gar nicht so einfach, oder?

Wenn Sie das Leistungsschutzrecht für Presseverleger jedoch für bedenklich halten, dann unterzeichnen Sie diese Petition:

Petition 35009
Urheberrecht – Ablehnung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage vom 16.08.2012, E-Petionen des Bundestages

Ich hab es getan.

[Bericht] Urheberrecht und Netzfreiheit – ein unlösbarer Widerspruch? (19.09.2012)

Am 19.09.2012 hatte die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky zur Öffentlichen Podiumsdiskussion “Urheberrecht und Netzfreiheit – ein unlösbarer Widerspruch?” [VeranstaltungsPDF] eingeladen. Die Veranstaltung wurde durch umdenken Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg in Zusammenarbeit mit der Deutschen Journalisten-Union realisiert.

Podiumsteilnehmende waren Frau Prof. Dr. Gabriele Beger 1, Rüdiger Lühr 2 und Fukami 3. Wegen Krankheit entschuldigte der Moderator Wulf Beleitis 4 Thilo von Trott 5.

Beleitis, der durch die Diskussion führte, wies darauf hin, dass die Veranstaltung am gleichen Tag wie das Forum Urheberrecht statt, bei dem (wie berichtet), viele maßgebliche Personen abgesagt hatten. Markus Beckedahl6 sprach dort von blinden Flecken im digitalen Umfeld des Urheberrechts. Beleitis selbst sieht darin eher weite Brachen und nicht nur blinde Flecken. Er stellte verschiedene Fragen, die er als Themenbereich in die Diskussion des Abends sehen wollte. Sind Netzfreiheit und Urheberrecht ein Widerspruch? Wie ist das Verhältnis von Urheber, User und Klauer? Aus Sicht des Urheberrechts solltet dabei ein Schwerpunkt auf dem Nutzungsrecht liegen. Welche widerstreitenden Interessenlagen gibt es? Auch Themen wie AGBs und Leistungsschutzrecht und die Rolle der Verwertungsgesellschaften sollte aufgegriffen werden.
Weiterlesen

  1. Direktorin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky []
  2. vertrat die Interessen der Autoren als Freier Journalist, Fachautor, Urheberrechtsexperte der DJU ver.di mit Sitz im Verwaltungsrat der VG Wort []
  3. Pseudonym, da er als Sicherheitsberater tätig ist, aber auch die Digitale Gesellschaft e.V. und den Chaos Computer Club []
  4. stellv. Bundesvorsitzender der Deutschen Journalisten-Union []
  5. Leiter Public Affairs + Corporate Responsibility Gruner+Jahr []
  6. von netzpolitik.org und Vorsitzender der digitalen Gesellschaft e.V. []

[Kurz] Internetrecht – das neue Skript Oktober 2012 ist da

Es ist noch nicht ganz Oktober, aber auf den Seiten der Universität Münster lässt sich jetzt die aktuelle Bearbeitung des 559 Seiten starken, kostenlosen Skripts “Internetrecht” (Stand: Oktober 2012) von Prof. Dr. Thomas Hoeren herunterladen.

Zudem gibt es ganz aktuell ein Skript zum IT-Vertragsrecht (436 S., Stand: Oktober 2012).

Ältere Versionen und weitere Skripte finden Sie hier:
http://www.uni-muenster.de/Jura.itm/hoeren/lehre/materialien

BGH vertagt Entscheidung im Rechtsstreit Ulmer Verlag vs. TU Darmstadt

Gleich vorneweg: Entschieden ist nichts. Das erwartete Grundsatzurteil gab es nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 20.09.2012, I ZR 69/11 die Entscheidung über die Grundsatzfrage, ob Bibliotheken Digitalisate eines Lehrbuchs anfertigen und über elektronische Leseplätze zugänglich machen dürfen, ausgesetzt und an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgegeben.

Drei Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sollen nun rechtlich durch den EuGH vorab beantwortet werden:

  1. Greift § 52b UrhG, wenn die Rechteinhaber der Bibliothek in unbefristeten Lizenzverträgen die Nutzung von Werken in elektronischen Leseplätzen zu angemessenen Bedingungen anbietet?
  2. Haben Bibliotheken das Recht, sämtliche gedruckten Werke zu digitalisieren, um sie in einem elektronischen Leseplatz ihren Nutzern zur Verfügung zu stellen.
  3. Dürfen die Bibliotheken die Werke so zugänglich machen, dass sie ganz oder teilweise auf Papier ausgedruckt oder auf USB-Sticks abgespeichert und mitgenommen werden dürfen?

Seit Mai 2009 beschäftigen sich die Technische Universität Darmstadt, der Ulmer-Verlag, der Deutsche Bibliotheksverband, der Börsenverein und diverse Gerichte mit diesen Fragen. Sie alle kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Gegen das Urteil (AZ 2-06 O 172/09) des Verfahrens vor dem LG Frankfurt vom 13.05.2009 ging der Verlag in Revision. Am 16.03.2011 wurde das Urteil (AZ 2-06 O 378/10) der Revision veröffentlicht worden und untersagte den Druck und das Anfertigen digitaler Kopien von den im Rahmen des § 52b UrhG digitalisierten Werken.
Mit einer Sprungrevision ging man dann zur Urteilsfindung an den BGH.

Zum Hintergrund:

Die TU Darmstadt bot in ihrer Bibliothek über elektronische Leseplätze ihren Nutzern Zugang zu digitalisierten Werken aus dem Bestand der Bibliothek an. Aus diesen konnte die Leser dann beliebige Seiten ausdrucken, bzw. das Werk auf einen USB-Stick abspeichern. Der Ulmer Verlag, dessen Buch “Einführung in die neuere Geschichte”unter den von der Bibliothek digitalisierten Büchern befand und der seiner Meinung nach, ein angemessenes digitales Angebot machte, sah darin einen Verstoß gegen den Bibliotheksschranke genannten § 52b UrhG.

Grundlage des § 52b UrhG ist Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG, nach der Mitgliedsstaaten die Rechte von Urhebern und Verlagen einschränken dürfen. Die Einschränkung besteht darin, dass für die Nutzung der Werke keine Regelungen über Verkauf und Lizenzen gelten und diese sich in Sammlungen öffentlich zugänglicher Bibliotheken befinden.

Mehr dazu:
Bundesgerichtshof legt EuGH Fragen zur Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken vor, Bundesgerichtshof, Pressemitteilung Nr. 155/2012
BGH erbittet Vorabentscheidung des EuGH zur Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken, Kostenlose Urteile
BGH legt EuGH Streit um Urheberrecht vor : Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken, Legal Tribune Online
BGH: EuGH soll Fragen zur Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken klären : zu BGH, Beschluss vom 20.09.2012 – I ZR 69/11, Beck-aktuell

Siehe auch:
Positionen zu § 52b UrhG, IUWIS

Wie funktionieren Creative Commons Lizenzen?

Wie nutzt man Creative Commons-Lizenzen richtig?

Die Grafik hilft zu erkennen, wie man die mit Creative Commons lizenzierten Werke nutzen und weitergeben darf. Natürlich ersetzt dies häufig nicht den Blick in die “Deed” (Kurzfassung der jeweiligen Lizenz, jedoch nicht rechtsverbindlich) oder einen genaueren Blick gar in den eigentlichen Lizenztext der Creative Commons-Lizenzen(rechtsverbindlich).

Wie funktionieren Creative Commons Lizenzen?

Infografik: “Creative Commons – Was ist und bedeutet das?” (von Martin Mißfeldt / Bildersuche.org), CC BY-SA

Mißfeldt weist nochmal ausdrücklich hin, dass der Urheber bzw. die Urheberin des Werkes auf jeden Fall zu nennen ist, da die Werke durch die Lizenz nicht gemeinfrei werden, sondern weiterhin urheberrechtlich geschützt bleiben. Graf sagt auch nochmal deutlich in seinem Blogbeitrag, dass außerdem die Quelle zu nennen und ggf. verlinkt werden muss.

Quelle:
Mißfeldt, Martin: Was ist Creative Commons – und was bedeuten die Kürzel und Icons?, Bildersuche.org
Graf, Klaus: Infografik zu Creative Commons , Archivalia

Aufmerksam geworden über:
Beckedahl, Markus: Infografik: Creative Commons – Was ist und bedeutet das?, Netzpolitik
Haensch, Liane: Gelesen in Biblioblogs (34.KW’12), Lesewolke

Ich miet mir einen Artikel…

Bei meinem Bericht über die Abschaltung von TIBORDER bin ich auch über das Angebot der Technischen Informationsbibliothek (TIB) gestolpert, bei dem man sich einen Artikel für einen Tag mieten kann. Ein wenig stellt sich mir da die Frage: Wie verzweifelt muss man sein, ein solches Angebot zu nutzten?
Ich kann (aus) diesen(m) Beitrag weder kopieren noch drucken. Ich kann den Artikel für 24 Stunden lesen und vielleicht handschriftlich abpinseln (dafür wird die Zeit gerade noch reichen) oder durch andere Verfahren die analoge Lücke ausnutzen. Und dann wird der Artikel in dieser Form irgendwo als freie Version erscheinen.

Welche Argumente sprechen seitens der Bibliothek eigentlich für so ein Angebot?

Einmal gibt es da das Argument des Zugangs. Ich kann als Nutzer der Bibliothek zumindest den gesamten Inhalt dieses Artikels wahrnehmen, bevor ich mich entscheide, diesen notfalls zu kaufen.

Als Bibliothek kann ich auch seltene Zeitschriften(-beiträge) nachweisen und in irgendeiner Form zugänglich machen, die ich sonst nicht anbieten könnte. Damit bleibe ich als Bibliothek erster und umfassendster Anlaufpunkt für die Recherche der Fachwissenschaftler.

Aber habe ich als Bibliothek nicht auch die Verantwortung, unmögliche Geschäftsmodelle nicht zu unterstützen und zu fördern? Diese Frage stellt(e) sich bereits bei der Onleihe oder dem sehr restriktiv gestalteten Angebot der UTB-eBooks (Artikel von 2009).

Was passiert eigentlich für die Bibliothek? Wird sie nicht zum Kopierladen, nur eine weitere Vertriebsplattform im Portfolio der Verlage? Lassen sich Bibliotheken alles gefallen, nur um vermeintlich Zugang zu allen Informationen bieten zu können? Werden Verlage bald Geld von den Bibliotheken verlangen, wenn ein Student ein gedrucktes Buch ausleiht? Lässt sich das rechtlich und ethisch überhaupt absegnen, wenn Bibliotheken zu Verkaufsplattformen umfunktioniert werden? Werden solche Angebote durch die BID-Arbeitsgruppe für Ethik und Information erörtert?

Auf der Seite des Bibliotheksportals zum Thema “Informations- und Berufsethik” steht der Zugang zur Information ganz oben.

Hermann Rösch, Mitglied in der IFLA Kommission “Free Access to Information and Freedom of Expression (FAIFE)”, wird auf der Seite wie folgt zitiert:

“Bibliotheken aber haben keine Wahl: Sie müssen den Informationsauftrag in der demokratischen Gesellschaft wahrnehmen. Sie müssen Klarheit darüber schaffen, welche informationsethischen Grundsätze sie ihrer Arbeit zugrunde legen und in welchen Fällen mit Einschränkungen des ungehinderten Zugangs zu Informationsangeboten über Bibliotheken zu rechnen ist.”

Durch den Mietvertrag (oder besser gesagt Lizenzvertrag), der ja letztendlich mit Kosten für ein kaum zu nutzendes Dokument stellt sich mir eine weitere Frage, mit der sich die Ethik-AG und andere Aktive beschäftigen sollten:
Wann gilt Information als zugänglich und muss zugängliche Information dann auch noch (gut) nutzbar sein?

Scherzhaft mit bitterem Beigeschmack kamen wir (@esteinhauer und @bibliothekarin) in einem Twittergespräch gestern in Bezug auf die Mietartikel zum Schluss, dass dieses Mietangebot Bibliotheken zu “Bezahlschaufenstern der Verlage” macht und dies fast den Praktiken bei Butterfahrten entspricht. Nun ja, aus dem Rotlichtvierteln kennen vermutlich einige Herren diese Kabinen, wo man erst was sieht, wenn man bezahlt. Dann wird für einen gewissen Zeitraum ein roter Vorhang geöffnet und Mann darf zuschauen…

Urheberrecht und das Aus für Digitale Bibliotheksangebote

Digitale Angebote der DNB wurden vom Netz genommen…” lautete mein Blogbeitrag vor knapp einer Woche zum Schließen der Angebote “Exilpresse digital” und “Jüdische Periodika in NS-Deutschland”. Da vermutete ich noch:

“Aus rechtlichen Gründen” heißt es in der Begründung. Nichtssagend und alles implizierend. Vermutlich geht aus aus “urheberrechtlichen Gründen” nicht, aber ein Hinweis auf dies, würde aus meiner Sicht den Ärger etwas mildern.

Genauer hätte ich sagen müssen, den Ärger etwas mildern, den die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) abbekommen hat deshalb. Ärgerlich bleibt es dennoch. Im Grunde ist es so, dass die Debatte um den Schutz geistigen Eigentums dafür sorgt, dass die DNB u.a. die Ausgaben der Exilzeitung Aufbau nicht mehr verfügbar macht. Ursache ist die unklare Urheberrechtslage, die zu diesem Schritt zwingt und somit wichtige Einblicke in eine Epoche der Geschichte zurück ins Versteck treibt.

Die Einrichtung muss derzeit für jeden Text der Zeitschrift im Einzelfall prüfen, ob diese online gestellt werden. Zwar hat der Aufbau-Verlag die Archivierung begrüßt, aber er kann das nicht erlauben, da er sich zum Zeitpunkt, als diese Texte verlegt wurden, die Rechte für diese damals unbekannte Nutzung nicht sichern konnte.

Matthias Spielkamp von iRights.info erklärt die Ursachen in einem Interview im Deutschlandradio. Darin macht er deutlich, warum “Gedächtsnisorganisationen” wie Museen, Bibliotheken udn Archive ihren Aufträgen dank des Urheberrechts nicht nachkommen dürfen. Spielkamp fordert u.a.:

“Wenn Gedächtnisorganisationen das tun, wofür sie eigentlich existieren, dann darf das keine Urheberrechtsverletzung sein.”

Nationalbibliotheken vs. Urheberrecht, 06.05 min.

Spielberg plädiert im Rahmen des dritten Korbs der Urheberrechtsnovelle für eine Bereichsausnahme, die sehr umfassend wäre, aber Bibliotheken erlaubt, im Rahmen ihrer Arbeit, Werke zu digitalisieren und in angemessener Form einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne im Einzelfall jeden Urheber überprüfen zu müssen.

Auf der anderen Seite sollte man in Deutschlands Bibliotheken darüber nachdenken, ein entsprechendes Risikomanagment einzuführen, wie dies in vielen Bibliotheken schon der Fall ist, z.B.:

Kennt jemand andere Beispiele hier in Deutschland?

Warum Risikomanagement an Bibliotheken. Bei diesem wird abgewogen, wie hoch das Risiko einer Klage tatsächlich ist. Dies kann nach reiflicher Überlegung dazu führen, dass ein Risiko als gering eingeschätzt wird und man dann trotz rechtlicher Bedenken z.B. eine digitalisierte Sammlung online zugänglich macht. Neben den Risiken werden auch pragmatische Gesichtspunkte in die Entscheidungen einbezogen.

Screenshot einer LL-Lizenzanzeige

Bibliothekslizenzen – Library Licenses (LL)

Lizenzen sind recht kompliziert. Jeder Verlag hat seine eigene Lizenz und nicht immer erlauben Autoren oder Verleger eine Nutzung unter einer Creative Commons Lizenz.

Lising.org hat Lizenzen für E-Books in Bibliotheken zusammengestellt und eine kurze Übersicht geschaffen, die zumindest die grundlegendsten Punkte festhalten. Dabei wird nach “Name, Ownership, DRM-free, Copyright/License, Source, Distribution, Format, Cost and Examples” geschaut.

  • Name: Shorthand name for the model.
  • Ownership: Do libraries own authorized copies of the ebooks?
  • DRM-free: Does this option make ebooks available to libraries without freedom-restricting software?
  • Copyright/License: What legal protections apply to these authorized copies?
  • Source: How do libraries obtain copies of these eBooks?
  • Distribution: How do libraries distribute copies of these eBooks?
  • Format: In what format are these copies encoded?
  • Cost: Who pays and how much?
  • Examples: Libraries that are using this model.

Dabei ist mir ein Hinweis auf das “Library License Concept” von Jeff Goldenson aufgefallen. Goldenson arbeitet beim Harvard Library Innovation Laboratory

Die Idee:

Library License is a tool to grant public non-commercial online access to copyrighted material. Library Licensed works will be served over a secure, rights managed platform provided by libraries.

Ähnlich wie bei den Creative Commons-Lizenzen spiegeln auch Symbole die Lizenzbedingungen wieder.

Screenshot einer LL-Lizenzanzeige

Library License-Anzeige (vollständig)


Die Symbole sind interaktiv. Beim Darüberfahren mit der Maus erfährt der Nutzer, ab wann die Lizenz für dieses Werk gilt und für welche Bibliothek. Zudem hat er die Möglichkeit, sich per E-Mail darüber informieren zu lassen.

Neben einer festgelegten Zeitspanne können auch andere Faktoren bei diesen Lizenzen als Grundlage berücksichtigt werden (performance-abhängige Lizenzen). So wäre es vorstellbar, dass die LL-Lizenzen dann greifen, wenn das Buch vom Verlag als “Out of Print” gemeldet wird oder eine bestimmte Verkaufssumme eingenommen worden ist.

Kurz skizziert der Ablauf:
Bibliotheken verhandeln mit den Verlagen über die Lizenzen. Sie akzeptieren dabei für einen bestimmten Zeitraum die Lizenzen des Verlages und ergänzen diese mit einem Library-License-Contract, der die Lizenzbestimmungen des Verlages ab einem bestimmten Punkt ersetzt.
Die LL greifen z.B., wenn die anzunehmenden Verkaufszahlen stark sinken, z.B. nach 5 Jahren.

With the license in effect, full digital rights are given to recognized libraries. Publishers maintain exclusive commercial rights.

So können Bibliotheken sicherstellen, dass sie auch weiterhin den Zugang zu diesen digitalen Informationen für eine breite Öffentlichkeit sicherstellen können. Für die Bibliotheken wird Rechtssicherheit geschaffen, ohne dass sich die Verlage befürchten müssen, dass ihnen “gute Geschäfte” durch die Lappen gehen, weil sie Bibliotheken erlauben, ihre Bücher frei zugänglich zu machen. Für beide Seiten lassen sich so langwierige Nachverhandlungen vermeiden, wenn es darum geht, z.B. nach einer gewissen Zeit, Zugangsbedingungen zu ändern oder auf Digital Rights Management zu verzichten. Für Bibliotheken ergibt sich zudem eine Lizenzvereinfachung für eine spätere Verfügbarmachung der elektronischen Medien.

Noch ist man bei der Entwicklung dieser Lizenzen ganz am Anfang, aber es ist zu hoffen, dass sich diese Idee durchsetzt, zumindest dann, wenn Creative Commons-Lizenzen oder andere freie Lizenzen von den Rechteinhabern nicht erwünscht sind.

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