Gesucht: Movers & Shakers in Bibliotheken 2012

Die US-amerikanische Zeitschrift Library Journal vergibt seit 2003 jährlich den Preis Movers & Shakers an besonders innovative Bibliothekar_Innen. Ähnlich wie bei Filmpreisverleihungen gibt es hierzu verschiedene Kategorien. Gewinner waren 2011 unter anderem schon Ned Potter (Marketer), Buffy J. Hamilton (“The Unquiet Librarian“) (Change Agent), Bobbi Newman (Innovator), Ryan Deschamps (Community Builder), Eli Neiburger (Tech Leader) und Tracy Crawford (Advocate).Unter den Preisträger_Innen fällt auf, dass es recht viele im Alter von 30-40 Jahren gibt. Wie hoch ist das Durchschnittsalter innovativer Bibliothekar_Innen in Deutschland? Besonders bekannt dürfte der deutschsprachigen Bibliothekswelt die Preisträger 2009 in der Kategorie Marketers sein, da zwei von ihnen auch letztes Jahr auf dem deutschen Bibliothekartag über die Zukunftswerkstatt eingeladen wurden: Erik Boekesteijn, Jaap Van De Geer, Geert Van Den Boogaard (DOK Delft)

Nun stiftet der Verlag De Gruyter in Kooperation mit der Zeitschrift BIBLIOTHEK Forschung und Praxis (BFP) und der Zukunftswerkstatt Kultur- und Wissensvermittlung e.V. erstmals den Preis “Movers & Shakers”. Im Auschreibungstext heißt es:

“Wir suchen Personen mit dem Blick nach vorn, die Ideen konkret umsetzen und so Bewegung in die Bibliothekslandschaft bringen. Wir suchen die Movers & Shakers der Bibliotheken. […] Mit dem Preis werden Personen oder Gruppen ausgezeichnet, die sich besonders erfolgreich für die Umsetzung von innovativen und zukunftsweisenden Ideen in öffentlichen oder wissenschaftlichen Bibliotheken oder deren Umfeld engagiert haben.”

Die Preisvergabe kann an Einzelpersonen gehen oder an ein Team. Vergeben wird der Preis in zwei Kategorien:

1.  Innovatives Benutzererlebnis / innovativer Benutzerservice und 2. neue Technikanwendung.

Prämiert werden bereits umgesetzte Aktivitäten, die in Bibliotheken oder um Bibliotheken herum oder allgemein bei der Informationssuche bzw. Wissensvermittlung zum Einsatz kamen nd kommen.Besonderes Hauptaugenmerk liegt auf Projekte und Services, welche zum Mitmachen anregen oder als Best Practice Beispiele auch auf andere Einrichtungen übertragbar wären.

Diese Projekte oder Angeboten sollten in den letzten zwei Jahren erfolgreich in die Praxis umgesetzt worden sein. Was besonders hervorsticht ist die Tatsache, dass auch Projekte eingereicht werden können, welche noch nicht realisiert wurden. Die Hauptbedingung hierfür ist, dass das Endresultat dennoch bereits erkennbar ist.

Bedauerlich ist meines Erachtens nur, dass es keinen kreativeren und innovativeren Namen als “Movers & Shakers” hierfür gibt, da dieser je bereits in den USA genauso verwendet wird und wie ein Abklatsch oder eine Kopie wirkt.

Der Preis ist je Kategorie mit € 500 dotiert. Die Preisträger (Personen oder Teams) erhalten darüber hinaus ein Anerkennungszertifikat und werden eingeladen, ihre Leistung während des Bibliothekartags 2012 im Rahmen der Veranstaltungen der Zukunftswerkstatt zu präsentieren.

Zudem wird ihnen ermöglicht, in der Zeitschrift BFP über Ihre Arbeit zu berichten.

Bewerbungsverfahren:

Für den Preis kann man sich selbst bewerben oder vorgeschlagen werden. Bei Vorgeschlagenen ist die Annahmebereitschaft vorab zu klären.Teilnahmeberechtigt sind Bibliothekarinnen, Bibliothekare und andere Informationsprofis im deutschsprachigen Raum.

Dadurch, dass die Infos über den Preis auch über den schweizerischen Bibliotheksnewsletter Swiss-Lib gingen (leider nicht auf Italienisch und Französisch. Wenn schon die Schweizer_Innen angesprochen werden, sollten auch aus Fairneßgründen die anderen nicht rein deutschsprachigen Kantone und Bibliothekar_Innen berücksichtigt werden), können sich neben Schweizer_Innen mit Sicherheit auch Österreicher_Innen, Südtiroler_Innen, Liechtensteiner_Innen und Belgier_Innen (Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens mit Sitz in Eupen) bewerben.

Inwieweit sich andere deutsche Bibliothekar_Innen, welche im Ausland tätig sind (z.B. bei den Goethe-Instituts-Bibliotheken weltweit, in Skandinavien und Frankreich oder einer deutschsprachigen Minderheit in Russland, Brasilien oder Ungarn angehören) auch bewerben können ist nicht ganz deutlich, aber ich denke die Möglichkeit einer Bewerbung dieser Gruppen ist sicherlich gegeben.

Es wird im Ausschreibungstext keine Angabe über den Ort der Bibliothek und Arbeits- und Wohnort und die Staatsangehörigkeit möglicher Kandidaten gemacht. (Erik Boekesteijn, Jaap Van De Geer und Geert Van Den Boogaard waren 2009 auch keine US-Amerikaner_Innen und erhielten den Preis aufgrund ihrer innovativen Bibliotheksdienstleistungen, welche weltweit (v.a. nur Nordamerika und Europa) für Furore und Bekanntheit sorgten.)

Für die Bewerbung einzureichen ist eine max. 3-seitige deutschsprachige Beschreibung des Produktes oder Projektes (einschließlich Abbildungen und weiterführenden Links). Beizufügen ist eine Kurzbiographie der Kandidatin bzw. des Kandidaten oder der Teammitglieder. Die Unterlagen müssen bis zum 25.04.2012 beim Verlag als E-Mail-Attachment vorliegen (senden an: alice.keller@degruyter.com).

Eine fünfköpfige Jury, welche aus Herausgebern der Zeitschrift BFP (Bibliothek-Forschung-Praxis) und Mitgliedern der Zukunftswerkstatt Kultur-und Wissensvermittlung e.V.  besteht, wird die eingereichten Vorschläge einer kritischen Beurteilung unter Heranziehung eines Kriterienkatalogs unterziehen. Zur Erhöhung der Chance diesen Preis zu erhalten, wird besonders berücksichtigt, ob die Idee oder das Projekt innovativ und/oder kreativ ist und ob sich in der Institution oder für ihre Services und Kunden etwas bewegt hat und diese Innovation/dieser Service von anderen übernommen oder für ihre Zwecke adaptiert werden kann. Dieses Verfahren wird nicht öffentlich sein und die Entscheidung bei der Auswahl wird endgültig sein. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Die Benachrichtigung der Gewinner_in(nen) der Institution oder für ihre Services und Kunden etwas bewegt hat erfolgt schriftlich und die Preisvergabe wird während des Bibliothekar*tages 2012 stattfinden

Im Blätterwald tönt’s: Huih, wir sind modern

Wie ist das Medium der Zukunft. Es benötigt keinen Netzstecker. Es braucht keine UMTS-Karte. Es is leichter als der flacheste und kleinste Laptop. Es passt in jede Aktentasche. So sieht das Medium aus, glaubt man dem Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, Bodo Hombach, beim Medienforum NRW in Köln. Es ist jenes “Medium aus toten Bäumen”, das viele schon als Auslaufmodell abgeschrieben haben: die Zeitung. Diesmal zeigten die Zeitungsmacher beim sonst eher vom Fernsehen dominierten Medienforum Flagge. Sie wollen den Beweis antreten: Die alten Traditionsverlage verwandeln sich zur Zeit in hochmoderne Multimedia-Häuser.

Der Osloer Branchenprimus Schibsted unterscheidet zwichen der “guten alten Zeit” vor dem Internet 1995 und der Zeit danach. Es dauerte ene Weile bis das Platzen der Internetblase an den Börsen überwunden war. Aber eines war Schibsted immer klar: Das, was an Anzeigen bei den analogen Zeitungsausgaben wegfiel, musste eben von eigenen Online-Angeboten aufgefangen werden. Binnen eines Jahrzehnts verfierfachte sich die Zahl der Beschäftigen von 2100 auf 8000 und der Umsatz wird nun nicht mehr in Millionen, sondern in Milliarden gemessen.

Internetnutzer sind eben nicht in gleicher Weise wie Zeitungsleser bereit, für Informationen zu bezahlen. Doch auch in Deutschland gibt es Erfolgsgeschichten. Der Vorsitzende des Zeitungsverlegerverbandes NRW, Clemens Bauer, nannte am Dienstag zum Beispiel das Online-Rubrikenportal kalaydo.de, das innerhalb von 14 Monaten zum regionalen Marktführer auf dem Stellenmarkt und bundesweit zur Nummer fünf unter den E-Commerce-Portalen geworden sei. Es wird von Verlagen aus dem Rheinland getragen.

Was ist das größte Kapital der Zeitungsverlage: ihr Qualitätsjournalismus. Sie sehen ein: Qualitätssteigerung sei der einzige Weg der Verlagshäuser in die Zukunft.

Das wäre dann ganz im Sinne so großer Zeitungsjournalisten wie Herbert Riehl-Heyse, der den Verlegern kurz vor seinem Tod noch ins Stammbuch schrieb: “Es könnte sein, dass die schlauesten Geschäftsleute unter den Verlegern nicht gleichzeitig die klügsten sind. Die klügsten werden versuchen, ihre Produkte qualitativ immer besser zu machen.”

Hier können Bibliotheken nur draus lernen. Sie müssen aufhören, sich als Monopolist zu sehen, als die Gralshüter des Wissens. Sie dürfen aber auch nicht vor der Allgewalt des World Wide Web kapitulieren. Hineingestürzt in die Welt des Web 2.0. Gewinnt sinnvolle Anwendungen, die den Service verbessern, der die Wünsche der Nutzer nach mehr Interaktivität aufgreift. Lernt aus dem Nutzerverhalten, wie ihr Informationen qualitativ besser erfassen und beschreiben könnt. Nutzt die technischen Möglichkeiten des sortierens und anbietens. Generiert Mehrwerte, die Google & Co alt aussehen lassen. Seid kreativ, ohne Angst zu haben, dass es ein Scheitern gibt.
Nicht alle Geschichten des Zeitungswesens in einer Zeit des Web 1.0 waren erfolgreich. Es gab Durststrecken und es gab auch ein Scheitern. Aber auch wie es bei den Zeitungen laut wurde: Besinnt euch auf alte Tugenden und schafft Qualitäten, da wo das Know-How einer Bibliothek liegt. Ordnet, sortiert, macht zugänglich. Wo man die Bibliothek als Auslaufmodell abtun will, muss eine Bibliothek zeigen, dass sie mehr ist, als nur ein Archiv.
Helge Steenweg beschreibt bereits 2000 in seinem Weg von der Hol – zur Bring-Bibliothek Veränderungen, die durch die Digitalisierung entstehen. Ja, Bibliotheken haben ihr Quasi-Monopol verlore und es wartet ein langer Weg auf sie.

Die Zukunft des wissenschaftlichen Publikationswesens hat demnach gerade erst begonnen. Die größten Hindernisse zur Bewältigung der bevorstehenden Umwälzungen sind derzeit noch Angst, Trägheit und Tradition. Aber die Fortschreibung der alten Rollenverteilung in eine neue Umgebung ist immer nur ein allererster Schritt, bevor sich gänzlich andere Strukturen herausbilden.

Hier müssen Bibliotheken mitarbeiten, dürfen sich nicht verschließen, dürfen aber auch nicht vor lauter Euphorie ihre Aufgaben vergessen. Hier müssen neue Konzepte erarbeitet werden, in Prototypen gegossen und geprüft werden, um zeitnah reagieren zu können. Aber blindes Herumstochern und Wir-Probieren-Mal wird mehr schaden, als dass es Nutzen bringt. Es bindet Ressourchen und sorgt für eine Auseinandersetzung mit Dingen, die so nicht notwendig wären.

Quellen:
Driessen, Christoph: Die Zeitung – ein “Medium aus toten Bäumen” im Internetzeitalter via heise online

Steenweg, Helge : Von der Hol- zur Bring-Bibliothek, 2000

Sietmann, Richard : Zirkelspiele : Die wissenschaftliche Literaturversorgung steckt weltweit in der Krise, In: c’t 20/99, S. 216

[Update. 04.06.2013] – Link zum Artikel von Steenweg angepasst