Die Gefängnisbücherei auf Guantánamo (USA)
„He who does battle with monsters needs to watch out lest he in the process becomes a monster himself. And if you stare too long into the abyss, the abyss will stare right back at you.“ Friedrich Nietzsche
Bisher war mir nicht bekannt, dass es im Gefangenlager auch eine Bibliothek („Delta Camp library„) für die Häftlinge gibt. Unter der Überschrift „Harry Potter and the Prisoners of Guantánamo“ veröffentlichte Huffington Post einen Hinweis auf einen im Time Magazine erschienen Artikel mit der Überschrift „What Prisoners Are Reading at Gitmo“ von Kayla Webley. Dieser Artikel hat durchaus Unterhaltungswert und vermittelt dem Leser den Eindruck, es handele sich um ein ganz normales Gefängnis. Auch die französische Tageszeitung „Le Monde“ und der britische Guardian versuchten medientauglich mit der folgenden Überschrift die vermeintlich allerletzten Geheimnisse des Lagers zu entlocken: „Guantánamo Bay library’s most wanted books? Anything but Barack Obama„. Bevor ich näher auf die Bibliothek und deren Echo aus den Medien eingehe, sollte ich kurz etwas zum Lager erwähnen. Die Fläche der Halbinsel Guantánamo von 117 km² wird seit 1903 von den USA gepachtet, aber eigentlich verlangt Kuba seit einigen Jahren schon mit Nachdruck die Rückgabe des Gebietes. Ursprünglich sollte das Lager von Guantánamo im Januar 2010 geschlossen werden. Aus verschiedenen Gründen wird sich die Schließung aber noch bis auf weiteres hinauszögern. Ende Juni diesen Jahres berichtete die New York Times darüber, dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass das Lager Guantánamo vor dem Ende der Amtsperiode Obamas geschlossen wird. Einer Umfrage aus dem März 2010 zufolge, die im selben Artikel zitiert wird, würden 60 % der US-Amerikaner sich wünschen, dass das Lager erhalten bliebe und weiterhin genutzt würde. Für Journalisten, Reporter, Abgeordnete des Kongreßes und anderen Gäste, wird die Bibliothek als Vorzeigeeinrichtung des Gefangenlagers von Guantánamo genutzt, um zu zeigen, dass das Lager eigentlich ein sicherer, menschlicher und von Transparenz gezeichneter Ort ist, wie der Miami Herald am 10.11. 2009 schrieb. Andere „normale“ Gefängnisse haben auch Büchereien und verfügen über Einrichtungen, die das Leben in solchen Extremsituationen und in der Isolation von der Außenwelt erträglicher machen, aber wird ein Lager, das gegen die UNO-Menschrechtskonvention verstößt durch eine Bücherei und eine harmlose Berichterstattung „menschlicher“ und von der Weltbevölkerung mehr akzeptiert als bisher? Insgesamt verfügt die Bibliothek über 18.000 Medieneinheiten in 18 Sprachen (z.B. Urdu, Usbekisch, Arabisch oder Farsi) bei 176 Inhaftierten. Durch die Verlegung und Entlassung von Häftlingen ist dies ein durchaus beachtlichte Quote (das Verhältnis Medienbestand zu den Nutzern). Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die Harry Potter Bände, von Dan Brown verfasste Bücher, aber auch Klassiker von John Grisham und bis hin zu Agatha Christie. Wenn das Militär Schwierigkeiten hat Titel in einer bestimmten Sprache ausfindig zu machen, kommt das „International Committee of the Red Cross“ manchmal zu Hilfe beim Bestandsaufbau zur Hilfe.Weitere häufig ausgeliehene Medien sind Aufzeichnungen von Endrunden vergangener Fußballweltmeisterschaften, ein französisches Kochbuch und Literatur zum Koran. Bücher von Noam Chomsky und anderen kritischen Autoren sind in der Bibliothek nicht verfügbar. Dabei ist doch die Bibliothek dort eine US-amerikanische, die ebenso für Meinungsfreiheit und das offene Wort eintreten sollte, wie es der Verfassung zugrunde liegt. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Sicherheitsbedenken und Vorsicht gerade nach dem 11. September 2001 Vorrang haben, aber wieweit gewisse Freiheitseinschränkungen gehen dürfen ist dann die eigentliche Frage.
Im Artikel in der Times heißt es zum Thema Bestandsaufbau:
„Guantánamo’s library is carefully screened to prevent prisoners from getting access to books by religious or political extremists that could create controversy or teach them methods of resistance. The library also bans books that have excessive graphic violence, military topics, travel offers, classified advertisements (which could be used to send coded messages to the detainees) and physical geography, such as maps of buildings or subway systems that could provide targets for potential attacks. Sexual content is also prohibited, although that rule came from the prisoners themselves.