Richard Stallman über Leser, Freiheit und Bücher

Kooperation oder Kontrolle?

Diese Frage stellen sich Alexey Maslov, Adam Mikeal und John Leggett in Bezug auf Digitale Bibliotheken. Sie sehen die Digitalen Bibliotheken abgekoppelt vom Web 2.0 – Geschehen.

The Web 2.0 trend has placed a renewed emphasis on interoperability and cooperation between systems and people. The digital libraries community is familiar with interoperability through technologies like OAI-PMH, but is disconnected from the general Web 2.0 community. This disconnect prevents the digital library from taking advantage of the rich network of data, services and interfaces offered by that community. This paper presents a case study of a collection within the Texas A&M Repository that was improved by adopting the principles of cooperation embodied by the term Web 2.0.

Gestellt wird sich der Frage, welche Vorteile kooperative und zentralistische Ansätze bieten können und in welcher Form die Inhaltssyndikation für eine digitale Bibliothek sinnvoll ist.

Der zwölfseitig Artikel erschien in der Ausgabe des Journal of Digital Information, Vol 10, No 1 (2009).
Maslov, Alexey et al.: Cooperation or Control? Web 2.0 and the Digital Library:engl:

Aufmerksam geworden über:
Baker, Gavin: Web 2.0 vs. digital libraries:engl: via Peter Subers Open Access News

Im Blätterwald tönt’s: Huih, wir sind modern

Wie ist das Medium der Zukunft. Es benötigt keinen Netzstecker. Es braucht keine UMTS-Karte. Es is leichter als der flacheste und kleinste Laptop. Es passt in jede Aktentasche. So sieht das Medium aus, glaubt man dem Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, Bodo Hombach, beim Medienforum NRW in Köln. Es ist jenes “Medium aus toten Bäumen”, das viele schon als Auslaufmodell abgeschrieben haben: die Zeitung. Diesmal zeigten die Zeitungsmacher beim sonst eher vom Fernsehen dominierten Medienforum Flagge. Sie wollen den Beweis antreten: Die alten Traditionsverlage verwandeln sich zur Zeit in hochmoderne Multimedia-Häuser.

Der Osloer Branchenprimus Schibsted unterscheidet zwichen der “guten alten Zeit” vor dem Internet 1995 und der Zeit danach. Es dauerte ene Weile bis das Platzen der Internetblase an den Börsen überwunden war. Aber eines war Schibsted immer klar: Das, was an Anzeigen bei den analogen Zeitungsausgaben wegfiel, musste eben von eigenen Online-Angeboten aufgefangen werden. Binnen eines Jahrzehnts verfierfachte sich die Zahl der Beschäftigen von 2100 auf 8000 und der Umsatz wird nun nicht mehr in Millionen, sondern in Milliarden gemessen.

Internetnutzer sind eben nicht in gleicher Weise wie Zeitungsleser bereit, für Informationen zu bezahlen. Doch auch in Deutschland gibt es Erfolgsgeschichten. Der Vorsitzende des Zeitungsverlegerverbandes NRW, Clemens Bauer, nannte am Dienstag zum Beispiel das Online-Rubrikenportal kalaydo.de, das innerhalb von 14 Monaten zum regionalen Marktführer auf dem Stellenmarkt und bundesweit zur Nummer fünf unter den E-Commerce-Portalen geworden sei. Es wird von Verlagen aus dem Rheinland getragen.

Was ist das größte Kapital der Zeitungsverlage: ihr Qualitätsjournalismus. Sie sehen ein: Qualitätssteigerung sei der einzige Weg der Verlagshäuser in die Zukunft.

Das wäre dann ganz im Sinne so großer Zeitungsjournalisten wie Herbert Riehl-Heyse, der den Verlegern kurz vor seinem Tod noch ins Stammbuch schrieb: “Es könnte sein, dass die schlauesten Geschäftsleute unter den Verlegern nicht gleichzeitig die klügsten sind. Die klügsten werden versuchen, ihre Produkte qualitativ immer besser zu machen.”

Hier können Bibliotheken nur draus lernen. Sie müssen aufhören, sich als Monopolist zu sehen, als die Gralshüter des Wissens. Sie dürfen aber auch nicht vor der Allgewalt des World Wide Web kapitulieren. Hineingestürzt in die Welt des Web 2.0. Gewinnt sinnvolle Anwendungen, die den Service verbessern, der die Wünsche der Nutzer nach mehr Interaktivität aufgreift. Lernt aus dem Nutzerverhalten, wie ihr Informationen qualitativ besser erfassen und beschreiben könnt. Nutzt die technischen Möglichkeiten des sortierens und anbietens. Generiert Mehrwerte, die Google & Co alt aussehen lassen. Seid kreativ, ohne Angst zu haben, dass es ein Scheitern gibt.
Nicht alle Geschichten des Zeitungswesens in einer Zeit des Web 1.0 waren erfolgreich. Es gab Durststrecken und es gab auch ein Scheitern. Aber auch wie es bei den Zeitungen laut wurde: Besinnt euch auf alte Tugenden und schafft Qualitäten, da wo das Know-How einer Bibliothek liegt. Ordnet, sortiert, macht zugänglich. Wo man die Bibliothek als Auslaufmodell abtun will, muss eine Bibliothek zeigen, dass sie mehr ist, als nur ein Archiv.
Helge Steenweg beschreibt bereits 2000 in seinem Weg von der Hol – zur Bring-Bibliothek Veränderungen, die durch die Digitalisierung entstehen. Ja, Bibliotheken haben ihr Quasi-Monopol verlore und es wartet ein langer Weg auf sie.

Die Zukunft des wissenschaftlichen Publikationswesens hat demnach gerade erst begonnen. Die größten Hindernisse zur Bewältigung der bevorstehenden Umwälzungen sind derzeit noch Angst, Trägheit und Tradition. Aber die Fortschreibung der alten Rollenverteilung in eine neue Umgebung ist immer nur ein allererster Schritt, bevor sich gänzlich andere Strukturen herausbilden.

Hier müssen Bibliotheken mitarbeiten, dürfen sich nicht verschließen, dürfen aber auch nicht vor lauter Euphorie ihre Aufgaben vergessen. Hier müssen neue Konzepte erarbeitet werden, in Prototypen gegossen und geprüft werden, um zeitnah reagieren zu können. Aber blindes Herumstochern und Wir-Probieren-Mal wird mehr schaden, als dass es Nutzen bringt. Es bindet Ressourchen und sorgt für eine Auseinandersetzung mit Dingen, die so nicht notwendig wären.

Quellen:
Driessen, Christoph: Die Zeitung – ein “Medium aus toten Bäumen” im Internetzeitalter via heise online

Steenweg, Helge : Von der Hol- zur Bring-Bibliothek, 2000

Sietmann, Richard : Zirkelspiele : Die wissenschaftliche Literaturversorgung steckt weltweit in der Krise, In: c’t 20/99, S. 216

[Update. 04.06.2013] – Link zum Artikel von Steenweg angepasst

Artikelversand demnächst mit Brieftauben

Vermutlich ist es den Richtern entgangen, dass E-Mails zuverlässiger und schneller sind als Brieftauben und auch dass es Bibliotheken gibt, wo der Wissenschaftler schnell (!) seinen Artikel benötigt.
Gestern wurde im langjährigen Rechtsstreit zwischen dem Deutschen Börsenverein und dem Dokumentenlieferservice subito durch das Oberlandesgericht München sein mit Spannung erwartetes Urteil gefällt.

Der Versand von kopierten Artikeln aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften per E-Mail verstößt gegen geltendes Recht – das ist die Kernaussage des gestern vom Oberlandesgericht München verkündeten Urteils.

Zwei mögliche Folgen hätte dieses Urteil, würde subito nicht in Revision gehen und dort gewinnen:

subito und Anbieter von ähnlich agierenden Diensten wie TIBORDER stellen den Dokumentenversand komplett auf den Postweg um. Für Kunden wären damit deutliche Komforteinbußen zur bisherigen elektronischen Lieferung verbunden. Die Wartezeit auf bestellte Fachartikel verlängert sich, zumal sich die Papierkopie nicht direkt am PC aufrufen lässt. […] [Oder:] Die Anbieter einigen sich mit den Verlagen über Lizenzen zur Nutzung von Fachartikeln auch auf dem elektronischen Wege. Dies würde eine deutliche Erhöhung der Preise für solche Dienste mit sich bringen.

Eine Verteuerung dieser Dienste würden Studenten und Wissenschaftler von öffentlichen Hochschulen von der Nutzung solcher Dienstleistungen ausschließen, zumal gerade Universitäten unter einem hohen Kostendruck stehen. Denken wir hier an die immensen Spareinforderungen von Finanzminister Sarazin für die drei Berliner Universitäten 2003. Hier heißt es zu kämpfen für angemessen niedrige Preise, damit Wissenschaft auch an Deutschlands Universitäten für Wissenschaftler und Studenten möglich bleibt.

Urheberrecht [ist] existenziell für Wissenschaftsstandort Deutschland [.] Das Urteil des Oberlandesgerichtes nimmt in Teilen einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Urheberrechts vorweg, der momentan noch in den Ausschüssen des Deutschen Bundestags geprüft wird. Die jetzige Fassung des Regierungsentwurfs schränkt die Informationsversorgung durch öffentliche Bibliotheken massiv ein und würde de facto die elektronische Lieferung von Dokumenten stark beeinträchtigen beziehungsweise gänzlich unmöglich machen.

Quellen:
Artikelversand per E-Mail verstößt gegen gültige Urheberrechtsgesetze: Muss Deutschland im digitalen Zeitalter zurück zur Papierkopie? ; Presseerklärung TIB
Elke: Urteil: Artikelversand per E-Mail ungesetzlichvia IB Weblog