Das Magazin der Zentralbibliothek von Manchester

Das folgende Video mit dem Titel The Stacks” und dem Zusatz  “Entdecke die verborgenen Tiefen der Zentralbibliothek”, stammt von David Woodcock. Auf dem ersten Blick erinnerten mich die ersten im Film gezeigten Regale an die der Bibliothek der Freien Universität Berlin mit ihrem offenen Magzin. Unterhalb der Great Hall, dem Herzen der Bibliothek, liegt das sich auf vier Stockwerke erstreckenden Magazin.  Es besteht aus ca. 22 Meilen von Regalen und wurde für die Speicherung von etwa einer Million Bücher konzipiert. Die Magzine enthalten die ältesten und wertvollsten Schätze der Bibliothek. Pünktlich zur Wiedereröffnung der Bibliothek im Jahr 2013, werden die Ende des Jahres ausgelagerten Beständen wieder an ihren Platz zurückkommen. Seit dem 16. Juni ist die Zentralbibliothek wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Der Standort im Elliot House, 151 Deansgate übernimmt seit Montag, den 28.06. 2010, ersatzweise die Funktion der Zentralbibliothek.  Außerdem arbeitet die Bibliothek am größten Retrokatalogisierungsprojekt in England und verfügt über ein Bibliothekstheater, das am 4. Juli seine letzte Aufführung vor den Renovierungsarbeiten haben wird.

Aus aktuellem Anlass: Morgen wird ein neuer "Offener Bücherschrank" in Wien-Ottakring eröffnet

Da Standard“, ein österreichisches Onlineprojekt der Zeitung Der Standard, das sich um die mediale Integration von Nachwuchsjournalisten mit Migrationhintergrund bemüht, berichtete am 10.06. durch Olivera Stajic von der bevorstehenden Neueröffnung eines “Offenen Bücherschranks” in Wien-Ottakring. Stajic griff einen Artikel von Karl Gedlicka im Standard vom 8. Juni auf und poträtierte in einer Bilderschau die Entwicklung des neuen Büchertauschplatzes.  Gedlicka stellt fest, dass sich seit der Existenz des ersten Bücherschranks im Februar 2010 “diese Art des kostenlosen Nehmen und Gebens zu einer regelrechten Erfolgsgeschichte” entwickelt hat. Die Schlagzeile lautete: “Zwei Architekten und ein Künstler haben sich ausgetobt, und so schaut der neue Bücherschrank auch aus.”

Der einladende Slogan für alle Bücherschränke der Stadt Wien lautet:

So einfach geht es. Sie können Bücher nehmen.
Sie können Bücher geben. Keine Anmeldung.
Keine Kosten.

Auf der Webseite steht, dass der Entwurf des Schrankes in einen Vor-Ort-Diskurs tritt und sich mit seinem Slogan dem Konzept des Marktes entgegenstellt.

Herkömmlichen Bibliotheken vermögen dieser unbürokratischen, kostenlosen, niedrigschwelligen und unkomplizierten Variante hierzulande bisher noch nichts dergleichen entgegenzusetzen, um mehr Menschen an der Lesekultur teilhaben zu lassen als bisher.  Das Besondere daran ist, dass der Bücherschrank die Vielfalt der Sprachen, welche in Ottakring gesprochen werden, widergespiegeln soll, indem Bücher in den Muttersprachen der Bewohner fester Bestandteil werden. Im Gegensatz zu den vielen anderen “Offenen Bücherschränken” im deutschsprachigen Raum, scheint mir dieser neue Bücherschrank wohl einer der wenigen zu sein, der sich in einem Stadtbezirk befindet, der durch kultureller Vielfalt gekennzeichnet ist. Weitere “Offene Bücherschränke” sind demnächst im Heinz-Heger-Park und in der Gumpendorffstraße geplant. Sehr beeindruckend ist auch das Logo, das für die Wiedererkennbarkeit aller Bücherschränke der Stadt Wien steht und von Frank Gassner entwickelt wurde.

An dieser Stelle sollten unbedingt auf die Entwickler und geistigen Masterminds der “Offenen Bibliotheken”, Clegg und Guttmann eingegangen werden.  Weiterlesen

Eine "Bibliothek" aus weißem Beton im Öffentlichen Raum

Obwohl das Städtchen Cholet im Départment Maine-et-Loire (49) über  durchaus ansehnliche “echte” Bibliotheksbauten verfügt, will ich mich der dort noch relativ neuen architektonischen Sehenswürdigkeit widmen. Im Herzen der Stadt befindet sich seit kurzem eine neue architektonische Konstruktion auf der Außenwand eines Hauses. Sie soll eine Bibliothek darstellen. Um den Platz Rougé wiederzubeleben gab es die Idee einen Architekturwettbewerb auszuschreiben. Auf 136 m² wurde eine Potemkinsche Bibliothek, die Platz für etwa 5.000 Bücher hat, errichtet. Bei Einbruch der Dunkelheit gibt es eine scénographie lumineuse in Form von Lichtinstallationen. Vermutlich handelt es sich dabei um ähnliche Lichtspiele wie beim jährlich Fête des lumières in Lyon.

Die Arcades Rougé sind ein neuer Teil im Zentrum der Stadt und gekennzeichnet von kultureller und gewerblicher Nutzung, aber auch von Wohnanlagen. Peggy Jousse, der Architektin des Büros Labatut zufolge, stellt dieses “städtische Wohnzimmer” den place Rougé dar und eine Besonderheit. Es befindet sich hinter dem place Travot, einem großen Platz, der für Großveranstaltungen gedacht ist. Peggy Jousse und ihre ArchitektenkollegInnen wollten diesem lebhaften und lauten Platz etwas entgegensetzen, was mehr Intimität und Poesie vermittelt, aber auch Raum für Kommunikation bietet. Insgesamt betrugen die Kosten 103.000 €.

Europapreis für das Salbker Lesezeichen

Gratulation an das Feiluft-Lesezeichen in Salbke. Erst im letzten Jahr wurde das Projekt am Salbker Anger eröffnet. Wir im Blog haben im Juni 2009 darüber berichtet. Jetzt ist das Lesezeichen in einem Architekturwettbewerb als Sieger hervorgegangen.

Für den diesjährigen “European Prize for Urban Space 2010” waren 303 Projekte aus 32 Ländern norminiert und die Jury hat in diesem Jahr zwei gleichrangige Preise vergeben.

Das Architekturprojekt “Lesezeichen Salbke – Freiluftbibliothek in Magdeburg” wurde vor wenigen Tagen gemeinsam mit dem Außenraum der neuen Oper in Oslo von Snohetta ausgezeichnet.

Der Preis wird am 11. Juni – knapp ein Jahr nach Eröffnung der Bibliothek – an den Bürgerverein Salbke, Westerhüsen, Fermersleben in Barcelona übergeben.

Quelle:
Jahns, Jens-Uwe: Bürgerverein erhält Europapreis, Volksstimme

Bibliotheken in der Wüste am Beispiel der Stadt Timbuktu (Mali)

En Afrique, quand un vieillard meurt, c’est une bibliothèque qui brûle.  In Africa, when an old man dies, it’s a library burning. Jedes Mal, wenn in Afrika ein Greis stirbt, brennt eine Bibliothek. (Amadou Hampaté Bâ, 1960 at l’UNESCO)

Dieses Zitat, welches u.a. in einer Daueraustellung des Pigorini National Museum of Prehistory and Ethnography in Rom verwendet wird und vom wohl bekanntesten malinesischen Schrifsteller Amadou Hampaté Bâ stammt, bestimmt nach wie vor den eurozentrischen Blick auf den Kontinent Afrika, dass das kulturelle Gedächtnis von Stämmen und Kulturen nur alleine aus der oralen Tradition heraus weitergegeben wird und die Erwähnung der Existenz einer Schriftkultur bisher kaum thematisiert wurde. Es wurde dabei aber außer Acht gelassen, dass es beispielsweise in Mali, aber auch in anderen Ländern bereits seit dem 11. Jahrhundert eine Schreibkultur gibt, die weit über den Koran hinausging und wissenschaftliche und philosophische Schriften beinhaltete.

John Hunwick, ein englischer Professor für Afrikawissenschaften, Religion und Geschichte, sprach vom “song and dance” Stereotyp, das heutzutage weiterhin über den Kontinent Afrika verbreitet ist. Er merkte dazu folgendes an: “We want to demonstrate that Africans think and write and have done so for centuries.” (Wir wollen zeigen, dass Afrikaner seit Jahrhunderten denken und schreiben.)

Der südafrikanische Historiker und Autor des Buchs “The Meanings of Timbuktu”, Shamil Jeppie, gibt pauschal den Kolonialisten aus Europa die Schuld die geistige Geschichte Westafrikas verdrängt zu haben. Hierzulande werden im Volksmund Timbuktu und die  Walachei gerne in einem Atemzug genannt, wenn sprichwörtlich jemand eine ungeliebte Person ins Nirgendwo schicken will.

Timbuktu wurde im 11. Jahrhundert von den Tuareg gegründet und war insbesondere für den Salz- , Gold- und Sklavenhandel eine wichtige Handelstadt und ein Knotenpunkt. Dass Timbuktu vom 11. bis ins 15. Jahrhundert eine Universitätsstadt mit etwa 20.000 Studenten und zahlreichen Bibliotheken war, die zu den größten der damaligen Welt zählten, ist bis heute  in der Geschichtsschreibung europäischer Prägung weitestgehend ausgeblendet.

Der arabische Reisende und Geograph Johannes Leo Africanus beschrieb die Stadt als Zentrum für Doktoren, Richter und anderen Gelehrte. Ab dem Jahr 1591 verlor Timbuktu durch die Eroberung der marokkanischen Armee an Bedeutung  und unter französischer Herrschaft verfiel Mali immer mehr der Armut und der Isolation. Seit 1959 ist Mali unabhängig und ist dabei seine eigene Identität zu finden und eine selbstbewußte Nation zu werden.

Heute gibt es noch schätzungsweise 80 Privatbibliotheken in der Stadt. Zu den größten zählt die Mamma Haidara Bibliothek, die Fondo Kati Bibliothek und die Al-Wangari Bibliothek.

Der Philosoph und Historiker Ismael Diadie Haidara setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, Gelder aufzutreiben, um  seine 3.000 Manuskripte zu konservieren, welche detailliert von einer Co-Existenz von Muslimen, Juden und Christen berichten und beweisen, dass Timbuktu immer schon ein Zentrum für religiöse und ethnische Toleranz gewesen ist. Er selbst stammt von spanischen Christen ab und es gibt noch viele weitere Malier, deren Herkunft multiethnisch und multireligiös ist.

Unter den folgenden beiden Links gewinnt der/die Bibliotheksinteressierte anhand zahlreicher Fotos einen interessanten Einblick über die architektonische Schönheit des von der südfrikanischen Regierung und dem vom Timbuktu Manuscripts Trust finanzierten Baus des neuen Ahmed-Baba-Centers. Andre Spies erläuterte in seinem illustrierten Essay The Building of a New Library in Timbuktu aus dem Jahr 2005 seine architektonischen Überlegungen zum Ahmed-Baba-Institut und wie er plante, das Institut in die Stadtstrukturen zu integrieren und inwiefern sich der afrikanisch-islamische Einfluss in der Ästhetik des Gebäudes widerspiegeln wird. Das Institut wurde vom Architekturbüro DHK Architects mit  Andre Spies als Projektarchitekten entworfen. Ferner wird auf  darauf verwiesen, dass das neue Gebäude erst seit Ende 2009 voll funktionsfähig ist.

Im Ahmed-Baba-Institut in Timbuktu lagern 20.000 Handschriften, welche unter anderem der Pflanzenmedizin, der Mathematik, der Musik, dem islamischen Recht und der Poesie zuzurechnen sind. Hierbei handelt es sich um die bedeutendste Sammlung alter westafrikanischer Manuskripte. Ziel des 1970 gegründeten Ahmed-Baba Instituts war es die damals weitestgehend unbekannte Zahl von Manuskripten zu sammeln, zu restaurieren und zu katalogisieren und fachgerecht aufzubewahren. Sie sind historisch mit der Islamisierung Westafrikas und der Ausbreitung der Königreiche Mali im 13. und 14. Jahrhundert und Songhay im 15. und 16. Jahrhundert verbunden. Herrscher und Gelehrte, die Ägypten besuchten oder nach Mekka pilgerten, kamen in Timbuktu vorbei.

Die Bibliothek, die zum gleichnamigen Institut gehört, wurde mithilfe des Staates Südafrika 2009 neu errichtet und im letzten Jahr feierlich eingeweiht. In seiner Ansprache zur Einweihung des etwa 7,5 Millionen Dollar teuren Neubaus,  drückte  der Vizepräsident Südafrikas Motlanthe die Hoffnung aus, dass es zu einer Re-Definition der Rolle Afrikas in der Weltgeschichte kommt.

“This magnificent heritage should strengthen our efforts to rebuild our continent, work for growth and development, fully aware that we can – despite the many impediments we face – emulate the grandeur of these great Africans who came before us. Significantly, it is part of our efforts to elevate Africa not only in the eyes of the world but also in the eyes of Africans who may have succumbed to the notion of Africa’s historical inferiority or who carry a demeanour of defeat, or who join the ranks of the Afro-pessimists who see no value in Africa’s past and hence no reason to contribute to Africa’s future”

(Dieses großartige Erbe soll unsere Anstrengungen stärken unsereren Kontinent wiederaufzubauen, für Wachstum und Entwicklung zu arbeiten, im vollen Bewußtsein unseres Könnens dazu imstande zu sein – trotz der vielen Hindernisse, welche uns gegenüberstehen – um der Größe der Afrikaner nachzuahmen, die vor uns da waren […])

Am 5.  Januar 2010 diesen Jahres griff der Courrier International den Artikel “In Timbuktu, a race to preserve Africa’s written history” von Scott Baldauf aus dem Christian Science Monitor vom 16.12.2009 wieder auf, indem er hierfür die französische Übersetzung veröffentlichte.  Hierbei ging es um die reichhaltigen kulturellen Schätze, über welche Timbuktu verfügt.  Weiterlesen

Aus aktuellem Anlass: Die Eröffnung des Rolex Learning Centers der Ecole Polytechnique Fédérale (EPFL) de Lausanne am 22.02.2010

Am 22.02. 2010 wird das von der japanischen Architektin Kazuyo Sejima und ihrem Partner Ryue Nishizawa (Büro SANAA) neu entwickelte Rolex Learning Center (RLC) der ETH (EPFL) Lausanne nach 5 Jahren Bauzeit eröffnet. Der Baubeauftragte, Projektleiter und Vizepräsident der EPFL Francis-Luc Perret bezeichnete es als “Garderobe, bei der man seinen Streß abgibt” und andere wiederum verwenden den Begriff bâtiment paysage, da es sich in die Alpenlandschaft, den Genfer See und den Hügeln gut einfügt. Der pédagogue professionel Monsieur Dillenburg, der für die Didaktik und pädagogische Entwicklung am Campus zuständig ist,  wies in einer Radiosendung auf Radio Suisse Romande ausdrücklich darauf hin, dass es ein Learning Center ist und keine Bibliothek und widersprach der Radiomitarbeiterin, dass der Ort keinesfalls zur Stille und Ruhe ermahnen soll, sondern zur Interaktion und  Gruppenarbeit einlädt. Auf der Webseite des RLC sind zwar schon viele Informationen zu finden, aber dennoch hätte ich mir als Bibliothekar mehr Infos gewünscht, die über die architekturphilosophischen und hochschulpolitischen Ziele hinausgehen. Die Hälfte des 110 Millionen Franken teuren Gebäudes wird von Schweizer Unternehmen (Nestlé, Logitech, Credit Suisse, Novartis usw.) getragen, wobei die Firma Rolex sicherlich keinen unerheblichen Beitrag leistet. Den Kern des Gebäudes bildet eine Bibliothek mit über 500.000 ME. Das Grundstück, auf dem das Gebäude errichtet wurde, ist 88.000 m² groß und wurde im Sinne eines Lern- und Begegnungszentrums gebaut. Es stellt ein “nahtloses Netzwerk“ aus Restaurants, einer Bank, einer Buchhandlung, Lese- und Hörsälen, Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen und Parkanlagen dar. Roman Hollstein vermutete in der Neue Zürcher Zeitung am 18.02., dass dieses Gebäude ein neuer architektonischer Wallfahrtsort wird. Nach der 2008 errichteten vollautomatischen Métro ist Lausanne um eine technische und architektonische Sehenswürdigkeit reicher. Ein Ziel des Architektenpaares war es,  den Austausch der Studierenden aus aller Welt zu fördern, was ja einer der Grundgedanken der Bologna Hochschulreform ist.  Außerdem wurden die bisher “geschützten Zonen des Wissens” in einem offenen Raum zusammengeführt, der sowohl  Studierenden, Forschern, Dozenten, als auch der Allgemeinheit täglich von morgens 7 Uhr bis Mitternacht gleichermaßen offenstehen soll. An der EPFL sind aktuell etwa 11.000 Hochschulangehörige tätig, wovon 7.000 Studenten und Professoren sind. Zu den 4.000 Forschern zählen auch Mitarbeiter kleinerer Start-Up-Firmen. Der Hochschulpräsident Patrick Aebischer wünschte sich ein Gebäude, bei dem die tradionellen Grenzen zwischen den Fakultäten durch einen Geist der Zusammenarbeit (spirit of collaboration) ersetzt werden und einem Campus, der offen und einladend für die Öffentlichkeit ist. Sie zählt weltweit zu den internationalsten Universitäten, wobei die Hälfte der Fakultätsangehörigen außerhalb der Schweiz angeworben wurde  und 60 % der PhD Studenten aus dem Ausland kommen. Finanziert wird die ETH direkt von der eidgenössischen Schweizer Regierung und nicht etwa vom Kanton Waadt. Weiterlesen

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