Aus aktuellem Anlass: Die Eröffnung des Rolex Learning Centers der Ecole Polytechnique Fédérale (EPFL) de Lausanne am 22.02.2010

Am 22.02. 2010 wird das von der japanischen Architektin Kazuyo Sejima und ihrem Partner Ryue Nishizawa (Büro SANAA) neu entwickelte Rolex Learning Center (RLC) der ETH (EPFL) Lausanne nach 5 Jahren Bauzeit eröffnet. Der Baubeauftragte, Projektleiter und Vizepräsident der EPFL Francis-Luc Perret bezeichnete es als “Garderobe, bei der man seinen Streß abgibt” und andere wiederum verwenden den Begriff bâtiment paysage, da es sich in die Alpenlandschaft, den Genfer See und den Hügeln gut einfügt. Der pédagogue professionel Monsieur Dillenburg, der für die Didaktik und pädagogische Entwicklung am Campus zuständig ist,  wies in einer Radiosendung auf Radio Suisse Romande ausdrücklich darauf hin, dass es ein Learning Center ist und keine Bibliothek und widersprach der Radiomitarbeiterin, dass der Ort keinesfalls zur Stille und Ruhe ermahnen soll, sondern zur Interaktion und  Gruppenarbeit einlädt. Auf der Webseite des RLC sind zwar schon viele Informationen zu finden, aber dennoch hätte ich mir als Bibliothekar mehr Infos gewünscht, die über die architekturphilosophischen und hochschulpolitischen Ziele hinausgehen. Die Hälfte des 110 Millionen Franken teuren Gebäudes wird von Schweizer Unternehmen (Nestlé, Logitech, Credit Suisse, Novartis usw.) getragen, wobei die Firma Rolex sicherlich keinen unerheblichen Beitrag leistet. Den Kern des Gebäudes bildet eine Bibliothek mit über 500.000 ME. Das Grundstück, auf dem das Gebäude errichtet wurde, ist 88.000 m² groß und wurde im Sinne eines Lern- und Begegnungszentrums gebaut. Es stellt ein “nahtloses Netzwerk“ aus Restaurants, einer Bank, einer Buchhandlung, Lese- und Hörsälen, Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen und Parkanlagen dar. Roman Hollstein vermutete in der Neue Zürcher Zeitung am 18.02., dass dieses Gebäude ein neuer architektonischer Wallfahrtsort wird. Nach der 2008 errichteten vollautomatischen Métro ist Lausanne um eine technische und architektonische Sehenswürdigkeit reicher. Ein Ziel des Architektenpaares war es,  den Austausch der Studierenden aus aller Welt zu fördern, was ja einer der Grundgedanken der Bologna Hochschulreform ist.  Außerdem wurden die bisher “geschützten Zonen des Wissens” in einem offenen Raum zusammengeführt, der sowohl  Studierenden, Forschern, Dozenten, als auch der Allgemeinheit täglich von morgens 7 Uhr bis Mitternacht gleichermaßen offenstehen soll. An der EPFL sind aktuell etwa 11.000 Hochschulangehörige tätig, wovon 7.000 Studenten und Professoren sind. Zu den 4.000 Forschern zählen auch Mitarbeiter kleinerer Start-Up-Firmen. Der Hochschulpräsident Patrick Aebischer wünschte sich ein Gebäude, bei dem die tradionellen Grenzen zwischen den Fakultäten durch einen Geist der Zusammenarbeit (spirit of collaboration) ersetzt werden und einem Campus, der offen und einladend für die Öffentlichkeit ist. Sie zählt weltweit zu den internationalsten Universitäten, wobei die Hälfte der Fakultätsangehörigen außerhalb der Schweiz angeworben wurde  und 60 % der PhD Studenten aus dem Ausland kommen. Finanziert wird die ETH direkt von der eidgenössischen Schweizer Regierung und nicht etwa vom Kanton Waadt.

In der aktuellen Ausgabe von BuB (Forum für Bibliothek und Information) wird davon berichtet, dass der kommende Kongress des Verbandes Bibliothek Information Schweiz (BIS) vom 1.-4. September 2010 im Rolex Learning Center (RLC) stattfindet. Das Thema lautet “Bibliotheken bewegen – changeons les bibliothèques“. Eine Teilnahme am Kongreß zu dem “nur” 300 TeilnehmerInnen erwartet werden, wäre eine Gelegenheit im Rahmen einer Besichtigung den spektakulären und einzigartigen Neubau des RLC näher kennen zu lernen. Ziel des Kongreßes ist es zu  zeigen, wie sich Bibliotheken verändern und wie sich damit deren Wahrnehmung, ihre Wirkung und ihr Image in der Öffentlichkeit verändern.

Im folgenden Videoclip wird durch den Hochschulpräsidenten Patrick Aebischer zu der  ehrgeizigen Ambition der ETH Lausanne, eine der besten Technischen Universitäten weltweit zu werden,  Stellung genommen. Für die Umsetzung des Ziels eine führende Rolle für Forschung und Ausbildung zu werden, dient das  Rolex Learning Center als ein Flaggschiff. Zwei weitere neu geschaffene Gebäude sind das «Starling»-Hotel und die Studentensiedlung «Les Estudiantines», die ebenfalls den Anspruch haben soll, die Universität stärker zu internationalisieren und deren Attraktivität als Campusuniversität  zu steigern.  Als Architekt kommt vor allem Ryue Nishizawa zu Wort, der die architekturphilosophischen Hintergründe des Gebäudes erklärt. Er macht deutlich, dass das RLC, in dem Menschen arbeiten nicht linear sein soll, da Menschen sich nicht wie Züge bewegen. Aus diesem Grunde passt sich die fließende Architektur den organischen Bewegungsabläufen des Menschen an. Diese ermöglichen dynamischere Interaktionen als etwa Kreuzungen, womit symbolisch der Austausch und die Interdisziplinarität gemeint ist, welche die ETH Lausanne zukünftig weiter fördern will.