[Bericht] Enteignung oder Infotopia – Teil 4

Den Vorträgen von Dr. Rauer und Frau Pakuscher sowie der kurzen Diskussions schloss sich die Diskussionsrunde der Verleger und Google an. Moderiert durch Herrn Dr. Poltermann stellten sich Stefan Keuchel, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit bei Google Deutschland, Jan Meine vom jungen Meine-Verlag und Dr. Joerg Pfuhl von Random House München den Fragen.

Pfuhl arbeitet für Random House München einem großen Publikumsverlag. Das GBS betrifft diesen Verlag genau, denn es sind ca. 10.000 deutschsprachige Werke des Verlags bei Google Books digitalisiert worden. Es bestand großes Interesse an der Digitalisierung der Bücher, aber die Umsetzung durch Google sorgte für Enttäuschung. Daher hat man bisher auch nicht am Verlagsprogramm von Google Books teilgenommen. Er äußerte sich auch enttäuscht, dass Unterzeichner des Heidelberger Appells dennoch an dem Programm teilnehmen.

Mit dem GBS sieht er nun eine erste rechtliche Grundlage für ein Geschäftsmodell, auf dessen Basis man zusammenarbeiten kann.
Deutlich erklärte Pfuhl, dass im GBS ein Kompromiss zu sehen ist. Dies wird ganz klar durch die unterschiedlichen Interessen innerhalb der gleichen Interessengruppe. Wichtigstes Signal des GBS ist, dass Google damit einsieht, dass sein Vorgehen falsch sei und weitere Digitalisierungen ohne Anfragen unterblieben. Random House, welches die Rechte seiner Autoren vertritt, würde sich auf Grundlage des GBS zum Verlagsprogramm anmelden. Wünschen würden sie sich jedoch ein Opt-in- statt des derzeicht präferierten Opt-out-Prinzips wünschen. Das GBS ist in seiner Summe jedoch akezeptabler als ohne diesen Vergleich.

In Googles Bücherdatenbank seien bereits jetzt schon über 100.000 Werke des Verlags enthalten, darunter über 10.000 deutschsprachige Titel. Die Metadaten seien noch nicht im Detail überprüft, aber es befände sich noch viel Datenmüll darunter.

Google treibt dabei die Welt an, Themen des digitalen Bereichst in Bezug auf das Urheberrecht sehr schnell anzugreifen. Die Verlage seien gehalten, die kommerziellen Chancen und Risiken zu nutzen. Derzeit sei es vor allem ein logistisches Problem, alle gedruckten Titel lieferbar zu halten. Es gibt zwar ein Metadatenproblem derzeit bei Google, aber dies gehe am eigentlichen Problem vorbei. Traffic sei sicherlich ausschlaggebend, Titel neu aufzulegen, aber wichtiger sei die Möglichkeit eines Zugangs und da sei die Zukunft elektronisch. Pfuhl setzt auf das E-Book, welches es seit 10 Jahren gibt und welches mit den besseren mobilen Geräten seine Marktanteile nun verdopple. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte sieht er einen Marktanteil von 50:50 für E-Books gegenüber dem Printbuch. Aus diesen Gründen habe der Verlag auch den Heidelberger Appell nicht unterzeichnet.

Neben diesem etablierten Verlag präsentierte sich der junge Meine-Verlag. Er verlegt die Open-Access-Zeitschrift AEON. Herr Meine lehnt den Heidelberger Appell ab, als zu kurz greifend, zumal er die Problematik von Google Books und Open Access vermischt. Der Appell beeinflusse das elektronische Publizieren zu unrecht negativ. Im Rahmen des Verlages können sich die Autoren auf Wunsch am Google Books Verlagsprogramm beteiligen. Open Access sei zudem auch gut für Geisteswissenschaftler. Eine unmittelbare Finanzierung sei momentan noch nicht sichergestellt, aber mittelfristig muss das Open Access-Angebot gegenfinanziert werden. Der Verlag begreift dabei das Publizieren als Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit. Der Verlag wendet sich daher mit seinen Open-Access-Angeboten an junge Wissenschaftler und co-finanziert die OA-Texte durch Buchverkauf. Dabei geschieht aber auch eine finanzielle Verschiebung der Arbeitsleistung zum Produzenten, d.h. der Autor übernimmt dabei Arbeitsleistungen (Arbeitsschritte zur Erstellung einer druckfertigen Vorlage), die bisher vom Verlag erbracht wurden. Der Meine-Verlag befindet sich noch in der experimentellen Phase.

Als Geschäftsmodell ist Author-paid-Content für den Meine-Verlag keine Lösung, da das Risiko vom Verlag getragen wird. Der junge Verlag sieht dennoch eine Verschiebung der Finanzierung zu Forschungseinrichtungen, Bibliotheken und Stiftungen. Insgesamt setzt der Verlag auf eine Mischfinanzierung durch das Verlagsprogramm.

Gefragt nach den Erfahrungen mit dem Google Books Partnerprogramm berichtet Jan Meine, dass etwas 50 Prozent seiner Autoren die Teilnahme an diesem Programm befürworten, dadurch die Auffindbarkeit besser wird. Meine kann keine signifikante Steigerung der Verkaufszahlen ausmachen, wobei es eine leichte Tendenz gibt, die aber auf Grund der Kürze der Zeit in der der Verlag besteht noch nicht belegt werden kann. Wenn es Ablehnung dieses Programms gibt, liegt es eher im emotionalen Bereich. Copy&Paste isst die größte Angst, nicht der kommerzielle Aspekt, obwohl gerade dieser Aspekt am unbegründetsten ist.

Stefan Keuchel von Google war der perfekte PR-Mann. Er griff diese Angst des Copy&Paste auf, um zu erklären, dass Google OCR für die Volltextsuche über die Scans laufen lässt, wird aber bei der Anzeige nicht mit eingeblendet. Außerdem wird beim Werk zum Verlag oder Buchhändlern (auch lokalen) verlinkt, damit dort dann das Buch käuflich erworben werden kann.

Das betrifft Bücher des Bibliotheksprogramms genauso, weelches 2004 auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde, mit dem Ziel, Zugang zu Büchern zu schaffen. Außerhalb der USA werden nur urheberrechtsfreie Werke digitalisiert. Aus der BSB sollen ca. 1 Million gemeinfreie Bücher diesem Projekt hinzugefügt werden, was Google ca. 60 Millionen Euro kosten wird.Ein Viertel ist bis jetzt gescannt. Die BSB ist wie die Französische Nationalbibliothek ist eine von 30 Bibliotheken. Damit ist man derzeit an der Kapazitätsgrenze angekommen. Am Verlagsprogramm mit derzeit 2 Millionen Werken nehmen derzeit 25.000 Verlage teil.

Bücher aus dem Verlagsprogramm werden zerstört, um besonders günstig digitalisiert werden. Bücher aus dem Bibliotheksprogramm werden händisch, sehr schonend und unter Beachtung konservatorischer Gesichtspunkte digitalisiert.

Eine der wichtigsten Fragen, die Keuchler beantworten musste war die, welche Rechte Google von seinem Tun ableitet.
Gemeinfreie Werke möchte Google in der Gesamtansicht online anzeigen. Häufig werden auch PDFs zum Download angeboten. Die Bibliothek erhält von jedem digitalisierten Buch die gleiche Kopie wie Google. Mit dieser Kopie kann die Bibliothek frei umgehen, z.B. auch mit Konkurrenten zusammen arbeiten und die Digitalisate dafür nutzen.

Die Europeana würde 300 Jahre benötigen, um das zu erreichen, was Google bisher geschafft hat. Daher ist auch eine Frage, die sich stellte, wo privatwirtschaftliche Interessen von Google liegen. Keuchler antwortete darauf nur: Google tickt anders. Dem Unternehmen geht es nicht um eine sofortige Refinanzierung wie Bilder- und Newssuche beweisen. Langfristiges Ziel ist ein Branding: Google will sich möglichst als erste Anlaufstelle für Informationen plazieren. Im Partnerprogramm wird eine Querfinanzierung durch Ad Sense angestrebt.

Von Anfang an hätte es kritische Stimmen gegeben, schon auf Grund der Komplexität des Urheberrechts. Es ist schwer im internationalen Netz sich festzulegen, wo der Schwerpunkt der Nutzung liegt und welche rechtlichen Regelungen gelten. Für Google Books lag er eben in den USA und da hätte man sich an das geltende Recht gehalten.

Auch Jan Meine sieht das eigentliche Problem in den Rechtskulturen, die sich nicht mit dem Settlement zu lösen wären. Hier hätte es mehr Aufklärungsarbeit seitens Google über die Vorteile des Projekts geben müssen. Dabei darf nicht aus den Augen verloren werden, für wen das Angebot gemacht wird. Keuchler räumt hier Fehler ein. Die Übersetzung des Vergleichstextes sei eine Katastrophe und auch die Transparenz hätte besser gestaltet weren müssen. An den verwaisten Werken verdiene zur Zeit keiner. Sie könnten durch das Angebot von Google wieder interessant werden.

Dr. Poltermann äußerte Bedenken in Bezug auf die Verträge und die dort fehlende Transparenz. Keuchler war fast schnippisch, als er meinte dass es normal sei, dass nicht alle Verträge öffentlich gelegt würden. Google hätte proprietäre Techniken zum Digitalisieren entwickelt und seien ein Betriebsgeheimnis.

Eine Frage aus dem Publikum betraf Google Editions. Keuchler erklärte, dass es sich dabei um ein kommerzielles Projekt von Google handle. Dabei soll den Käufern ein Online-Zugang zu den Volltexten der derzeit 2 Millionen Bücher aus dem Verlagsprogramm gewährt werden. Dabei kommt der Long-Tail-Gedanke zum tragen. Über die Universal Search sollen Hinweise auf Bücher gefunden werden, um darüber Kunden für die Verlage zu aquirieren. Diese Bücher sollen geräteunabhängig angeboten werden und der Zugang zu diesen Büchern soll durch Google als Händler verkauft werden. Start ist für Frühjahr 2010 geplant.

Eine weitere Frage aus dem Auditorium betraf die mögliche Analyse des Nutzerverhaltens durch Google Analytics. Keuchler sprach hier von einem Mißtrauen besonders in Deutschland, welches durch keine Fälle belegt wwerden kann. Es gäbe keine personenbezogenen Daten, die für die Auswertung des Nutzerverhaltens herangezogen würden. Es wwerden allerdings Daten gespeichert, welche Werke, Seiten in Bezug auf Suchanfragen angesehen wurden. Diese Daten werden schließlich auch den Verlagen zur Verfügung gestellt. Google Analytics wird nicht eingesetzt, zumal dieses für Webmaster gedacht ist.

Spielkamp richtete die abschließende Frage an Pfuhl und Meine, ob sie in Google eine Konkurrenz für die Händler sei. Pfuhl sieht in Google da schon eine Konkurrenz, hat aber keine Angst davor, weil das Größenverhältnis relativ sei. Wichtig sei, dass der Geschäftspartner sich an die Regeln hält. Meine sieht in Googles Engagement auch eine Chance für kleine Verlage. Googles Leistung hilft die Digitalisierung und den Umgang damit in die Diskussion zu bringen. Er sieht auch in den Open Access-Angeboten einen Konkurrenz für Google. Hier hätte ich mir persönlich mehr Zeit für Nachfragen gewünscht, in welchem Rahmen dies Meine sieht. Doch auf der anderen Seite war man froh, dass nun nach diesem heftigen und sehr informativen Programm die Mittagspause anstand.