[Zitat] Kommentiert – 2006-2009

“Once patrons realize how much they depend on the library, they are more willing to support and defend it. [..] All town departments are essential services, and the library knows why we’re important, so the calculator is nice way to show town officials and the public how much of a value the library really is – especially when our patrons are trying to trim their own budgets. Libraries always face the challenge of justifying their existence to the community who pays for it. This calculator is an easy way to do that.” Brian Herzog

Dieses Zitat stammt von Brian Herzog, dem “Head of Reference” der Öffentlichen Bibliothek in Chelmsford, Massachusetts. Die “Chelmsford Library” war einer der ersten öffentlichen Bibliotheken der Welt, die über einen Bibliotheksrechners (“usage calculator”) verfügte. Dieser “usage calculator” berechnet den Wert der genutzten Medien eines jeden Benutzers/einer jeden Benutzerin.  Seit dieser Zeit ist nicht nur das Bewußtsein über den Wert der Bibliotheksdienstleistungen gestiegen, sondern seitdem wird der “usage calculator” auch von hunderten Bibliotheken und Verbänden (z.B. der New York Library Association) in den USA und in vielen anderen Ländern verwendet. Wieviele Bibliotheken bzw. NutzerInnen von Bibliotheken verwenden hierzulande den Bibliothekswert-Rechner? Die Mediothek Krefeld warb am 25. Februar diesen Jahres auf Facebook für den Bibliothekswertrechner auf der Seite des  Bibliotheksportals:

“Die Daten sind zwar Durchschnittswerte, aber es ist schon faszinierend, mal schwarz auf weiß zu sehen, wieviel Geld man als Nutzer spart, wenn man eine Bibliothek nutzt. Macht das mal…das Ergebnis ist interessant!”

Vorstellung von “Bibliotheques hors les murs” – einer Sommeraktion zahlreicher Pariser Stadtteilbibliotheken

« Des bibliothèques raisonnablement pourvues en personnel qui aime les êtres humains plus que les livres, un personnel qui respecte les usagers et qui veut collaborer avec eux, et non leur donner des leçons. » (Zitat einen tschechischen Bibliothekars über Eigenschaften, die BibliothekarInnen mitbringen sollten)

Waren Sie schon einmal im Sommer in einem Park und haben dort BibliothekarInnen bei der Arbeit  getroffen?

Jeden Sommer gehen Pariser BibliothekarInnen in Parks und an öffenliche Plätze. Sie bringen Geschichten mit und leisten ihren Beitrag für die Leser von morgen. In den beiden Videos (siehe unten) kommen verschiedene Bibliothekarinnen zu Wort. Es geht auch darum für die Inklusion von bildungsfernen Schichten einen Beitrag zu leisten und aktiv Leseförderung zu betreiben. Vorgestern ging “Bibliotheques hors les murs” (BHLM) zuende. Das Konzept “Bibliothèques hors les murs” (BHLM) gibt es seit 1957 und wurde in Noisy-sur-Grand entwickelt, wo die Organisation “ATD-Quart Monde” die erste “Straßenbibliothek” schuf und bildungsfernen Menschen das Lesen und Bücher näher brachte.

Hinter der sommerlichen Aktion steht der Gedanke junge Zielgruppen vor Ort zu erreichen, die bisher noch nie in einer Bibliothek waren. Den Kindern und Müttern wird erklärt, dass die Einschreibung kostenlos ist und es in ihrem Viertel (vor allem aus den “quartiers sensibles”)  eine Stadtteilbibliothek gibt, die über ein breites Angebot an Medien verfügt. BHLM (“bibliothèques hors les murs”) soll einen Ort der Begegnung schaffen und einen kostenlosen Austausch in einer geselligen Umgebung bieten.

Die Vorlesenachmittage für Kinder sind ebenfalls kostenfrei und bedürfen keiner Einscheibung oder Reservierung. Weitere Auskünfte gibt es über die folgenden Webseiten:  www.paris-bibliotheques.org und www.bibliotheque.paris.fr

Unbedingt erwähnenswert ist die folgende Frage und die damit verbundenen Auswirkungen, welche Isabelle Masse im Artikel “Bibliothèques hors les murs” in  der Zeitschrift “Bulletin des bibliothèques de France” (BBF) aus dem Jahr 2002 aufwirft:

“Comment recevoir ce nouveau public dans la “bibliothèque dans les murs”?” (Wie soll die neue Kundschaft in der Bibliothek als Gebäude empfangen werden?)

Dabei macht Sie darauf aufmerksam, dass die Art und Weise der Kommunikation, die nun innerhalb der Mauern herrschen würde, eine andere ist, da ja bereits im nicht-institutionalisiertem Raum (“im Freien”) auf persönlicher Ebene Beziehungen  geknüpft wurden. Ziel sei es, die  Selbstständigkeit der neuen NutzerInnen herbeizuführen, damit diese nun alleine zurechtkämen in der “Bibliothek in den Mauern”. Dabei gibt es gewisse Regeln einzuhalten, die vorher bei der “Bibliothek hinter den Mauern” (“bibliothèque hors le murs”) unbedeutend waren. Durch die persönlichen Kontakte mit den neuen NutzerInnen verändert sich vermutlich auch die Sichtweise, ob bestimmte alterherkömliche Regelungen noch Sinn machen bzw. inwieweit “die alten Regeln” noch zeitgemäß sind. Mit Sicherheit werden hier gewisse Barrieren oder Mauern fallen, die in der Lage sind den Umgang miteinander entspannter zu gestalten, so dass etwas wie  “Bibliotheksangst” eine geringere Rolle spielen wird.

Folgende Stadtteilbibliotheken von Paris beteiligen sich an der diesjährigen Aktion: Weiterlesen

Aus aktuellem Anlass: Strandbibliotheken in Frankreich mit besonderer Berücksichtung des Départements Seine-Maritime

«Qui que vous soyez qui voulez cultiver, vivifier, édifier, attendrir, apaiser, mettez des livres partout» Victor Hugo

Seit 2006 gibt es „Lire à la Plage“ im Département 76 (Seine-Maritime). In diesem Jahr stehen in den folgenden 13 Kommunen Strandbibliotheken zur Verfügung stehen: Criel-sur-Mer, Dieppe, Etretat, Fécamp, Le Havre, Le Tréport, Rouen, Sainte-Adresse, Saint-Jouin-Bruneval, Saint-Valéry-en-Caux, Veules-les-Roses, Yport und seit diesem Jahr Saint Aubin sur Mer. Im letzten Jahr gab es über 60.000 Leser in den genannten Kommunen (außer in Saint Aubin sur Mer). Die Bürgermeister, in denen sich die  Strandbibliotheken befinden, beschlossen mehr Geld für die im Sommer genutzten Strandbibliotheken zur Verfügung zu stellen. Bereits seit dem 3. Juli findet „Lire à la Plage“ statt und wird noch bis 30. August andauern. Unter der Überschrift „Bronzez intelligent!“ (Bräunen sie sich auf intelligente Art!) wirbt das Département nicht nur auf seiner Webseite und für die zahlreichen mit “Lira à la plage” verbundenen Veranstaltungen um Aufmerksamkeit. Mittlerweile gibt es auch eine Gruppen– und eine Fanseite auf Facebook, die über aktuelle Termine und Neubauten informieren.

Dieser sich seit einigen Jahren abzeichnende Trend  wird auf der Seite „Livres Hebdo“ beschrieben und äußert sich hierzulande mehr in Form von Offenen Bücherschränken und Bücherzellen. Dies wurde zusammengefasst wie folgt beschrieben: Weiterlesen

Aus aktuellem Anlass: die Öffentlichen Bibliotheken in Sacramento erhielten ihre eigene Facebookfanseite

Die Öffentlichen Bibliotheken in Sacramento erhielten kürzlich ein positives mediales Echo in einer lokalen Nachrichtensendung, da sie nun über eine eigene Fanseite auf Facebook verfügen. Eigentlich ist es nicht ungewöhnlich im anglo-amerikanischen Raum, dass eine Bibliothek über eine eigene Facebookseite verfügt. Dieser Fernsehbeitrag macht meines Erachtens auf eindrucksvolle Weise deutlich, wie in den Medien – zwar sachlich und wertneutral – aber zeitgemäß und aktuell über Bibliotheken berichtet wird. Diese Art des Storytelling, wie sie Individuen hinsichtlich ihrer Erwerbsbiografie heute zu beherrschen haben, ist auch ein zunehmend wichtiger Faktor in der Außenwahrnehmung von Bibliotheken geworden, wobei Storytelling als Inhalt in Seminaren an Bibliotheksfachhochschulen wohl (noch)  zu selten vorkommt. Die aus der Wirtschaft und Politik stammende und dort erfolgreich angewandte Disziplin wäre für die Bibliothekswelt ein aufmerksamkeitssteigerndes Element im Wettstreit mit anderen Kulturinstitutionen und könnte eine höhere Wertschätzung bei öffentlichen Unterhaltsträgern zur Folge haben. Auf die Bibliotheken übertragen würde das 2006 vom Pew Center veröffentlichte Zitat folgendermaßen lauten:

Es reicht nicht mehr einfach nur die Bibliothek als klassische Kulturinstitution zu vertreten. Sie muss zu ihrer eigenen Story werden.

Egal wieviele Fans die Bibliothek letztlich in der Onlinewelt gewinnt, die Geschichte, dass sie damit neue NutzerInnen erreicht werden ist oftmals entscheidender. Ähnliches merkte auch Doug Stevens an, laut dem es einfacher ist ein Produkt oder eine Dienstleistung zu verkaufen, indem man eine Erfolgsgeschichte erzählt, statt das Produkt und seine Vorzüge zu beschreiben.  Eine derart positive und kundenorientierte telemediale Berichterstattung, die weniger als zwei Minuten dauert und sich noch dem Thema Facebook und NutzerInnenorientierung widmet, ist mir aus dem europäischen Raum kaum bekannt. Bernsee merkte bereits 2006 in ihrer Masterarbeit folgende Tatsache an, die weiterhin nichts an Aktualität eingebüßt hat:

Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen Bibliotheken in der kollektiven Wahrnehmung als wertvolle und zukunftstiftende Einrichtungen empfunden werden (Beispiel: USA), traut man ihnen in Deutschland von Seiten der Politik nicht viel zu.

Im deutschsprachigen Raum scheint es eher die Ausnahme zu sein, dass sich Bibliotheken – ob wissenschaftlich oder öffentlich – ohne Umschweife und einem langen Nachdenken über die “Nachteile” –  eine FB-Seite zulegen. In Frankreich, den Niederlanden, aber auch in anderen europäischen Ländern gibt es durchaus eine größere Zahl an Bibliotheken, die sich dem Thema offensiv annimmt und nicht “nur” Bedenken anmeldet. Meinen Beobachtungen und Einschätzungen zufolge gibt es in den ebengenannten Ländern weitaus mehr Bibliotheken, die das Web 2.0 aktiv als Instrument der Kommunikation der Marke Bibliothek nutzen.  Dabei machte der diesjährige Vortrag von Frau Prof. Dr. Schade auf dem BID-Kongreß in Leipzig doch deutlich wie wichtig die Markenkommunikation für Öffentliche Bibliotheken ist. Ein nicht zu unterschätzendes Potential liegt in den MitarbeiterInnen selbst, denen es bei Bekanntheit der Marke und dem Glauben an diese gelingen kann, die Interaktion mit dem Kunden positiv aufzuladen. An dieser Stelle sei auf das von ihr erwähnte Zitat von Christian Hasiewicz verwiesen:

„Eben dieses – der Politik ein positives Bild davon zu vermitteln, wofür Bibliotheken heutezutage stehen und was sie leisten können – ist dem bibliothekarischen Berufsstand in Deutschland bisher nicht gelungen.“

Wären nicht Facebook und andere Medien ideale Vermittler dafür den Menschen und vor allem einer zunehmend userorientierten Generation ein zeitgemäßeres Bild der Bibliothek zu vermitteln bzw. dieses in Interaktion mit dieser zu gestalten?

Anmerkungen zur Zielgruppenorientierung für die LGBT-Community und die Rolle der Öffentlichen Bibliotheken mit besonderer Berücksichtigung der Situation in Frankreich

The purpose of our public libraries is to serve the public. It is time to realise that the public is more diverse than the white, Christian, heterosexual man. Library and information science have a responsibility to proceed in this area, acknowledge the problem and bring LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual) into their field of research. (Anna Johansson in Libreas 01/2008)

In ihrem Artikel machte Johansson deutlich, dass in Schwedens öffentlichen Bibliotheken die heterosexuelle Norm aufrechterhalten wird, indem durch verschiedenen Standards (u.a. Klassifikationen), das Auffinden und das  Sichtbarmachen von Literatur für die LGBT-Community erschwert wird. Wie ist das eigentlich hierzulande? Natürlich ist es begrüßenswert, dass Libreas  diesen Artikel der schwedischen Bibliothekswissenschaftlerin veröffentlichte, aber warum gab es in den letzten 10 Jahren kaum deutschsprachige BibliothekarInnen, welche diese Aspekte in Form von Artikeln und Vorträgen auf die Agenda brachten? Oder irre ich mich? Ist bei uns alles in Ordnung? Sollte man sich in Zeiten finanzieller Krisen in den Kommunen und anderswo nicht mit wichtigeren Themen beschäftigen?

Durch Zufall wurde ich vor kurzem auf einen Blogeintrag eines französischen Bibliothekars aus Lyon aufmerksam, der sich pünktlich zum “Journée internationale de lutte contre l’homophobie et la transphobie“, also zum  “Internationalen Tag gegen Homophobie und Hassgewalt” am 17. Mai, mit dem Thema befasste und genauer analysierte, inwieweit Homosexualität überhaupt in den Öffentlichen Bibliotheken Frankreichs thematisiert wird. Volker Beck meinte am 16.05. 2010, dass der Hass auf Lesben und Schwule  international und in Deutschland nicht überwunden ist und eine Aufnahme des Antidiskriminierungsschutzes auf Grund der Sexuellen Identität ein Zeichen setzen würde,  Lesben und Schwule als  integraler Bestandteil unserer Gesellschaft zu betrachten. Seit dem letzten Bundestagswahlkampf findet sich für die Aufnahme der “Sexuellen Identät” ins Grundgesetz als Teil des Diskriminierungsverbots im Artikel 3 zunehmend mehr Unterstützung aus mehreren Parteien (SPD, Grüne, Die Linke und ganz wenige Anhänger der CDU und der FDP). Am 21.04. gab es zu dem Gesetzesentwurf eine öffentliche Anhörung im Bundestag und momentan wird der Gesetzesentwurf hierzu noch geprüft. Dieses Thema hat nun wieder an Aktualität gewonnen und der Blogeintrag des französischen Bibliothekars veranlasste mich nun über dieses Thema zu schreiben

Einer Annäherung an die Thematik, bedarf ein Eingehen auf die Reflexionen des Bloggers. Ich kenne immer noch keine Stadt(teil)bibliothek, welche sich dieser Thematik eingehend annimmt. Außerdem bin ich – obwohl Bibliothekar – auf diesem Gebiet kein “Experte”, da dieses Thema im Studium und in der beruflichen Praxis bisher (noch) nicht auf der Agenda stand. Bislang sind mir nur die  von Prof. Dr. Rösch (FH Köln) betreuten Arbeiten von Frau Jakobs aus dem Jahr 2000 (“Homosexuelle als Benutzergruppe – Forderungen an die Bibliothek. Eine Untersuchung zu den Herausforderungen, die eine homosexuelle Benutzergruppe an Öffentliche Bibliotheken stellt” und “Literaturbedürfnisse von Homosexuellen – Forderungen an die Bibliothek“) und der  Aufsatz “THE “INVISIBLES”: Lesbian Women as Library Users” von Heike Seidel aus der Zeitschrift Progressive Librarians bekannt. Darin greift sie eine Diskussion auf, die 1995 unter anderem auch in BuB geführt wurde und nach der Diplomarbeit von Warnke “Eingrenzen statt ausgrenzen”. Doch (wie) wurden diese Arbeiten bis heute in der Fachwelt rezipiert?

Auf dem BOBCATSSS-Symposium 2007 wurde zur Zielgruppenarbeit für die LGBT- Community dieses Thema in Form einer Poster Session von Tiger Swan präsentiert: “Marketing for Inclusion: Reaching the Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender (LGBT) Communities”

Zurzeit sind mir nur Bibliotheken in Großbritannien und den USA bekannt, welche eine gezielte Inklusionspolitik dieser Gruppe betreiben. In deutschen Bibliotheken fand ich bislang nur kostenlose Zeitschriften wie etwa die Siegessäule und Broschüren zum Thema der sexueller Aufklärung.  Doch es gibt zahlreiche Initiativen und Organisationen, welche als beratend für Bibliotheken tätig werden könnten bzw. es schon sind. Über Facebook wurde ich auf www.gayboooks.de und www.lesbianbooks.de aufmerksam, welche durchaus Anregungen in Form von Newslettern und Empfehlungen böten.

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Die erste Flughafenbibliothek der Welt

Die Niederländische Zeitung “de Volkskrantberichtete gestern über die weltweit erste Flughafenbibliothek auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol.  Der Flughafen war zuletzt mehrmals aufgrund festsitzender Touristen, die wegen  der Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull mehrere Tage dort verbringen mussten, in den Schlagzeilen.  Künftig müssen sich dort Touristen nicht mehr langweilen, denn es gibt ab Juli eine Airport Library.  Diese Bibliothek wird das kulturelle Aushängeschild für all diejenigen sein, welche zum ersten Mal niederländischen Boden betreten. Die niederländische Staatssekretärin Marja van Bijsterveldt sieht das sehr pragmatisch, denn die Bibliothek wird Reisenden frühzeitig ermöglichen sich  mit der niederländischen Kultur vertraut zu machen und die Zeit sinnvoll zu verbringen.  Initiiert wurde die Gründung dieser Bibliothek von der niederländischen Organisation für öffentliches Bibliothekswesen ProBiblio,  mit Geldern aus dem Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsministerium.  Dem Projektleiter  Dick van Tol zufolge werden die Bestände nicht nur Bücher beinhalten, sondern auch Filme und Musik, die zum Download bereitgestellt werden.  Hierzu werden mehrere  Downloadstationen den BesucherInnen ermöglichen ihre Musik bzw. Filme auf ihre Mobiltelfone zu laden. Die Bibliothek wird auch mit iPads ausgestattet sein. Weiterlesen

Neuer Imagefilm der Stadtbücherei Stuttgart zur Interkulturellen Bibliotheksarbeit

Im Folgenden möchte ich auf den neuen Imagefilm der Stadtbücherei Stuttgart zur Interkulturellen Bibliotheksarbeit aufmerksam machen, auf den Franziska Ahlfänger bereits in dem von uns gemeinsam verfassten Artikel  “Das Fremde in uns und wir im Fremden – Berliner Konferenz gibt Impulse und Anregungen” in BuB 01/2010 hinwies. Er ist seit Anfang Februar auf You-Tube verfügbar. Betreut wurde dieses Projekt von Prof. Dr. Wolfgang Ratzek von der HdM Stuttgart. Weitere aktive Projektmitarbeiter waren neben Franziska Ahlfänger, Annika Hager, Simon Herm, Ronald Kaiser und Ute Zelch, die sich derzeit im letzten Jahr des Masterstudiengangs Bibliotheks- und Informationsmanagement befinden.

In dem Artikelteil, den Franziska Ahlfänger verfasste, ging es ihr vor allem um eine stärkeres Bewußtsein für die wachsende Zielgruppe “Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund”:

[..] dass es die junge Generation in Deutschland zu fördern und auch zu fordern gilt. Dies zeigen nicht nur die einschlägigen Untersuchungen wie PISA, Shell-Studien oder die JIM und KIM-Studien. Deutschlands Jugend liegt im Leseverhalten auf Platz 21 von 32 OECD-Mitgliedsstaaten. Das Statistische Bundesamt zählte 2007 immerhin noch ca. 2,3 Millionen Jugendliche mit Migrationshintergrund, die zwischen 15 und 25 Jahre alt sind. Zählt man die Älteren von 25 bis 35 Jahren hinzu, wären wir bei einer Zahl von 4,8 Millionen! Insgesamt gesehen hat Deutschland ca. 9,7 Millionen Jugendliche bzw. 19,3 Millionen junge Menschen von 15 – 35 Jahren! In Zukunft werden wir nicht nur ein kürzere Halbwertszeit für Normen haben, sondern auch eine Vielzahl an Werten, die aus Globalisierung, Kulturen-Vielfalt und Sozialsystemen entstanden sind. Viele Jugendbibliotheken und Jugendbereiche konzentrieren sich auf Jugendliche bis Anfang 20. Aufgrund der bereits erwähnten Tatsache sollte überlegt werden diese Lebensphase zu erweitern. Werden es die Jugendlichen einfacher haben oder werden sie zunehmend schwerer auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden? Medien und Informationen werden zunehmen, die Dinge werden sich schneller ändern, doch der Mensch wird sich nicht auf eine virtuelle Kommunikation beschränken wollen. Die Jugendlichen werden nicht auf Orte der Begegnung untereinander verzichten können. Dafür „können Jugendbibliotheken äußerst wertvolle und geschätzte Räume der Sicherheit und Störungsfreiheit, der Gewaltfreiheit und Geborgenheit werden, wenn sie denn entsprechend angelegt und ausgestattet sind“ (Göschel, BuB 61 (2009) 6, S.440). Es ist also nicht Aufgabe von Jugendbibliotheken und Bibliotheken mit Jugendbereichen Jugendliche zu beschützen, sondern sie zu lehren mit neuen Medien umzugehen, Lesekompetenz in jeglicher Hinsicht zu erlernen und sie in ihrem Fortschritt kompetent zu fördern. Diesen besonderen Ort können Jugendbibliotheken und Bibliotheken mit Jugendbereichen ausfüllen, wenn sie neue zielgruppengerechte Angebote bieten und diese den stetig veränderten Bedürfnissen der jugendlichen Nutzer anpassen. Bibliotheken müssen Anlaufstelle sein, wenn es darum geht, wie sich unsere zukünftige Gesellschaft gestalten lässt. Sie sollten vielmehr in und durch Öffentliche Bibliotheken die Möglichkeit haben Teil einer Gesellschaft zu sein, den man Wert schätzt und beachtet. Daher ist Partizipation von Jugendlichen ein Thema, das sich jede Bibliothek zu Eigen machen sollte. Mit Partizipation zeigt man der Jugend, wie wichtig sie für unsere Entwicklung und unseren Fortschritt sind. Sie sind die Zukunft und wenn wir nicht aufpassen, übertreffen sie uns nicht nur, sondern überrollen uns (im negativen Sinne gemeint). Die Partizipation der Zielgruppen wird im Zuge der Informations-, Wissens- und „Internet“gesellschaft immer mehr an Bedeutung zunehmen. Viele der Bibliotheken finden bereits jetzt keinen Zugang zu den Jugendlichen. Es fehlt an einer Struktur.

Bibliothek des Jahres 2009 der Niederlande: das Library Concept Center in Delft

Am 18. Dezember 2009 wurde dem innovativen  Library Concept Center in Delft der Titel De Beste Bibliotheek van Nederland 2009 verliehen. Im Rahmen einer Preisverleihung, die in Utrecht stattfand,  hielt Frank Huysmans die Laudatio.

Besonders spannend und attraktiv empfand ich im Rahmen meines Besuchs Anfang November 2009 den Jugend- (Dok jeugd), den Musik-  (Dok muziek) und Filmbereich (Dok film), sowie die Caféteria. Auf der Webseite Flickr finden sich seit Baubeginn 2005 fast 7.000 Fotos über die Aktivitäten der Bibliothek, die weit über normale  Leseveranstaltungen hinausgehen und die unterschiedlichsten Zielgruppen erreichen.  Darüber hinaus gibt es noch ein Kunstzentrum (Dok kunst), zu dem auch eine Arthothek gehört. Es finden regelmäßig Wechselausstellungen statt. Übrigens arbeiten dort Künstler und keine KunstbibliothekarInnen, die für die Ausleihe, Beratung, den Bestandsaufbau und die Konzeption von Ausstellungen zuständig sind. Außerdem  verfügt die Bibliothek neben dem zentralen Standort im Herzen von Delft noch über zwei weitere Einrichtungen: das DOK Tanthof und das DOK Vorhoof. Obwohl das Gebäude des DOK Library Concept Centers erst seit 2007 existiert, gewann es seitdem jährlich Preise.  Auf der niederländischen Version der Webseite heißt es Op naar de modernste bibliotheek ter wereld! – auf zur modernsten Bibliothek der Welt! Der Slogan der Bibliothek lautet de wereld te leen – im Sinne von “man kann sich dort die Welt ausleihen”. Einen Blick auf die Webseite kann ich nur empfehlen, denn sie bietet eine große Vielfalt an Informationen und Dienstleistungen, wie ich sie bisher selten fand. Im Folgenden werden die Bibliotheken tabellarisch angezeigt, welche die Plätz zwei bis zehn belegten:

1. Delft 8.3
2. Amsterdam 8.2
2. Stadskanaal 8.2
4. Lelystad 8.1
5. Heerhugowaard 8.0
6. Hoogeveen 7.9
6. Zeeuwse Servicebus 7.9
8. Middelburg 7.5
8. Zwolle-Zuid 7.5
10. Heerlen 7.4
11. Den Bosch
7.3
12. Doorn 7.2
13. Barneveld 7.1
14. Franeker 7.0

Die folgenden drei Bereiche wurden evaluiert: 1. das Gebäude und die Einrichtung, 2. das Angebot (digitale und “analoge” Bestände), 3. der Service und die Kundenorientierung. Ausgewiesene und qualifizierte Mystery-Shopper besuchten und begutachteten die nominierten Bibliotheken. Hierzu wurde anschließend ein fundierter Bericht verfasst. Bis ins Finale wurde je Provinz, eine Bibliothek ausgewählt. Insgesamt schafften es 14 Bibliotheken in die Endausscheidung.

Das DOK Library Concept Center ist keine Durchschnittsbibliothek – im Gegenteil. Laut Jaap Van De Geer und Erik Boekesteijn sind 80 % der Einwohner Delfts Mitglieder der Bibliothek , die somit die meistgenutzte öffentliche Einrichtung der Stadt ist. Was die Bibliothek weiterhin auszeichnet sind technologische Innovationen, die sicherlich auch durch Kooperation mit der ortsansäßigen Technische Universität entwickelt werden, auf welche ich in einem anderen Blogeintrag über Innovationen in den Bibliotheken der Niederlande eingehen werde.  Sie ist mit Sicherheit eine der modernsten und innovativsten Bibliotheken in Europa, ja vielleicht sogar weltweit. Im Jahre 2008 erhielt sie den Preis als die innovativste Bibliothek der Niederlande, den 2009 die Openbare Bibliotheek in Amsterdam erhielt. Weiterlesen

Ein Veranstaltungstipp und eine Rückschau: Interkulturelle Kommunikation und der Umgang mit Vielfalt – ein Schlüssel zum besseren Verständnis von fremden Verhaltensweisen am 26.01.2010 in der Citybibliothek Berlin-Friedrichshain

Nach Gesprächen mit BibliothekarInnen, aber auch aus meiner eigenen Berufserfahrung heraus und durch die Bekanntschaft mit StudentInnen nicht-deutscher Herkunft vertrete ich nun mehr denn je die Ansicht, dass es mit der zunehmenden Internationalisierung von Hochschulen, aber auch mit der zunehmenden Teilhabe von Migranten am Aufstiegprozeß  eine größere Anzahl von StudentInnen geben wird, die künftig wissenschaftliche Bibliotheken aufsuchen werden. Hierbei wird verstärkt auch von MitarbeiterInnen wissenschaftlicher Bibliotheken Interkulturelle Kommunikation als Kernkompetenz verlangt: Wenn ab 2015 die geburtenschwachen Jahrgänge Abitur machen, könnten sich die Hörsäle leeren. Hochschulen entdecken daher neue Zielgruppen wie Migranten oder Studenten mit Kindern”, so Marion Schmidt in einem Artikel in der Financial Times Deutschland. Laut dem Statistischen Jahrbuch aus dem Jahre 2008 haben schon jetzt rund 21 % der BürgerInnen nicht-deutscher Herkunft Abitur im Gegensatz zu 18 % der übrigen Bevölkerung. Dieser Trend wird sich künftig weiter fortsetzen. Die Universität  Duisburg-Essen, sowie die RWTH Aachen, setzen seit kurzem vermehrt auf Diversity Management, um sich mehr für Berufstätige, für Kinder aus Migrantenfamilien und für internationale Studierende zu öffnen. Es wäre wünschenswert, wenn hiervon auch mehr Einrichtungen betroffen wären, die zukünftige BibliothekarInnen und InformationswissenschaftlerInnen ausbilden. Frau Klemm, die Prorektorin für Diversity Management an der Universität  Duisburg-Essen erwähnt die in der Gesamthochschulstrategie verankerten Perspektiven ihrer Öffentlichkeitsarbeit in ihrer Präsentation, um frühzeitig eine Vielfalt an StudentInnen zu gewinnen. Denn in den klassischen Großstädten oder auch in der Stadt Heilbronn (45% der Bevölkerung mit Migrationshintergrund), bei der in der Altersgruppe zwischen 10 und 14  63% nicht-deutscher Herkunft sind, spiegelt sich diese Vielfalt einer pluralistischen Bevölkerung bei den MitarbeiterInnen einer städtischen Bibliothek kaum wider. Von den letzten Tagungen und auch im Gespräch mit BibliothekarInnen, die für Interkulturelles verantwortlich sind, erfuhr ich, dass es einen verstärkten Bedarf an Vielfalt unter den MitarbeiterInnen gibt.  Auch aus diesem Grund will  ich auf die Veranstaltung “Interkulturelle Kommunikation und Umgang mit Vielfalt – ein Schlüssel zum besseren Verständnis von fremden Verhaltensweisen” am 26.01.2009 in der Citybibliothek (Berlin-)Friedrichshain hinweisen und einige Zusatzinformationen liefern. Bisher habe ich in der Fachliteratur zum Thema der Interkulturellen Kommunikationsfähigkeit im Kontext wissenschaftlicher Bibliotheken (zumindest im deutschsprachigen Raum) kaum etwas gefunden. Darüber hinaus will ich einen Vorgeschmack auf die Veranstaltung geben, indem ich von einer  Fortbildung berichte, die ich selbst vom 31.08.-01.09. am Weiterbildungsinstitut der Freien Universität Berlin besucht habe. Inhatlich ging es hierbei ausführlicher und speziell nur um den Bibliotheksalltag und um das Konzept Managing Diversity, dass über eine bloße Interkulturelle Öffnung (IKÖ) hinausgeht. Beiden Veranstaltungen ist nicht nur die Dozentin Frau Dipl.-Psychologin Friederike Haar gemeinsam, sondern auch das Anliegen und die Kompetenzen, welche vermittelt werden sollen. Die Fortbildung am 26.01.2010 richtet sich neben BibliothekarInnen auch an ehrenamtliche LesepatInnen, ErzieherInnen und LehrerInnen.  Ein Verständnis für “fremde Lebenswelten” ist zentral für die Arbeit und den Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Das Seminar will erstens in Form von Wissensvermittlung und zweitens anhand von Übungselementen wie Rollenspielen eine tiefere Einsicht in Themen wie Fremdheitsempfinden, Umgang mit Vielfalt und Wertvorstellungen geben, um zukünftig achtsamer hinter die Kulissen bei sich selbst und den anderen zu blicken. Dabei bezweckt dieser Kurs, bei aufkommenden interkulturellen, geschlechtsspezifischen oder anderen auf Unterschiedlichkeit bedingten Missverständnissen mit mehr Offenheit und Toleranz für das Ungeahnte, noch nicht Bekannte, reagieren zu lernen. Unter dem folgenden Link kann die Anmeldung erfolgen: https://ssl.cms.fu-berlin.de/PM/fu-berlin/weiterbildung/PM/seite2.html?name=bib$lf_027-ws09_10

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