Ständig auf dem Sprung – ein kleiner Überlebensleitfaden (Teil 2)

BibliothekarinOkay, man hat die Zusage für den Job. Wie sollte es nun weitergehen, schließlich stürzt erstmal vieles auf einen ein und nicht immer hat die Bibliothek die perfekte Dokumentation vorliegen, nach der man sich einarbeiten kann.

Bibliotheken besitzen Bibliotheks- und Gebührenordnungen. Die können sich von “Haus” zu “Haus” unterscheiden, selbst wenn die Biblitoheken zu einem System gehören. Aber es gibt auch ungeschriebene Regeln, die zum Teil nur mündlich, d.h. ungeschrieben existieren, z.B. dass in Lesesaal 1 Reden erlaubt ist, während in Lesesaal 2 für Ruhe gesorgt werden muss oder dass man das Handyverbot ignorieren darf, solange der Klingelton auf stumm geschaltet ist. Auch immer wieder wichtig schnell zu wissen im Kundenkontakt: Wofür muss der Bibliotheksausweis als Pfand hinterlassen werden? Welche Daten benötigt man z.B. für einen Internetzugang und welche Regeln gelten dabei für die einzelnen Nutzergruppen? Dürfen Externe z.B. unbegrenzt ins Internet und die abonnierten Online-Medien nutzen? Nach welchen Kriterien werden (Gruppen-)Arbeitsräume vergeben? Was muss man beim Drucken und Kopieren beachten?

Neben den “formalen” Regeln muss man auch ein “Feeling” für seinen Arbeitsplatz bekommen. Lernen Sie Ihre Kollegen und Kollegen sowie deren Aufgaben und Arbeit kennen, damit Sie eruieren, an wen Sie sich mit welchem Problem am besten wenden können. Aber auch die Erwartungen und ihr Verhalten helfen herauszufinden, wie man sich besser in das Team einordnen kann. Die Frage ist: Wie ticken meine Kollegen und Kolleginnen und wie tickt die Bibliothek?
Wann gibt es Hochphasen am Tag, in der Woche, im Jahr. Wie muss ich also planen, anwesend zu sein und meine Aufmerksamkeit auf bestimmte (Alltags-)aufgaben richten, z.B. um mal rasch mit einzuspringen, wenn sich an der Ausleihe Warteschlangen bilden.

Und zum “Feeling” gehört es auch, zu sehen, wie sich die Nutzerschaft zusammensetzt. Gibt es viele Teenager, Rentner, Heimatorscher, Studierende von Austauschprogrammen oder Wissenschaftler? Sozioökonomische Aspekte können ebenfalls wichtig werden, z.B. wenn es um die Anzahl der freien Internetzugänge geht, da nicht jeder in der Gegend einen besitzt, oder die Ausstattung mit Spielen für Konsolen, weil viele eine in der Gegend besitzen. Wie verteilt sich die Demographie der Nutzer und beeinflusst dies die Ansprüche, die an die Bibliothek gestellt werden? Welchen Einfluss hat sie auf das Gefühl, in dieser Bibliothek zu arbeiten?

Relativ schnell sollte man lernen, welche Routinen es in der Bibliothek gibt. Was muss an Arbeiten vor der Öffnung erledigt werden, z.B. Mahnungen ausdrucken, Fernleihbestellungen prüfen, Bücher aus der Rückgabebox verbuchen? Aber auch die Frage ist wichtig. Gibt es einen eigenen Schlüssel, muss man klingeln oder klopfen oder gibt es einen eigenen Eingang für das Bibliothekspersonal. Wo befindet sich die Stempeluhr und wie kommt man überhaupt auf das Gelände der Bibliothek, Uni, Forschungseinrichtung – wo immer man gelandet ist.
Wo kann man seine eigenen Sachen lassen? Hat man ein eigenes Büro, ein Gemeinschaftsbüro oder einen Aufenthaltsraum, der auch abgeschlossen werden kann? Gibt es eine Teeküche und wie ist die ausgestattet? Kann man sich dort etwas aufwärmen oder gibt es einen Imbiss, eine Kantine oder ähnliches, wo auch andere Kollegen und Kolleginnen mittags Essen gehen? Wir wird das mit dem Kaffee gehandhabt? Kocht jeder für sich selbst? Gibt es eine Kaffeekasse dafür oder bringt jeder abwechselnd etwas mit?

Es ist immer gut, wenn man schon ein paar Minuten vor Schichtbeginn da ist – am ersten Tag ruhig noch früher, um selbst erste Fragen beantwortet zu bekommen, bevor die Nutzer kommen. Wichtig zu klären ist es auch, welche Zugangsdaten man benötigt, z.B. für den Rechner, das Internet, die E-Mail und/oder das Telefon. Wenn es um spezielle Passwörter geht, z.B. für Datenbankadministrationsaufgaben oder das Freischalten von Zugängen zu Zeitschriften für Nutzer bzw. Gastlogins von Nutzer, sollte man wissen, wo diese zu finden sind, falls man sie sich nicht gleich merken kann.

Das erste Mal am eigenen Arbeitsplatz sollte man herausfinden und austesten, wie das Telefon(system) funktioniert, um ggf. den Anrufer in eine Warteschleife legen oder an einen kompetenten Ansprechpartner weiterleiten zu können. Gibt es eine Liste mit den wichtigsten Telefonnumern zu den anderen Kollegen und Kolleginnen, dem Wachdienst oder dem Techniker für die Kopierer?
Es ist auch gut zu schauen, ob der Rechner alle benötigten Programme enthält und welche Berechtigungen man hat. Darf man eigene Programme hochladen oder zumindest Updates einspielen oder muss man hier sich an die IT-Abteilung wenden. Werden Updates automatisch eingespielt und gibt es da entsprechende Routinen? Hat man alle Zugänge, z.B. zu den E-Mails oder dem Chatsystem. Auf welche hausinternen Mailinglisten muss man gesetzt werden oder muss man sich für eintragen?

Und es gibt noch so einige Dinge, die man rasch erfragen und lernen sollte.

  • Wie sind die Öffnungszeiten der Bibliothek, welche Standortunterschiede gibt es dabei, ggf. auch Sonderregelungen zu nutzungsintensiven Zeiten. Wie lauten die Postanschrift (ggf. der einzelnenen Standorte), die zentrale E-Mail und die Telefonnummer (auch die neue eigene).
  • Wer hat bei Problemen die Verantwortung für die Bibliothek (zu einer bestimmten Zeit)?
  • Wer betreut mich beim Eingewöhnen? Wer ist mein/e direkte/r Vorgesetzte/r?
  • Wer ist verantwortlich für welche Aufgaben? Wo finde ich heraus, ob und wann sie im Haus sind? Wo sind sie zu bestimmten Zeiten anzutreffen, wenn sie nicht in ihrem Büro/an ihrem Arbeitsplatz sitzen?
  • Wer entscheidet über Praktikanten und Praktikantinnen und die Betreuung ehrenamtlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?
  • Laufen bestimmte Schulungen, Aktionen, Events etc. derzeit in der Bibliothek oder sind in nächster Zeit welche geplant? Wo findet dies statt und ist eine Anmeldung notwendig? Wer organisiert dies?
  • Was muss man tun, wenn man dafür verantwortlich ist, die Bibliothek morgens zu öffnen oder zu schließen? Das betrifft das Licht, die Arlarmanlage, ggf. vorherige Aufräum- und Wegräumaktionen.
  • Wenn es eine Kasse gibt, wie sind dort die Verantwortlichkeiten geregelt?
  • Wie werden intern Informationen weitergegeben? Gibt es regelmäßige Besprechungen? Wenn ja, wann ist die nächste? Gibt es ein internes Blog oder Wiki oder im Intranet ein gemeinsames Verzeichnis?
  • Gibt es einen allgemeinen E-Mail-Account für Nutzeranfragen? Wer ist für die Beantwortung zuständig? Gibt es eine zeitliche oder thematische Aufteilung?

Auch die Frage der Stundenabrechnung ist wichtig. Gibt es Gleitzeit mit Präsenzzeiten? Wie werden die Zeiten verbucht? Was ist bei Krankheit zu beachten (Kulanzzeiten)? Gibt es für bestimmte Dinge einen Korrekturbeleg, z.B. wenn man anfangs noch keine eigene Stempelkarte hat, um seine Arbeitszeit zu verbuchen oder wird das handschriftlich protokolliert? Eine wichtige Frage ist, wie werden die Pausenzeiten gehandhabt? Gibt es bezahlte Pausen oder unbezahlte? Wie sieht es auch sonst mit der Arbeitszeit aus? Wie werden Überstunden gehandhabt und gibt es bestimmte Urlaubsregelungen? Wenn man für den Job umziehen muss, stellt sich natürlich auch die Frage, ob man für den Tag des Umzugs freigestellt wird oder ob man einen Urlaubstag nehmen kann.

Bei Teilzeit stellt sich auch immer die Frage, wie diese Zeit verteilt wird. Soll man jeden Tag kommen? Gibt es bestimmte feste Zeiten dafür? Oder kommt man nur an einigen Tagen, arbeitet dabei aber die volle Stundenzahl? Oder varriieren die Einsatzzeiten nach Bedarf?

Es gibt noch viel mehr an Kleinigkeiten, auf die man achten sollte, die stark vom Selbstverständnis der Bibliothek abhängen. Ist es eine Öffentliche Bibliothek, wo alle Arbeiten dem Nutzer und seinen Bedürfnissen untergeordnet wird? Handelt es sich um eine wissenschaftliche Bibliothek, die vielleicht auch noch überregionale Bedürfnisse (Katalogisierung, Hosting von Datenbanken, Einscannen von Inhaltsverzeichnissen etc.) mitbefriedigt, wo man ggf. auch ganz ohne Nutzerkontakt arbeiten muss? Ist die Bibliothek größer, so dass die eigene Aufgabe stärker spezialisiert ist oder muss man in einer kleinen Bibliothek “alles” beherrschen, um den Service auch im Notfall aufrecht erhalten zu können?

Oh je, das ist natürlich eine Menge, was man da alles lernen muss. Muss ich das tatsächlich alles beachten? Aus Erfahrung heraus gesagt, ergibt sich vieles davon von selbst. Man sollte nur, in dem Moment, wo Ansprechpartner genannt werden, wo Informationen weitergegeben werden, die in das eigene Aufgabenfeld gehören, notfalls ruhig mal Stift und Papier zücken. Später lohnt sich, sofern es das gibt, ein Blick ins interne Wiki oder die Dokumentation. Sollte es das nicht geben, ist es ein guter Zeitpunkt, damit anzufangen. Es erleichtert einem selbst die Arbeit.

Angelehnt an:

Miller, Laura: A Substitute Librarian’s Survival Guide, LIScareer.com – Career Strategies for Librarians

2 Kommentare

  • Dörte Böhner

    Von Heinrich C. Kuhn kamen auf Google+ noch folgende Hinweise:

    1. Versuchen Kontakt mit Vorgänger/in aufzubauen.
    Wenn das geht, ist das super. Im Vorfeld sollte man vielleicht darauf achten, wie derjenige ausgeschieden ist. Nicht immer will er noch Kontakt zu seiner Einrichtung halten, aber ansonsten ist ein Austausch gut. Worauf hat derjenige Wert gelegt bei seinen Aufgaben? Welche Klippen musste er umschiffen (Probleme)? Welche Strategien hat genutzt? Wenn man weiß, wie sein/e Vorgänger/in getickt hat und wie das Team darauf reagiert hat, kann “Gutes” fortsetzen und “Problembehaftetes” eventuell anders angehen. So lässt sich aber ggf. ein Stück (gewünschte) Kontinuität fortsetzen oder vermeiden.

    2. Sich die Zeit nehmen die Akten der letzten paar Jahre durchzugucken.
    Wie funktioniert die Ablage? Welche Fragen/Probleme wurden bereits geklärt? Akten können Auskunft geben über Ansprechpartner, gefundene Lösungen, Arbeitsabläufe, Zeitpunkte, die nicht verpasst werden dürfen, etc. Sie helfen, sich einen guten Überblick zu verschaffen. Gegebenenfalls sollte man sich wichtige Infos notieren (z.B. Ansprech- und Vertragspartner, Zeiten wie Vertragslaufzeiten oder von wiederkehrend zu erfassenden Statistiken).

    3. Keine Scheu zu haben eingefahrene Arbeitsabläufe radikal zu ändern.
    Überprüfen Sie ruhig bestehende Arbeitsabläufe auf ihre Effektivität. Kann es sinnvoll sein, die Abläufe umzustellen, ggf. sogar Arbeitsstrukturen umzuorganisieren? Wenn ja, haben Sie den Mut und setzen Sie es um. Radikal sein, heißt aber nicht die Brechstange auspacken, sondern auf konstruktive Weise Dinge ruhig von grundauf zu ändern und bestehende Strukturen aufzubrechen. Ist es sinnvoll, jedes Buch einzeln mit einem Datum zu versehen bei der Ausleihe? Wird der Service verbessert, wenn eine Erinnerungsmail verschickt, dass die Leihfrist abläuft? Sind Schulungen, die angeboten werden, inhaltlich und didaktischen Gesichtspunkten noch uptodate? Schlachten Sie heilige Kühe, wie das Trink- und Essverbot in der Bibliothek. 😉

    4. Gucken ob man nicht Sachen die Vorgänger/in getan hat ungetan lassen kann ohne dass es zu großen Aufständen kommt. 
    Das hat sehr stark mit Punkt drei zu tun. Verschaffen Sie sich einen guten Überblick über Ihre Aufgaben und ihre Auswirkungen auf den Bibliotheksbetrieb. Muss eine doppelte Ablage geschehen, z.B. elektronisch und dann nochmal in Papierform? Ist es notwendig, dass Sie die Blumen in der ganzen Bibliothek gießen oder kann da nicht jeder aus dem Team mitwirken, zumal wenn Sie keinen grünen Daumen besitzen? Müssen veraltete Linklisten weiter gepflegt werden, nur weil Ihre Vorgänger und die Kollegen davon überzeugt waren?

    Und dann setze ich hinzu:
    Wagen Sie Neues.
    Was fehlt an Services? Sind Social Media-Angebote sinnvoll für die Bibliothek? Ist es eine gute Ergänzung der Services für die Nutzer, z.B. ein Repositorium aufzubauen? Ist eine Bücherrückgabebox etwas, was man anbieten sollte? Wäre eine Buchtauschbörse interessant? Bringen Sie etwas in die Bibliothek und das Kollegium ein, für das Sie sich selbst begeistern können und was Ihnen hilft und die Motivation erhält, langweiligere Standardaufgaben auf der anderen Seite mit zu erledigen.

    Ergänzungen, Anmerkungen, Anregungen sind jederzeit Willkommen.

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