Der Gewinner des Dutch Design Award 2010: Die Universitätsbibliothek von Amsterdam

Bisher war das dekorative Element in Bibliotheken die Bücher. Welches Design sollen Bibliotheken im 21. Jahrhundert bekommen, in dem gedruckte Bücher immer weniger zum eigentlichen “Kerngeschäft” und Hauptbestandteil  einer Hochschulbibliothek zählen werden? Diese Frage stellte kürzlich die Autorin Suzanne Labarre in dem Artikel “A Library Designed for the Post-Print Era” auf fastcodedesign.

An der Universität von Amsterdam, haben das niederländische Studio Roelof Mulder and das Büro von Ira Koers einen 27.000 Quadratfuß (Maßeinheit im angloamarikanischen Raum enstpricht etwa 9.396 m²) großen Raum in eine  “Lesesaal” verwandelt, in dem keine Bücher zu sehen sind. Der Raum ist für etwa 1.500 bis 2.000 Studenten gedacht, die täglich vorbeikommen sollen. Anstatt Regalen, ist der Ort mit Arbeitsplätzen ausgefüllt und anstatt Ausleihschaltern gibt es den sogenannten “Red Room”, einen Raum mit mehr als 100 roten Kisten, wo Studenten ihre Bücher abholen können, die sie online bestellt haben. Der Buchbestand der Universität ist in verschiedenen geschlossenen Magazinen und Bücherdepots aufbewahrt. Nach Ansicht der Autorin ist diese eine geschickte Methode, um sich an das Post-Print-Zeitalter anzupassen. Bibliotheken sind teuer in ihrer Bewirtschaftung. Weil Bücher zunehmend digital verfügbar sind, macht es  Sinn für Bibliotheken, so Suzanne Labarre, den Bestand an Büchern zu verkleinern und so den Schwerpunkt mehr auf die (potentiellen) BibliotheksbesucherInnen zu setzen als auf die Bücher, die nun nicht mehr im Vordergrund stehen.

Zitat unkommentiert

[Zitat] Unkommentiert – 2010

We still have books because they are so brilliantly suited to the way human beings absorb information and at their best, they are among the most beautiful things we have. It’s terrible to think they’re disappearing, surviving only in libraries, but that’s not going to happen. People are too smart to allow it, even if the industry sometimes seems so oblivious that it wouldn’t care. David Gelernter

Die Bibliothek als Drehort: Der Kurzfilm “Loan Ranger” von Oli Kember

Im folgenden Kurzfilm geht es um ein Thema, dass Teil des Studentenalltags ist. Es gibt wohl kaum einen Studenten, der nicht schon mit Entsetzen feststellen musste, dass genau das Buch, was er benötigt, bereits durch andere ausgeliehen wurde. Wie kann mit solchen Enttäuschungen umgegangen werden? Einen Tag vor der Abgabe seiner Doktorarbeit, geht ein junger Student in die Universitätsbibliothek, um sich ein letztes Buch ausleihen zu wollen. Doch vor dem Regal begegegnet er seiner Konkurrentin, die ihm das einzig verbliebene Buch wegschnappt.  Trotz der Kürze verspricht der Film Spannung. Das Video wurde dieses Jahr anläßlich des internationalen Canon “Can-Do” Film Wettbewerbs mit dem “Over All Winner” Preis ausgezeichnet.

http://vimeo.com/11099503

“Bibliocicletas”: Brasilien als Ursprungsland der Fahrradbibliotheken

“Bibliocylcle” stammt vermutlich aus Brasilien, wo sie  “ Bibliocicletas” genannt werden. Auf derfranzösischen Webseite “La voie des livres” werden in einem Zeitungsartikel aus Brasilien Fahrradbüchereien in São Paulo erwähnt, die es dort seit 1996 geben soll. Die in diesem Beitrag vorgestellten ökologischen “Bibliocicletas” sind neueren Datums. Mit recycelten Materialien wurde in Brasilien die Idee der “Bibliocicletas” entwickelt. Im Video dieses Beitrags wird anschaulich, wie sich jeder von uns mit etwas Geschick sein eigenes Bücherfahrrad basteln kann. 90 % der Rohstoffe stammen aus Müll von der Straße. Kennzeichen von “Bibliocicleta” sind die Leichtigkeit, die Beständigkeit und die einfache Reproduzierbarkeit. Der Bau von Bibliocicleta wurde von der “Design School of Fine Arts” der Universität Bahia und Professor Alessandro Faria unterstützt.

In diesem Jahr nimmt das von Augusto Leal entwickelte  “Bibliocicleta”  an der 3.  Brasilianischen Biennale für Design teil. Die Biennale wird vom Design Center Paraná und der Federation of Industries of Paraná organisiert. Das Motto der Biennale ist dieses Jahr Design, Nachhaltigkeit und Innovation. Vom 14. September bis zum 31. Oktober findet die Biennale in Curitiba (Bundesstaat Paraná) statt. Insgesamt werden 63 Projekte vorgestellt. Hoffentlich wird “Bibliocicleta” einen Preis gewinnen, um eine größere Aufmerksamkeit und mehr Wertschätzung zu erfahren. Noch mehr umweltfreundliche “Bibliocicletas” wären doch auch in anderen Ländern eine kulturelle Bereicherung.

Ein Auskunftsschalter aus Büchern an der Bibliothek der Technischen Universität Delft als Recyclingmethode für Bücher

Anbei ein Bild über eine eigentlich sehr nützliche und praktische Art, wie Bücher in manchen Bibliotheken noch verwendet werden können. Der Auskunftsschalter steht in der Bibliothek der TU Delft.

Ein Nutzer der Bibliothek der TU Delft schrieb folgendes über den Auskunftsschalter:

“Books are reused to create this enormous piece of library furniture at TU Delft architecture bibliotheek. Because the books are stacked rather than dismantled, this desk is true to its origins as well as its function.”

Nach der Universitätsbibliothek in Stanford und der “Cornell University’s Engineering Library” scheint sich wohl in den USA (und vermutlich anderswo) ein Trend zu (weitestestgehend) bücherlosen  Bibliotheken abzuzeichnen. Dort werden Bücher durch E-Bookreader ersetzt, aber wenn hierzulande Hochschulbibliotheken und öffentliche Stadtbibliotheken bei der Neuanschaffung von Medien einsparen, wird dieses eingesparte Geld dann auch für den Kauf elektronischer Lesegeräte verwendet?  Selbst die FAZ verwendete vor wenigen Tagen die Überschrift “Abbau Buch“.  Diese schleichenden Personal- und Bestandsabbaumaßnahmen sind doch schon länger im Gange und nicht erst seit gestern oder einem Jahr. Muss es bei gewissen “Problemen” erst so weit kommen bis die FAZ und andere Medien über Bibliotheken öffentlichkeitswirksam berichten? Gilt auch hier das von Margaret Thatcher in den 1980er Jahren in der Wirtschaft propagierte TINA-Prinzip? Neusprech.org weist auf das heutzutage häufig im politischen Diskurs verwendete Wort “alternativlos” hin, das ein Oxymoron ist. Meiner Ansicht nach ist zu wenig von Alternativen und deren Erfolg die Rede, als von den klammen Kommunen. Wie wäre es mit einem Konjunkturpaket III für nachhaltige Bildung (Investitionen in eine flächendeckende Bibliotheksinfrastruktur) anstatt in “Flüsterasphalt” zu investieren, der mehr Nachteile als Vorteile aufweist. Welche Gründe sind dafür verantwortlich, dass  Bibliotheken der Bildungsauftrag schleichend entzogen bzw. unerfüllbar gemacht wird? Warum werden  Theater und andere Kultureinrichtungen oftmals weniger finanziell geschröpft? Liegt es an einer  mangelnden Lobby breiter Bevölkerungsgruppen, die viel heterogener sind als das “Ottonormalbibliotheksklientel”? Schmücken sich Städte lieber mit ihren Theatern in der Öffentlichkeit als mit Bibliotheken? Besteht denn ein  Zusammenhang zwischen der schlechteren Lesekompetenz im Norden und Osten des Landes und einer dort vorhandenen mangelnden Bibliotheksinfrastrukur? Gibt es hierzu nicht stichhaltige Untersuchungen, die das untermauern? Wie alarmierend und besorgniserregend müssen Schlagzeilen und erwiesene Untersuchungen, wie die des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) noch sein, damit die Politik, aber auch die Bürger wacher werden? Eigentlich sind doch Bibliotheken Einrichtungen, die Intelligenz und Bildung fördern? Hätte ein gewisser Herr S. vor wenigen Wochen ein Buch mit dem Titel “Deutschland spart seine Bibliotheken kaputt und wird dadurch immer dümmer” veröffentlicht, hätte dies sicher einige Unterhaltsträger und Meinungsmacher aufgeschreckt und es wären Maßnahmen zur Gegensteugerung eingeleitet worden. Stattdessen wird sich kaum etwas ändern.

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Die Gefängnisbücherei auf Guantánamo (USA)

“He who does battle with monsters needs to watch out lest he in the process becomes a monster himself. And if you stare too long into the abyss, the abyss will stare right back at you.” Friedrich Nietzsche

Bisher war mir nicht bekannt, dass es im Gefangenlager auch eine Bibliothek (“Delta Camp library“) für die Häftlinge gibt. Unter der Überschrift “Harry Potter and the Prisoners of  Guantánamo” veröffentlichte Huffington Post einen Hinweis auf einen im Time Magazine erschienen Artikel mit der Überschrift  “What Prisoners Are Reading at Gitmo” von Kayla Webley.  Dieser Artikel hat durchaus Unterhaltungswert und vermittelt dem Leser den Eindruck, es handele sich um ein ganz normales Gefängnis. Auch die französische Tageszeitung “Le Monde” und der britische Guardian versuchten medientauglich mit der folgenden Überschrift die vermeintlich allerletzten Geheimnisse des Lagers zu entlocken: “Guantánamo Bay library’s most wanted books? Anything but Barack Obama“.  Bevor ich näher auf die Bibliothek und deren Echo aus den Medien eingehe, sollte ich kurz etwas zum Lager erwähnen. Die Fläche der Halbinsel Guantánamo von 117 km² wird seit 1903 von den USA gepachtet, aber eigentlich verlangt Kuba seit einigen Jahren schon mit Nachdruck die Rückgabe des Gebietes. Ursprünglich sollte das  Lager von Guantánamo im Januar 2010 geschlossen werden.  Aus verschiedenen Gründen wird sich die Schließung aber noch bis auf weiteres hinauszögern. Ende Juni diesen Jahres berichtete die New York Times darüber, dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass das Lager Guantánamo vor dem Ende der Amtsperiode Obamas geschlossen wird. Einer Umfrage aus dem März 2010 zufolge, die im selben Artikel zitiert wird, würden 60 % der US-Amerikaner sich wünschen, dass das Lager erhalten bliebe und weiterhin genutzt würde. Für Journalisten, Reporter, Abgeordnete des Kongreßes und anderen Gäste, wird die Bibliothek als Vorzeigeeinrichtung des Gefangenlagers von Guantánamo genutzt, um zu zeigen, dass das Lager eigentlich ein sicherer, menschlicher und von Transparenz gezeichneter Ort ist, wie der Miami Herald am 10.11. 2009 schrieb. Andere “normale” Gefängnisse haben auch Büchereien und verfügen über Einrichtungen, die das Leben in solchen Extremsituationen und in der Isolation von der Außenwelt erträglicher machen, aber wird ein Lager, das gegen die UNO-Menschrechtskonvention verstößt durch eine Bücherei und eine harmlose Berichterstattung “menschlicher” und von der Weltbevölkerung mehr akzeptiert als bisher? Insgesamt verfügt die Bibliothek über 18.000 Medieneinheiten in 18 Sprachen (z.B. Urdu, Usbekisch, Arabisch oder Farsi) bei 176 Inhaftierten. Durch die Verlegung und Entlassung von Häftlingen ist dies ein durchaus beachtlichte Quote (das Verhältnis Medienbestand zu den Nutzern). Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die Harry Potter Bände, von Dan Brown verfasste Bücher, aber auch Klassiker von John Grisham und bis hin zu Agatha Christie. Wenn das Militär Schwierigkeiten hat Titel in einer bestimmten Sprache ausfindig zu machen, kommt das “International Committee of the Red Cross” manchmal zu Hilfe beim Bestandsaufbau zur Hilfe. Weiterlesen

[Netzfundstück] Bücherbeschädigung

Während der Recherche zu meinem gestrigen Beitrag bin ich über den Bericht des Hamburger Feuerwehr Historiker e.V.s gestolpert. Darin wird über eine Beschädigung von Büchern berichtet, die bei der 2006 erfolgten “Reaktivierung der Bibliothek” entdeckt wurden. Bei der Erfassung der Bücher des “Blauen Salons” wurden besonders bei älteren Büchern mechanische Verletzungen entdeckt, die aussahen, als hätte jemand kräftig mit dem Hammer auf die Bücher eingedroschen (siehe Screenshot des Beitrags des Hamburger Feuerwehr-Historiker-Vereins):

Buchbeschädigungen - Hamburger Feuerwehr-Historiker e.V.[/caption]Sprengbombe, welche am 18.06.1944 vor der hamburger Feuerwache am Berliner Tor explodierte.

Mehr Informationen:
Niemann, Klaus; Voss, Peter: Spuren der Vergangenheit, Hamburger Feuerwehr-Historiker e.V., 2006

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