[Infografik] Die Wirkung des Bücherlesens auf das Gehirn

Die folgende Infografik stammt von . Auch die Zeitschrift Gehirn & Geist beschäftigte sich in ihrer Oktoberausgabe 2010 mit diesem Thema.

Warum bücherlose Bibliotheken kein alleiniges Glücksversprechen für die Zukunft sind

“It’s not a replace­ment for the (city) library sys­tem, it’s an enhancement.” Nelson Wolff

Zukunft? Die bücherlose Bibliothek“, so lautete 2010 noch die Überschrift in einem Beitrag hier im Blog. Der Bürgermeister von San Antonio macht in dem oben genannten Zitat deutlich, dass es ihm bei BiblioTech um eine bereichernde Ergänzung des restlichen Bibliothekssystems seiner Stadt ging. Selten gab es im Vorfeld ein derartiges weltweites Medienecho, dass bereits mehr als ein Jahr vor Eröffnung einsetzte. Schließlich wurde die bücherlose “Bibliothek” BiblioTech im Herbst 2013 in SanAntonio (Texas) eröffnet. Von allen Kommentaren beeinduckte mich vor allem der von Umair Haque:

 

Er spielt dabei auf die typischen Phänomen der ideologischen Postmoderne an, wie sie Slavoj Žižek und Robert Pfaller vor allem in den westlichen Gesellschaften analysierten. Brüggemann brachte dies in einer Rezension zu Pfallers Buch “Wofür es sich zu leben lohnt” aus dem Jahr 2011 auf den Punkt:

Wie steht es um unsere vermeintlich hedonistische Kultur, die aus lauter “Non-isms” besteht, wie es der slowenische Philosoph Slavoj Žižek scharfzüngig formuliert hat? Kaffee ohne Koffein, Bier ohne Alkohol, Cola ohne Kalorien, Sahne ohne Fett, Sex ohne Körperkontakt. Das Paradoxe ist: mit den “Non-isms” wird ein Glücksversprechen verkauft.

Pfaller bezeichnete diese Tatsachen als Genuss- und Erlebnisarmut. Trifft das dann nicht auch auf Bücher aus Papier zu, die haptisch besser zu genießen sind? Welche ideologische Funktion eines vermeintlichen Glücksversprechen würde Žižek der Bibliothek ohne Papier zuschreiben? Fakt ist, dass auch die Nachricht und die Tatsache, dass es in Amsterdam oder San Antonio nun Bibliotheken ohne Bücher aus Papier gibt, uns ebenso Glücksversprechen suggeriert. Nun kann die ständige Verfügbarkeit von digitalen Inhalten auf alle Fälle eine technische Errungenschaft sein, die nicht abgestritten werden kann. Aber warum muss bei der Einrichtung einer neuen Bibliothek so derart radikal vorgegangen werden? Wieso können nicht in einer Bibliothek neben den Digitallesern weiterhin die Leser der Bücher aus Papier eine Existenzberechtigung haben und nebeneinander sitzen, stehen oder sich kommunikativ annähern? Diese Glücksversprechen sind laut Pfaller ein Trugbild der Makellosigkeit und Schönheit. In John Christophers Dystopie “Die Wächter” gelten Bücher (aus Papier) als „schmutzige, unhygienische Dinger“, als „Fallen für Bakterien“. Wenn Einrichtungen wie diese als nachzueifernder Endzustand zur Standardmeinung darstellen, werden dann irgendwann Bücher aus Papier ebenso verpönt sein und ideologisch als “unhygenisch” betrachtet werden? Sind Einrichtungen wie BiblioTech nun die sterile technische Vollendung und der von allen  nachzueifernder Standard? Ein weiterer Vorteil, der häufig genannt wurde, ist der des Einsparpotenzials. Die ideologische Mainstreammeinung scheint in den meisten Medien zu sein, dass diese Art von Bibliothek die Zukunft sein sollte. Die Aufmerksamkeit, welche BiblioTech nun in sehr vielen Medien zuteil wurde, ist meines Erachtens übertrieben und blendet die soziologischen Faktoren aus. Wie wird sich das Kommunikationsverhalten im sozial-öffentlichen Raum dadurch verändern, wenn es nur noch “electronic devices” gibt? Der Name BiblioTech klingt eher nach einem Science-Fiction-Film oder einer Technologiefirma, in der Maschinen die Geschmäcker und Wünsche der Menschen kanalisieren. Das Humane und die zwischenmenschliche Kommunikation in der Einrichtung Bibliothek kann einer solchen “Erneuerung” abhanden kommen, wenn nicht auch beides im Angebot bleibt und gefördert: Sowohl Bücher aus Papier als auch E-books.

Die Berliner Neurowissenschaftlerin Maryanne Wolf hatte damals und auch heute nicht zum ersten Mal vor den Gefahren des digitalen Lesens gewarnt. Auch Alwin Schönberger zitierte in einem Artikel “Wie das Lesen unser Gehirn verändert” aus dem Januar 2014 eine Studie, welche die Auswirkungen des Lesekonsums digital und analog untersuchte und kam zu folgenden Ergebnis:

Überdies scheinen Konzentration und Durchhaltevermögen beim Konsum elektronischer Literatur limitiert: Länger als drei bis zehn Minuten verweilt kaum jemand bei einem digitalen Text – jedenfalls im Web, spezifische Erhebungen zu E-Books stehen noch aus. Durchaus denkbar jedenfalls, dass die schier unendliche Fülle an Lesestoff, die ein digitales Gerät suggeriert, den Impuls entfacht, rasch weiterzugleiten, vielleicht gleich nebenan noch Spannendes zu finden. Geschickte Navigation und die rasche Bewältigung von Massen an Information werden dadurch nachweislich gefördert, doch die Aufmerksamkeitsspannen schrumpfen, wie eine weitere Untersuchung nahelegt: Bei dem Test ging es darum, stimmige von nicht stimmigen Begriffen zu unterscheiden. Menschen mit großer Neigung, die Freizeit am Bildschirm zu verbringen, hatten mit zunehmender Dauer des Tests Schwierigkeiten, die passende Antwort zu geben – sie ermüdeten, was gleichzeitig durchgeführte Hirnstrommessungen verrieten.

Die österreischische Germanistin Doris Schönbaß kam in Erhebungen zu dem Ergebnis, dass die traditionellen E-Book-Leser nicht jene sind, die bedrucktes Papier ablehnen. Es zeigte sich vor allem, dass diejenigen, welches das Lesen im Allgemeinen schätzen, beides nutzen. Wer Literatur für überflüssig und lästig hält, mag keines von beiden. Wie das Video aus Texas (siehe unten) noch zeigen wird, befindet sich Region von San Antonio, wo BiblioTech eröffnet wurde, wirtschaftlich gesehen in einer äußerst schlechten Verfassung. Hinzu kommt, dass 17 % der Menschen dort über keine ausreichende Lesefähigkeit verfügen. Schönbaß sieht das Ganze pragmatisch, denn solange jemand Literatur wertschätzt, sei es ihr egal, ob das nun digital oder analog ist. Ich befürworte eher eine gesunde Mischung, so dass jeder auch mit Literatur aus Papier und in elektronischer Form gleichermaßen sozialisiert werden kann. Der einzige Artikel, den ich fand, der sich tatsächlich auch kritisch mit der bücherlosen Bibliothek BiblioTech auseinanderssetzte, stammt aus dem Blog “The UBIQUITOUS LIBRARIAN” des Chronicle of Higher Education. Darin kritisiert Brian Matthews diesen Hype und entlarvt diese Strategie der Macher von BiblioTech als Marketingtrick. Zurecht stellte Mathews folgende Bedenken an und warf die Frage vom Wert einer Bibliothek auf:

My primary concern is that this might (or already has?) create false expectations of what “all libraries” should become. It’s setting a precedent. The key issue for me is funding. Why do we need a library anymore? Let’s just build computer labs– that’s what they are doing in Texas. […] The narrative they are pushing seems to be celebrating booklessness and I just don’t see that as a positive message. I’d rather see the national media writing about the impact and value of public libraries in the 21st century, rather than prescribing the future (for all libraries) based upon information formats.

Hat es mit einer Verunsicherung der eigenen Rolle in der Medien- und Informationslandschaft zu tun, in der sich Bibliotheken irgendwie verorten wollen und dafür (fast) alles ausprobieren um die größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen? Letztlich ist es in sozial benachteiligten Regionen wichtig einen kostenfreien Internetzugang in einer Bibliothek zu erhalten, da die Menschen (San Antonio in Bexar County) von der digitalen Spaltung am meisten betroffen sind , aber dennoch sollte diesen Menschen der Zugang zum bedruckten Papier nicht vorenthalten bleiben.

Zukunft? Die bücherlose Bibliothek

Eine Bibliothek ohne Bücher kündigte im letzten Schuljahr die Cushing Academy in Massachusetts an. Neuste Computer mit hochauflösenden Monitoren sollen die Regale mit Büchern ersetzen und den Schülern der Spitzenprivatschule Recherche und Lektüre ermmöglichen. Schulleiter James Tracy will damit ein Modell für die Schule im 21. Jahrhundert entwickeln. Das Presseecho, das so eine Ankündigung schaffen sollte, blieb aus.

Eine Bibliothek ohne Bücher war vor zwanzig Jahren nicht denkbar und mit dem Internet im Rücken möchte man meinen, man kann auf eine Bibliothek mit Büchern jetzt verzichten.

Heute scheint die Nachricht fast überfällig. Ich bin in den vergangenen Jahre häufig in Bibliotheken gewesen und habe mehr Menschen auf Computerbildschirme starren als in Büchern blättern sehen. Die wichtigste Funktion von Bibliotheken scheint heute bereits nicht mehr darin zu bestehen, den Zugang zu Druckwerken, sondern den Zugang zum Internet zu ermöglichen.

Der Schulleiter will Bücher nicht verbannen, sondern will nur dem Beispiel namenhafter Universitäten wie Havard folgen. Zudem glaubt er:

“When I look at books, I see an outdated technology, like scrolls before books,’’ said James Tracy, headmaster of Cushing and chief promoter of the bookless campus.

Wie mag sich eine solche Meinung aber auf die Schüler auswirken, welche die Tragweite dieser Entscheidung noch gar nicht abschätzen können. Mit sechzehn Jahren kann man so eine Entwicklung von der lockeren Seite sehen, denn da verbindet man eine Bibliothek mit staubigen Büchern und das Lesen von Büchern gehört auch nicht unbedingt zur Lieblingsbeschäftigung von Jugendlichen. Weiterlesen

Gehirn und Computer – das passt gut

Die Schnittstelle Gehirn-Computer ist im Science-Fiction-Bereich, z.B. bei den Lesern von Romanen wie “Neuromancer” und “Mona Lisa Overdrive” von William Gibson mittlerweile gar nicht so fremd. Big Brother von Georg Orwells “1984” wird bereits zunehmend Realität und jetzt arbeiten Wissenschaftler an einem Brain Interface, damit man zukünftig sich direkt per Hirn mit seinem Computer und dem Netzwerk verbinden kann.

Computer-Gehirn-Schnittstellen werden zunehmend realer und komplexer. Sie werden heute bereits genutzt, um Prothesen zu steuern. Nach einem Bericht der Online-Ausgabe der Technology Review stellten Forscher der University of Washington in verschiedenen Testreihen fest, dass sich das Gehirn erstaunlich gut an diese Systeme anpasst.

Noch ist man am Anfang der Forschungsarbeit, aber inzwischen geht man von der Elektroenzephalografie (EEG), bei der die elektrische Aktivität des Gehirns von außen gemessen wird, zu Implantaten über. Hier besteht momentan die Aufgabe, die genauen Stellen herauszufinden, an denen die Elektroden implantiert werden müssen, um das gewünschte Signal zu erfassen.

Die Studie erschien diesen Monat in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) als Open Access-Artikel. Darin wurde eine Gruppe von Epileptikern untersucht. Diesen war zur Vorbereitung einer Operation Elektroden ins Gehirn eingesetzt.

The team of computer scientists, physicists, physiologists and neurosurgeons studied eight patients awaiting epilepsy surgery at two Seattle hospitals. Patients had electrodes attached to the surface of their brains during the week leading up to the surgery and agreed to participate in research that would look at connecting brains to a computer.

Die Teilnehmer der Studie mussten bestimmte Bewegungen durchführen, z.B. ihre Arme oder ihren Oberkörper zu heben. Im zweiten Teil gleich im Anschluss sollten sie sich den gleichen Bewegungsablauf nur vorstellen. Während Ablauf dieser Aktionen wurden die Auswirkungen im Gehirn aufgezeichnet.

Beide Aktionen ergaben, wie es zu erwarten war, an den Elektroden im passenden Frequenzbereich unterschiedliche Signalqualitäten: Der Ausschlag bei den realen Aktionen war deutlich höher als bei der reinen Vergegenwärtigung.

Der dritte Schritt war, dass sich die Probanden über ein Brain Interface mit dem Computer verbanden. Dort reichte das Signal der reinen Vorstellung aus, um einen Cursor zu bewegen. Zehn Minuten Training reichten die auftretenden Gehirnsignale zu verstärken, mehr sogar als bei der realen Durchführung der Bewegung. Bei zwei Testpersonen reichte weitere zehn Minuten später schon der Gedanke daran, den Cursor zu bewegen, dass sie ihn bewegten. Sie benötigten nicht mehr den Gedanken an die körperliche Aktivität.

Die hohe Kompatibilität zwischen Hirn und Rechner überraschte die Forscher. Bekannt ist allerdings schon länger, dass das konzentrierte und regelmäßig Vorstellen von Bewegungsabläufen des eigenen Körpers zum Aufbau eines “Muskelgedächtnisses” führen kann, das sich dann in der Realität abrufen lässt. Den University of Washington-Forschern gelang es, die passenden Frequenzen über ihre Elektroden abzugreifen.

Um diese erstaunlichen Ergebnisse weiter ausbauen zu können, sucht das amerikanische Forschungsteam der University of Washington nach Möglichkeiten, diese Gehirnsignale auch ohne operativ eingesetzete Elektroden nutzen zu können. Eine Messung der Impulse mit EEG-Messgeräten, die über die Kopfhaut Impulse aufnehmen, ist unzureichend. Die Impulse sind zu schwach, um Erinnerungen an eine Bewegung herauszufiltern. Für ein effektives Training benötigt das Gehirn jedoch ein direktes Feedback.

Erste Spielehersteller werben bereits mit einer marktreifen Gehirnsteuerung für Spiele. Von dieser Seite könnten Impulse und Innovationen kommen, die dieser Forschung entgegen kommen. Auch entsprechende Head-Sets werden bereits beworben. Momentan ist dies noch ein teurer Spass mit vielen Ecken und Kanten.

Faszinierend diese Untersuchung. Noch scheint vieles wie Science Fiction zu klingen, aber bedenkt man die Entwicklung des Internets, so kann es extrem schnell passieren, dass sich daraus tolle Anwendungen ergeben.

Quellen:
Hickey, Hannah: Brain-controlled cursor doubles as a neural workout via UWNews.org
Schwan, Ben: Gute Kompatibilität zwischen Gehirn und Computer via heise online
Schwan, Ben: Gehirn steuert Computer in der Technology Review online

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