Zitat unkommentiert

Aus aktuellem Anlass: Ein Zitat zum Welttag der Muttersprache von Havva Engin

Und da müssen wir in Deutschland mal weg von einer Haltung, die auch unter Pädagogen verbreitet ist. Sie lautet: Wenn Eltern nicht vernünftig deutsch können, kann man mit ihnen nicht kooperieren. Das ist Quatsch! Lesekompetenz von Kindern kann man auch in deren Erstsprache fördern. Wenn türkische Eltern schlecht deutsch sprechen, muss man sich fragen, wie man sie in ihrer Muttersprache zum Vorlesen motiviert. Man muss die Potenziale der Eltern erkennen und wertschätzen, damit sie diese für die Entwicklung ihrer Kinder nutzen und ihnen nicht immer nur ihre Defizite vorhalten. […] Mein Lieblingsprojekt kommt aus Kanada: Da werden eingewanderte Mütter schon im Kreißsaal mit Büchern beschenkt – in Englisch und ihrer Herkunftssprache. Eltern von Einjährigen werden zu Lesehappenings in Bibliotheken eingeladen. So wird Eltern nicht nur vermittelt: Lesen ist wichtig. Sondern auch, wie Leseförderung geht. So werden auch Menschen ans Lesen herangeführt, die aus Kulturen kommen, wo das vielleicht keine so große Rolle spielt.”

Havva Engin

[Leseempfehlung] Die Bibliotheksmumie

Da ich bei den Uncoolen BibliothekarInnen über dieses Filmchen vom 25.10.2011 gestolpert bin

möchte ich all jene darauf hinweisen, welche die Halloween-Lecture des BBK letztes Jahr verpasst haben, dass das dazugehörige Büchlein des Eisenhuth-Verlages jetzt käuflich erworben werden kann.

Theorie und Praxis der Bibliotheksmumie

In der überaus reichen Mumienliteratur kommt die Bibliotheksmumie als eigenständiges Phänomen nicht vor. Die diesjährige Halloween-Lecture wird diese empfindliche Lücke der gegenwärtigen Kulturwissenschaft des Morbiden schließen und darüber hinaus dem theoretischen Nachdenken über Sinn und Ziel bibliothekarischer Praxis einige neue und unerwartete Impulse geben.

Eric W. Steinhauer: Theorie und Praxis der Bibliotheksmumie : Überlegungen zur Eschatologie der Bibliothek. – Hagen-Berchum : Eisenhut Verlag, 2012, ca. 100 Seiten, € 12,90, Broschur ISBN 978-3-942090-17-9 (Bibliotope, herausgegeben von Tobias Wimbauer, Band 8 )

Nordhausen hat einen Schatz

Jahrzehnte schlummerte der Schatz im Stadtarchiv1, dabei kann er die Öffentlichkeit zum Staunen bringen. Die historische Sammlung ist vermutlich (durch Kriegswirren des 2. Weltkrieges) nicht mehr vollständig, dennoch geben die vorhandenen Titel eine kostbare Sammlung ab. Die frühsten erfassten Titel stammen aus der Postinkunabelzeit. Insgesamt sind 180 Titel aus dem 16., 170 aus dem 17. und 515 Titel aus dem 18. Jahrhundert erfasst. Häufig enthält ein Band gleich mehrere Titel.

Unter den Schätzchen befinden sich Meisterwerke der Buchdruckerkunst und Einbandgestaltung der Renaissance aus den Druckereien des Aldus Manutius oder Louis Elsevier. Darunter befinden sich mit Pergament bezogene Holzdeckel, mit kunstvollen Initialbuchstaben und Holzschnitten verzierte und mit fein gearbeiteten Kupferschließen versehene Einbände.

Die Bände aus dem Barockzeitalter enthalten Kupferstiche und Goldprägungen. Bei der Gymnasialbibliothek wurden auch inden folgenden Jahrhunderten alle Wissensgebiete erweitert. Unter den Titeln lassen sich die bedeutendsten Werke der europäischen Gelehrtenwelt finden, ua. die wichtigsten Lexika, die geschichtsphilosophischen Werke von Francis Bacon, Hugo Grotius, Descartes, Thomas Hobbes, Pierre Bayle oder Montesquieu sowie wichtigste Arbeiten zur Geschichte der europäischen Staaten, Mathematik2, Astronomie3, Botanik und Medizin4.

Besonders interessant dürfte für die Forschung auch das Werk von Hieronymus Mercurialis (1530-1606) sein, der in den sechs Büchern “De Arte Gymnastica Libri VI” über Kunst der Gymnastik schreibt und welches als das erste illustrierte Buch zum Thema Sport gilt und damit eine der frühesten Quellen zum Sport in der Antike und seiner Weiterentwicklung darstellt.

Auch die Historie der Sammlung ist recht gut bekannt. So stammen die ältesten Exemplare vom Begründer der Stadt- und Lateinschule, Johannes Spangenberg, und sind von den ersten Rektoren, Lehrern und Schülern angekauft, benutzt oder selbst verfasst worden. Weiterhin sind auch Bücher der ehemaligen Ratsbibliothek erhalten geblieben, wobei dort vor allem juristische Werke und Schriften der großen Reformatoren zu finden sind.

Mit einer bibliographischen Erfassung dieser Bücher wurde ein erster Schritt getan, um sie in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit zu rücken, sie vor weiteren Verlusten zu schützen und den teils erschreckenden Zustand vieler Bücher durch eine schrittweise vorzunehmende Restaurierung zu verbessern.

Zudem hofft man mit der Errichtung der KulturBibliothek einen Rahmen zu schaffen, der die Möglichkeiten zur Aufbewahrung, Sicherung und Erhaltung verbessert. Der Grundstein für diese neue Stadtbibliothek wurde September 2011 gelegt. Die Eröffnung des neuen Treffpunkts im Herzen der Stadt soll Herbst 2013 stattfinden.

Durch den Neubau wir die Ausstellungsfläche der Stadtbibliothek von 500 auf 1.613 Quadratmeter erweitert und somit neben der adäquaten Unterbringung des Bestandes und der Nutzung auch die Rückkehr der historisch wertvollen “Himmelgarten-Bibliothek” nach Nordhausen möglich.

Ein entsprechender Vertrag über die Rückkehr der Bibliothek wurde Februar 2011 zwischen der Stadt Nordhausen und der Stadt Wittenberg geschlossen.

Mit beiden Sammlungen würde die Stadtbibliothek über einen historisch sehr wertvollen Bücherschatz verfügen. Hoffentlich werden diese nicht nur gut gepflegt sondern auch in Ausstellungen u.ä. dem interessierten Publikum zugänglich gemacht.

Quelle:
Kuhlbrodt, Peter: Nordhausens verborgener Schatz, Thüringer Allgemeine

  1. Da von Klaus Graf zurecht kritisiert, hier nachgetragen der Link zum Fabian-Handbuch, 20.02.2012 []
  2. Bei den mathematischen Büchern zu finden ist Jacob Kölbels Rechenbuch auf Linien und Ziffern (1531) und das Rechenbuch auf Linien und Ziffern von Adam Ries von 1558 []
  3. Zu den Büchern des Faches Anstronomie gehören u.a.: “Libellus de Sphaera”, von Johannes de Sacrobosco in einer Wittenberger Ausgabe von 1545 und Erasmus Reinholds “Theoricae Novae Planetarum” []
  4. Neben damaligen “Standardwerken” zur Medizin von Hippocrates und Celsus besaß die Bibliothek auch Bücher der frühneuzeitlichen Ärzte Quintus Apollinaris und Tarquinius Schnellenberg oder Valentin Kreutermanns Büchlein “Curieuser und vernünftiger Urin-Arzt” von 1738 []

Fliegen die Brieftauben bald auch in Zürich?

Die Anspielung des Titels bezieht sich auf eine ähnliche Diskussion, die wir hier 2007 im Blog bereits führten, als es um das Verbot des elektronischen Dokumentenversandes bei Subito ging. Inzwischen haben wir uns in Deutschland daran gewöhnt, dass die Dokumente größtenteils nur noch in Papierform ausgehändigt werden.

Nun kommt es rund um den elektronischen Dokumentenlieferdienst der ETH-Bibliothek in der Schweiz wieder zur Diskussion darum, da mehrere Verlage für wissenschaftliche Fachzeitungen sich an dieser wichtigen Dienstleistung stören.

Wolfram Neubauer, Direktor der ETH-Bibliothek hat nun zum Rechtsstreit mit der International Association of Scientific, Technical and Medical Publishers (STM) Stellung bezogen. STM hatte Ende 2011 beim Handelsgericht Zürich eine Klage gegen den Dokumentenlieferdienst der ETH-Bibliothek eingereicht. Die klagenden Veralge sind wie fast nicht anders zu erwarten Elsevier, Springer und Thieme. Diese spielen ähnlich wie der Ulmer-Verlag in der Klage gegen die TU Darmstatdt die Vertreter in einer Art Musterprozess und werden wohl auch finanziell von den anderen Mitgliedern der Association unterstützt werden.

Ziel von STM ist es, den Versand von Scans aus wissenschaftlichen Publikationen durch die ETH-Bibliothek an Kunden innerhalb der Schweiz verbieten zu lassen. Wesentliches Argument hierbei ist die Aussage der Verlagsvertreter, dass die wissenschaftlichen Verlage eigene Dokumentenlieferdienste unterhalten würden, die die Versorgung von Forschung und Entwicklung gleichermassen sicherstellen könnten.

Natürlich wird durch die Klagenden auch generell die Lieferung von Aufsatzkopien in elektronischer Form als ein Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen des Schweizer Urheberrechts angesehen. Die Kopienlieferung wäre somit illegal.

Nun selbstverständlich sieht die ETH Zürich bzw. die Bibliothek die Lieferung dieser elektronischen Kopien durch das Schweizer Urheberrechtsgesetz gedeckt, zumal dei entsprechenden Gebühren an die einschlägige Inkassostelle ProLitteris abgeführt werden. Dabei erbringt die ETH-Bibliothek eine

“innerhalb der geltenden Urheberrechtsbestimmungen für den Forschungsstandort Schweiz (…) sinnvolle Dienstleistung zu akzeptablen finanziellen Bedingungen (…).”

Durch die Klage der Wissenschaftsverlage besteht die Gefahr, dass die Regelung des Art. 19 Abs. 2 des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes, die das auszugsweise Kopieren aus Zeitschriften ausdrücklich erlaubt, unterlaufen wird. Rechtsanwalt Martin Steiger sieht darin einen eindeutigen Standortvorteil des Forschungsplatzes Schweiz im Gegensatz zu Deutschland, wo derartige Kopien verboten sind.

Die inzwischen von einer Reihe von Verlagen aufgebauten eigenen Lieferdienste sind für die entsprechenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unattraktiv, da die Kosten mit ca. 30 Euro pro Artikel drastisch höher als beim Dienst der ETH Zürich der Fall sind und die Nutzung dieser einzelnen Dienste auch unkompfortabler für den Nutzer sind. Hier muss jeder Verlag extra angeschrieben werden, während bei der ETH-Bibliothek nur diese Ansprechpartnerin ist. Der Nutzer muss sich nicht mit unterschiedlichen Preisstrukturen, Lieferbedingungen, Abrechnungsmodalitäten usw. beschäftigen.

Aus Sicht Neubauers ist die

(…) Reaktion der genannten Verlage (…) ein Beispiel dafür, dass die Interessen von Wissenschaft und Forschung hinter jenen der Verlage zurückzustehen haben, da die Argumentation der Verlage bzw. ihrer Vertreter folgende Punkte offensichtlich unberücksichtigt lässt:

  • Mehr oder weniger alle wissenschaftlich relevanten Zeitschriften werden durch die Ergebnisse von öffentlich geförderter Forschung getragen.
  • Die Hauptlast der Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse (also das Peer Reviewing) wird von der Scientific Community erbracht, die Verlage spielen lediglich eine unterstützende Rolle.
  • Die Hauptkunden aller grossen Wissenschaftsverlage sind mit weitem Abstand die wissenschaftlichen Bibliotheken, die wiederum in ihrer überwiegenden Zahl durch öffentliche Förderung getragen werden.

Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht zwischen den Dienstleistungen der ETH-Bibliothek für Wissenschaft und Forschung und den kommerziellen Interessen der Verlage abwägt.

Quellen
Neubauer, Wolfram: Den Verlagen ein Dorn im Auge, ETHlife
Steiger, Martin: Freies Wissen: Verlage verklagen Bibliothek der ETH Zürich, Steiger Legal
Agosti, Donat: Ein Bärendienst an der Forschung, NZZ

[Leseempfehlung] Journal of eScience Librarianship

Journal of eScience Librarianship, Vol. 01 (2012) Issue 1, ISSN: 2161-3974

Es gibt ein neues Open Access-Journal (JESLIB), das schon dem Titel nach sehr viel verspricht, denn es möchte in diesem Bereich Theorie und Praxis zusammenbringen. Mit dieser Zeitschrift möchte man eine sich neu entwickelnde Disziplin und ein neues Arbeitsfeld für Bibliothekare unterstützen.

The Journal of eScience Librarianship is an open access, peer-reviewed journal that advances the theory and practice of librarianship with a special focus on services related to data-driven research in the physical, biological, and medical sciences.

Alle Beiträge stehen unter einer Creative Commons Lizenz (CC BY-NC-SA 3.0).

Overdue, Penguin und wie die Amazon E-Book-Leihe zum Problem wird

Juli letzten Jahres berichtete ich “Amazon wird zum e-Lehrbuch-Verleih“.

In den USA wirbelte nun eine damit verbundene Entscheidung der Verlagsgruppe Penguin, die Geschäftsbeziehung zu OverDrive zu beenden, viel Staub auf. Das bedeutet:

Penguin, which only offered backlist e-book titles for library lending, is terminating its contract with OverDrive, the library digital vendor, and starting February 10 will cease to offer any of its e-books or audiobooks to libraries. Penguin is negotiating a “continuance” agreement that will allow libraries that have already purchased Penguin e-books to continue to loan them.

Das verärgert nicht nur Bibliothekare und sondern auch Autoren der Publikumsverlagsgruppe. Vergangenen Freitag kündigte Penguin OverDrive an, keine E-Books für die bibliothekarische Ausleihe mehr zur Verfügung zu stellen. Diese Entscheidung wurde den Kunden in einer E-Mail begründet.

Überraschung? Nein, denn bereits November letzten Jahres reduzierte Penguin seine Angebote für OverDrive auf E-Books und digitale Hörbücher aus der Backlist. Der Schritt wird unter anderem wie folgt begründet:

For Penguin, that issue was OverDrive’s relationship with Amazon. A 2011 arrangement made library lending possible on the Kindle. Publishers have objected to the library loans being executed through Amazon’s servers — imagine walking into your public library then finding yourself at the Target checkout counter.

Außerdem wurde es Bibliotheksbenutzern mit einem “Kindle” unmöglich gemacht, Bücher von Penguin über ihre Bibliothek auszuleihen. Ganz sieht es so aus, als ob hier Penguin ein Problem mit dem Konkurrenten Amazon auszufechten hat und man dies über die Macht der Bibliotheken und ihrer Zulieferer klären möchte.

Penguin besteht darauf, dass die E-Books aus Sicherheitsbedenken heraus nicht über WLAN auf den Kindle heruntergeladen werden darf. Die Nutzer müssen die Bücher über einen Computer und dann das USB-Kabel auf das entsprechende Kindle-Gerät herunterladen. OverDrive reagierte, aber:

In November, Overdrive briefly suspended Kindle lending for Penguin titles, then restored it on a temporary basis, “until the end of the year.”

Ganz möchte man bei Penguin auf den Bibliotheksdienstleister OverDrive, dessen enge Zusammenarbeit mit Amazon Kindle von Penguin als problematisch erachtet wird, nicht verzichten und verhandelt trotz gekündigtem Verlag weiter. OverDrive muss aber um den Verlagspartner kämpfen, denn die Verlagsgruppe Penguin spricht auch mit anderen Anbietern. Den Bibliotheksmarkt ganz zu verlassen, kommt nicht in Frage.

Vor einem Dreivierteljahr wurde die Kooperation von OverDrive und Amazon als ein wichtiger Schritt angesehen, wenn es um die Zugänglichmachung von E-Medien ging, denn

(…) seitdem können die Nutzer einer städtischen Bibliothek auch E-Books für den Kindle ausleihen. Nach Angaben von Amazon nehmen bereits mehr als 11.000 Bibliotheken in den USA an dem Programm teil.

Vorbehalte gegen dieses Angebot von Amazon im Speziellen und den Verleih von E-Books im Allgemeinen gibt es vor allem seitens der großen Publikumsverlage. So haben sich bereits Verlage wie Simon & Schuster und Macmillan von OverDrive verabschiedet, so dass ihre E-Books vorerst nicht in den amerikanischen Bibliotheken ausleihbar sind. Die Leser werden aufgerufen, sich mit ihrem Protest direkt an die Verlage zu wenden.

Dass die Bibliotheken über die Entscheidungen von Penguin und der anderen Verlage nicht froh sind, ist gut verständlich, da E-Books zunehmend nachgefragt werden und die Zahl der Aggregatoren, über die E-Books für die Bibliotheksausleihe bestellt werden können, nicht sonderlich hoch groß ist.

In den USA laufen entsprechende Verhandlungen auch direkt zwischen der ALA und den Verlegern, um Bibliotheken nicht von der E-Book-Welt abgeschnitten zu sehen.

While publishers and libraries share a common mission to bring authors and readers together, it is also clear that we have some goals that diverge. It is these differences that lead to varying views in the library and publishing worlds of business models and overall short- and long-term strategies.

Offensichtlich werden ensprechende Interessen z.B. bei Elsevier. Dies bring Verlage dazu, ihre Bibliotheksangebote (nachträglich) wieder einzuschränken. Vor wenigen Tagen zeigte Elsevier, dass in dieser Hinsicht bei E-Books noch viel Potential für Verlagseinnahmen liegt, welches man gerne selbst abschöpfen möchte. So versucht der wissenschaftliche Verlag Einnahmen über eine LehrbuchFlat für Studenten zu erzielen. Arm dran die Studierenden, die sich nicht für jeden Verlag eine entsprechende monatliche Flat leisten können.

Mehr dazu:

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