[Zitat] Unkommentiert – 1920-2012

Stellt euch eine Durchschnittsstadt vor, die von einem Erdbeben getroffen wurde. Angenommen, nur zwei Gebäude
hätten das Beben überstanden, welche müssten dies sein, damit mit ihnen alles was zerstört wurde wieder
hergestellt werden kann? Das erste wäre das Krankenhaus, denn hier können Leben gerettet und Verwundete versorgt werden. Das andere Gebäude müsste die Bibliothek sein. Alle anderen Gebäude sind in dieser erhalten. Lesen steht im Zentrum unseres Lebens… Ohne eine Bibliothek gibt es keine Kultur.” Ray Bradbury

Wie sich die Erdbeben in Christchurch (Neuseeland) auf den Service der Bibliotheken auswirkten

IFLA 2012 – Christchurch, NZ earthquakes & their effect on library services from Ross Becker on Vimeo.

[Randthema] Spätfolgen: Haitis Bildung leidet Notstand

Angelique ist eine pariser Studentin aus Haiti, wo sie beim schweren Erdbeben vom 12. Januar diesen Jahres nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihr altes College verloren hat. Die State University of Haiti, an der Sie gerade ihren Abschluss in Soziologie hätte machen sollen, wurde schwer zerstört. Es hätte schlecht für ihre Zukunft ausgesehen, wenn nicht Freunde aus Frankreich ihr Hilfe angeboten und der Direktor des Montparnasse Museums sie nach Paris geholt hätte. So kann Angelique im nächsten Juni ihren Abschluss planen, während andere Studierende in Haiti noch darauf warten, dass das Bildungssystem in ihrem Land wieder aufgebaut wird. Sie kritisiert die haitianische Regierung, die momentan nur die nächsten Wahlen sieht.

Bereits vor dem Erdbeben waren die Bedingungen an der State University of Haiti nicht gut. Schon damals waren Bücher in der Bibliothek knapp und die Offiziellen hatten kein Interesse an den Studierenden. Die Regierung tat zu dieser Zeit nichts für die Universität und hat auch seit dem Erdbeben nichts getan, krititisiert die Studentin und hofft, dass die internationale Staatengemeinschaft neben dem Neuaufbau der Bildungseinrichtungen auch die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und die Sicherheit der Studierenden bedenkt. Viele der ehemaligen Komillitonen haben nicht mehr die Möglichkeit zuende zu studieren, weil sie ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.

Die Herausforderungen für das Bildungssystem von Haiti sind vielschichtig. Viele Bildungseinrichtungen haben ihre Studierenden, Lehrenden, Gebäude und das auch ihr Equipment verloren. Es gibt keine Statistik, welche die Höhe der Verluste belegt.

Quisqueya, eine der 200 privaten Hochschulen, steht ohne Gebäude da und veranstaltet Vorlesungen derzeit in Zelten. Eine große Anzahl an Hochschulen ist bedroht durch den Verlust von Studierenden, die sich ein Studium nicht mehr leisten können. Auch die Abwanderung von gut ausgebildeten Haitianern ist ein großes Problem.

An estimated 85 percent of college-educated Haitians live abroad, driven away by instability, poverty, violence and other ills.

Viele Studierende sind auch von ihren Eltern ins Ausland geschickt worden, um ihre Studien zu beenden. Deren Wegbleiben bedeutet fehlendes Einkommen für die privaten Hochschulen, die mit den Studiengebühren ihren Etat finanzieren, so eben auch das Gehalt der Lehrenden.

Die Ausstattung wie PCs usw. ist nicht unbedingt das größte Problem durch Spenden, aber der Ersatz der Gebäude schon. Zelte können zwar teilweise die Gebäude ersetzen, aber mit der kommenden Hurricane-Saison sind diese nicht mehr ausreichend. Die Stürme könnten die zaghaften Fortschritte zunichte machen.

Stipenden und andere wissenschaftliche Unterstützung aus den USA, Kanada, Brasilien, den karibischen Ländern und aus Europas konnten auf Grund von Sprachproblemen und verlorenen persönlichen Unterlagen nicht wahrgenommen werden. Auch der pure Überlebenskampf hält viel ehemalige Studenten von der Wiederaufnahme eines Studiums ab. Zudem müssten die Hilfsangebote besser koordiniert werden und auch noch eine ganze Weile offen gehalten werden.

Zudem ist es notwendig, dass die Geberländer ihre zugesagte Hilfe auch wirklich geben. Bisher sind nicht alle Versprechen eingehalten worden. Eine gute Hilfe sei es z.B., dass große Universitäten in Kanada haitianischen Studierenden im letzten Studienjahr die Studiengebühren erlassen haben. Zur Zeit gibt es auch eine Entwicklung, Dozenten nach Haiti zu entsenden und so dem Land zu helfen.

Die Finanzierung der universitären Bildung ist jedoch ein sehr großes Problem:

For higher education, the Haitian government has earmarked only 1 percent, or about 53 million dollars of the 5.3 billion dollars pledged by donors, but experts are pushing for more focus on universities, especially so that students can stay and contribute to the reconstruction efforts. They know that many who leave may never return.

Quelle:
McKenzie, A.D.: Education Cracks in Haiti, IPS

Aus aktuellem Anlass: Über den Zustand der Bibliotheken und anderer Kultureinrichtungen in Haiti

Obwohl bereits auf der Webseite der IFLA und per E-mail (Swiss-Lib) durch Madame Danielle Mincio (IFLA Governing Board representative on the Preservation and Conservation)  über die Situation der Bibliotheken in Haiti berichtet wurde, soll dieser Blogbeitrag ausführlicher Auskunft über die Ausmaße der Zerstörung nicht nur bei  Bibliotheken geben, sondern auch bei anderen bedeutenden Kultur- und Bildungseinrichtungen des Landes. Für den Wiederaufbau von Bibliotheken zu spenden ist unter der folgenden Adresse (danielle.mincio[at]bcu.unil.ch) möglich und kann über Madame Mincio erfolgen. Mitglieder der IFLA können über die verbandseigene Stiftung( Stichting IFLA Foundation) spenden. Am 19.01.2010 wurde auf dem Midwinter Meeting der American Library Association (ALA) ein “Haiti Library Relief Fund” eingerichtet, um Geldspenden zu sammeln, die dem Wiederaufbau der Bibliotheken und Archive zugute kommen, welche durch das Erdbeben auf Haiti (12.01.) beschädigt und zerstört wurden.  Vor kurzem hat mich eine weitere Nachricht der Gruppenmoderatorin Brooke Wooldridge der Facebookseite der Carribean Digital Library erreicht, auf der täglich weitere aktuellere Informationen über die Bibliotheken und deren Zustand eingehen. Sie schrieb unter anderem, dass es jederzeit möglich ist sie (dloc[at]fiu.edu) auch im Hinblick auf die Planung konkreter Projekte vor Ort zu kontaktieren. Einer der wichtigsten Akteure bei der Wiederaufbauhilfe für kulturelle Einrichtungen ist die UNESCO. Haitit steht mit zwei Sehenswürdigkeiten auf der UNESCO-Weltkulturebeliste: dem National History Park mit dem Palast  Sans Souci und der Zitadelle in Ramiers. Sie stammen aus der Zeit der Unabhängigkeit Anfang des 19. Jahrhunderts. Außerdem zählt zum Weltkulturerbe Haitis das historische Zentrum der Stadt Jacmel. Viele Gebäude stammen aus dem späten 17. Jahrhundert und wurden im französischen Kolonialstil erbaut und einige Herrenhäuser dienten als Vorbild für das französische Viertel in New Orleans. Es ist nun Aufgabe der UNESCO die Ausmaße der Schäden abzuschätzen und deren Wiederherstellung so gut wie möglich zu koordinieren und durchzuführen.  Aus einem Artikel der New York Times geht hervor, dass ähnlich wie nach dem Irakkrieg große Gefahr in Verzug ist. Es gibt zahlreiche kulturelle Schätze in Museen (z.B. das Musée du Panthéon National Haïtien und das Musée d’art haïtien), Bibliotheken und Archiven, die gierigen Kunsträubern zum Opfer fallen könnten. Italienische und Französische Polizeispezialeinheiten sind seit kurzem dabei diese zu schützen. Laut Experten besteht Hoffnung für den Erhalt der Hauptsammlungen des Nationalmuseums. Auf die Frage warum der Bildhauer Patrick Vilaire nach dieser Katastrophe seine Aufmerksamkeit so sehr auf alte Bücher lenkte, antwortete er folgendes:

“The dead are dead, we know that. But if you don’t have the memory of the past, the rest of us can’t continue living.” (Die Toten sind tot, wir wissen das. Aber falls man nicht die Erinnerung an das Vergangene bewahrt, können die Überlebenden nicht weiterleben.)

Hier geht es auch um die Identität der Einwohner, die durch deren kulturelle Schätze zum  Ausdruck kommt. So wurde beispielsweise das Kunstzentrum in Jacmel (Centre D’Art de Jacmel) zerstört, das weit über die Landesgrenzen bekannt ist und deren Werke weltweit verkauft wurden.  In dieser Stadt befand sich auch eine vor wenigen Jahren gegründete Filmhochschule, sowie die Kunsthochschule Fosaj (gegründet: 2003).  In Port-au-Prince wurde zudem die Buchhandlung La Pléiade unweit des Präsidentenpalasts zerstört. Das Kulturzentrum der Hauptstadt la FOKAL und seine Bibliothek  Monique-Calixthe haben dem Erdbeben standgehalten. Eine der Organisationen, die sich weltweit für den Erhalt von Kultur einsetzt, ist die  Association of National Committees of the Blue Shield (ANCBS) mit Sitz in Den Haag, die den Menschen in Haitit helfen will, indem sie sich für deren kulturelles Erbe einsetzt.  Sobald die Situation stabiler wird, möchte Blue Shield Experten aus aller Welt ermöglichen ihre haitianischen Kollegen zu unterstützen, indem sie die Schäden des kulturellen Erbes abschätzt, die Restauration und den Wiederaufbau von Gebäuden unterstützt. Aus diesem Grunde sucht Blue Shield International ehrenamtliche Helfer wie etwa Archivare, Kuratoren, Restauratoren, Architekten und Bibliothekare. Über den folgenden Link kann eine Online-Registrierung erfolgen. Als nächstes will ich auf den Zustand einiger bedeutender Bibliotheksgebäude im Einzelnen eingehen. Aufgrund der Nachbeben und ständiger Veränderungen kann ich nicht zu 100% für Vollständigkeit und Aktualität garantieren:

  1. Die dreisprachige Schule und Bibliothek der Sirona Cares Stiftung in Grand Goave wurde komplett zerstört. Weiterlesen