Ein paar Fotoimpressionen und ein Video von Bibliotheken in Sarajevo

“Vijecnica is a symbol of Sarajevo … because the history of Vijecnica is the history of Sarajevo.” Ivo Komsic

Nachdem ich im Jahr 2012 und im Jahr 2014 vor allem über die Nationalbibliothek in Sarajevo mehrere Blogbeiträge verfasste, hatte ich im Sommer 2015 nun endlich die Gelegenheit genutzt, um selbst Bosnien-Herzegowina zu bereisen. Mein erster Aufenthalt in diesem Land war Sarajevo und wurde dazu genutzt die im Jahr 2014 wieder eröffnete Bibliothek im ehemaligen Rathaus (“Vijecnica”) zu besuchen. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1896. Erst im Jahr 1949 wurde zur Nationalbibliothek umfunktioniert. Bedingt durch den Bürgerkrieg, ging das Gebäude im August 1992 in Flammen auf und es wurden fast 2 Millionen Bücher zerstört, welche auch das multikulturelle Leben unter der Osmanischen und der österr.-ungar. Herrschaft deutlich machten. Im unteren Teil des Gebäudes gab es eine Ausstellung über die Stadt Sarajevo. Als ich mich erkundigte, wo es denn die Bücher gibt bzw. warum diese nicht ausgestellt werden, konnte mir der Sicherheitsmann keine Infos hierzu geben. In einem Raum konnte man den Eindruck gewinnnen, dass dieser für Stadtratssitzungen genutzt wurde.

Außenansicht vom anderen Ufer des Flußes Miljacka .

Erinnerungstafel am Eingang des Gebäudes.

Eingangshalle

Treppenaufgang

Fensterverzierungen

Wandverzierungen

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Die Nationalbibliothek von Bosnien-Herzegowina wurde gestern feierlich wiedereröffnet

This is about restoring the densely woven intellectual tapestry of our continent — a tapestry of diverse cultures and beliefs and peoples.” Valentin Inzko

Fotograf: Midhat Peturovic

22 Jahre nach der Zerstörung der Nationalbibliothek in Sarajevo wurde diese endlich vollständig renoviert und gestern zum Europatag feierlich wiedereröffnet. Hier im Blog wurde schon mehrfach über die Geschichte, die Provenienz der Bestände und über die weiter anhaltenden ethnischen Spannungen berichtet. 2012 war die Einrichtung für mehrere Monate geschlossen. Mit Hilfe von Gelder der EU und über Spenden konnte die Bibliothek in ihren ursprpünglichen Zustand wiederhergestellt werden. Für die Hälfte der Kosten von 16 Milllionen Euro kam die Europäische Union auf.

“Verbrannte Orte”: Ein Crowdfunding-Projekt von Jan Schenck

“Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.”  Heinrich Heine

2013  jährt sich die Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten zum 80. Mal.

Drei Monate nach ihrer Machtübernahme (30.01.1933) begannen die Nationalsozialisten mit der Ausübung von Einschüchterungspraktiken. Einen Höhepunkt bildete die Erstellung der Liste des undeutschen Geistes. 131 Schriftsteller befanden sich auf dieser Liste.  Deren wurden am 10. Mai 1933 auf öffentlichen Plätzen, in mehr als 20 Städten, verbrannt. Neben der systematischen und organisierten Verbrennung gab es auch an vielen weiteren Orten Bücherverbrennungen, welche von lokalen Akteuren organisiert wurden. Das Literaturblog Duftender-Doppelpunkt widmet sich ebenso diesem Thema und bittet um die Vervolständigung der Liste “verbrannter Autoren”. Hierzu gibt es ein Literaturquiz und die Preise hierzu sind ironischerweise Bücher.

“Wie sehen diese Orte 80 Jahre nach den Bücherverbrennungen aus? Was passiert dort heute und betrachten wir diese Orte anders wenn wir wissen, was dort passiert ist?”

Diese Fragen stellt(e) sich Jan Schenck, ein freiberuflicher Fotograf. Er will einen Online-Atlas erstellen, der auf der Webseite verbrannte-orte.de zu sehen sein soll und Bilder und Erläuterungen enthalten soll. Dabei können interaktive Panoramen entstehen, die  es Besuchern möglich machen sich den “Verbrannten Orten” zu nähern.

Ziel ist es eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema zu erreichen und das Unsichtbare sichtbar zu machen. Mit dieser Crowdfunding-Kampagne will Schenck 3.000 € akquirieren, um diese Online-Plattform zu entwickeln und instand zu halten, aber auch Recherchen und Fotografien der Orte zu finanzieren.

Der Initiator bittet auch um Materialien, Erinnerungen und ZeitzeugInnenberichten zu den Bücherverbrennungen an den jeweiligen Orten. Schencks Kardinalfrage lautet, ob wir Orte und Plätze anders betrachten, wenn wir um deren Geschichte wissen. Ich habe selbst vor kurzem von einem Ort in meiner Wohnortnähe erfahren, der von der Lokalbevölkerung eher verschwiegen wird und wo vermutlich auch Bücher verbrannt wurden. Ich denke, es nicht jedem bekannt, dass nicht nur auf dem Bebelplatz in Berlin Bücher verbrannt wurden.

Es wäre wünschenswert, wenn dieses Projekt möglichst viele Anhänger finden würde, denn auch für  Heimatpfleger, Geschichtslehrer und Stadtmuseen könnten solche Orte eine notwendige und vollständige Ergänzung zum gängigen Repertoire der lokalen Ortsgeschichte sein.

Aus aktuellem Anlass: Ein Dokumentarfilm zur Bücherrettung der Gazi Husrev-Beg Bibliothek im Jahr 1992

“A biblioclasm or libricide is always totemic of the loss of the better parts of our nature, and the 1992 devastation of Sarajevo’s library was an iconic moment in the devastating war, a symbol of the assault on culture, dialogue, subtlety, multiplicity, and language. The constitutional text that has frozen Bosnia into its compulsory ethnic identity-lines is seen by many as a continuing of this loss – but the plurality of Balkan voices, from the writers who have emerged since the war to the stories of those who struggled to salvage the manuscripts, still speaks to the strength of dialogue, even in book-burning times.” Heather McRobie

Im Januar diesen Jahres wurde im Blog über eine vorübergehende Schließung der National- und Universitätsbibliothek (NUBBiH) in Sarajevo berichtet, die meines Erachtens aufgrund ihres maurischen Stils große architektonische Ähnlichkeit mit der großen Synagoge in der Dohánystraße (Tabakgasse) in Budapest aufweist.Ich denke, es handelte es sich um einen internationalen Weckruf/, um auf die angespannte finanzielle Situation der Bibliothek aufmerksam zu machen und aufgrund der Tatsache, dass es zurzeit eine Renovierung der Innenarchitektur gibt. Weitere Infos auf Englisch oder Deutsch zur Wiederöffnung der Einrichtung fand ich nicht. Die Problematik des multiethnischen Regierens nach einem Bürgerkrieg und einer vierjährigen Belagerung dieser Stadt wurde versucht näher zu erläutern, da nach dem Friedensabkommen von Dayton 1995 neben der Förderation Bosnien und Herzegowina noch die Republika Srpska und der Distrikt Brčko hinzukamen.

Vor exakt 20 Jahren und einem Monat, in der Nacht vom 25.08. auf den 26.08. brannte die Bibliothek. Laut Dubravko Lovrenović, dem heutigen Kulturminister, hat sich das Land von dieser Zerstörung bis heute nicht erholt. Die National- und Universitätsbibliothek brannte zwei Tage lang und Heckenschützen verhinderten den Einsatz der städtischen Feuerwehr oder andere zivile Löschversuche. Nach Auskünften der Stadtverwaltung sollen die Renovierungsarbeiten 2014 abgeschlossen sein. Das alles ist noch Zukunftsmusik und noch ist das kein sicheres Datum, aber es wäre durchaus begrüßenswert einer der nächsten IFLA-Kongreße (nach 2014) in Sarajevo stattfinden zu lassen, um symbolisch die Bedeutung dieser Einrichtung zu würdigen. Weitere interessante Links zur Geschichte, Videos und Facebookseite sind am Ende dieses Beitrags angefügt.

Im Dokumentarfilm “For the Love of Books: Sarajevo Story“, geht es um eine Gruppe von Buchliebhabern bzw. mutige Bürger Sarajevos, die ihr Leben riskierten, um ca. 10.000 Bände der Gazi Husrev-Beg Bibliothek aus dem Jahr 1537 zu retten, die Teil der National- und Universitätsbibliothek sind. Der Film basiert auf eine wahre Begebenheit im Jahr 1992. Die Wertschätzung von Büchern und Bibliotheken wird hierbei deutlich, da sie kultur-, erinnerungs- und identitätsstiftend für eine Kultur sind.

Gefunden: via FU Berlin Biblioblog und BiB-Facebookseite

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Ein Imagevideo des Kinder- und Jugendbereichs der Stadtbibliothek Zavidovici

Bevor in diesem Dokumentations- und Imagevideo die Bibliothek näher vorgestellt wird, gibt es Erläuterungen zur ökonomischen, geographischen und demographischen Situation dieser Stadt, welche von einer traditonellen Balkanmusik untermalt wird. Zavidovići  ist eine Stadt in Bosnien-Herzegowina. In diesem 11-minütigen Imagefilm über den Kinder- und Jugendbereich der Öffentlichen Bibliothek in Zavidovići werden unter anderem SchülerInnen interviewt und die Bedeutung dieser 1959 gegründeten Bibliothek wird dadurch umso deutlicher für die ZuschauerInnen. Am Ende des Films werden junge Menschen gezeigt, wie sie im Dialog mit der Bibliotheksdirektorin neue Ideen miteinbringen. Die Offenheit Neues auszuprobieren und zuzulassen, wie etwa neuen Medien, zeichnet diese Bibliothek aus.

Aus aktuellem Anlass: Die Schließung der Nationalbibliothek von Bosnien-Herzegowina wurde gestern vollzogen

Als 1992 die Nationalbibliothek in Sarajevo brannte, dachte damals keiner noch an Frieden im ehemaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien. Laut einem Bericht des Chonicle of Higher Education konnten damals nur 10 % des Bestandes der heute noch 1,5 Millionen Bände umfasst von Mitarbeitern der Nationalbibliothek gerettet werden. Heute gibt es Frieden ohne Waffengewalt, aber es scheint ein fauler Friede zu sein. Gestern musste die Nationalbibliothek aufgrund von Finanznöten schließen, wie Deutschlandradio Kultur berichtete. Bereits sieben weitere Institutionen hatten im vergangenen Jahr keine öffentlichen Gelder erhalten. Neben der Nationalbibliothek waren dies das Historische Museum und das 125 Jahre alte Nationalmuseum. Die Zentralregierung Bosnien-Herzegowinas hat kein Kulturministerium. Es gibt keine finanziellen Zuwendungen die Kulturinstitutionen dauerhaft zu finanzieren. Bereits in den letzten sechs Monaten konnten die Mitarbeiter nicht mehr bezahlt werden. Nichtsdestotrotz erschienen sie an ihrem Arbeitsplatz, um sich um die 400.000 verbliebenen Medieneinheiten zu kümmern. Die Querelen zwischen den ethnischen Gruppen im Lande halten weiterhin an und sind hauptsächlich mit verantwortlich dafür, dass es dem Land und seinen Bürgern nun weiterhin schadet. 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg ist das Land nach wie vor gespalten. 15 Monate nach den Parlamentswahlen, kam es am 28. Dezember 2011 zu einer Regierung. Anes Alic beschrieb die Lage im Lande letzte Woche im Economist:

“Republika Srpska [serbische Republik] officials will stay the course of attempting to diminish the power of state institutions, and hints of secession will continue to circulate. Bosnian Croats will continue to work towards the creation of a third entity in the country with a Bosnian Croat majority under the perception that their ethnic identity is under threat. Bosniaks will continue to fight both without any compromise.”

Nationalismus, Kleinstaaterei und Fanatismus vergiften nach wie vor das Land und stehen einer wirklichen Einheit im Wege. Auch der VÖBBLOG zitierte gestern den stellvertretenden Direktor Bedita Islamovic:

“We are in an extre­mely dif­fi­cult situa­tion. There is no way out, we have no hope. The world’s only country which does not care for its national treasures.”

Der folgende Filmausschnitt soll ein Wehrmutstropfen gegen die Zerstörung und das leise Töten jeglicher Kultur sein. Es stammt aus dem Film “Notre Musique” von Godard (2004). Der Film setzt sich mit Gewalt, Moral und Kolonialismus auseinander. In der folgenden Szene tritt der bekannte spanische Schriftsteller Juan Goytisolo auf, der sich während des Krieges in diesem Lande aufhielt und darüber schrieb. Er rezitiert in der halbzerstörten Nationalbibliothek Gedichte.