Warum gibt es Dein Wunschebook nicht in Deiner Bibliothek? #EBookSOS

Deutsche Fassung des Films von Ebook Investigation, die erklärt, warum Bibliotheken, auch wenn sie wollten, bestimmte E-Books einfach nicht zur Verfügung stellen können.

Die Bibliothek am Luisenbad in Berlin-Wedding

Im vergangenen Jahr beging die Bibliothek am Luisenbad eigentlich ihr 25-jähriges Jubiliäum. An dieser Stelle wird Wedding verwendet, das ja mittlerweile ein Teil des Bezirks-Mitte ist. Aufgrund der Corona Pandemie wurde dieser Jahrestag nicht feierlich begangen. Auszubildende der Stadtbibliothek Berlin-Mitte drehten einen Film über die Bibliothek. Im Rahmen der Veranstaltung „Das Fremde in uns und wir im Fremden – Wohnen im gemeinsamen Haus Integration und Partizipation“ im Jahr 2009 lernte ich diese Bibliothek selbst kennen. In dem Film geht es auch um die Geschichte dieses Gebäudes bis hin zur Gründung der Bibliothek vor 26 Jahren. Sie ist ein Geheimtipp, nicht nur für Bibliothekstouristen, sondern für Architekturfans und Bibliotheksfans gleichermaßen:

“Die Bibliothek zeichnet sich durch viele Angebote für die Leseförderung von Kindern aus, beherbergt die Schulbibliothekarische Kontaktstelle, die Bücherbusse der Stadtbibliothek, bietet Ausstellungen, ein Geocaching Spiel mit dem Quellengeist Luise, ein Escape Game und hat sich in den letzten Jahren, unterstützt durch einige Comicverlage, zu einem Hotspot für Bookrelease Parties der Comic Szene, entwickelt. “

#Rassismuslesen – Bücher gegen Rassismus: Ein Aufruf zum Mitmachen auf Twitter

“Bibliotheken sind Orte der Dokumentation und Wissensaufbereitung, ihr Anspruch ist möglichst umfassendes Sammeln und freier Zugang für Alle. Mit der #BlackLivesMatter Bewegung erreicht die Debatte über Rassismus und Kolonialismus in unserer Gedenk- und Erinnerungskultur (Denkmäler, Straßenbezeichnungen etc.) zuletzt eine breite Öffentlichkeit. Auch wir Bibliothekar*innen sind als Akteur*innen von Kultur- und Bildungseinrichtungen gefordert, uns einer Auseinandersetzung mit strukturellen Rassismen in unseren Bibliotheken zu stellen. Ausgehend vom angloamerikanischen Raum, wo die professionelle Beschäftigung mit Rassismen in Bibliotheken bereits fortgeschritten ist, gibt es auch im deutschsprachigen Raum einzelne Initiativen und Forschungen dazu.” C3 – Centrum für Internationale Entwicklung Wien

Zu dem von Ferda Ataman ins Leben gerufenen Aufruf passt irgendwie auch ein Teil des Einleitungstextes der Online-Veranstaltung (Austauschtreffen) vom 27.01.2021 mit dem Titel “Decolonize the Library“. Zuletzt trendete am Do/Fr auf Twitter leider der Hashtag “Rassismus gegen Weiße”. Aus diesem Grunde erfand die Journalistin Ferda Ataman (https://twitter.com/FerdaAtaman) den Hashtag #Rassismuslesen. Bereits im Blogbeitrag “Bücher und Leselisten gegen Rassismus?” lautete der letzte Satz, dass solche Listen/Auflistungen/Buchtipps durchaus einen Versuch wert wären, nicht nur für ein mögliches Engagement von Bibliotheken gegen Rassismus. Dies ist nun der passende Anlass damit zu beginnen. Wer aber Zweifel hat, dass es vielleicht doch “Rassismus gegen Weiße” geben könnte, empfehle ich das neue Buch von Emilia Roig “Why we matter” bzw. die Diskussion darüber im Maxim Gorki Theater vom 13.02.21, welche ab Minute 19 diese Frage beantwortet. Ferner empfehle ich die Artikel von , Ciani-Sophia Hoeder, Christoph Giesa und Hannes Soltau. Im Folgenden werde ich ihre Leseempfehlungen, die von anderen, meine eigenen und die vom Bibchat (vom 5. Oktober 2020) in diesem Blogbeitrag in den nächsten Tagen ohne Garantie auf eine endgültige Vollständigkeit hinzufügen. Beim Online Austauschtreffen zum Thema “Decolonize the Library” wurde eine Literaturliste versendet, in der natürlich auch Bücher zum Thema Rassismus dabei waren. Das ein oder andere wird hierzu noch mit angefügt. Vorschläge von Seiten der Leser*innen dieses Blogbeitrags sind ebenso herzlich willkommen.

Atamans Aufruf sollte mehr Unterstützung erfahren und dies ist ein Beitrag dazu.

Zudem ist dies ein Aufruf an alle Bibliotheken, Bibliothekar*innen, Archivar*innen, Informationswissenschaftler*innen und alle sonstigen Antirassist*innen Beiträge zum Hashtag #Rassismuslesen auf Twitter zu posten!

1.) Ogette, Tupoka : exit RACISM – rassismuskritisch denken lernen

2.) Nduka-Agwu, Adibeli/Hornscheidt, Antje L. (Hg.) : Rassismus auf gut Deutsch – ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen

3.) Kendi, Ibram X. : How To Be an Antiracist

4.) Hund, Wulf D. : Wie die Deutschen weiß wurden – Kleine (Heimat)Geschichte des Rassismus

5.) Hasters, Alice : Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten

6.) Asiatische Deutsche : vietnamesische Diaspora and Beyond / Hrsg. Kien Nghi Ha. Berlin; Hamburg : Assoziation A, 2012. – S. 344 : Abb. ISBN 978-3-86241-409-3

7.) El-Tayeb, Fatima: Undeutsch. Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft. 22. September 2016, 256 Seiten. ISBN: 978-3-8376-3074-9

8.) Balibar, Étienne/Wallerstein, Immanuel: Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Argument Verlag, ISBN: 978-3-88619-386-9, Titel der französischen Originalausgabe: Race, Nation, Classe. Les identités ambiguës. Editions La Découverte, 1988

9.) Sow, Noah (2018): Deutschland Schwarz Weiß. BoD-Books, 344 Seiten, ISBN 978-3-7460-0681-9

(umfassend aktualisierte Neufassung)

10.) Terkessidis, Mark (2019): „Wessen Erinnerung zählt? Koloniale Vergangenheit und Rassismus heute“. Hoffmann und Campe. Weitere Buchveröffentlichungen: http://terkessidis.de/person

11.) Steinke, Ronen (2020): Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und wie der Staat versagt. Eine Anklage. Piper

12.) Çevikkollu, Fatih: Der Moslem-TÜV. Deutschland, einig Fatihland. Der Reiseführer für Eingeborene. Rowohlt.

13.) Ha, Kien Nghi/Lauré al-Samarai, Nicola/Mysorekar, Sheila (2016): re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland. Unrast. ISBN 978-3-89771-458-8

14.) Aydemir, Fatma/Yaghoobifarah, Hengameh (Hg.): Eure Heimat ist unser Albtraum. Ullstein. ISBN: 9783961010363

15.) Amjahid, Mohamed (2017): Unter Weißen. Was es heißt, privilegiert zu sein. Hanser. Berlin. ISBN 978-3-446-25472-5

16.) Şenocak, Zafer (2011): Deutschsein. Eine Aufklärungsschrift. Edition Körber (Hamburg) 2011. ISBN 978-3-89684-083-7 . Leseprobe

17.) Ben Jelloun, Tahar: Papa, was ist ein Fremder? Gespräch mit meiner Tochter. Rowohlt. Hamburg. ISBN 3-499-22750-9

18.) Roig, Emilia (2021): Why we matter. Das Ende der Unterdrückung. Aufbau. ISBN: 978-3-351-03847-2 . Verfügbar ab 15.02.2021. Leseprobe

19.) Fanon, Frantz (1981): Die Verdammten dieser Erde. Suhrkamp. ISBN: 978-3-518-37168-8

20.) Fanon, Frantz (2019): Schwarze Haut, weiße Masken. Turia+Kant. ISBN 978-3-85132-782-3

21.) hooks, bell (2020): Die Bedeutung von Klasse: Warum die Verhältnisse nicht auf Rassismu und Sexismus zu reduzieren sind. Unrast. ISBN: 978-3-89771-274-4

22.) Arndt, Susan (2017): Rassismus. Die 101 wichtigsten Fragen. 3. Aufl. München: Beck.

23.) Wiedemann, Charlotte (2020): Der lange Abschied von der weißen Dominanz. Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe ; Band 10546) oder dtv. Leseprobe

24.) Pitts, Johny (2020): Afropäisch – Eine Reise durch das schwarze Europa. Suhrkamp. Berlin. ISBN: 978-3-518-42941-9 . Leseprobe

25.) Mbembe, Achille (2016): Kritik der schwarzen Vernunft. Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe ; Band 1703) oder Suhrkamp

26.) Coates, Ta-Nehisi (2016): Zwischen mir und der Welt. Hanser. München. (auch verlegt bei der Bundeszentrale für politische Bildung, aber vergriffen) Leseprobe

27.) DiAngelo, Robin (2020): Wir müssen über Rassismus sprechen : Was es bedeutet, in unserer Gesellschaft weiß zu sein (New York Times-Bestseller – “White Fragility”). Hoffmann & Campe. 9783455008135

28.) Thomas, Angie (2020): Concrete Rose. Random House (erschienen am 25.01.2021). ISBN: 978-3-570-16605-5 (Jugendbuch)

29.) Wenzel, Olivia (2020): 1000 Serpentinen Angst.  Roman. S. Fischer. ISBN: 978-3-10-397406-5

30.) Cha, Steph (2020): Brandsätze. Ars Vivendi. Cadolzburg. ISBN 978-3-7472-0115-2

31.) Olujo, Ijeoima (2020):Schwarz sein in einer rassistischen Welt : Warum ich darüber immer noch mit Weißen spreche. Unrast. Münster. ISBN:  978-3-89771-275-1. Leseprobe

32.) Kelly, Natasha: https://natashaakelly.com/books/

33.) Chebu, Anne (2014): Anleitung zum Schwarz sein. Unrast. Münster. ISBN 978-3-89771-527-1

34.) Ayim, May (1995): Blues in Schwarz Weiß. Orlanda. Berlin.

35.) Arndt, Susan/Eggers, Maureen Maisha/Kilomba, Grada/Piesche, Peggy (Hg.) (2017): Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Unrast. Münster: ISBN: 978-3-89771-440-3

36.) Brokowski-Shekete, Florence (2020): Mist, die versteht mich ja! : aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen. Orlanda. Berlin. ISBN: 9783944666761: https://orlanda.de/post/florence-brokowski-shekete-auf-der-spiegel-bestsellerliste

37.) Thomae, Jackie (2020): Brüder. Hanser. Berlin. ISBN: 978-3-446-26415-1

38.) Amjahid, Mohamed (2021): Der weiße Fleck. Eine Anleitung zum antirassistischen Denken. Piper. Köln. ISBN: 978-3-492-06216-9 (Erscheint am 01.03.2021)

39.) Jewell, Tiffany/Durand, Aurélia (2020): Das Buch vom Antirassismus. Zuckersüß Verlag. Berlin. ISBN: 978398213793. (Für junge Erwachsene von 10-17 Jahren)

40.) Eddo-Lodge, Reni (2019): Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche. Klett-Cotta. Stuttgart. ISBN: 978-3-608-50419 . (Orig.: Why I‘m No Longer Talking To White People About Race). siehe auch: Reni Eddo-Lodge, Why I’m No Longer Talking to White People About Race, 22.2.2014, http://renieddolodge.co.uk/why-im-no-longer-talking-to-https://www.dtv.de/buch/theodor-michael-deutsch-sein-und-schwarz-dazu-34857/white-people-about-race«

41.) El-Tayeb, Fatima (2020): Schwarze Deutsche: Der Diskurs um Rasse und Nationale Identität. Campus. Frankfurt. ISBN: 9783593367255 (Books on Demand)

42.) Oluo, Ijeoma (2021): Das Land der weißen Männer. Eine Abrechnung mit Amerika. Hoffmann und Campe. Frankfurt. 978-3-455-01068-8

43.) Wonja, Theodor Michael (2014): Deutsch sein und schwarz sein dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen. dtv. München. ISBN: 978-3-423-34857-7 . Leseprobe

44.) Baldwin, James (2020): Nach der Flut das Feuer (The Fire Next Time). dtv. München. ISBN 978-3-423-14736-1. Leseprobe

[Infografik] Bibliotheksangebote für Wohnungslose

Quelle: Services for the Homeless at Libraries

«Audream» – eine mobile antirassistische Bibliothek

Im Zusammenhang mit Schwarzer Literatur und Schwarzen Perspektiven wurde 2014 bereits die Kiezbibliothek des Vereins Each One Teach One (EOTO) e.V. vorgestellt. Einen anderen, aber ähnlichen Schwerpunkt setzt die Bibliothek AUDREAM, die es seit 2016 in Berlin gibt. Der Name steht für Audre Lorde & Our Dreams.

Warum wurde die Bibliothek nach Audre Lord benannt? Die Gründerin, Chima Ugwuoke, beantwortete diese Frage wie folgt:

“Audre Lorde hat die Schwarze deutsche Frauenbewegung wesentlich inspiriert und Frauen dazu ermutigt, ihre Geschichten aufzuschreiben. Für mich steht die Zusammenstellung der Bibliothek in Kontinuität mit dieser Frauenbewegung. Das, was Frauen da geschaffen haben, das Wissen, was sie generiert haben, soll zugänglich sein. Leute sollen darauf aufmerksam gemacht werden, um sicherzustellen, dass dieses Wissen nicht in Vergessenheit gerät. Es ist also auf unsere Art die Fortführung der Kämpfe um Sichtbarkeit und Hörbarkeit von Schwarzen Frauen und Frauen of Colour.”

Das Ziel dieser Bibliothek ist es, Literatur und Wissen Schwarzen Frauen zugänglich zu machen. Es handelt sich um eine mobile antirassistische Bibliothek, die ihre Einsatzorte in Berlin hat. Die Initiatorin der Projektbibliothek ist Chima Ugwuoke. Die Gründerin machte in einem Interview 2017 darauf aufmerksam, die Bibliothek von Each One Teach One (EOTO) e.V. nur beschränkt zugänglich ist und aus diesem Grunde wollte sie etwas schaffen, was den Zugang zu dieser Art von Schwarzer feministischer Literatur öffnet. Finanzielle Unterstützung erhält die Bibliothek von der Kreuzberger Kinderstiftung, gleichzeitig ist diese aber auch auf Spenden angewiesen. Es besteht die Möglichkeit Kooperationsprojekte mit dieser Bibliothek einzugehen, indem Lesungen, Workshops, Veranstaltungen mit Kindern oder Ähnliches durchgeführt werden.

Die Bibliothek ist durchaus noch ausbaufähig und besteht aus etwa “150 Büchern, Zeitschriften und DVD‘s, die mit anti-rassistischen und Schwarzen feministischen Ansprüchen in Form von Kinder- und Jugendbüchern, Biografien und Theoriewerken, marginalisiertes Wissen” zugänglich machen will. Es gibt die Möglichkeit Bücherkisten zu bestellen. Die Ziele der Einrichtung sind die “Hör-und Sichtbarkeit Schwarzer feministischer Perspektiven, Positionen, Gedanken, Fragen und Forderungen” zu erhöhen. Mehr Infos gibt es auf der Homepage: https://audream.org/

Der Titel des folgenden Videos “eine Kinder-Bibliothek mit schwarzen Helden” wird der Bibliothek nicht ganz gerecht, da sie mehr als nur Kinder erreichen will.

Bücher und Leselisten gegen Rassismus?

Der Hashtag #BÜCHERGEGENRASSISMUS stammt vom Literaturblogger Marius Müller (https://buch-haltung.com/). Er thematisierte in seinem Blogeintrag vom 3. Juni die aktuellen Ereignisse in den USA, die nun von einer großen Anzahl von Menschen nicht mehr weiter hingenommen und akzeptiert werden. Aus aktuellem Anlass erstellte er eine Liste antirassistische Literatur. Ich finde diese Liste durchaus gelungen, da neben Sachbüchern und bekannten Klassikern u.a. von J. Baldwin auch Krimis enthalten sind.

Der Blogger geht auch auf den Rassismus in Deutschland ein, der in den letzten Jahren erneut zunahm. Müller gibt sich keinesfalls der Illusion hin, dass Bücher viel gegen Extremismus und Rassismus ausrichten können. Trotz seines Realismus, glaubt er dennoch an die Macht der Worte und die Kraft der Veränderung:

“Denn wenngleich Bücher konkret wenig an herrschenden Verhältnissen verändern, so ist es doch das Denken, auf das sie einen großen Einfluss haben können. Bücher können Sachverhalte vor Augen führen, Privilegien sichtbar machen oder Diskurse anstoßen. Freilich: ohne einen aufgeschlossenen Geist wird das alles nichts – aber bei den Leser*innen der Buch-Haltung gehört eine solche Offenheit ja eh zur Grundeinstellung.”

Wenn ich selbst meine eigene Lesebiografie analysiere, komme ich durchaus zum Schluss, dass es sehr wohl einen Unterschied macht MalcolmX und Roots als Teenager gelesen zu haben. Von MalcolmX ist es kein weiter Weg zu Marcus Garvey und Huey Newton. Die Sensibilität und das Bewusstsein von Diskriminierung betroffene Minderheiten besser zu verstehen, kann durch die Lektüre, welche deren  Anliegen und Geschichte verdeutlicht, erzeugt und geschärft werden. Es gäbe noch weitere Beispiele, die klar machen wie wichtig es sein kann Literatur gegen Rassismus möglichst frühzeitig kennen zu lernen. Erst später entstanden mehr und mehr Sachbücher dazu im deutschsprachigen Raum. Der Bestand zum Thema Fremdenfeindlichkeit/Rassismus fiel in der Kindheit und meiner Jugend in der lokalen Bibliothek vor Ort äußerst dürftig aus, wenn man diesen mit der heutigen Anzahl an Medien vergleicht.

Mit Sicherheit können andere Künste wie Musik und Malerei ebenso ihren Beitrag dazu leisten ein bessere Verständnis für eine antirassistische Haltung zu erzeugen.

Insbesondere im englischsprachigen Raum werden derzeit jeder Menge  Literaturtipps gegen Rassismus weiterverbreitet. Laut dem Slate Magazine vom 1. Juni 2020, sind viele antirassistische Bücher auf Amazon ausverkauft, auf den Bestsellerlisten vor allem im Bereich Non-Fiction sind diese Bücher ganz weit oben zu finden. An dieser Stelle werde ich kurz auf die wichtigsten Quellen der englischsprachigen Literatur gegen Rassismus verweisen ohne eine Garantie auf Vollständigkeit abzugeben:

Zurecht stellte Lauren Michele Jackson am 4. Juni im Vulture Magazine die Frage “What Is an Anti-Racist Reading List For?”. Die Autorin machte darauf aufmerksam, dass die typische antirassistische Literatur wie sie oben genannt wurde und auch in den oben stehenden Gliederungspunkten aufgelistet wurde, keine pädagogische Anleitung gibt und selbstreferentiell ist. Die Autorin glaubt nicht an die Selbstgewisserung derer, die einen solchen Kanon aufstellen und an die Heilsversprechen eines solchen:

“As a friend pointed out on Twitter, George Zimmerman was acquitted seven years ago. Donald Trump was elected four years ago. Black History Month happens every year. Cops kill all the time. The books are there, they’ve always been there, yet the lists keep coming, bathing us in the pleasure of a recommendation. But that’s the thing about the reading. It has to be done.”

Ihren Fatalismus kann ich zwar nachvollziehen, aber ich teile ihn nicht vollkommen. Ob eine Buchempfehlung oder eine Liste mit Literatur ernst genommen wird von all jenen, die Nachholbedarf in Geschichte und Rassismus haben, ist immer fraglich. Es ist aber nachgewiesen, dass Bücher heilsam sein können und nicht nur jungen Häftlingen bei der Resozialisation helfen. Die Wirkpotenziale des Lesens dürfen nicht unterschätzt werden. So gab es bereits vor dem Projekt an der JVA Stadelheim in Dresden einen sogenannten “Dresdner Bücherkanon“. Ein Blick in den Bücherkanon macht deutlich, dass Lesen eine Erziehungsfunktion insbesondere in der Jugendgerichtshilfe haben kann. Der Kanon enthält auch Bücher, die sich mit dem Fremdenfeindlichkeit und anderen Jugendthemen auseinandersetzen. Er richtet sich an jugendliche Straftäter im Alter von 12-20 Jahren.

Die Autorin Nic Stone plädierte am 8. Juni im Cosmopolitan Magazine dafür nicht nur Sachbücher über Rassismus zu lesen, sondern auch Geschichten darüber, wie Schwarze Menschen leben, zu lesen: “Don’t Just Read About Racism—Read Stories About Black People Living

An ihrem Post vom 30. Mai auf Instagram wird deutlich, wie wichtig Kinderbücher sind, in denen zum Beispiel Schwarze vorkommen und Hauptakteure sind. In diesem Zusammenhang sei auf den Blogeintrag “Diversität im Literaturbestand Öffentlicher Bibliotheken?” verwiesen:

Hier ein Auszug ihres Postings:

“Read all the books about racism. All of them. Recognize that racism, racist acts, racist ideas, and racist terror are and have always been about dehumanization. “Those beings aren’t (insert illusorily elevated trait) like us, so we are human and they are not.” Once we become less human in someone else’s sight, we become less worthy of compassion, empathy, space, existence, justice, fairness. Less worthy of love. Peace. Power. Less worthy of of oxygen. Of life. So while you’re reading those books about racism, please also read books about explicitly black people–especially black kids–just being human. Doing things humans are allowed to do in our imaginations: falling in love, dealing with illness, navigating time travel, questioning other aspects of their identities, saving their country, fighting with their parents.”

Nachdem ich mich nun im Zuge des Blogeintrags mit dem Thema Leselisten und deren Funktion ausführlich befasste und selbst über besuchte Lesungen der letzten Jahre wie etwa die von Zafer Şenocak, Anne Chebu, Mark Terkessidis und Sascha Stanicic zurückerinnere und nachdenke, komme ich zum Entschluss, dass Rassisten eher selten bis gar nicht Lesungen besuchen würden, bei denen Meinungen und Haltungen vertreten werden, die den ihren entgegenstehen. Meistens gab es wenig bis keinen Widerspruch aus dem Publikum bei solchen Lesungen, da die Teilnehmer*innen oft einem ähnlichen Milieu angehören und ohnehin fast die gleiche Einstellung wie der Autor/die Autorin mitbringen. Die Sarrazin-Lesung aus dem Jahr 2010 in München ist ein gutes Gegenbeispiel dafür, dass Rassisten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, allen voran der bügerlichen Mittelschicht, einer Lesung beiwohnten, die deren Weltbild bestätigte. Antirassisten, welche etwa die Lesung “störten”, bestätigen genau das Weltbild, welche Rassisten von ihnen haben. All jene, die störten und einen Abbruch erzwingen wollten, erreichten bei den Gästen mitnichten deren Einstellungen & Meinungen zu verändern. Im Gegenteil, die, welche den Autor “gut” fanden, sahen sich in der Meinungsfreiheit beschnitten und bezichtigten die, welche seine Thesen als rassistisch bezeichneten als “Störer”. Der überwiegende Teil der Zuhörerschaft stimmte in diesem Fall mit der Meinung und Haltung des Autors überein, obwohl er und seine Thesen erwiesenermaßen bis zum heutigen Tage rassistisch bleiben.

Leselisten verfolgen zwar ein hehres Ziel und eine “Mission”, aber im seltensten Falle bewirken sie das, wofür sie eigentlich gedacht sind und meist werden nie jene erreicht, die “bekehrt” werden sollten. Solche thematischen Leseempfehlungsaufstellungen und Bücherschaukästen kenne ich aus der eigenen bibliothekarischen Arbeit und beobachte sie auch noch jetzt regelmäßig bei Besuchen in Bibliotheken. Es ist aber durchaus wohlfeil und selbstgerecht, gerade immer das Thema “auszuhängen”, was opportun ist und sich gut verkaufen/ausleihen lässt. Rassismus und der Kampf dagegen sollte nicht für eigene Zwecke instrumentalisiert werden. Auf Menschen, die nicht per se die in den Büchern vermittelte Einstellung teilen, nicht tolerant und antirassistisch sind, mag eine solche Liste paternalistisch, arrogant und bildungsbürgerlich überheblich wirken. Es ist durchaus möglich, dass solche Leselisten eine bürgerliche weiße Mittelschicht erreichen, Angehörige bestimmter Minderheiten, Studierende und auch Leute aus dem Arbeitermilieu. Dennoch wird Lesen alleine, am strukturellen Rassismus und an der ethnischen Diskriminierung beispielsweise an Schulen kaum bis gar nichts ändern. Es könnten noch weitere Beispiele angeführt werden, die noch andere Rassismen anderer Gesellschaftsbereiche aufzeigen und deren mangelnder Abbau durch das Lesen keine unmittelbare Veränderung herbeiführt. Lesen ist immerhin ein Anfang. Ähnlich verhält es sich mit der geplanten Streichung des Begriffs “Rasse” im Grundgesetz. Sollte diese zustande kommen, gibt es ja immer noch den Rassismus.

Dirk Roßmann, der Gründer der gleichnamigen Drogeriekette verschenkte im Herbst 2019 25.000 Bücher von Jonathan Safran Foers Werk “Wir sind das Klima!”. Rossmann war sich nach der Lektüre bewusst, dass sich etwas an der Klimapolitik und an der Haltung jedes einzelnen ändern müsse. Jedem Buchgeschenk Rossmann war ein Brief beigefügt mit der persönlichen Bitte Rossmans mit anderen Menschen über das Buch und dessen Inhalt zu sprechen. Was heißt das nun für Bücher gegen Rassismus? Schließlich kann es immer hilfreich sein, mit anderen über Gelesenes zu sprechen und den ein oder anderen Rassisten außerhalb seines Milieus, innerhalb der Verwandtschaft, als auch im Freundes- und Bekanntenkreis davon zu überzeugen Haltungen, Meinungen und Einstellungen zu überdenken und diese infrage zu stellen. Es kommt vor allem darauf an, mit wem man über das Gelesene spricht und ob die Menschen am Ende tatsächlich bereit sind ihre langjährigen festgefahrenen Vorurteile und Stereotypen aufzugeben. Einen Versuch ist es ja wert.

PopUp-Bibliothek in Wien

Nervige kleine PopUp-Fenster, die uns als den Gewinner eines Autos begrüßen oder uns ein supergünstiges Urlaubsangebot unterjubeln wollen, kennt wohl jeder, der auf PopUp-Blocker verzichtet. Es geht diesen kleinen Fenstern darum, unsere Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, das wir gelernt haben, integriert in Webseiten zu ignorieren: Werbung.

Allerdings kann man Werbung gut gebrauchen, wenn man als Bibliothek mehr Nutzer gewinnen will und vielleicht auch sogenannte “Nichtnutzer” erreichen möchte. Wie kann man das machen? Neue Formate in die Bibliothek holen, wäre ein Beispiel. Mehr sichtbar werden in Tageszeitungen oder im Fernsehen. Wie oft liest man derzeit dann auch in bibliothekarischen Fachzeitschriften von Kunden, innovativen Angeboten und die Bibliothek als Ort.

Die Büchereien Wien gehen jetzt einen anderen Weg. Sie versuchen die Nutzer nicht mehr in die Bibliothek zu holen, sondern sie bringen den Ort Bibliothek zu den Nutzern, da wo sie sich befinden und in einer kommerziellen Umgebung ein wenig Zeit zum Durchpusten haben möchten.

Die Büchereien Wien bauen ihre kleine PopUp-Bibliothek jeden Donnerstag Kaufhaus Gerngross in Wien auf. Über 1000 Medien lassen sich dann in den Regalen entdecken und mit einem Bibliotheksausweis auch gleich entleihen. Noch näher kann man den Nutzern nicht kommen. Auch Veranstaltungen werden in der kleinen PopUp-Außenstelle angeboten, von der E-Book-Sprechstunde bis zum Bilderbuchkino und zum vorwissenschaftlichen Arbeiten.

Bis zum Dezember wird es dieses Angebot im Kaufhaus fortgesetzt. Man sammelt erste Erfahrungen. Ziel ist es, mit dieser kleinen Bibliothek immer mal wieder an anderen Stellen in Wien aufzupoppen und auf die Büchereien Wien und ihr vielfältiges Angebot aufmerksam zu machen.

PopUp-Bibliotheken gibt es auch an anderer Stelle.

Der Begriff PopUp-Library / PopUp-Bibliothek wird auch für all die kleinen offenen Bücherschränke und “Little Free Libraries” verwendet.

Und wie kann man selbst eine kleine PopUp-Bibliothek starten? Dieser Beitrag macht einen anleitenden Vorschlag.

Quelle
Bibliothek zum Aufpoppen, Wiener Zeitung, 3.8.2019

Imagefilm Bücherei Samtgemeinde Tostedt


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