GBV Verbundkonferenz – Firmenvortrag Schweitzer Fachinformationen

Einer der ersten Firmenvorträge, die ich auf der 14. Verbundkonferenz des GBV in Berlin besuchte, war der von der Firma Schweitzer Fachinformationen. Ihr Referent Jörg Pieper stellte einen Ansatz der Demand-Driven Acquisition (DDA) vor, bei der Bibliotheksbenutzer aktiv in die Auswahl der zu erwerbenden E-Books einbezogen werden. Er erklärte dies am Beispiel der E-Book Library (EBL).

E-Books einzeln zu erwerben und dies über den ermittelbaren Benutzerbedarf zu steuern war vor zwei oder sogar einem Jahr noch kein wirkliches Thema, aber heute ist dies in Bibliotheken angekommen. Dazu benötigt man den richtigen Partner. Schweitzer Fachinformtionen arbeiten dafür eng mit der eBooks Corporation zusammen, einem australischen Unternehmen, welches seit 1997 im Bereich E-Book-Aggregation beschäftigt ist. Die EBL ist dabei die Plattform zum Online-Lesen mit dem Zugang über eine Bibliothek. Für Konsumenten bietet die eBooks Corporation mit eBooks.com auch eine Download-Plattform an. Auf der anderen Seite bietet die Firma auch eine Unterstützung für Verleger in Form von Publisher Services.

Schweitzer Fachinformationen ist seit dem 01.01.2009 ein Vertragspartner der EBL. Leider sind in der EBL vor allem englischsprachige E-Books zu finden. Daher ist das Buch-Angebot gerade für kleinere Bibliotheken aus weniger auf internationale Forschung ausgerichteten Einrichtungen eher nicht attraktiv. Seit Mai diesen Jahres bemüht sich Schweitzer verstärkt um die Aggregation deutscher Inhalte und möchte bis Ende des Jahres die 10.000 E-Book-Marke knacken. Derzeit ist man im Gespräch mit vielen deutschen Verlagen. Dort ist man oftmals bereits kurz vor der Vertragsunterschrift und bedient werden dabei auch geisteswissenschaftliche Bereiche. Springer, die derzeit hauptsächlich englischsprachigen Content in der EBL anbieten, werden nun auch deutschsprachige Angebote dort einstellen.

Die EBL bietet zwei Modelle an. Bei beiden unterscheiden sich vor allem durch eines, dass bei vielen E-Book-Anbietern der Standard ist: Über EBL erwerben sie keine vorgefertigten E-Book-Pakete, sondern das Geschäftsmodell setzt auf eine individuelle Auswahl. Beiden Lizenzmodellen sind folgende Punkte gemeinsam:
Mit Pick&Choose können Bibliotheken einzelne Bücher dauerhaft erwerben. Zudem sind mehrere gleichzeitige Zugriffe möglich. Metadaten werden kostenfrei mitgeliefert, was leider nicht immer passt, da viele Bibliotheken noch immer mit dem MAB-Format arbeiten und diese Daten nach dem MARC-Standard geliefert werden. Zur Ansicht ist keine proprietäre Software erforderlich, kein abschreckendes DRM, das von der Nutzung abschreckt und die Leser haben Zeit, fünf Minuten kostenlos im E-Book zu browsen, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Dies reicht häufig schon, um eine Quelle zu überprüfen, ohne dass das Buch dafür erworben oder teuer (für die Bibliothek) per Fernleihe bestellt werden muss.

Beim ersten Lizenzmodell, dem non-linear-lending steht der unlimited access gegenüber.

Das erste Modell erlaubt beliebig viele gleichzeitige Zugriffe, wobei es nach oben eine Deckelung auf bis zu 325 Zugriffe pro Jahr gibt. Ist diese erreicht, kann ein zweites E-Book-Exemplar erworben werden. Wurde der Titel erworben, so beginnt ein Zugriff erst nach 10 Minuten lesen im Buch und gilt für 24 Stunden (Session). Das Kopieren ist immer ein Zugriff, wobei pro Zugriff / Session maximal 5 Prozent digital kopierbar und bis zu 20 Prozent gedruckt werden können. Auch die Ausleihe von erworbenen Büchern (Download) ist möglich und würde das Lesen auf einem E-Book-Reader erlauben. Die Ausleihe ist ein Zugriff und das Buch wird dabei mit hartem DRM Hartes DRM, auch restriktives DRM genannt oder Digital Rights Enforcement (ERM) ist ein Kopierschutz, wobei hier auf proprietäre Viewer gesetzt wird. geschützt. Welche Nutzungsmöglichkeiten angeboten werden, kann durch die Bibliothek festgelegt werden. Ihr stehen in einem Administrationsbereich vielfältige Möglichkeiten für die Feinjustierung zur Verfügung.

Das Titelangebot besteht aus rund 140.000 Titeln aus über 300 Fachverlagen. Der Anteil von STM-Titeln beträgt ca. 40 %, Recht hingegen nur 3 %, aber auch die Geistes- und Gesellschaftwissenschaften sind in der EBL stark vertreten.

Doch wie funktioniert nun in diesem Bereich der DDA-Ansatz und warum sollten Bibliotheken diesen Ansatz nutzen? Pieper lieferte dafür schlagkräftige Zahlen, die Bibliotheken – je nach Ausrichtung ihrer Services – aufhorchen lassen sollten und die auch deutlich machen, warum E-Book-Pakete keine gute Erwerbungslösung sind.

Michael Levine-Clark,collections librarian at the University of Denver, reported that 47% of books acquired from 2000 to 2009 were never checked out, a phenomenon echoed by Stephen Bosch, in charge of budgets and procurement at the University of Arizona library, where over the past decade $19 million has been spent on books that were never used.

Gold, Sarah: Facing the Facts: University Presses in the Digital Age, Publishers Weekly, 22.06.2010

Eines sollten sich Bibliothekare klarmachen: “Don’t assume librarian know better than patrons ‘what patrons want’.” Bibliotheken stellen sich bestimmten Anforderungen beim Erwerb von Medien.

  1. Wie können mit begrenzten/rückläufigen Etats die erforderlichen Medien bestellt werden? –> BEDARFsermittlung
  2. Wie können Nutzer aktiv und einfach am Beschaffungsprozess beteiligt werden? –> PROZESSaufbau
  3. Welche administrativen Einstellungen können von der Bibliothek vorgenommen werden? –> RECHTE/ROLLEN
  4. Welche (zusätzlichen) Kosten sind zu berücksichten? –> KOSTEN

Die EBL unterstütz die Bibliothekare dabei, z.B. bei der Kostenüberwachung über die Plattform.

Was den Bedarf angeht, so kann man über die EBL alle zur Verfügung stehenden Titel nutzen und bereitstellen. Über Metadaten im MARC-Format, die monatlich geupdated werden, kann das gesamte EBL-E-Book-Angebot unabhängig vom Besitz im OPAC nachgewiesen werden und so auch auf Bücher zugegriffen werden, die die Bibliothek nicht besitzt (zu den oben beschriebenen Konditionen). Soll der Online-Katalog nicht damit aufgeblasen werden, so kann auch das Nutzerportal der EBL-Plattform genutzt werden. Es besteht auch die Möglichkeit eine Auswahl an EBL-Titeln (z.B. von STM-Titeln) über eine Art Profildienst (Pre-Approval Plan) bereitzustellen. Dabei werden nur fachlich interessante Titel vorgeschlagen. Dieses Angebot wird ebenfalls monatlich aktualisiert.

Praktisch umgesetzt (Prozess) sieht es so aus: Der Nutzer findet einen Titel, erhält den Hinweis auf die fünf Freiminuten und dass sich das Buch nicht im Bestand der Bibliothek befindet. Am Schluss der fünf Minuten gibt es eine Nachfrage, die je nach Einstellung der Bibliothek lauten kann, ob das Buch durch diese erworben werden soll (Anschaffungsvorschlag) oder ob es kurz ausgeliehen werden soll .

Dies erfolgt innerhalb der Administration bei der EBL (Rechte&Rollen). So kann die Bibliothek einem Kurzzeiterwerb zustimmen, einem Automatic Short-Term Loan (STL). Danach kann jeder Zugriff ab fünf Minuten einen 24-Stunden-Erwerb für diesen einzelnen Nutzer generieren. Dies passiert automatisch und ohne Zutun der Bibliothek, wobei die Bibliothek an dieser Stelle Preislimits für einen zustimmungsfreien Erwerb setzen kann. Derzeit liegt der Preis für einen STL bei rund 10% des E-Book-Preises.

Es gibt auch die Möglichkeit des Mediated Access, bei dem ein Zugriff ab 5 Minuten einen Kaufantrag bei der Bibliothek auslöst. Dieser Antrag landet mit dem Namen des Lesers beim Bibliothekar, der diesen ablehnen kann oder das E-Book für einen STL erwirbt oder komplett für die Bibliothek erwirbt. Auch der automatische Kauf (Auto Purchase) kann ausgelöst werden, wenn eine Anzahl von n STLs bei diesem Titel erreicht wird. Dabei wird der Titel dann komplett gekauft. All diese Möglichkeiten können im System administriert werden.

Pieper nannte Erfahrungswerte der Univeristy of Texas, welche E-Books für ein Gesamtvolumen von 300.000 Dollar erwerben wollte. Zwei Drittel des Geldes sollten in STLs, ein Drittel in den dauerhaften Erwerb von Titeln investiert werden. Das Angebot wurde gut angenommen, wobei der dauerhafte Erwerb automatisch nach dem vierten STL ausgelöst wurde. Die Pay-per-View-Kosten (STL-Kosten) betrugen durchschnittlich 4 Dollar, wobei keine Titel mit einem Wert über 700 Dollar angezeigt werden durften und alle Anfragen über 50 Dollar genehmigungspflichtig waren. Downloads wurden deaktiviert.

Als Vorteile dieser Art des Angebotes nannte Pieper den Zugang zu allen E-Boks im virtuellen Buchregal und die Tatsache, dass in allen Titeln auch gesucht und gebrowst werden kann, so als ob die Bibliothek sie besitzten würde. Ein Budget-Risiko besteht für Bibliotheken insofern nicht, da das Budget durch das EBL-Admin-Tool beschränkt werden kann. Der größte Vorteil läge aber darin, dass sich der Kauf eines Titels nach dem tatsächlichen Bedarf richte. Die EBL ist für jeden geeignet. So hätten Titel, die 2000 Studierenden empfohlen worden waren, höchstens 50 Zugriffe erhalten. Besonders populäre titel wären auf ca. 1000 Zugriffe pro Jahr gekommen. 1000 Zugriffe würden 3 Exemplare bedeuten. Damit wäre man bei Print-Exemplaren nicht ausgekommen.

Diese Form des DDA-Ansatzes kann eine gute Ergänzung der Erwerbungspolitik einer Bibliothek darstellen. Sie klingt auf den ersten Blick gut, muss aber auf jeden Fall durch eine bibliothekarische Auswahl ergänzt werden, denn Studierende neigen dazu, sich vor allem für einfach zu rezepierende Bücher zu entscheiden, deutschsprachige Bücher zu verwenden und dabei Spezialtitel, englischsprachige Originale aber außen vor zu lassen.