Onleihe – und jährlich grüßt das DRMurmeltier…
Wenn man dem Auftreten des Web-Dienstleisters DiViBib als Anbieter der Onleihe und der Verbreitung seines Angebotes bei Öffentlichen Bibliotheken glaubt, ist ein Überleben der Bibliotheken in einer digitalen Welt nur so möglich. Ben Schwan schreibt beim Blog der Heise Technology Review über die Onleihe, bei der die teilnehmenden Bibliotheken nun einen Teil ihrer Bestände gleich in digitaler Form online anbieten können.
Genauer betrachtet ist das Bild, welches Herr Schwan zurecht zeichnet ernüchternd. Ja, immer mehr Medien liegen digital vor und auch E-Books und E-Book-Lesegeräte erobern einen Markt. Natürlich ist es sinnvoll – nein, es ist notwendig -, dass Bibliotheken hier ein Angebot machen. Bei der Onleihe wird hier ein virtueller Gegenstand ausgeliehen, der dann für eine bestimmte Zeit (Stunden, Wochen) genutzt werden darf. Gegebenenfalls kann man diese Fristen auch verlängern. Das ist analog das gleiche Prinzip wie in der realen Welt und der einzige, mir erschließbare Vorteil liegt darin, dass ich dafür mein Sofa nicht mehr verlassen muss.
Bis jetzt nutzen das Onleihe-System über 130 Bibliotheken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch der Verband öffentlicher Bibliotheken Berlins (VÖBB) hält derzeit knapp 15.000 Medien in dieser Form (VoeBB24) für die Ausleihe und Nutzung bereit. Voraussetzung für die Ausleihe ist der ganz normale Bibliotheksausweis. E-Books, Hörspiele, Filme, Videos und auch E-Paper können dann bequem digital entliehen werden. Gerade die E-Paper wie „Spiegel“, „FAZ“, „Süddeutsche Zeitung“ oder das „Manager Magazin“ werden sehr gerne genutzt, aber insgesamt ist das Angebot noch nicht zufriedenstellend:
Das Angebot reicht von eher unbekannteren Sachbüchern bis hin zu einigen Bestsellern.
Das Formatproblem konnte seit der Einführung der Onleihe nicht gelöst werden. Ton- und Filmdateien sind durch einen digitalen Kopierschutz (Digital Rights Enforcement) geschützt, welches dafür sorgt, dass Dateien nur mit dem Windows Media Player 11 abgespielt werden können, d.h. dessen Kopierschutz funktioniert zur Zeit nur unter Windows. Besitzer anderer Betriebssysteme sind daher von der Nutzung des Onleihe-Angebots ausgeschlossen. Bei tragbaren Abspielgeräten und Handys, auf die man während der Leihfrist die Medien übertragen kann, müssen ebenfalls mit Windows Media 11 oder mit Windows Mobile arbeiten. Apple-Jünger sehen hier alt aus.
Das Problem ist seit Jahren bekannt, aber es besteht seitens des Anbieters scheinbar / ganz offensichtlich kein Interesse, andere Lösungen zu finden und man richtet sich in den bestehenden Lösungen ein. Die Möglichkeit, überhaupt Zugang zu Informationen zu erhalten, wird dabei den Einschränkungen durch DRM übergeordnet. Bibliotheken akzeptieren diese Einschränkungen mit Hinweis auf die große Verbreitung des Microsoft Betriebssystems und halten somit an einem althergebrachten Geschäftsmodell (1:1 Zugang zu einem Medien) weiterhin fest, anstatt nach tragbaren Online-Lösungen zu suchen. Auf Dauer ist dies so nicht akzeptabel.
Mehr dazu:
Onleihe – eine neue Dienstleistung zahlreicher Bibliotheken, Bibliotheksportal, 11.02.2010
Fenn, Jürgen: Ernüchternde Erfahrungen mit der Onleihe, Schneeschmelze, 25.11.2009
Böhner, Dörte: Onleihe verschärft das Zugangsproblem, 06.10.2009
Hauschke, Christian: Onleihe – Kosten und Nutzen, Infobib, 14.01.2008
Sladek, Reiner: Onleihe nur für Microsoft-User, Telepolis, 03.09.2007
Auch wenn Microsoft noch über 90% Marktanteil bei den Computern hat, der Marktanteil bei den mobilen Geräten ist verschwindend gering. Apple dominiert den Markt bei mp3 Playern, bei den Smartphones sind iOS, Android und Symbian die Macht.
Genau hier würde man gerne insbesondere auch die Audios nutzen. Und genau das geht nicht! Jede ausgeliehene CD passiert jedoch die Hürde spielend. Eine Umfrage in meiner Bibliothek bestätigte jedoch bereits 2007, das die Kunden bevorzugt Audiomedien online leihen würden. Diese paradoxe Situation macht es der DiviBib nicht einfacher.
Nach aktueller Studie (Mai 2010) werden 79% der der CD immer noch physikalisch gekauft, während einzelne Titel zu 85% im Download erstanden werden. Bei dieser Alternative ist das nicht verwunderlich. Die Kunden werden auch weiterhin die Hörbücher und CD in Massen nach Hause schleppen und haben dort freie Hand was wo gehört werden kann. Haushalte, dessen Computer mit der DRM-Ware an das HiFi System der Musikanlage gekoppelt sind existieren noch immer kaum.
http://archiv.twoday.net/stories/6414094/
Hm,
war mal wieder wirklich sachliche Kritik… Ja, es fehlen wohl noch ein paar Beiträge, bei einem Beitrag der nicht auf Vollständigkeit ausgelegt war. Hier dann noch die Hinweise auf die „ätzende Onleihe“ aus Sicht von Klaus Graf:
Onleihe – ätzend wie immer, Netbib, 01.12.2008
Onleihe – einfach nur ätzend (22) Netbib, 23.01.2008
Aber auch an anderer Stelle hat man sich kritisch zur Onleihe geäußert in den letzten Jahren:
http://www.onleihe.net – pdf (DRM) und Ipad, Forum von Apfeltalk, 22.05.2010
Beckedahl, Markus: Virtuelle Bibliothek mit DRM, Netzpolitik, 10.01.2008
Danowski, Patrick: onleihe: Digitale Bibliothek 0.5, Bibliothek 2.0 und mehr, 08.07.2007
Und es gibt wesentlich mehr zu diesem Thema…
@biblioreader Vielen Dank für den Hinweis. Einmal mehr zeigt sich, dass DRM in seiner restriktiven Form, wie es bei der Onleihe eingesetzt wird, kontraproduktiv ist, wenn es darum geht, Zugang zu ermöglichen.
Wie kann man es nur wagen, ein Posting zu schreiben und nicht alle jemals zu diesem Thema geschriebenen anderen Quellen zu verlinken! Ein Skandal! Sowas kann nur einer Jung-Bibliothekarin einfallen! Alt-Archivare verlinken grundsätzlich alle Quellen, die es gibt. Wirklich alle.
Nein, wenn man besonders wichtige Quellen weglässt, handelt man nicht hilfreich. Eine bibliothekarische Krähe hackt der anderen nicht das Auge aus, ist schon klar. Ich habe mich gerade daran erinnert, dass ich seinerzeit ein paar Links auf delicious gesammelt hatte; inzwischen ist die Linksammlung viel umfangreicher:
http://delicious.com/tag/onleihe
Richtig, die jungbibliothekarischen Seilschaften funktionieren perfekt. Es gehört sowohl zur Abschlußprüfung jeder bibliothekarischen Laufbahn als auch zum Amtseid, KollegInnen nie zu kritisieren.
Die Linksammlung ist übrigens wirklich ziemlich umfangreich.
Die Kritik an der Onleihe ist inzwischen dermaßen umfassend, dass es wirklich völlig unverständlich ist, wie sie in der Onleihe immer wieder als innovativ und toll gefeiert wird. Man muss gar nicht lange recherchieren. Unter den ersten 10 Googletreffer zur Einwort-Suche Onleihe findet sich eigentlich schon in den Überschriften genug Material, das einen stutzig machen sollte.
Die Idee hinter der Onleihe ist schon ein guter Ansatz, erleichtert er doch Bibliotheken sich im Lizenzdschungel zurecht zu finden. Man hat einen Ansprechpartner und fertig. Auch die technische Umsetzung liegt hauptsächliche bei der Onleihe. Relativ viel Erleichterung für Bibliotheken, um ein gutes Angebot ins Netz zu bringen. Dies erklärt vielleicht den Erfolg der Onleihe. Doch dies darf eben über die Ecken und Kanten nicht hinwegtäuschen. Wenn sich Bibliotheken auf Dauer so auf alte Geschäftsmodelle festlegen lassen, können sie nicht wirklich in eine digitale Zukunft starten.
In den Vorträgen Öffentlicher Bibliotheken zu diesem Thema hat bei einer Entscheidung für die Onleihe aber nicht die Entwicklung zukunftsträchtiger Modelle eine entscheidende Rolle gespielt, sondern die bequeme Möglichkeit, ein Angebot zu machen, welches vielen Bibliothekaren und Bibliotheksbenutzern namentlich schon etwas sagt, ohne dass man da noch viel erklären muss. An der Stelle muss man wohl Divibib und Onleihe zu einem gelungenen Marketing gratulieren.
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