Buchhandelsargumente gegen DRM
Das war ein Artikel, den man so an dieser Stelle nicht erwartet hat. Noch vor drei Wochen hieß es bei Börsenblatt.net: libreka! unterstützt ab sofort auch “harten” Kopierschutz [17.06.2009] Die Buchplattform libreka! versprach den teilnehmenden Verlagen ab sofort für ihre E-Books mit Hilfe des Adobe-DRM für einen Kopierschutz zusorgen. Klingen die eigenen Worte jetzt nicht wie Hohn?
„libreka! etabliert sich weiter als offene und universellste Plattform. Die Verlage haben jetzt die Wahl, ob sie ihre E-Books in libreka! mit einem psychologischen Kopierschutz oder mit einem ‚harten’ DRM versehen –oder ihre E-Books ungeschützt anbieten möchten“, sagt Ronald Schild, Geschäftsführer der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH.
Offen und universell war die Plattform ab diesem Zeitpunkt garantiert nicht mehr. Inzwischen sieht Schild wohl ein: “Piraten lieben DRM”, glaubt man dem Titel dieses Blogbeitrags. Das was DRM-Experten seit langer Zeit sagen, scheint nun für Libreka! zur Erkenntnis geworden zu sein. Es ist kein Widerspruch, in Kopierschutz ein förderndes Element von Piraterie zu sehen.
Zum erstem Mal sieht jemand der Entscheidungsträger, was sie dem Kunden damit antuen. Bücher mit dem Adobe-Kopierschutz können bis zu sechs Mal vom eigenen Konto bei libreka! heruntergeladen werden. Aber dann beschränkt man auch die Möglichkeiten, Teile davon zu markieren, kopieren und auszudrucken. Diese drm-geschützten E-Books können auf allen E-Book-Readern und Computern gelesen werden, welche die Software die Software Adobe Digital Edition unterstützen, die kostenlos im Internet heruntergeladen werden kann. Es gibt genug Computer, die nicht aktuell genug sind, genug Nutzer, die Linux nutzen, und damit auch nicht anzeigen können. Hat man hier von Ciando nix gelernt?
Was heißt das, wenn man DRM in die Welt der gedruckten Bücher überträgt. Sie kaufen ein Buch im Hardcover in der kleinen Buchhandlung um die Ecke und die nette Buchhändlerin muss Sie dann darüber aufklären, dass sie dieses Buch höchstens an drei Familienmitglieder weitergeben dürfen. Ausgeschlossen sind andere Verwandte, ihre Freunde oder Bekannte. Außerdem wird bestimmt, dass Sie das Buch auch noch nicht während ihrer Heimfahrt gleich anlesen dürfen, weil sie sich erst über eine kostenfreie Hotline registrieren müssen. Und damit Sie das Buch mit seinen 700 Seiten nicht kopieren können, wurden die Seiten in einem Spezialdruckverfahren gefüllt. Das ist auch der Grund, warum Sie das Buch nicht im Sonnenlicht odder direkt unter einer Lampe lesen können, weshalb Sie das Buch nicht direkt am Strand lesen können oder Ihre Leselampe dimmen müssten.
Mit den Kopiereinschränkungen könnten ja die Kunden noch leben und sie beim E-Book vielleicht auch noch verstehen, aber der dafür notwendige technische Aufwand ist ihnen nun wirklich nicht zuzumuten. Wenn sogar computeraffine Leser Probleme haben, die kopiergeschützten E-Books zu nutzen, was passiert dann mit denen, die da eigentlich überhaupt keine Ahnung haben (mal abgesehen, dass diese wohl sich kein E-Book kaufen würden)?
Schild stellt außerdem fest:
Und wir sollten uns darüber klar sein, dass nach wie vor nur eine verschwindend geringe Zahl an Lesegeräten Kopierschutz überhaupt unterstützt.
Es gibt Geschäftsmodelle, so die von Apple (???) und Amazon (Kindle), die scheinbar gut mit Kopierschutz funktionieren. Die Anbieter sind momentan erfolgreich, was aber an auch den geschlossenen Systemen liegt. Bei ihnen kommen Shop-System, Inhalte und E-Reader aus einer Hand.
Nur in einem solchen Ökosystem funktioniert DRM problemlos – und hat für die Anbieter den nicht uninteressanten Nebeneffekt, dass nicht nur die Inhalte, sondern auch die Kunden geschützt sind.
Damit werden aber die Kunden an den Anbieter (und seine Frenchaise-Nehmer) gefesselt, da sich die E-Books nicht auf Endgeräte anderer Hersteller übertragen lassen.
Das war jetzt eine sehr deutliche Darstellung dessen, was DRM für den zu umwerbenden Kunden bedeutet. Doch, was zieht nun die Raubkopierer an und wie profitieren sie von DRM?
Das Hauptargument seines Beitrages, erwähnt Schild nur kurz und eher nebenbei.
DRM hat Lücken. Raubkopierte E-Books gibt es bereits flächendeckend, wobei diese Kopien nie von den originalen E-Books sondern von eingescannten gedruckten Ausgaben stammen. Diese Kopien unterliegen natürlich keinerlei Kopierschutz. Da gibt es keine Beschränkungen, keine Installations- bzw. Kompatibilitätsprobleme, jedes Lesegerät kann verwendet werden und außerdem sind die Bücher dazu noch kostenlos.
Nicht erwähnt wird der Sportsgeist, der bei so manchem Hacker besteht. Je mehr Nutzer drangsaliert werden, desto eher findet sich auch ein Robin Hood, der sie davor bewahren will und das DRM-System knackt. Den Sport konnte man sowohl bei DVD-Schutz oder bei der Premiereverschlüsselung bemerken.
Nun erwartet man von seinen treuen, rechtmäßig handelnden Kunden, dass sie für ein Produkt mit signifikanten Einschränkungen auch noch fast den gleichen Preis wie für die gedruckte Ausgabe zahlen.
Die Verleger und der Buchhandel sehen wohl jetzt ihre Kundschaft davonlaufen. Wie sollten sie auch dieses Mißverhältnis zwischen Vertrauen und Kosten und der fehlenden Benutzbarkeit und den qualitativen Mängel ihres Handelsgutes erklären? Ziel müsste es sein, die Kunden zu überzeugen, ihnen Vorteile von E-Books näher zu bringen, ihnen einen Vertrauensvorschuss zu geben.
Verlage konnten ab Mitte Juni ihre E-Books an MVB liefern, damit libreka! diese ab 15. Juli mit dem Adobe-DRM-Schutz vertreiben kann. DRM-geschützte Bücher werden dabei um 20 Cent teurer. MVB übernimmt die Server- und Einrichtungskosten für die Rechteverwaltung.
Fast verschämt wies man damals auf die schon bestehende Möglichkeit hin, die E-Books im PDF- und EPUB-Format mit einem digitalen Wasserzeichen zu versehen, welches als psychologischer Kopierschutz dienen soll, denn in dem Watermark sind persönliche Angaben des Käufers hinterlegt.
Schild behauptet im heutigen Beitrag, dass Verlage gezwungen werden, DRM zu verwenden. Er schiebt den schwarzen Peter der Natur der Titel zu, den Autoren oder Agenten.
Nach seinen ganzen Ausführungen bestätigt er, dass wie Anfang des Jahres angekündigt, libreka! den Verlagen auch ab Mitte Juli anbietet, deren Titel DRM-geschützt zu verkaufen. Schilds eindeutige Empfehlung an die Verlage lautet jedoch:
Verzichten Sie auf DRM und versehen Sie Ihre E-Books mit einem psychologischen Kopierschutz, dem Wasserzeichen.
Eine Erkenntnis eines Anbieters, die sich hoffentlich in der Verlegerwelt genauso als Flächenbrandt verbreitet wie sie dies bereits in der Musikindustrie getan hat.
Quellen:
DRM-System von Adobe : libreka! unterstützt ab sofort auch “harten” Kopierschutz
Schild, Ronald: Piraten lieben DRM via libreaka! Blog