Maisha Maureen Eggers über Kinderbücher und Empowerment (Teil 1)

Im 1.Teil des Interviews mit Prof. Dr. Maisha Maureen Eggers (Erziehungswissenschaftlerin und Geschlechterforscherin, Professorin für Kindheit und Differenz an der Hochschule Magdeburg-Stendal), wird der Antwort nachgegangen, welche Rolle vorurteilsbewusste Literatur in der Bildungspraxis spielt. Bibliothekare und Bibliothekarinnen können durch Veranstaltungen, einem sinnvollen Bestandsaufbau und einer geeigneten Literaturpädagogik bereits Kindern Empowerment durch das Lesen geeigneter Bücher ermöglichen.

Die erfolgreiche Rettung der Manuskripte von Timbuktu

“Wir holten die Manuskripte in der Nacht. Wir versteckten sie in gewöhnlichen Metallkisten, die wir unter Handelswaren auf Pirogen und in Bussen versteckten.” Sane Chirfi Alpha

In mehreren Blogbeiträgen wurde 2012 und 2013, aber auch schon 2010, wurde hier im Blog über die wertvollen Handschriften und Bibliotheken in Timbuktu berichtet. Ein Journalist des NDR wurde in dieser Zeit sogar auf einen dieser Blogbeiträge aufmerksam und erkundigte sich telefonisch beim Autor, ob denn dieser in Timbuktu gewesen sei und ihm von der Lage dort berichten könne. Die Islamisten, welche 2012/2013 bereits historische Mausoleen zerstörten, hatten es auch auf die Handschriften abgesehen. Dank dem Leiter der der “Bibliothèque Mama-Haidara”, Abdel Kader Haidara und seiner Nichtregierungsorganisation SAVAMA-DCI (Sauvegarde et Valorisation des Manuscrits pour la Défense de la Culture Islamique – dt. Schutz und Aufwertung der Maunskripte zum Schutz der islamischen Kultur) konnten sehr viele Handschriften vor der Zerstörung durch die Islamisten gerettet werden. Aus diesem Grund erhielt Dr. Abdel Kader Haidara am 6. Oktober den Afrika-Preis der Deutschen Afrika Stiftung. Insgesamt handelte es sich um 2000 Kisten, die an einem geheimen Ort gelagert werden konnten. Aktuell wurde auf der Webseite der Deutschen Welle über nachhaltige Rettungsmaßnahmen der wertvollen Handschriften berichtet:

“Nach der physischen Rettung der Manuskripte werden auch deutsche Experten der der Digitalisierung und Auswertung der Handschriften mithelfen. Die anstehenden Restaurierungsmaßnahmen auch finanziell zu unterstützen unter anderem Dubai oder die Schweiz. Auswärtiges Amt und die Düsseldorfer Gerda-Henkel-Stiftung versprachen bereits eine Beteiligung mit jeweils 500.000 Euro.”

Der Präsident der Jury zur Verleihung des Afrika-Preises verwies auf folgende historisch belegte Tatsachen::

„All denen, die immer wieder behaupten, Afrika sei geschichtslos und habe allenfalls eine orale Geschichte, halten die Schriften von Timbuktu einen Spiegel vor.” Dr. Volker Faigle

Aus aktuellem Anlass: Eine Dokumentation über die Geschichte von Bibliotheken

Am heutigen “Tag der Bibliotheken” gibt es hier im Blog eine 45-minütige Doku mit dem Titel “Die Weisheit baut ein Haus”. Darin geht es um die Geschichte und Architektur der Bibliotheken. Es kommt Prof. Dr.- Ing. Winfried Nerdinger zu Wort. Im Hintergrund interviewt ihn Alexander Kluge.

https://www.dctp.tv/filme/news-stories-29042012

Ein Oral-History-Projekt der New York Public Library

Im folgenden Video wird am Beispiel von Yvonne Stafford ein durch die New York Public Library initiiertes Oral-History-Projekt vorgestellt. Das Projekt wurde im Stadtteil Harlem durchgeführt. Die Interviews stehen auf der Webseite der New York Public Library zur freien Verfügung und werden archiviert.

[Zitat] Unkommentiert – 1957

 

“Kennzeichnend für den Bildungsvorgang in einer Volksbücherei ist, daß er zeitlich kurz ist, gewissermaßen funktional und unauffällig vonstatten geht; dabei ist zu bedenken, daß der Akt der Beratung als Bildungsakt nur Vorstufe eines, ja Bildungsvorganges ist: des Lesens selbst; so verweist der Bildungseinfluss des Volksbibliothekars immer über sich hinaus auf ein weiteres; auf den Akt der Selbstbildung, den der Leser an sich selbst vollzieht. Charakteristisch für das Bildner-Partner-Verhältnis zwischen Bibliothekar und Leser ist ferner, daß es meistens ein Dual-Verhältnis ist, eine persönliche und zugleich ichbezogene Note trägt und nicht jene Gefahr der Vergemeinschaftung kennt, die in anderen Bildungsinstitutionen aufkommt; als Volksbibliothekar kann man unmittelbar den Einzelnen ansprechen als in einer Kurs- und Vortragsgruppe. […] und dennoch ist die von hier ausgehende Bildungswirkung nicht weniger nachhaltig als diejenige in anderen Bildungsbereichen; denn der Weg der Selbstbildung ist unmittelbar geföffnet, jener Weg also, auf dem die letzten und innersten Entscheidungen der Bildung fallen müssen.”

Franz Pöggeler (1957), Einführung in die Andragogik – Grundfragen der Erwachsenenbildung, S. 174 f.

LIBREAS Ausgabe #25 erschienen

Die 25. Ausgabe von LIBREAS ist heute mit dem Themenschwerpunkt “Bibliothekarin sein – Nutzerin sein. Frauen und Bibliotheken” erschienen. Im Editorial, das keines ist, stellte Karsten Schuldt im Dialog mit Heike Stadler am Schluss folgende Statements zur Diskussion:

Sind wir also auf ein unerledigtes Problem gestossen, auf eine Lücke? Konzentrieren wir uns im Bibliothekswesen immer wieder nur auf die Bibliothek und Dinge, die zu lösen sind, aber stellen gar nicht die Frage, wer die Bibliothek macht? Eigentlich wollten wir mit einer Erkenntnis aus diesem Text herauskommen. Aber vielleicht ist diese Lücke alles, was wir herausgefunden haben,  dieses Fehlen der Berufsgeschichte. Ich finde ja, dass es Parallelen zwischen politischer Geschichte, zwischen der Geschichte der Frauenbewegungen und diesen Texten aus der bibliothekarischen Fachpresse gibt; aber mir scheint, wir wissen zu wenig, um das untersuchen zu können.

Und was erwartet uns nun in dieser Ausgabe?

Abstract: Wenn über die Qualität von Katalogen diskutiert wird, sollte das Potential, das eine gendersensible Verschlagwortung bietet, genutzt werden. Dazu brauchen wir mehr Analysen, die Lücken, Fallen und Fehler in den bisherigen Systematiken und Klassifikationen auf der Grundlage der Ergebnisse der Geschlechterforschung aufzeigen. Die existierenden Frauen-, Lesben- und Genderbibliotheken im deutschsprachigen Dachverband i.d.a.haben dazu eine über Jahrzehnte ausgebildete Expertise angesammelt und sind bereit zur Kooperation.

Abstract: Nach zehn Exiljahren in London kam die jüdische Journalistin Jella Lepman 1946 im Auftrag der amerikanischen Regierung zurück nach Deutschland, als Beraterin für die kulturellen und erzieherischen Belange der Frauen und Kinder. Um der geistigen Verarmung der deutschen Nachkriegskinder entgegenzuwirken, organisierte sie eine große Internationale Jugendbuchausstellung, die im ganzen Land gezeigt wurde und später den Grundbestand der Internationalen Jugendbibliothek in München bildete. Aus Amerika führte Jella Lepman ein fortschrittliches Konzept für die Gestaltung und Leitung einer Jugendbibliothek ein, das zunächst auf viel Widerstand von Seiten der ausgebildeten deutschen Bibliothekare stieß. Die von ihr gegründete Bibliothek ist heute weltweit die bedeutendste Institution dieser Art. Der Beitrag porträtiert diese außergewöhnliche Frau, die keine ausgebildete Bibliothekarin war und doch das Bibliothekswesen im Jugendbereich in Deutschland revolutionierte, den deutschen Kinder- und Jugendbuchmarkt zu einem der internationalsten überhaupt gemacht hat und ihr ganzes Leben der Verbreitung hochwertiger Kinder- und Jugendliteratur als Beitrag zur Völkerverständigung widmete.

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[Videozitat] Kommentiert – 2004

Eröffnung der Offenen Bibliothek auf dem Jüdischen Friedhof Krems am 12.12.2004:

Das Künstlerduo Clegg & Guttmann installierte hier drei Offene Bücherschränke mit besonderen Buchbeständen:

“The Jewish cemetery in Krems has been unused since World War II. The Open Public Library in Krems is a revival project which will give a reason and an opportunity for public access to one of the few reminders that there was once a lively Jewish community in this Lower Austrian city. […] The first bookcase contains original religious material in Hebrew. The second cabinet contains introductory material on Jewish law in German and English. The third part of the collection specializes in various topics related to the Jewish philosophy of death.”

Clegg & Guttmann: Monument for historical change and other social sculptures, community portraits and spontaneous operas ; 1990—2005, Wien: Schlebrügge.Editor 2005, S. 96.

JüdFriedKrems

 

 

 

 

 

 

 

Zwei Kabinette der Offenen Bibliothek (Foto: Anton-kurt ; Quelle: Wikimedia commons). Weitere Informationen enthält folgender Zeitungsartikel:

Franz Niegelhell: Nachlese zwischen Gräbern, in: DER STANDARD, 23.12.2004.

 

Willkommenskultur in öffentlichen Bibliotheken als Spiegelbild der gesellschaftlichen Anerkennung

Man kommt nicht weiter, wenn man sich über den Konflikt zwischen Gruppen, über den Clash definiert. […] Zum deutschen Traum gehört der Dialog, und da gehören schwierige Umarmungsmechanismen dazu, da gehört dieses Zurücklieben dazu. […] Jede Einwanderungsgesellschaft braucht eine spezielle Zukunftsvision, die über ihre Selbstbeschreibung hinausgeht, die mehr sein muss als die Bewahrung bestehender Strukturen. Diese Vision kann als eine Gefährdung des eigenen Selbstverständnisses, aber auch als Chance wahrgenommen werden, dieses Eigene zu erweitern.Zunächst aber braucht die Gesellschaft einen Konsens über dieses Eigene. Dass viele Menschen von außen gekommen sind, um sich zum Beispiel in Deutschland niederzulassen, deutet ja erst einmal auf einen Reiz hin, den dieses Land ausstrahlt. Zafer Şenocak

2011 hatte ich im Rahmen des 100. Deutschen Bibliothekartages Gelegenheit an der “Langen Nacht der Bibliotheken in Berlin” teilzunehmen und den Autor Zafer Şenocak am Deutschen Institut für Menschenrechte zum ersten Mal näher kennen und hören gelernt zu haben. Sein damals aktuelles Buch “Deutschsein: Eine Aufklärungsschrift” passt(e) gut zur interkulturellen Bibliotheksarbeit und deren Zielen, einen mehrdimensionalen Dialog zu erreichen, der keine “monokulturelle Homogenität” in der Bibliothek zum Ziel hat (z.B. “Dialog Deutsch” in einigen größeren Stadtbibliotheken). Er erkannte wenig Fortschritte in der Integrationspolitik und brachte diese Debatte, die sehr wohl etwas mit der sogenannten “interkulturellen” Bibliotheksarbeit zu hat, 2009 auf den Punkt. Hierzulande geht es leider immer noch um die “Einwanderer”, die hauptsächlich wahrgenommen werden als Menschen mit Defiziten, welche doch gefälligst Deutsch lernen müssen. Doch von der US-amerikanischen Willkommenskultur sind viele Bibliotheken in Deutschland leider noch meilenweit entfernt, da sie mit Fremdheit, Mehrsprachigkeit und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte weiter eher fremdeln, als dies als eine Bereicherung zu betrachten. Das untenstehende Video zeigt, dass Gesten und die dazugehörige Symbolik, wie etwa eine Einbürgerungsfeier in einer Bibliothek abzuhalten, eine bedeutende und nachhaltige Wirkung haben könnten. In vielen deutschen Großstädten entspricht der Anteil der fremdsprachigen Medien mitnichten dem prozentualen Anteil an mehrsprachigen Stadtbewohnern. Es gibt kaum finanzielle Mittel um die Mehrsprachigkeit in der Bevölkerung im Bestand nur annähernd abzubilden..

Sie sind noch tief im 19. Jahrhundert verwurzelt in der Phase, als die Nationalstaaten entstanden. Das war damals der Versuch, Strukturen zu schaffen, die strikt zwischen dem Eigenen und dem Fremden unterscheiden. Hier stehe ich, dort sind die anderen. Mit schrecklichen Folgen für Europa und die ganze Welt, wie wir spätestens seit den beiden Weltkriegen wissen. […] Das Wichtigste wäre anzuerkennen, dass wir ganz am Anfang stehen. Wenn wir ehrlich sind, haben wir keine Ahnung, was eine deutsche Identität in Europa in Zukunft bedeuten könnte. Identität wird zu einer dynamischen Angelegenheit. Sie verändert sich, vermischt sich, sie fließt. Wie das Surfen im Internet, das ist für mich eine Metapher dieses Schwimmens zwischen Orten und Kulturen. Wir müssen eine Heimat im Fließen finden.

Şenocak kritisierte zurecht die Kulturalisierung der ehemaligen Einwanderer anstatt anzuerkennen, dass es sehr häufig um die soziale Frage geht, wenn Serkan oder Wadim im dreigliedrigen Schulsystem aussortiert werden. Die aktuelle Debatte in der Mailingliste Forum-ÖB (“Leseförderung für extrem leseschwache SchülerInnen”) machte neulich deutlich, dass es inzwischen ein größeres Interesse & Bewusstsein gibt extrem leseschwache Schüler und Schülerinnen mehr zu fördern und hierzu geeignete Serviceleistungen von Seiten der Bibliotheken anzubieten. Die Schulen müssten ein noch berechtigteres Interesse haben und der Leseförderung durch Bibliotheken mehr Wertschätzung entgegenbringen, da ja die Lesekompetenz oftmals entscheidend für den späteren schulischen und beruflichen Erfolg ist.

Am 2. Juli, zwei Tage vor dem US-Amerikanischen Nationalfeiertag, wurden 150 Einwanderer aus 46 Nationen in der New York Public Library eingebürgert. Diese Idee könnte auch hierzulande interessant und in die Tat umgesetzt werden. Manche Bibliotheksgebäude sind beispielsweise ehemalige Schlösser und architektonische Meisterwerke, welche oftmals sogar ansehnlicher sind als die eigentlich dafür vorgesehenen Rathäuser der jeweiligen Kommunen. 2012 war ich Hochzeitsgast bei einer standesamtlichen Hochzeit, die im Stadtmuseum stattfand.

Musik: “Prelude No. 18” von Chris Zabriskie

[Videozitat] Unkommentiert – 1934-1996

Books permit us to voyage through time, to tap the wisdom of our ancestors. The library connects us with the insights and knowledge, painfully extracted from Nature, of the greatest minds that ever were, with the best teachers, drawn from the entire planet and from all of our history, to instruct us without tiring, and to inspire us to make our own contribution to the collective knowledge of the human species. Public libraries depend on voluntary contributions. I think the health of our civilization, the depth of our awareness about the underpinnings of our culture and our concern for the future can all be tested by how well we support our libraries.” Carl Sagan

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