Panzerung oder Mückennetz – Die DRM-Gretchenfrage von Matthias Ulmer

Die Ankündigung von libreka! in Zukunft auch hartes DRM anbieten zu können, hat wieder einmal die üblichen Milchtöpfe zum Überschäumen gebracht. Warum nur?

Warum sollten sich die Nutzer, die Leser, diejenigen, die damit arbeiten, nicht darüber aufregen? Warum sollen Menschen, die über ihren Tellerrand hinausschauen und gesehen haben, wie DRM gescheitert ist, nicht mit dem Kopf schütteln? Warum soll man nicht nach dem Geld fragen, dass da zum Fenster hinausgepulvert wird?

Ganz nüchtern betrachtet ist es doch ein Vorteil, wenn es bei DRM ein “mit” und ein “ohne” gibt. Dass also der, der “mit” DRM sein möchte “mit” sein kann, und der, der “ohne” sein möchte, “ohne”.

Das ist sicherlich von Vorteil für die Mutigen, die es wagen, sich ohne harte Panzerung den Mücken stellen. Die Panzerung wirkt ja oft abschreckend und ein Fliegengitter, z.B. in Form von forensischem DRM (personalisierte Wasserzeichen), hat auch einen schützenden Effekt. Es ist nur manchmal komfortabler. Eine Rüstung ist schwer, teuer und unflexibel. So ein Netzt stört wesentlich weniger, wenn das Ganze mal aus der Mode gekommen ist.

Wenn der, der “ohne” DRM sein möchte “mit” sein muss, ohne dass er eine Alternative hat, oder der, der “mit” DRM sein möchte “ohne” sein muss, dann ist das kein Fortschritt, sondern einfach nur eine Einengung der Wahlmöglichkeiten, weniger Freiheit eben.

Wer „muss“ den „mit“ DRM sein? Wer legt das fest? Die Autoren? Dann spricht das eher für fehlende Aufklärungsarbeit und Verunsicherung durch Informationen seitens der Verleger. Natürlich muss sich keiner von den Mücken stecken lassen, aber DRM ist nur eine scheinbare Sicherheit. Mücken werden immer einen Weg durch die engen Ritzen der Panzerung finden, wenn dahinter etwas lockt. Das Netzt ist da viel sicherer. Es passt sich Bewegungen an, engt den Träger (in diesem Fall das entsprechende Verlagswerk) nicht ein, lässt ihn flexibel (nutzbar auf verschieden Plattformen, etc.) und ist erfolgreich beim Abhalten der Mücken (wer möchte seinen Namen schon mit einem verbotenen Handeln direkt in Verbindung gebracht sehen?).

Herr Ulmer meint – ich muss ab jetzt auf das Zitieren verzichten, weil ich sonst sicherlich mehr “klaue”, als ich dürfte -, dass bei den ideologisch aufgeladenen Auseinandersetzungen um die Privatkopie es immer um Freiheit geht. Das ist eigentlich paradox, weil beide Seiten damit argumentieren. Freiheit für die eine Seite bedeutet aber i.d.R. Freiheitsentzug für den Gegner. Auch bei DRM ist das der Fall. Allerdings schlussfolgert der Verleger weiter, dass derjenige, der für eine ungehinderte Weitergabe von Daten ist, automatisch DRM verbieten möchte. Und wenn derjenige das schon nicht über eine entsprechende Gesetzgebung erreichen kann, versucht er es wenigstens durch Ächtung oder durch unheilvolles Orakeln mit Blick auf die gescheiterte Musikindustrie. Schwarzweißmalerei der übelsten Sorte! Leider zeigt das nur, dass Herr Ulmer nicht zuhört und hinschaut und sich auch nicht weitreichend genug informiert.

Digitales Rechtemanagement ist in Zukunft unabdingbar. DRM gibt es in der Musikindustrie auch weiterhin – Stichwort personalisierte Wasserzeichen. Wogegen sich die Mehrheit der Leser jedoch wendet ist die Bevormundung, die mittels DRM oder besser gesagt „Digital Rights Enforcement“ (DRE) durch Verlage vorgesehen wird. Das hat die Musikindustrie zu spüren bekommen und sie hat daraus gelernt. Mehr oder weniger gut funktioniert DRE bei Pay-TV-Sendern, die aber hierzulande ziemlich um ihr Überleben kämpfen müssen. Vielleicht ist da das Scheitern auch nur eine Frage der Zeit (mal unken), aber zumindest haben sie viel Geld in eine vermeintliche Panzerung investiert, die dann doch regelmäßig versagt (Hacker, analoge Löcher, etc.)

Herr Ulmer, es spricht niemand den Verlagen das Recht ab, ihre Produkte zu schützen. Verwenden Sie hartes DRM (DRE) oder nicht und man wird sehen, wer in zwei Jahren das meiste Geld verbrannt und wer verdient hat. Ob man dafür allerdings gleich Gott mit heranziehen muss, wage ich ein wenig zu bezweifeln.

Angenehm zu machen heißt, seine Nutzer nicht zu verschrecken. Gerade wenn es um DRM in seiner harten Form geht haben die Musikverlage und die Unterhaltungsindustrie dafür gesorgt, dass allein das Wort DRM für Schrecken sorgt. Das hat wenig mit ideologisch geführten Kämpfen zu tun, sondern mit gespürten Folgen und Erfahrungen. Verkaufen Sie bitte die Käufer Ihrer Produkte nicht für dumm. Sie werden anfangs sowieso eher nur die Nutzer mit ihren E-Books erreichen, die sich im Umgang mit Technik und Internet sicherer fühlen. Diese Leser haben ihre Erfahrungen gesammelt. Solange DRM nicht für positive Wirkungen sorgt, sondern erwartete Nutzungsmöglichkeiten einschränkt, werden sie DRM nicht akzeptieren. Und damit werden sie auch das Angebot dieser Verlage nur ungern oder gar nicht in Kauf nehmen.

Es gab Zeiten, als die ideologischen Kämpfe das ruhige Nachdenken noch nicht verhindert haben, da sah man in DRM auch die ungeheuren Vorteile, die das dem Leser bietet: nur noch für das zahlen zu müssen, was man wirklich benutzt, nicht mehr für die Verfügbarkeit sondern nur für die effektive Nutzung.

Das Zitat musste ich jetzt doch einfügen, weil es hahnebüchend ist. Effektive Nutzung von Büchern – wer hat diese bestimmt? Nutze ich ein Buch nur dann effektiv, wenn ich den Ausschnitt, den ich benötige lese, ohne auf seine Einordnung zu achten? Von vielen Artikeln, die ich für mein Studium benötigt habe, waren es drei Zeilen, die effektiv gesehen, den Neuigkeitswert des Artikels ausmachten und die ich letztendlich zitiert habe. Effektiv wäre also gewesen, wenn ich die drei Zeilen erhalten hätte und mir den Rest des Artikels hätte sparen können. Aber dann hätte ich vielleicht Zusammenhänge nicht erfasst.

Bei einem E-Book-Bestseller-Roman stelle ich mir das bestimmen einer effektiven Nutzung noch schwieriger vor. Wie benutzen Leute so ein Buch effektiv? Eine Bevormundung würde mir fehlen. Manchmal zieht sich bei mir das Lesen eines solchen Bestsellerromans über Monate hin, Stückchen für Stückchen, und manchmal fang ich dreimal an, bevor ich das Buch zuende gelesen habe. Kann ich das E-Book bei Nichtgefallen gegen Erstattung der Kosten denn auch wieder zurückgeben oder beanstanden, dass das Buch, bevor ich damit fertig geworden bin, abgelaufen ist? Wie lese ich einen Roman effektiv? Ich möchte diesen verfügbar haben, aber nicht effektiv nutzen. (Ein Grund, warum ich immer wieder an Bibliotheksbüchern scheitere – mir reicht die Leihfrist in den seltensten Fällen.) Wo ist da als Zahlende mein Gewinn, Herr Ulmer?

Ein regulär erworbenes Buch würde für mich eher zu teuer bezahlt oder unbrauchbar, je nachdem wie die Regelung durch DRE erfolgt. Ich würde damit sicherlich zu einer Gruppe zahlender Kunden gehören, die durch DRM erheblich benachteiligt würde. Wollen Sie uns dann als „DRM-Verlag“ verlieren, bzw. können Sie sich das leisten?

Niemand hat gesagt, dass Sie Ihre Bücher verschenken müssen und niemand hat gesagt, dass Sie die Bücher ungeschützt freigeben sollen. Sie sollten aber einfach über die Methoden und Mittel nachdenken, die Sie verwenden. Sich von der aktuellsten Software abhängig zu machen, einem Rechte-Server, der wie oft gesehen, irgendwann abgeschaltet wird, ist da sicherlich von keiner Seite das gewollte Ziel, oder? Werden Sie sich klar, was Sie möchten und wie sie es „minimalinvasiv“ erreichen können! Hartes DRM ist keine Lösung.

Und am Ende sind wir alle schlauer. Vielleicht heißt es dann, dass “mit” für die einen, “ohne” für die anderen besser ist, sowohl als auch, nicht entweder oder. Viel spricht dafür. Denn “entweder oder” entstammt mehr den Sphären der Ideologie, während dem “sowohl als auch” der bunte Schmuck des wahren Lebens umhängt.

Wie schön, wenn Sie es sich so leicht machen können, Herr Ulmer in Ihrer Ansicht. Sie gehen am eigentlichen Problem vorbei. Die Frage, ob man rechts oder links an einem Stein vorbeigehen kann, der aber ihren motorisierten Wagen behindert, ist unnütz. Letztendlich bleiben Sie damit auf der Strecke. Sie können den Stein nach rechts oder links rollen, ihn auf Ihren Wagen laden und mitnehmen, aber letztendlich müssen Sie ihn aus dem Weg schaffen, um mit Ihrem Wagen vorbei- und voranzukommen und Fahrt aufzunehmen.

[Update]Habe in der Überschrift, dem Tag und in der Quelle den Namen des Autors des Libreka-Beitrags richtiggestellt und entschuldige mich bei Herrn Ulmer für den peinlichen Fehler. :), 13.07.2009[/Update].

Quelle:
Ulmer, Matthias: Mit oder ohne DRM via libreka! Blog

23 Kommentare

  • Pingback: links for 2009-07-09 : Bibliothekarisch.de

  • Matthias Ulmer

    Und noch ein überschäumender Milchtopf…

    Sie mühen sich recht aufwändig mir klarzumachen, dass ich im Verlag kein DRM einsetzen soll. Danke. Aber warum nur dieser Eifer? Ihnen liegt doch gar nichts an mir (weder an meinem Ururgroßvater Eugen Ulmer noch an mir selbst oder dem Verlag). Ich propagiere ja auch nicht irgend etwas (setze selbst ja noch nicht einmal DRM ein). Ich habe doch ganz einfach nur gesagt: macht was ihr wollt, der Markt wird zeigen, was sich durchsetzt.

    Aber alleine die Tatsache, dass jemand über DRM schreibt ohne gleich hinter jedem “DRM” in der Luft das Kreuzeszeichen zu machen um den Belzebub auszutreiben führt dazu, dass man mit Knoblauch und Weihwasser bekämpft wird.

    Und wenn Sie bei einem Lexikon nicht nur eine Stelle nachschlagen wollen und dafür bezahlen, sondern wenn Sie – weil Sie die Einbettung der Information in den Gesamtzusammenhang schätzen – gleich die ganze Enzyklopädie kaufen: ja prima, das ist ganz Ihre Privatangelegenheit. Ich hab ja nur gesagt, dass ich mir Situationen vorstellen kann (jetzt mach ichs mal ganz vorsichtig) in denen jemand eventuell Vorteile darin sieht nur für die tatsächlich benötigten Inhalte zu zahlen ohne gleich das Gesamtwerk zu kaufen. Datenbanknutzung ist das Zauberwort. Im übertragenen Sinne ist auch das öffentliche Bibliothekswesen nichts anderes, als dass ich kostengünstig über Steuern einen möglichen Zugriff auf die Inhalte habe ohne alle kaufen zu müssen. Dass ich so was ausgerechnet auf bibliothekarisch.de erklären muss…

    Ich mache es mir leicht? Immerhin gebe ich mir Mühe, auf alle diese Kommentare zu antworten, und das fällt wirklich nicht leicht…

    Ich sage voraus, dass es in fünf, zehn oder zwanzig Jahren Inhalte gibt, die kostenlos, kostenpflichtig ohne DRM und kostenpflichtig mit DRM angeboten werden. Es wird DRM geben, das ganz anders aussieht, als heute. Und es wird Leute geben, die DRM toll finden und andere, die es hassen werden. Und ich halte es für ein Zeichen von Freiheit, wenn Autor und Verleger entscheiden können, ob sie mit oder ohne, hart oder weich anbieten wollen, ganz nach Sympathie oder Kalkül und Markteinschätzung.

    Und ich werde nie verstehen, warum diese inhaltlich vollkommen platte und unoriginelle Voraussage andere motiviert mir heißblütige Kommentare zu schreiben.

  • Dörte Böhner

    Sehr geehrter Herr Ulmer,
    da mir heute leider die Zeit fehlt, um angemessen auf Ihren Kommentar zu reagieren, hinterlasse ich heute nur die Information, dass ich dies noch zeitnah tun werde.

  • Dörte Böhner

    Sehr geehrter Herr Ulmer,

    nun hat es mit meiner Antwort doch etwas länger gedauert als ich erhofft hatte, aber erstmal vielen Dank für Ihre Ausführungen hier. Sie als Autor Ihres Beitrags und ebenfalls Kommentator meines Blogeintrags haben scheinbar Interesse an einer Diskussion. Woher Sie die Vermutung nehmen, mir läge nichts an Ihrem Verlag, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Ich unterstelle Ihnen ja auch nichts in Bezug auf Ihre Leser und die Bibliotheken, die Sie mit Ihren Inhalten in welcher Form auch immer beliefern. Ich denke, dass es wichtig ist, Argumente für und wider auszutauschen, sei es in Bezug auf Urheberrecht oder in Bezug auf den Umgang mit Digitalem Rechtemanagement. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Text ist meinem eigenen Interesse an dem Thema DRM geschuldet.

    Ich finde es positiv, dass Sie für Ihren Verlag auf DRM verzichten und denke auch, dass sich das auf Dauer für Sie bezahlt machen wird. Interessant wären Ihre Beweggründe, auf DRM zu verzichten.

    Ich merke, dass wir in der effektiven Benutzung von Literatur aneinander vorbeigeredet haben. In Fragen von Enzyklopädien, kurzen Texten und Datenbankinhalten ist in manchen Fällen eine Bezahlung nach der effektiven Nutzung von Texten sinnvoll. Sofern dann der Gesamttext für den Zeitraum, den ich ihn benötige, zur Verfügung steht und dies von der effektiven Benutzung gedeckt wird, dann ist die effektive Benutzung sicherlich preiswerter als der Kauf einer ganzen Enzyklopädie. Für mich beinhaltet die effektive Nutzung an dieser Stelle dann aber auch die Möglichkeit einer digitalen und vor allem nutzbaren Privatkopie des entsprechenden Artikels oder Beitrages sinnvoll, bzw. ein dauerhafter Zugang direkt zum Artikel für den Zeitraum, den ich ihn benötige. Leider widerspricht das aus Sicht der meisten DRM-Verfechter dem, was DRM erreichen soll.

    Mein Blick hingegen ging auch auf das Angebot von libreka!, wo es ja nicht nur um wissenschaftliche Texte geht. Wenn es darum geht, einen Bestseller „effektiv“ zu lesen, sehe ich bei der Bestimmung der „Effektivität“ des Lesens ein großes Problem. Hier schwebte mir eine zeitliche Begrenzung des Zugangs vor, ähnlich wie dies in der Onleihe praktiziert wird, nur dass dies dann mit Kosten verbunden ist. Da zeigt sich mal wieder, dass man in seinen Beschreibungen noch genauer auf die Benennung wissenschaftlicher und populärer Literatur achten muss, dass aber auch die Problemlage mehr als nur zweischichtig ist. Es wird wohl noch vielen Diskussionen bedürfen, sich auf einen Kompromiss zu verständigen, tragbar sowohl für Sie als Verleger und ihren Autor, als Vermittler (Bibliothek, Suchmaschine, etc.) und den Leser/Konsument (bei Unterhaltungsliteratur) bzw. Nutzer (wenn es um wissenschaftliche Literatur) geht.

    Leicht machen Sie es sich in Ihrer Argumentation meiner Meinung nach zum Schluss schon, aber sicherlich können Sie sich das auch leisten, da Sie in Ihrem Verlag auf DRM verzichten. Sie beschweren sich nicht mit einem überflüssigen Stein.

    Im übrigen, ich spreche mich nicht gegen DRM aus.

    Digitales Rechtemanagement ist in Zukunft unabdingbar.

    Es ist notwendig, um die gerechte Bezahlung und eine urheberrechtliche Verwendung mit den urheberrechtlich verbürgten Vorteilen (auch für die Nutzer) sicherzustellen. Es bedeutet jedoch nicht zwangsweise, dass man dafür auf Digtal Rights Enforcement (DRE) setzen muss. Hier an dieser Stelle greift Ihre Argumentation im libreka!-Blog und hier im Kommentar vielleicht zu kurz.

    Ich sage voraus, dass es in fünf, zehn oder zwanzig Jahren Inhalte gibt, die kostenlos, kostenpflichtig ohne DRM und kostenpflichtig mit DRM angeboten werden. Es wird DRM geben, das ganz anders aussieht, als heute. Und es wird Leute geben, die DRM toll finden und andere, die es hassen werden. Und ich halte es für ein Zeichen von Freiheit, wenn Autor und Verleger entscheiden können, ob sie mit oder ohne, hart oder weich anbieten wollen, ganz nach Sympathie oder Kalkül und Markteinschätzung.

    Diese Freiheit soll Verlagen und Autoren unbenommen bleiben, aber notwendig ist eine entsprechende Aufklärung. Ihr Beitrag war ein Anfang und ich habe ihn wohl auch deshalb in der Diskussion aufgegriffen, um schrittweise Argumentationen nachzuvollziehen und Gegenargumente aufzubauen.

  • Matthias Ulmer

    Sehr geehrte Frau Böhner,

    wir können uns offenbar darauf einigen, dass das Thema DRM komplex ist und nicht mit einem simplen Ja oder Nein beantwortet werden kann.
    Wir können weiter festhalten, dass es durchaus sinnvolles DRM geben kann, je nach Themengebiet, Buchtyp, Buchlebenszyklus, Verlagsstrategie oder Autorenwünschen.
    Und wir können festhalten, dass DRM in einigen Fällen durchaus zum Vorteil des Verbrauchers ist.

    Die Diskussion sollte weniger emotional geführt werden. In diesem Sinne meinte ich auch mein Statement, Ihnen liege nichts an unserem Verlag. Meist werde ich nämlich mit Argumenten konfrontiert wie: “Dann wird Ihr Verlag nicht mehr lange leben…” Und dazu werden mir Ratschläge erteilt, wie man sie normalerweise von guten Freunden bekommt, die sich um einen Sorgen machen. Hier bekomme ich aber die guten Ratschläge zum Thema DRM von Bloggern, denen überhaupt nichts an mir liegt, die einfach nur meine Meinung bekämpfen wollen. Ich wundere mich, warum da so eine Motivation dahinter steckt, warum man mir mit solch einer Leidenschaft (deshalb das Bild vom Milchtopf) sagt, was ich tun soll.

    SIe fragen, warum wir kein DRM – oder besser: ein weiches DRM durch Wasserzeichen – einsetzen. Ich habe keine Ahnung, ob das Angebot von E-Books
    1) zu einem Einbruch der Print-Umsätze bei gleichzeitigem Anstieg der E-Book-Umsätze führt, oder ob
    2) der Einbruch der Printumsätze ohne Anstieg der E-Book-Umsätze erfolgt oder ob
    3) überhaupt kein Einbruch der Print-Umsätze zu spüren ist (ob mit oder ohne Anstieg der E-Book-Umsätze ist in diesem Fall sekundär).
    Um das zu wissen müssen wir einfach Erfahrungen sammeln. Und da sagen die Vorsichtigen: fangt mal mit hartem DRM an… und die anderen sagen: fangt mal mit weichem DRM an. Ich gehöre zur zweiten Gruppe. Wenn wir nun den zweiten Fall haben, also die Print-Umsätze einbrechen und die E-Book-Umsätze nicht steigen, dann sitzen die Vorsichtigen da und wissen nicht, ob es am harten DRM lag oder daran, dass einfach kein Markt da ist. Während die anderen immerhin sagen können, dass es nicht am harten DRM lag.
    Ich halte das also als Versuchsanordnung für besser. Darüber hinaus hat es auch den ganz banalen Vorteil, dass “ohne DRM” technisch einfacher ist und deshalb schneller und günstiger bereit gestellt werden kann als “mit DRM”.

    Leider haben wir immer wieder Beispiele dafür, dass das elektronische Angebot für Bücher tödlich sein kann. So wird berichtet, dass bei technischer Literatur wie Maschinenbau das Angebot von E-Books zum sofortigen Absturz der Verkaufszahlen des gedruckten Buchs geführt hat. In anderen Fällen hat die Bereitstellung des Scripts des Professors, das nahezu identisch mit dem Lehrbuch war, den Verkauf komplett zum Erliegen gebracht. Und als drittes Beispiel: die Anbieter umfangreicher E-Book-Bibliotheken berichten in diesem Jahr von zehn bis zwanzig Prozent Rückgang bei den Umsatzzahlen.

    Wenn es eine Verlagerung der Umsätze ist, dann ist das zwar auch schon ein Problem, weil man zwei Produkte bei gleichem Umsatz anbieten muss. Aber damit werden wir irgendwie zurecht kommen.
    Wenn allerdings die addierten Umsätze zurückgehen, dann wird das leider dazu führen müssen, dass E-Books nur selektiv und dann auch immer mit harten DRM angeboten werden. Ich fürchte, dass ist den Raubkopierern nicht klar, dass sie mit ihrem Verhalten gerade auch diese Weichenstellung mit beeinflussen.

  • Sehr geehrter Herr Ulmer,

    das Thema mag komplex sein (welches ist es nicht?), für mich persönlich als Konsument und Nutzer jedoch ist die Entscheidung aufgrund von Erfahrungen mit DRM in anderen Medien einfach: No.

    Eine Tauschbarriere für die “entfesselten Konsumenten” unter uns per Wasserzeichen resp. eingeprägte “ex libris”-Plakette ist sicherlich erwägenswert, zumal auch die Verbreitungsgeschichte über pdf-Antiquariate o.ä. ja historisch interessant sein kann …

    Was in der Debatte – egal zu welchem urheberrechtlichen Themengebiet – zu kurz kommt, ist die Interaktion und Kommunikation zwischen Nutzern und Urhebern bzw. Vermittlern. Das liegt einerseits daran, daß sich Nutzer bislang nicht zu Interessensverbänden organisiert haben (ob die Piratenpartei eine solche “Lobbyorganisation” wird, ist noch nicht klar, aber auch rechtlich sicher problematisch, weil ja politische Partei), andererseits auch an den schwachsinnigen gegenseitigen Zuschreibungen und dem rhetorischen Blitzlichtgewitter, das da zusammen mit Kulissen und Strohmännchen aufgebaut wird (woran ich ja auch bisweilen lustvoll mittue …)

    Es sollte mehr horizontale Kommunikation gepflegt werden.

    JL

  • Dörte Böhner

    Sehr geehrter Herr Ulmer,

    vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage. Neben einer sehr emotional bzw. trotzig geführten Diskussion zu DRM wird in vielen Fällen die Komplexität von DRM nicht ausreichend beachtet. Schwierig ist der Einsatz von DRM für den Fall einer Gewinnmaximierung (als Gegensatz zur immer wieder beschworenen „Kostenlosmentalität“ des Internets) und bei einer zu starken Bevormundung der Leser bei der Benutzung von Daten führen. Diese Befürchtungen vieler Leser teile ich genauso wie die immer wieder genannten Gefahren im Bereich Datenschutz („gläsener Leser“, „gläserne Bibliothek“), sehe hier aber auch wichtige zukünftige Aufgaben der Bibliothek als „Anonymisierer“.

    Der derzeitige Umbruch in der Medienbranche durch die Digitalisierung ist wohl vergleichbar mit dem Umbruch der Medienbranche durch die beweglichen Letter. Mehr Leute können preiswerter in den Markt eingreifen, was zu Marktverschiebungen und –konsolidierungen führt. Schwierig ist diese Situation für den Markt wohl vor allem durch die immense Geschwindigkeit. Sie als Fachmann können das sicherlich besser erklären und beurteilen. Die Ängste, die damit für den einzelnen Verlag verbunden sind, werden eben gerade durch ein nach Außen gezeigtes übertriebenes Sicherheitsbedürfnis, auf die Nutzer übertragen.

    DRM ist in vielen Fällen ein „Angstthema“, weil Nutzer – und aus dieser Sicht kann ich hauptsächlich darüber schreiben – die Einschränkungen direkt zu spüren bekommen, Einschränkungen, die über das hinausgehen, was im Rahmen des Urheberrechts eigentlich noch erlaubt ist (so strittig es auch sein kann). Das als Säbelgerassel wahrgenommene Verhalten verunsichert bei der Nutzung elektronischer Bücher. Hat man früher was Greifbares besessen nach dem Kauf eines Buches oder einer CD, so erwirbt man heute mehr oder weniger nur Rechte (Nutzungsrechte), die dann auch recht schnell wieder beschnitten werden können, wie gerade sehr deutlich durch Amazon demonstriert wurde.

    Rechtliche Sicherheit ist ein teures Gut und auch wenn geschrieben wird, das Urheberrecht sei ein „zahnloser Tiger“ (25.01.2007), so hat es sich doch genug bewährt, Rechte der einzelnen Parteien zu schützen und gegeneinander abzuwägen – gemeinhin als Kompromiss bekannt. Wenn DRM versucht, dies nun zwangsweise durchzusetzen und bestehende Urheberrechtsschranken aushebelt, ruft das natürlich besonders, und aus meiner Sicht verständlicherweise, den Widerstand der Wissenschaftler auf den Plan, die mit (digitalen) Informationen in einer wissenschaftlich tradierten Art und Weise intensiv arbeiten. Open Access an dieser Stelle kann ein Geschäftsmodell für wissenschaftliche Literatur sein und ist sicherlich auch als ein Gegensteuern gegen zu starke Beschränkungen seitens der sehr engen lizenzierten Zugangsmöglichkeiten (z.B. Beschränkung auf separierte Leseterminals in d. Bibliothek, fehlende Möglichkeiten des Fernzugriffs) und – auch immer wieder angebracht – überteuerte Preise gerade von den Marktriesen. Darunter leiden sicherlich auch die kleineren Verlage, die sich vielleicht auch ungerechtfertigter Weise dem Vorwurf von Wucher und Ausnutzung der Marktposition ausgesetzt sehen.

    In der von Ihnen beschriebenen Weise kann ich sehr gut nachvollziehen, warum Sie DRM nicht einsetzen. Gerade bei ersten „Gehversuchen“ im Netz halte ich den Einsatz für DRM eher für kontraproduktiv, wobei andererseits dazu auch Mut gehört, besonders wenn hierbei doch die vielbemühten Raubkopierer nur darauf warten, Verlagsprodukte zu kopieren und kostenlos unter die Menschheit zu bringen. Vielleicht beruhigt es zu hören, dass die Musikindustrie an dieser Stelle festgestellt hat, dass viele Verwender ihre Musik legal erwerben möchten, wenn vielleicht auch nicht zu den Preisen, die sie früher für eine CD hinlegten. Hier sind es Einzeltitelkäufe, die eine entsprechende Finanzierung sicherstellt.

    Ich denke schon, dass der ein oder andere Blick zur Musikindustrie sinnvoll sein kann, um auch ein wenig Ruhe zu bekommen. Der banale Vorteil, den Sie momentan sehen, dass eben kein hoher technischer Aufwand nötig ist, kann sich letztendlich wirklich „positiv“ auswerten. Vielleicht verkaufen Sie das ein oder andere Buch nicht mehr, aber vermutlich – zumindest aus meiner Sicht – wäre dieser Verlust geringer als der „hausgemachte Verlust“ durch hohe DRM-Kosten besonders im Bereich des DRE (hartes DRM).

    Leider haben wir immer wieder Beispiele dafür, dass das elektronische Angebot für Bücher tödlich sein kann. So wird berichtet, dass bei technischer Literatur wie Maschinenbau das Angebot von E-Books zum sofortigen Absturz der Verkaufszahlen des gedruckten Buchs geführt hat. In anderen Fällen hat die Bereitstellung des Scripts des Professors, das nahezu identisch mit dem Lehrbuch war, den Verkauf komplett zum Erliegen gebracht. Und als drittes Beispiel: die Anbieter umfangreicher E-Book-Bibliotheken berichten in diesem Jahr von zehn bis zwanzig Prozent Rückgang bei den Umsatzzahlen.

    Diese genannten Beispiele zeigen meines Erachtens aber auch, dass die Bedürfnisse der Leser auf verschiedensten Ebenen außer Acht gelassen worden sind oder sich durch das neue Medium verändert haben. Die unmittelbare Erreichbarkeit einer Information vom Arbeitsplatz aus, die Möglichkeit zur Volltextsuche und ähnliche Vorteile sind gewünscht. Die Preisgestaltung in Bezug auf Lehrbücher ist vermutlich das nächste Problem. Ich sehe hier nicht unbedingt ein Problem, das durch E-Books verursacht wird, sondern durch die Tatsache, dass an dieser Stelle zu spät oder gar nicht auf Bedürfnisse reagiert wurde. Sicherlich lässt sich nicht alles damit erklären – wow, das wäre sonst ein ziemliches Todschlagargument – aber es sind Aspekte, die ich als Außenstehende als ausschlaggebend vermuten würde.

    Finanzielle Gründe sind für die Verlage sicherlich die entscheidenden Aspekte, aber die Nutzungseinschränkungen und die Kosten für die Implementierung von hartem DRM werden sie meines Erachtens eher weiter verstärken. Die große bestehende Gefahr ist, dass wenn man alles den Raubkopierern zuschiebt und nicht in einen Dialog zueinander tritt, sich alles aneinander hochschaukelt und eine Eskalation nur eine Frage der Zeit ist. Da möchte ich mich Herrn Losehand anschließen:

    Es sollte mehr horizontale Kommunikation gepflegt werden.

    Gerade in Bezug auf Urheberrechte ist eine sensible Form der Erziehung notwendig, eine, die nicht unbedingt den belehrenden Zeigefinger hebt oder vorrangig mit Geld (Verluste, Strafgelder) in Verbindung gebracht wird. Hier müssen sich Rechte und Pflichten die Wage halten und vielleicht sollten die Vorteile, die der Nutzer in der Einhaltung des Urheberrechts sehen kann, deutlich überwiegen. Wenn mir – Ottonormalleserin – jemand klarmacht, was mein persönlicher Vorteil eines regelkonformen Verhaltens ist – viele haben bis dato gar nicht über die Problematik nachgedacht – werde ich Pro&Contra abwägen und mich dann gegen potentielle Risiken entscheiden, selbst dann, wenn ich dafür einen angemessenen Preis bezahlen muss.

  • Gerade in Bezug auf Urheberrechte ist eine sensible Form der Erziehung notwendig, eine, die nicht unbedingt den belehrenden Zeigefinger hebt oder vorrangig mit Geld (Verluste, Strafgelder) in Verbindung gebracht wird. Hier müssen sich Rechte und Pflichten die Wage halten und vielleicht sollten die Vorteile, die der Nutzer in der Einhaltung des Urheberrechts sehen kann, deutlich überwiegen. Wenn mir – Ottonormalleserin – jemand klarmacht, was mein persönlicher Vorteil eines regelkonformen Verhaltens ist – viele haben bis dato gar nicht über die Problematik nachgedacht – werde ich Pro&Contra abwägen und mich dann gegen potentielle Risiken entscheiden, selbst dann, wenn ich dafür einen angemessenen Preis bezahlen muss.

    Ich bin mir nicht sicher, wer da eigentlich wen “erziehen” sollte.

    Das Versagen der Werkvermittler, dem Urheberrecht als aktuelle geltende Rechtsnorm Akzeptanz zu verschaffen, zeigt sich meiner Meinung nach besonders deutlich an den neuen Bedingungen des subito-Dokumentelieferdienstes (2. Korb 2008). Elektronische Kopien von wissenschaftlichen (!) Zeitschriftenaufsätzen werden technisch mit DRM geschützt, es ist keine Speicherung der Datei erlaubt, nur einmaliges Ausdrucken und die Datei ist eine Bilddatei, d.h. nicht durchsuchbar oder Textstellen können nicht markiert werden. Zudem wird pro Aufsatz eine Lizenzgebühr fällig, egab, ob der Aufsatz 1890 oder 1990 publiziert wurde. Wenn ein “angemessenes elektronisches Angebot” seitens des Verlages existiert, daß subito überhaupt nicht elektronisch liefern.

    Bis 2008 wurden die elektronischen Kopien immer (Scans von vorhandenen Zeitschriften) als durchsuchbare, DRM-freie pdf-Datei verschickt; mit subito-Lieferungen habe ich meine sämtlichen Schriften bis zu diesem Zeitpunkt bestritten.

    Durch diese Neuregelungen haben sich für die Nutzer von subito, die sich bisher elektronisch per E-Mail oder ftp die Kopien zukommen ließen, nun deutlich höhere Transaktionskosten zu tragen. Abgesehen von den Lizenzgebühren (von denen die Urheber/Autoren absolut und völlig nichts sehen) sind von allem die Zeitkosten enorm gestiegen:

    Szenarium 1: Subito darf liefern und sendet eine DRM-geschützte Bild-Datei; wer sich im Zuge der Digitalisierung oder aus Platzgründen von Ordnern verabschiedet hat – wohin mit dem Aufsatz? Also: 1x ausdrucken, dann wieder einscannen und als volltextdurchsuchbare pdf-Datei abspeichern. Denn Sinn und Zweck einer elektronischen/digitalen Lieferung ist ja gerade der Mehrwert der Volltextsuche und der leichten Archivierung, die mit den Lizenzbestimmungen völlig konterkariert wird.

    Ist das (=mein) Vorgehen – scannen und abspeichern – eigentlich legal? Ehrlich gesagt: diese Frage ist mir so völlig gleichgültig, daß ich nicht einmal nach einer Antwort suche.

    Neue (!) Bestimmungen aus 2008 (!) zwingen mich dazu, meine Arbeitsweise wieder auf das technische Niveau der 1990er Jahre zu senken – ausdrucken & einscannen -, und das, obwohl ich beim besten Willen und intensivem Nachdenken nicht erkennen kann, welchen anderen Zweck als der Schikane und der “Wir-kriegen-den-Hals-nicht-voll-genug”-Mentalität der Werkvermittler diese neue Regelung haben soll. (Von anderen Nebenbestimmungen ganz abgesehen, die so absurd sind, daß Schilda als Hort der Rationalität gelten kann.)

    Szenarium 2: Subito darf nicht liefern, weil ein “angemessenes Angebot” des Verlages besteht. Nun werde ich auf die – ggf. fremdsprachige – Seite des Verlages oder der Zeitschrift geleitet und nun geht einerseits die Sucherei nach meinem Aufsatz von neuem los, andererseits parallel oder als erstem Schritt: was kostet das? Auch wenn man Glück hat, nicht gleich das ganze Abonnement zeichnen zu müssen, kann man ggf. gezwungen werden, die einzelne Ausgabe zu kaufen. Selbst wenn nicht, sind die Zeitkosten pro Aufsatz (jedesmal eine neue Umgebung, neue Suchoperationen, neue Bezahl- und Download-Funktionen) derart exorbitant, daß es sich schlicht nicht lohnt.

    In Summe bedeutet das, daß wissenschaftliche Dokumentenlieferdienste nur reibungslos und wie gewohnt unkompliziert funktionieren, wenn diese die Aufsätze per Postoder per Telefax versenden. Nicht 1989, nicht 1999, sondern 2009. Und wenn ich einmal positive Gefühle gegenüber dem Börsenverein hege, muß ich nur “subito” denken, und schon weiß ich wieder, warum ich mich für Open Access engagiere.

    Es gibt sicherlich auch Beispiele aus dem nicht-wissenschaftlichen Bereich, die geeignet sind, zu zeigen, daß überzogene und einseitig verwerterorientiere Regelungen und Systeme wie DRM die Nutzer dazu konditionieren, die Vermittler/Verwerter mißtrauisch oder feindlich gegenüberzustehen. Wenn die Frustration aufgrund gestiegener Transaktionskosten (vor allem Zeitkosten) und unerwünschter und hinderlicher Beschränkungen die Nutzer dazu bringen, DRM prinzipiell zu umgehen oder auszuhebeln, dann führt das – im Sinne eines intendierten psychologisch erklärbaren “Ausgleichsstreben” dazu, daß man sich die Produkte auf illegalem Weg besorgt und auch verbreitet. (Der Verwerter schadet mir, also schade ich ihm … albern, aber das ist nun menschlich.)

    Denn sowohl die hohen Transaktionskosten als auch die vom Endnutzer kaum nachvollziehbaren Regelungen, die die Verwerter zu ihrem Schutz politisch durchsetzen in gesetzliche Regelungen gegossen wissen wollen, sind für den Endnutzer weder nachvollziehbar, noch ernsthaft akzeptabel. Das Höchstgericht in Frankreich hat festgestellt, wie Politiker hierzulande, daß die von der Musikindustrie geforderten gesetzlichen Maßnahmen zu ihrem Schutz schlicht verfassungswidrig sind und – in Einzelregelungen – gegen Menschenrechte (Informationsfreiheit) verstoßen. Sehr bedenkenswert.

    Das Urheberrecht ist in eine Legitimationskrise geraten – und an vielen Stellen haben die Urheber bzw. die Werkvermittler dazu kräftig beigetragen.

  • Addendum: Aus den subito-Geschäftsbedingungen:

    Die Lieferung von Kopien per E-Mail erfolgt unter Einsatz eines Digital Rights Management-Systems (DRM-System). Der Kunde darf das DRM-System weder umgehen noch stören. Das DRM-System beschränkt die Nutzbarkeit der per E-Mail gelieferten Kopie wie folgt:

    (a) Zum Öffnen und Ausdrucken des Dokuments ist eine Internetverbindung erforderlich.
    (b) Beim erstmaligen Öffnen des Dokuments erfolgt eine Maschinenbindung. Der Kunde darf das Dokument zehnmal auf ein- und demselben Rechner ansehen und einmal ausdrucken. Die Nutzung auf einem anderen Rechner ist nicht möglich.
    (c) Kunden der Kundengruppen 2, 3, 5 und 6 können alternativ die Bestellung durch eine Hilfsperson vornehmen. Diese darf das Dokument auf einem Rechner ansehen und es einmalig an eine namentlich genannte Bestimmungsperson weiterleiten,die das Dokument ansehen und einmal ausdrucken darf.
    (d) Nach Ablauf eines Monats nach dem Versand der E-Mail kann das Dokument nicht mehr angesehen und nicht mehr gedruckt werden.

    Die VG-Wort-Tantieme ist übrigens für den E-Mail-Versand doppelt so hoch wie für den Telefax-/Postversand.

  • Dörte Böhner

    Sehr geehrter Herr Losehand,

    der Erziehungs- und Lerneffekt muss auf beiden Seiten passieren und zerstörtes Vertrauen aufgebaut werden. Hier hat die Holzhammermethode erheblichen Schaden hinterlassen. Aber es muss auch eine Unterscheidung stattfinden, mit wem man es zu tun hat und die zweite Frage ist auch, wer die “Erziehung” an der Stelle vornimmt. Es geht nicht nur darum über Pflichten zu sprechen sondern auch über Rechte. Da bieten sich Bibliotheken an.

    Politisches Engagement heißt ein stetiges und manchmal LAUTES Engagement, was vermutlich 2008 von der Unterhaltungsindustrielobby übertönt wurde.
    DRM zum Schutz wissenschaftlicher Dokumente – ich mag mich eigentlich in der Hinsicht nicht wiederholen – muss unterschieden werden nach weichem DRM (Digitales Management von Rechten) und hartem DRM (Digital Rights Enforcement). DRE ist abzulehnen, egal ob bei wissenschaftlichen Informationen oder anderen. Und Subito setzt auf ein sehr starkes DRE, welches zu restriktiv ist und welches zu undifferenziert eingesetzt wird. Das rechtliche und wohl auch moralische Problem ist, dass mit diesem DRE urheberrechtliche Schrankenregelungen ausgehebelt werden, die ganz bewußt geschaffen wurden. Der Kompromisscharakter des Urhberrechts ist aus Sicht des wissenschaftlich Arbeitenden deutlich zu seinen Ungunsten verschoben worden. Hier ist eine Revision dringend erforderlich.

    Neue (!) Bestimmungen aus 2008 (!) zwingen mich dazu, meine Arbeitsweise wieder auf das technische Niveau der 1990er Jahre zu senken – ausdrucken & einscannen -, und das, obwohl ich beim besten Willen und intensivem Nachdenken nicht erkennen kann, welchen anderen Zweck als der Schikane und der “Wir-kriegen-den-Hals-nicht-voll-genug”-Mentalität der Werkvermittler diese neue Regelung haben soll. (Von anderen Nebenbestimmungen ganz abgesehen, die so absurd sind, daß Schilda als Hort der Rationalität gelten kann.)

    Die Einschränkungen sind den Wissenschaftlern und Nutzern der Bibliothek unverständlich und auch nicht wirklich erklärbar. Das sind Auswirkungen der allgmeinen Verunsicherung seitens der Verleger, die ihre Fälle schwimmen sehen. Hier ist dringend eine Überprüfung notwendig! Sind die Befürchtungen der Verlage denn nicht wirklich nur Befürchtungen? Springer müsste doch erste Daten liefern können. Schließlich bieten sie ihre E-Books und Zeitschriftenartikel ohne DRM im großen Rahmen an, zwar beziehbar nur im Rahmen von Campuslizenzen, aber immerhin ohne all zu starke Benutzungsbeschränkungen.

    Ist das (=mein) Vorgehen – scannen und abspeichern – eigentlich legal? Ehrlich gesagt: diese Frage ist mir so völlig gleichgültig, daß ich nicht einmal nach einer Antwort suche.

    Vermutlich ist das passende Stichwort dazu “Sicherheitskopie”…

    Restriktiv und dumm ist das, wass da mit Subito passiert ist. Hier schaden sich Verlage selbst. Kein Student wird dann den Artikel nutzen, wenn er ihn nicht über Fernleihe oder Subito zu bezahlbaren Preisen erhält. Diese Artikel sind für ihn einfach nicht erreichbar. Verlage, die darauf bestehen, bringen sich um potentielle Kunden (auch in Zukunft). Potentielle Einnahmen werden von Vornherein ausgeschlossen. Auch die unübersichtlichen und häufig vor Usability-Problemen strotzenden Rechercheoberflächen sind ein weiteres Problem. Aus meiner Tätigkeit weiß ich, dass nicht nur Studienanfänger schon an einfachen Rechercheoberflächen scheitern und gezielte Suchen nun noch durch jeweils neue Oberflächen erschwert werden, so dass sie eher sagen, sie haben nichts gefunden, als dass sie sich in die neue Umgebung einarbeiten. Hier fehlt eine Standardisierung, aber das ist ein anderes Problem, dass nur durch restriktives DRM verstärkt wird, weil den Nutzern Alternativen genommen werden. Das ganze wird hier durch das Urheberrecht weiterhin unterstützt.

    Es gibt sicherlich auch Beispiele aus dem nicht-wissenschaftlichen Bereich, die geeignet sind, zu zeigen, daß überzogene und einseitig verwerterorientiere Regelungen und Systeme wie DRM die Nutzer dazu konditionieren, die Vermittler/Verwerter mißtrauisch oder feindlich gegenüberzustehen.

    Das ist genau der Punkt, dass es diese Frustration gibt. Die Piratenbewegung geht ja nicht nur aus dem wissenschaftlichen Bereich hervor. Genau diese Trotzreaktion sorgt auch dafür, dass Nutzer gegen diese Bevormundung ankämpfen. Beispiele der Musikindustrie zeigen ja, dass sobald akzeptable und für den Nutzer bezahlbare Angebote da sind, legale Angebote genutzt werden, gerade von Leuten, die dann mit der so “gewonnenen Freizeit” besseres anfangen können. Wenn DRM aber diese Freizeit schmälert, zu umständlicher und nicht selbsterklärender Nutzung führen, dann werden sie entweder die Angebote meiden oder kein Geld dafür ausgeben. Da muss auch ein Lerneffekt bei den Verlagen entstehen. Um ein E-Book zu nutzen, darf das Ganze nicht komplizierter werden, als einen Bildschirm anmachen und loslegen können.

    Früher hat man den Dialog gesucht und als letztes Mittel die Politik, heute nutzt man erst die Politik und dann den Dialog. Wenn sich Dinge früher über den Preis regeln ließen, muss dies heute wohl vermutlich erst im Gesetz niedergeschrieben werden. Technische Schutzmaßnahmen so im Gesetz zu verankeren war ein Fehler, denn damit wurde vor allem das Reaktive festgeschrieben und die Informationsfreiheit über Gebühr eingeschränkt.
    Im ersten Kommentar zu Klaus Grafs “Tagung zum Heidelberger Appell” heißt es: Glücklicherweise stirbt die ältere Generation, die das Internet nicht benutzt oder gar verachtet, langsam aus. Vielleicht ist da ja was wahres dran, aber lassen wir damit nicht auch einen großen Teil der heutigen Gesellschaft zurück?

    Fazit: DRM in seiner restriktiven Form (DRE) ist immer ungünstig und ein Zeichen allgemeiner Verunsicherung. Die Verlage, die darauf setzen, zeigen auch ein großes Maß an eigener Unsicherheit und Zukunftsangst. Statt sich den Veränderungen zu stellen und mit innovativen Produkten vorauszueilen, hinkt man hinterher und versucht einen Status Quo, der gerade am Scheitern ist, festzuhalten, bzw. man stellt Vermutungen an, dass Probleme entstehen, ohne dass diese tatsächlich belegbar sind. Durch die Schnelllebigkeit im digitalen Umfeld sehen sich wohl alle dem Problem gegenüber, nur reagieren zu können. Jedoch je spezifischer und genauer die Reaktionen gerade im Gesetzesrahmen verankert werden, desto eher liegt man komplett daneben. Ziel muss ein Ausgleich zwischen den Interessen sein, nicht das Festschreiben des Status Quo, der sich nicht festschreiben lässt.