Fliegen die Brieftauben bald auch in Zürich?

Die Anspielung des Titels bezieht sich auf eine ähnliche Diskussion, die wir hier 2007 im Blog bereits führten, als es um das Verbot des elektronischen Dokumentenversandes bei Subito ging. Inzwischen haben wir uns in Deutschland daran gewöhnt, dass die Dokumente größtenteils nur noch in Papierform ausgehändigt werden.

Nun kommt es rund um den elektronischen Dokumentenlieferdienst der ETH-Bibliothek in der Schweiz wieder zur Diskussion darum, da mehrere Verlage für wissenschaftliche Fachzeitungen sich an dieser wichtigen Dienstleistung stören.

Wolfram Neubauer, Direktor der ETH-Bibliothek hat nun zum Rechtsstreit mit der International Association of Scientific, Technical and Medical Publishers (STM) Stellung bezogen. STM hatte Ende 2011 beim Handelsgericht Zürich eine Klage gegen den Dokumentenlieferdienst der ETH-Bibliothek eingereicht. Die klagenden Veralge sind wie fast nicht anders zu erwarten Elsevier, Springer und Thieme. Diese spielen ähnlich wie der Ulmer-Verlag in der Klage gegen die TU Darmstatdt die Vertreter in einer Art Musterprozess und werden wohl auch finanziell von den anderen Mitgliedern der Association unterstützt werden.

Ziel von STM ist es, den Versand von Scans aus wissenschaftlichen Publikationen durch die ETH-Bibliothek an Kunden innerhalb der Schweiz verbieten zu lassen. Wesentliches Argument hierbei ist die Aussage der Verlagsvertreter, dass die wissenschaftlichen Verlage eigene Dokumentenlieferdienste unterhalten würden, die die Versorgung von Forschung und Entwicklung gleichermassen sicherstellen könnten.

Natürlich wird durch die Klagenden auch generell die Lieferung von Aufsatzkopien in elektronischer Form als ein Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen des Schweizer Urheberrechts angesehen. Die Kopienlieferung wäre somit illegal.

Nun selbstverständlich sieht die ETH Zürich bzw. die Bibliothek die Lieferung dieser elektronischen Kopien durch das Schweizer Urheberrechtsgesetz gedeckt, zumal dei entsprechenden Gebühren an die einschlägige Inkassostelle ProLitteris abgeführt werden. Dabei erbringt die ETH-Bibliothek eine

“innerhalb der geltenden Urheberrechtsbestimmungen für den Forschungsstandort Schweiz (…) sinnvolle Dienstleistung zu akzeptablen finanziellen Bedingungen (…).”

Durch die Klage der Wissenschaftsverlage besteht die Gefahr, dass die Regelung des Art. 19 Abs. 2 des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes, die das auszugsweise Kopieren aus Zeitschriften ausdrücklich erlaubt, unterlaufen wird. Rechtsanwalt Martin Steiger sieht darin einen eindeutigen Standortvorteil des Forschungsplatzes Schweiz im Gegensatz zu Deutschland, wo derartige Kopien verboten sind.

Die inzwischen von einer Reihe von Verlagen aufgebauten eigenen Lieferdienste sind für die entsprechenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unattraktiv, da die Kosten mit ca. 30 Euro pro Artikel drastisch höher als beim Dienst der ETH Zürich der Fall sind und die Nutzung dieser einzelnen Dienste auch unkompfortabler für den Nutzer sind. Hier muss jeder Verlag extra angeschrieben werden, während bei der ETH-Bibliothek nur diese Ansprechpartnerin ist. Der Nutzer muss sich nicht mit unterschiedlichen Preisstrukturen, Lieferbedingungen, Abrechnungsmodalitäten usw. beschäftigen.

Aus Sicht Neubauers ist die

(…) Reaktion der genannten Verlage (…) ein Beispiel dafür, dass die Interessen von Wissenschaft und Forschung hinter jenen der Verlage zurückzustehen haben, da die Argumentation der Verlage bzw. ihrer Vertreter folgende Punkte offensichtlich unberücksichtigt lässt:

  • Mehr oder weniger alle wissenschaftlich relevanten Zeitschriften werden durch die Ergebnisse von öffentlich geförderter Forschung getragen.
  • Die Hauptlast der Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse (also das Peer Reviewing) wird von der Scientific Community erbracht, die Verlage spielen lediglich eine unterstützende Rolle.
  • Die Hauptkunden aller grossen Wissenschaftsverlage sind mit weitem Abstand die wissenschaftlichen Bibliotheken, die wiederum in ihrer überwiegenden Zahl durch öffentliche Förderung getragen werden.

Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht zwischen den Dienstleistungen der ETH-Bibliothek für Wissenschaft und Forschung und den kommerziellen Interessen der Verlage abwägt.

Quellen
Neubauer, Wolfram: Den Verlagen ein Dorn im Auge, ETHlife
Steiger, Martin: Freies Wissen: Verlage verklagen Bibliothek der ETH Zürich, Steiger Legal
Agosti, Donat: Ein Bärendienst an der Forschung, NZZ

VG WORT macht einen Rückzieher

Uwe Müller berichtet auf der Mailingliste Inetbib von den gescheiterten Verhandlungen mit der VG-Wort, wenn es um die Vergütung von Texten in Repositorien geht. Die Vergütung von HTML-Dateien nach dem METIS-Verfahren ist kein Problem, jedoch sind die meisten Dateien in Repositorien als PDF-Dateien hinterlegt. Hier funktioniert das Verfahren mit den Zählpixeln nicht.

Die DINI-AG Elektronisches Publizieren hat daher mit der VG WORT seit 2007 zusammengearbeitet, um ein Verfahren zu entwickeln, welches unabhängig von Zählpixeln und dem “Durchschleusen” der Daten über einen VG-WORT-Server eine Zugriffszählung ermöglicht.

Dazu ist in den letzten 18 Monaten ein Konzept erarbeitet worden, nach dem die Zählimpulse von der Auslieferung der Dokumente entkoppelt werden und direkt durch die betreffenden Repositorien ausgelöst werden (“Proxy-Lösung”).

Jetzt war man gerade bei der Vorbereitung einer prototypischen Realisierung mit einigen ausgewählten Repositorien, als nun die Absage der VG WORT kam, die befürchtet, dass ein Missbrauch bei diesem gemeinsam entwickelten Verfahren nicht ausgeschlossen werden kann.

Diese Notbremse seitens VG WORT ist ein herber Rückschlag für die Arbeit der AG, aber auch für alle, die sich in der Open-Access-Bewegung und für Repositorien engagieren.

Uwe Müller schreibt dazu

Nachdem es lange Zeit nach einer vernünftigen Einigung in dieser Sache aussah, hat uns diese Entscheidung sehr überrascht. Sie zeigt, dass die VG Wort an einer praktikablen und ihrem Auftrag gerecht werdenden Lösung kein Interesse hat bzw. Betreibern von Repositorien ein unbrauchbares Verfahren aufzwingt, weil den meisten Autoren natürlich schwer zu vermitteln ist, warum Repositorien nicht umsetzen können, was für eine private Homepage doch so einfach scheint.

Subito-Urteil – Revision dringend erforderlich

Für Wissenschaftler ist das Subito-Urteil von München eine Katastrophe. Wartezeiten auf Artikel, Schneckenpost statt modernem Technikeinsatz sind zu erwarten, aber auch aufwendigere Recherchen, um in der Artikelflut, die so ein Wissenschaftler bewältigen muss, Zitate u.ä. wiederzufinden. Die andere Alternative wären steigende Kosten durch Abkommen mit den einzelnen Verlagen. Das ist für die wenigsten staatlich bezahlten Forschungseinrichtungen und Universitäten zu bewältigen, wo derzeit noch um Mitteleinsparungen in Millionenhöhe gerungen wird und absehbar eher weniger als mehr Geld zu erwarten ist. Für Studenten ist ein Preisanstieg kaum zu bezahlen. Also wird auf das zurückgegriffen, was die Bibliothek hat und alles andere ist eben nicht erreichbar, sofern man nicht zu günstigen Konditionen per pedes dort hingelangt.

Die Richter nehmen damit in Teilen den Gesetzentwurf für den zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle vorweg, denn auch der aktuelle Regierungsentwurf schränke die Informationsversorgung durch öffentliche Bibliotheken massiv ein und würde de facto die elektronische Lieferung von Dokumenten stark beeinträchtigen bzw. gänzlich unmöglich machen. Diese soll nur noch dann zulässig sein, wenn die Fachzeitschriften nicht von den Verlagen in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden, was in der Regel zu vergleichsweise hohen Preisen der Fall ist.

Ein “wenig” steht dieses Urteil im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs von 1999, wo er der Technischen Informationsbibliothek in einem Grundsatzurteil den Kopienversand ausdrücklich erlaubt. Es ist auch ein Widerspruch zu der von der Bundesregierung immer wieder gepredigten Informations- und Wissensgesellschaft, die auf Informationen und ihrem Zugang dazu beruht.

Laßt die Brieftauben wieder fliegen!!!

Quelle
Gericht untersagt Artikelversand per E-Mail : Subito & Co. verletzen nach Auffassung des OLG München Urheberrechte, via golem.de