Meine persönliche Rückschau auf den BID-Kongress 2013 (Teil 3)

Der zweite Tag begann unter anderem mit der Session “Was Ihr Wollt” – Nutzerforschung in Bibliotheken, die von Ulla Wimmer (HU Berlin) moderiert wurde. Dabei möchte ich eigentlich vor allem auf den Vortrag von der Ethnologin und Bibliothekarin Corinna Haas eingehen, die in einer Einführung Ethnographische Methoden in der Bibliotheksforschung vorstellte. Besonders bemerkenswert war, dass bereits Pierre Bourdieu als einer der ersten weltweit 1965 “The Users of Lille University Library” verfasste, was viele Jahre in der anglo-amerikanischen Welt und darüber hinaus wohl kaum jemand zur Kenntnis nahm. Er untersuchte die Bibliotheksbenutzung als Perfomance im Raum und griff als Vorreiter auch Fragestellungen um das Thema “Informationskompetenz” auf. Weitere Infos zum Originaltext hier:

Les utilisateurs de la bibliothèque universitaire de Lille, in Rapport pédagogique et communication, Bourdieu, Passeron, Saint-Martin (eds.) Mouton, Cahiers du Centre de sociologie européenne, 2, 1965, p.9-36; aussi, Les temps modernes, 232, septembre 1965, p.109-220

Doch nach einer kurzen Recherche, stelle ich schon fest, dass es noch mindestens ein weiteres ethnografisches Projekt an einer Universitätsbibliothek in Frankreich gibt, das Anthrolib nicht verzeichnet. 2008 wurde an der “Bibliothèque universitaire centrale de l’Université Toulouse Le Mirail” eine “enquête ethnographique” durchgeführt. Die Publikation hierzu ist “Du lecteur à l’usager”: Ethnographie d’une bibliothèque universitaire aus dem Jahr 2010, welche von der Soziologin Mariangella Roselli und Marc Perrenoud verfasst wurden. Ein 33-seitiger Fachartikel “Formes de réception et d’appropriation des ressources numériques en milieu étudiant” von Roselli zur ethnografischen Untersuchung in Toulouse findet sich unter folgendem Link. Eine lesenswerte Rezension zu diesem Buch findet sich auf der Internetseite von “La Vie des Idées”, wo auch erwähnt, welche Nutzertypen Roselli und Pernoud die B.U. in Toulouse frequentieren. Dabei wird auch auf die Feminisierung des Bibliothekspersonals eingegangen, was einer kritischen Betrachtung unterzogen wurde.

Weitere Erkenntnisse aus dem Vortrag waren, dass es bislang erst insgesamt etwa 60 Projekte ethnografischer Forschung in bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Einrichtungen gab, wovon sehr viele in den USA an der Universität von Rochester durchgeführt wurden, wie auf der Webseite von Anthrolib der eben genannten Einrichtung zu sehen ist.  Dabei waren das sehr unterschiedliche Herangehensweisen von Untersuchungen zur “Information infrastructure in rural libraries in Romania” bis hin zu “How children are using computers”. Hierbei fielen für mich neue Fachausdrücke wie “Participatory Design” oder Space Design, die im bibliothekarischen Bereich bei der Anwendung ethnografischer Methoden einen Schwerpunkt bilden. Werden ethnografische Methoden außer am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaften an der HU Berlin auch an Hochschulen gelehrt? Aufgrund der Tatsache, dass die Vortragsfolien nun schon online sind, will ich nur noch auf die letzte Folie eingehen. Dabei warf Haas einige Fragen auf, die für die weitere Bibliotheksarbeit und -forschung zukünftig eine Beantwortung verlangen: “Brauchen wir mehr Bibliothekare, die ethnographische Methoden in ihrer Einrichtung anwenden oder mehr Ethnografen ( wie Corinna Haas oder Frank Seeliger)? Wer ist überhaupt in der Lage solche Studien durchzuführen? Wie ist bislang hierzu die Interessenlage oder die Finanzierung?”

Sie plädierte dafür ethnografischen Methoden auch in Schulbibliotheken und öffentlichen Bibliotheken auszuprobieren, was bislang noch zu wenige weltweit “wagten”. Warum eigentlich?

Der anschließende Vortrag “Von der Ethnography zum Participatory Design: Qualitative Nutzerstudien als integraler Bestandteil in der (Weiter-)entwicklung bibliothekarischer Services von Kerstin Schoof & Frank Seeliger ist leider noch nicht online. Schorf benannte des Dialog und die teilnehmende Beobachtung als zentrale Elemente, um Rückschlüsse auf neue und geforderte Dienstleistungen der eigenen Einrichtung zu ziehen. Participatory Design wurden in dern 1970er und 1980er Jahren in Skandinavien entwickelt und sieht vor, User/Nutzer systematisch in Planungs- und Gestaltungsprozesse mit einzubeziehen. So wurde bei der Planung des Urban Media Space in Aarhus (Dänemark) die Bürger und Mitbürger (Nutzer- und Nicht-Nutzer von Bibliothek) integrativ mit eingebunden. Dies geschah z.B. mittels Medthoden wie dem World Café und Village Square, aber auch Befragungen. Diese partzipatorische und demokratische Element wäre sicherlich auch für den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek unbedingt von Nöten, da viele die Entscheidung für die Errichtung in Tempelhof als autoritativ bezeichnen und deshalb einen Bau mehr um Zentrum der Hauptstadt fordern.

All research is problematic, because it’s historical. It’s like looking out the back of a car.” Terry Leahy

Beim letzten Vortrag dieser Session, den ich sah, ging es um die Neubauplanungen der UB Marburg insbesondere durchgeführte Benutzerumfragen, deren Ergebnisse exakt die einer geisteswissenschaftlich geprägten Universiät widerspiegeln. Begonnen wurde mit dem oben genannten Zitat eines früheren Tesco-Mangers, wenn ich mich richtig erinnere. Der Direktor Hubertus Neuhausen berichtete von 3 Benutzerumfragen, die er im Laufe mehrere Jahre von Mitarbeitern am IBI der HU Berlin durchführen ließ, deren Service er ausdrücklich lobte und weiterempfahl.  Anschließend bewertete deren Ergebnisse, die durchaus Unterschiede aufwiesen, wobei er Interpretationen und Deutungsmöglichkeiten benannte. Für die Nachmittagssessions, welche ich besuchte, werde ich einen weiteren vierten Blogeintrag verfassen.

2013 in der British Library

2013 promises to be a fantastic year for culture at the British Library. Today we’re releasing a sneak preview of what we have coming up, including 20th-century state propaganda, the newly-acquired archive of Sir Alec Guinness and an exhibition exploring what the Georgians did for us. More information on the 2013 Preview can be found on the Library’s press and policy pages here http://pressandpolicy.bl.uk/

Von Schwaben nach Schweden – mein Bibliothekarisches Leben

Von Stefanie Stehling
Arbeitsstelle
Universitätsbibliothek Göteborg, Schweden,
Abteilung Digitale Services, Team für Publikationsfragen und Bibliometrie

1. Wie lange begleiten Sie den bibliothekarischen Zirkus?

Die bibliothekarische Welt betrat ich 1998, als ich mein Studium „Wissenschaftliche Bibliotheken“ in Stuttgart begann. Natürlich hatte ich schon vorher meine örtliche Stadtbibliothek als Nutzer kennengelernt. Doch das war nicht vergleichbar mit dem was mich im Studium erwartete.

Nach den ersten beruflichen Erfahrungen in Form von Praktika, HiWi- und Werksstudentjobs angelte ich mir meinen damaligen Traumjob, als Bibliothekarin in der Institutsbibliothek des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Damals war der Job perfekt als Einsteiger direkt nach dem Studium: man bekam Einblicke in sämtliche bibliothekarische Tätigkeiten, z.B. Literaturbeschaffung, Katalogisierung, Ausleihe, Zeitschriftenmanagement etc. Der Kontakt zu den Wissenschaftlern war sehr eng – und sehr wertvoll im Hinblick auf meine jetzige Tätigkeit.

2008 machte ich mich (mehr aus privaten denn aus beruflichen Gründen) auf nach Schweden, und damit auf in eine neue bibliothekarische Welt. Ein Fernstudium zum Master of Library and Information Science auf Teilzeitbasis an der Bibliothekshochschule in Borås stand auf meinem Plan und hoffentlich eine interessante Arbeitsstelle. Die Stelle fand ich 2011 bei der Universitätsbibliothek in Göteborg. Und welch ein Volltreffer – in der Abteilung für Digitale Services arbeite ich nun im Team für Publikationsfragen (http://www.ub.gu.se/publicera/) und Bibliometrie (http://www.ub.gu.se/info/bibliometri/) – wer hatte 1998 schon etwas davon gehört?

2. Was hat Sie angetrieben, sich gerade eine Arbeit im Bibliotheksbereich zu suchen/anzunehmen?

Schon während der letzten zwei Schuljahre vor dem Abitur war für mich eigentlich klar, dass ich gerne ein Bibliotheksstudium beginnen möchte. Warum? Gute Frage! Ich kann sie nicht beantworten, es fühlte sich einfach richtig an. Das bestätigte sich im Studium und hält eigentlich bis heute. Als ich nach Schweden zog und das Masterstudium begann, habe ich mich auch mit anderen Alternativen beschäftigt – doch keine war so gut wie die Arbeit in einer Bibliothek!

3. Wie sahen und sehen Ihre Aufgaben aus und was hat sich Ihrer Meinung nach am deutlichsten geändert?

Wie bereits erwähnt, sahen die Tätigkeiten in der Fraunhofer-Institutsbibliothek sehr klassisch aus (doch keinesfalls langweilig). Literatursuchaufträge z.B. waren eine abwechslungs- und lehrreiche Tätigkeit. Den Kunden mit einem Auftrag zu helfen, war wichtig und spannend! Gemischt mit Routineaufgaben ergab sich ein durchaus breites Feld an Tätigkeiten.

Meine derzeitige Arbeitsstelle unterscheidet sich insofern, dass der Faktor der „Unberechenbarkeit“ eher noch grösser geworden ist. Routineaufgaben sind aus dem Alltag fast vollständig verschwunden, abgesehen von Supporttätigkeiten im Hinblick auf unsere Publikationsdatenbanken.

Der Publikationsservice umfasst z.B. Hilfe beim elektronischen Veröffentlichen von Dissertationen, Registrierung von Veröffentlichungen in der Referenzdatenbank, Fragen zum Urheberrecht, und Open Access-bezogene Fragen. Einer meiner Hauptaufgaben ist Open Access-Support für unsere Wissenschaftler: wie wähle ich eine geeignete OA-Zeitschrift aus, wie kann ich zweitveröffentlichen, welche Bedingungen stellen meine Geldgeber? Leider ist die Nähe zu den Wissenschaftlern an einer großen Universität nicht in dem Masse gegeben wie an einem kleinen Forschungsinstitut wie dem Fraunhofer IPA. Unsere Publikationsdatenbanken werden ständig weiterentwickelt, verbessert, verändert – möglichst nach Anwenderwünschen, doch auch oft in Hinblick auf nationale Bedingungen oder Kompatibilität mit anderen Produkten.

Einen weiteren deutlichen Unterschied zu den Anfängen gibt es: mein Team arbeitet jetzt nahe mit IT-Entwicklern zusammen, das Team ist ein gemischtes Team aus Bibliothekaren und Entwicklern. Alle IT-Entwickler gehören sowohl zum IT-Team als auch zu den Fachteams. Und die Fachteams haben natürlich ebenfalls Berührungspunkte (siehe Bild)… So bekommt man einen sehr guten Einblick, wie Software(-weiter)-entwicklung funktioniert!

Verknüpfung der Fachteams

Verknüpfung der Fachteams der Digitale Services der UB Göteborg

4. In welcher Form spielen Social Media-Angebote eine Rolle in oder für Ihre Arbeit?

Soziale Medien spielen schon eine große Rolle für meine Arbeit. Beschäftigt man sich mit Open Access-Fragen, besteht ein großer Teil der Arbeit daraus, die Open Access-Umwelt zu beobachten – das kann man sehr gut mit Hilfe von Facebook, LinkedIn oder Twitter. Unser Team wird ab Juni 2012 auch selbst twittern, unsere Zielgruppe werden vor allem die Wissenschaftler der Universität sein. Geplant sind Tweets rund um Open Access, Publizieren, Forschungskommunikation etc.

5. In welche Richtung entwickelt sich Ihre Arbeit /die Bibliothek zukünftig?

Die Welt des elektronischen Publizierens entwickelt sich ständig weiter, derzeit werden Fragen wie Forschungs- und Projektdaten lebhaft diskutiert und in diese Richtung wird sich sicherlich auch die Entwicklungsarbeit mit den Publikationsdatenbanken entwickeln.

Ganz konkret hat meine Abteilung vor einiger Zeit damit begonnen, mit einer agilen Entwicklungsmethode namens SCRUM zu arbeiten. Diese Methode zielt in erster Hand auf verbesserte Softwareentwicklung, doch es gibt derzeit Wünsche, auch die bibliothekarische Seite der Weiterentwicklung dabei zu berücksichtigen. Dies wird sicherlich die derzeitige Arbeitsweise sehr beeinflussen und somit vielleicht auch unsere Tätigkeiten.

Betreffend Open Access, möchten wir gern mehr Support für Zweitveröffentlichungen anbieten und diese Veröffentlichungsmethode bekannter unter den Wissenschaftlern machen. Somit ergeben sich wahrscheinlich auch in diesem Bereich neue Herausforderungen.