Der Kampf des Bürgervereins in Magdeburg-Salbke um den Erhalt der Freiluftbibliothek und des Ladenlesezeichens

“Die beiden Architekten Stefan Rettich und Bernd Hafermalz konnten namhafte Mitbewerber wie Herzog & de Meuron und Thomas Heatherwick’s aus dem Feld schlagen.Das preiswerte und flexible Museumskonzept beziehe die Magdeburger als intelligente und verantwortungsvolle Mitbürger ein, so die Jury in London. Denn die Freilichtbibliothek ist mehr als nur ein besonders geformtes Gebäude: Anwohner können ihr Bücher dort ins Regal stellen, andere sie vor Ort lesen. Mittlerweile beherbergt die Bibliothek 30.000 gespendete Bücher.”

Deutsche Welle

Gibt es eigentlich ein Haltbarkeitsdatum für Bibliotheken? Ähnlich wie bei den Bücherzellen und offenen Bücherschränken verhalten sich nicht immer alle MitbürgerInnen verantwortungsvoll und respektvoll gegenüber öffentlichen Gütern und an öffentlichen Orten. Bereits Anfang Juli berichtete die Magdeburger Volksstimme über den Salbker Bürgerverein und die Architekten, die einen offenen Brief an den Oberbürgermeister (OB) und die Stadtratsfraktionen schrieben und darin die ungenügende Hilfe und das fehlende Engagement der Stadt beklagen. Vandalismus und Zerstörungswut waren der Anlass:

“… Sie schauen seit Monaten tatenlos zu, wie eine kleine Gruppe von Chaoten den Verdienst der engagierten Bürger von Salbke in Trümmer legt. Wir haben Sie schon vor Monaten darüber in Kenntnis gesetzt, dass an den Wochenenden bis zu vierzig schwer alkoholisierte Jugendliche und Heranwachsende aus verschiedenen Stadtteilen den kleinen Leseplatz in eine No-Go-Area verwandeln, in die sich nicht einmal mehr die direkten Anwohner trauen, um die Störenfriede zur Ordnung zu rufen. Es wird randaliert, das Objekt wird demoliert, beschmiert, Bücher werden zerrissen und säckeweise Müll hinterlassen, die dann von den Bürgern entsorgt werden und nicht von Ihren Ämtern, die den Unterhalt des Objektes vertraglich zugesichert haben! – Es gleicht einer Farce, wenn Sie (der Oberbürgermeister d. Red.) in Ihrem Brief, datiert vom 10. Mai 2011 schreiben, ,ich (…) versichere Ihnen ein funktionierendes und gutes Zusammenspiel unserer Ämter und der Polizei.’ Auch heute, mehr als sechs Wochen nach dem Schreiben ist das Objekt unverändert in einem erbärmlichen Zustand. Dies liegt unter anderem auch an der mangelhaften Unterhaltung. Die Rasenpflege und die Leerung der Mülleimer erfolgt in einem Turnus, der bei weitem nicht der Nutzungsintensität des Objekts entspricht. All diese latenten und hausgemachten Faktoren der Verwahrlosung laden gewaltbereite Personen geradezu dazu ein, Vandalismus zu begehen.”

Seit dieser Zeit hatte der OB seinen zuständigen Beigeordneten “mit einer umfassenden Prüfung der Sachverhalte beauftragt”. Trotz meiner Recherchen habe ich keine adäquate Antwort von Seiten der Lokalpolitik auf diesen offenen Protestbrief finden können.  Weder die Magdeburger Volksstimme noch Engagierte auf der Webseite http://www.salbke-magdeburg.de berichteten über Ergebnisse eine Antwort des OB und dessen Beigeordneten, obwohl dies ja ursprünglich nur einige Tage dauern sollte. Doch warum lässt sich die Lokalpolitik solange Zeit? Spielt sie auf Zeit oder soll der Bürgerverein nun auch soziale Probleme lösen? Die Freiluftbibliothek in Magdeburg, die 325.000 € kostete, gewann mehrere Architekturpreise und wurde auf niederländischen, französisch-,  englischprachigen und weltweiten Webseiten lobend erwähnt. 2009 schrieb Dörte zur Eröffnung:

“Eine Mischung, die es in sich hat: ein Bürgerverein, eine ausgemusterte Kaufhausfassade und 20.000 Bücher. Das alles wird mit einem Modellvorhaben des Bundes gut gemischt und als Platz dient eine freie Fläche im Magdeburger Stadteil Salbke. Auf der Brache der früheren Ortsbibliotek wird eine Freiluftbibliothek mit Bühne von den Karo Architekten (Magdeburg) am 20.06.09 eröffnett. Sie soll als Begegnungszentrum für Jung und Alt dienen.”

Der am 1. Juli in der Magdeburger Volksstimme veröffentlichte Artikel “Lesezeichen: Salbker sehen sich im Kampf gegen Chaoten alleingelassen” erwähnte sogar, dass im Deutschen Architekturmuseum das “Salbker Lesezeichen” – sprich die Freiluftbibliothek –  sogar als bester öffentlicher Raum Europas gefeiert wird. Doch wie auf dem Foto zu sehen ist, fehlt nur noch, dass die Bibliothek von rebellierenden Jugendlichen wie 2007 im Pariser Vorort Villiers-le-Bel angezündet wird. Bislang gibt es an der Magdeburger Freiluftbibliothek immer wieder Graffiti-Schmierereien, zerkratzte Wände und Scheiben und auf dem Boden zerstreute Bücher zu besichtigen. Lobend wird im Artikel erwähnt, dass es auch Jugendliche gab, die im Mai bei der Beseitigung der Schäden mithalfen. Doch kann kulturelle Bildung in Form des Lesens von Büchern Jugendliche von Gewalt und Hass gegenüber Büchern und innovativen architektonischen Konzepten abhalten? Das Beispiel Magdeburg zeigt, dass Jugendliche, die wenig (berufliche) Perspektiven haben, sich an ihrer Umwelt in irgendeiner Weise rächen müssen oder es einfach wollen. An Wochenenden scheint dieses Gelände eher ein “No-Go-area” zu sein und der Mob ist da anscheinend ganz unter sich und kann tun und lassen, was ihm gefällt.  Der Verein reagierte nach diesen blindwütigen Zerstörungen: Er engagierte einen Sicherheitsdienst, der Jugendliche, welche dort an Wochenenden “abhängen” Platzverweise ausprach. Hinzu kamen Kontaktgespräche mit der zuständigen Polizei. Dies brachte aber nicht den erhofften Erfolg. Rainer Mann, ein Mitglied des Bürgervereins Salbke hob hervor, dass die Stadt Magdeburg Eigentümer des Grundstücks und der Bibliothek ist. Es sei Aufgabe der Stadt sich regelmäßig um die Entleerung der Mülltonnen, die Wiederherstellung der Bauteile und um die Reinigung der Außenflächen kümmern müsse.

Bisher ist die Freiluftbibliothek noch nicht als gesamtstädtische Bildungs- und Kultureinrichtung annerkannt. Dabei wisse doch jeder, dass die Hemmschwelle Dinge zu zerstören, an Orten sinkt, die stets unterhalten und gepflegt werden. Hinzu kommt, dass vor kurzem das Gebäude in der Straße Alt-Salbke 75, in dem die Bücherausleihe stattfindet und der Bürgerverein untergebracht ist, bald vom neuen Eigentümer übernommen werden. Dieser will den Verein mit seiner Buchausleihe nicht mehr dort unterbringen. Dennoch mache ich mir aufgrund des großen Leerstands an Läden kaum Sorgen, dass dieses Problem bald gelöst sein wird. Mehr Grund zur Sorge könnten den Vereinsangehörigen und NutzerInnen der Freiluft- und Bürgerbibliothek die Tatsache bereiten, dass die lokalen PolitikerInnen, die sich einst bei der Eröffnung noch das ehrenamtliche Bürgerengagement des Vereins und dessen Mitglieder lobten, nun aus dieser Verantwortung mehr und mehr heraushalten werden, wenn nicht ein größerer Protest in der Lage ist, das Freiluft- und das Ladenlesezeichen langfristig zu halten. Eine Konsequenz dieser Ungewissheit ist die Absage des im September geplanten Salbker Stadtteilfests, das der Bürgerverein jährlich ausrichtet. Sollten nicht bald neue Räumlichkeiten gefunden werden, müssen die Vereinsmitglieder die Bücher “einlagern”. Doch worum handelt es sich bei Fleisch, das (ein-)gelagert wird? Ja, um tote Tiere: Weiterlesen

Ein Imagevideo der Bibliothek der "Cité de l’architecture et du patrimoine" in Paris

Die Bibliothek der Cité de l’architecture et du patrimoine ist eine Spezialbibliothek für zeitgenössische Architektur. Sie befindet sich im Palais de Chaillot unweit des Place du Trocadéro.

Ein Nachtrag: Das Afrika Medienzentrum wurde vor kurzem in Berlin-Wedding eröffnet

Das intellektuelle Afrika bleibt vielen Deutschen, aber auch vielen Afrikanern unbekannt. Dabei gibt es in Afrika nicht nur hervorragende Autoren und Autorinnen, Musiker und Musikerinnen, sondern es gibt auch eine florierende Filmindustrie. Auch europäische Filmemacher entdecken den Kontinent für sich. Den an Afrika Interessierten fehlt es allerdings an leicht zugängigen Medien, anhand derer sie sich über Musik, Filme, Geschichte, Politik und Kultur informieren können.” Hervé Tcheumeleu

Über die französische Webseite Livres Hebdo wurde ich gestern auf die Eröffnung eines Afrika Medienzentrums in Berlin-Wedding aufmerksam, die bereits am 18.08. 2010 stattfand.  Die Suche nach einer Berichterstattung über dieses Ereignis in den einschlägigen Berliner Tageszeitungen (Tagesspiegel, TAZ, Berliner Zeitung),  verlief leider erfolglos. Wenn in den überregionalen und regionalen Mainstreammedien Meldungen wie die Eröffnung eines Afrika Medienzentrums in Berlin überhaupt nicht Erwähnung findet, ist das sicher kein Einzelfall im Hinblick auf eine gewisse Ignoranz von multikulturellen Themen, die weniger Klischees und Stereotype transportieren, als die bekannten reißerischen Meldungen. Bereits im Blogeintrag vom 9. Mai diesen Jahres zum 5. Geburtstag der Hannah-Arendt-Bibliothek in Hannover kam ich am Ende meiner Ausführungen auf das afrikanische Viertel in Berlin-Wedding und möglichen Synergieeffekten mit Stadtteilbibliotheken zu sprechen. Die Aussagen von Herrn Diallo, dem Leiter des Afrikahauses Berlin, haben durch die Eröffnung des Afrika Medienzentrums wieder an Aktualität gewonnen. Er merkte am 07.10.2009 an, dass sich deutsche Bibliotheken und BibliothekarInnen  stärker für die Informationsbedürfnisse der Einwohner Deutschlands, welche aus Afrika stammen, interessieren sollten. Für sie sei die Bibliothek nicht attraktiv genug, da sie die Menschen, welche dort arbeiten nicht sehen bzw. keine „echte“ Kommunikation stattfinde und keine Mitarbeiter ihrer Herkunft vertreten sind. Nun hat der Initiator Hervé Tcheumeleu aus Mitteln der EU und dem Programm „Zukunftsinitiative Stadtteil“ ein eigenes Medienzentrum gegründet, obwohl meiner Meinung nach eine Integration in die “Mainstreambibliotheken” des Stadtteils dem interkulturellen Gedanken förderlicher gewesen wären. Mainstream-NutzerInnen könnten so leichter neugierig auf das Angebot gemacht werden, das nun etwas weiter von “ihrer Stadtteilbibliothek” entfernt liegt. Herr Hanke, der Berliner Bürgermeister des Bezirks Mitte,  sprach zwar von einer großen Ausstrahlungskraft, aber meines Erachtens wäre eine interkulturelle afrikanisch-deutsche Stadtteilbibliothek, die Teil des Verbunds der Öffentlichen Bibliotheken Berlins  ist, eine erster Schritt der Normalisierung dessen was sich der Bürgermeister und viele anderen wünschen: Weiterlesen

Die Welt geht offline

Was wäre, wenn das Internet ausfiele? Dieser Frage ging der Autor Jens Uehleck einmal nach.  Raus kam ein humoriger Artikel über das Horrorszenario unserer modernen Welt und die Erkenntnis, dass man Kriege heute auch mit Mäusen austragen kann. Mein persönliches Highlight an dem Artikel war mit Sicherheit die Einbeziehung prominenter deutscher Personen ins Geschehen. 🙂
Mit einem ähnlichen Thema befaßte sich auch die aktuelle PM Ausgabe. Hier wird die Frage aufgeworfen was wäre, wenn es kein Plastik mehr gebe? Leider ist online nur eine Vorschau auf den Artikel verfügbar. Wer also wissen will, wie sich die Autorin die Welt ohne Platik vorstellt, muss momentan althergebracht zum Kiosk seines Vertrauens gehen, um den kompletten Artikel zu lesen. 😉

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