Warum ich einige Bibliotheken mit Onleihe zum Kotzen finde …

Es tut mir Leid, dass ich das so sagen muss, aber die Onleihe und ich werden nie Freunde. Die Onleihe verkauft als defacto-Monopolist ein veraltetes Geschäftsmodell als Erfolg – durch Adobe-DRM unbrauchbar gemachte Bücher werden Bibliotheken für schweineteures Geld angeboten und somit schon mal ein finanzielles Zugangsproblem geschaffen, welches dazu führt, dass Bibliotheken die Digitale Kluft weiterhin verstärken statt zu entschärfen. Und die Bibliotheken lizensieren als ob es kein Morgen und vor allem keine anderen (genauso schlechten) Anbieter gibt, nur um dann toll tönen zu können, dass sie E-Books im Angebot haben. Geschenkt, das ist so und die Macht der Marke reißt eben mit.

Und dann heute die Nachricht, dass die Onleihe zur Verkaufsplattform wird. Na gut, möchte man meinen. Kommt halt jetzt noch ein Kaufbutton dazu (schulterzuck). Bibliotheken werden eben auch eCommerce-Anbieter, wie der Buchreport so schön titelt. Da hofft man bei der Divibib und der ekz wohl, das man mit dem schlechten Angebot (Buch ist ausgeliehen, konnte nicht zuende gelesen werden u.a. Gründe), das große Geschäft macht. Irgendwo denke ich, gibt es einen Fehler im System bei elektronischen Medien, wenn Dr. Jörg Meyer, Geschäftsführer der divibib-Mutter ekz.bibliotheksservice GmbH, das als Erfolg1 verkauft:

„Allein im Jahr 2013 hatten wir bei acht Millionen Gesamtausleihen in der Onleihe mehr als 1,5 Millionen Vormerkungen.“

Und nein, ich finde es von den Bibliotheken, die sich da an der Pilotphase beteiligen, nicht in Ordnung, dass sie sich dafür zur Verfügung stellen. Liebe Stadtbüchereien Düsseldorf, Hamburger Öffentlichen Bücherhallen und liebe Bibliotheken des Onleihe-Verbunds Oberlausitz, warum lassen Sie sich so vor den Karren der ekz spannen und sorgen nicht dafür, dass wenigsten in gewisser Weise noch eine Wahlfreiheit für Ihre Nutzer bleibt? Warum lassen Sie zu, dass Ihre Angebote kommerzialisiert werden? Ist der Bibliotheksnutzer bereits gedanklich soweit zum Kunden geworden, dass er Geld ausgeben soll, damit Ihr Angebot besser aussieht? Das ist aus meiner Sicht nicht mehr Service, sondern der falsche Weg. Verbessern Sie Ihr E-Book-Angebot, in dem Sie die Lizenzbedingungen angehen. Ideen, was man da machen könnte, gibt es viele. Ca 2000 Bibliotheken sind der Onleihe verfallen? Warum setzen Sie nicht auf diese Masse, um Dinge in Bewegung zu bringen?

Ach ja, man kann schnell vergessen, um was es geht, wenn man für jedes verkaufte E-Book Provision bekommt, oder? Wird das Angebot dann nicht noch schlechter, weil gar kein Interesse mehr besteht, Bücher zu verleihen? Werden Sie zum Buchhändler, abhängig von einem Kaufanbieter – in diesem Fall Sofortwelten.de2, der Ihnen irgendwann die Provisionen kürzt und zunehmend Sortiment und Angebotskonditionen bestimmt? Wird Ihr „Ausleihangebot“ so gestaltet, dass möglichst viel verkauft wird, um Provisionen einzustreichen? Für was wird das Geld dann ausgegeben? Für die Finanzierung einer immer teuerer werdenden Verkaufsplattform?

„Mit dem Kaufbutton wollen wir nicht nur bekräftigen, dass von digitalen Ausleihplattformen auch Kaufanreize ausgehen, wie es schon mehrfach in internationalen Studien belegt wurde, sondern auch konkrete Kaufvorgänge ausgelöst werden“, so Meyer weiter.

Liebe Bibliotheken, nochmal: Sie verbessern damit nicht Ihren Service für Bibliotheksnutzer, sondern verschlechtern ihn! Bibliotheken waren für mich immer etwas Kommerzfreies, wo ich mich hinbewegen konnte, ohne mehr als meine Jahresgebühr auszugeben, wo ich die Sicherheit hatte, dass ich nicht zufällig Geld ausgebe, das nicht eingeplant war, weil, wenn ich etwas entdeckt hatte, konnte ich es mir leihen. Mag der Verkaufsbutton jetzt vielleicht noch klein sein … – nur wie lange bleibt das so?

Jürgen Plieninger zeigt deutlich, dass wir uns das im realen Leben nicht vorstellen könnten.

Wenn ein Buch ausgeliehen wird, kommt eine örtliche Buchhandlung und stellt einen Stellvertreter ein, auf dem dafür geworben wird, doch das Buch zu kaufen, anstatt zu warten, bis es wieder im Regal auftaucht. Vielleicht gibt es auf diesem Stellvertreter auch noch eien [sic!] Aufkleber, die in grellen Farben zeigen, wie oft das Buch bereits vorbestellt ist, um einen größeren Kaufanreitz zu setzen. Das wäre gut für die Bibliothek, denn sie bekäme eine Provision, falls die Leser/die Leserin das Buch kauft. Und daran ist ja auch nichts schief, es wird ja niemand gezwungen zu kaufen, der Kunde ist König und hat Entscheidungsfreiheit.

Und ganz ehrlich liebe Bibliotheken, Sie setzen mit so einem Verkaufsbutton kein „Zeichen der Verbundenheit mit der Buch- und Verlagsbranche“. Wo bleiben Ihre lokalen Buchhändler? Wer so bei der ekz am Schlauch hängt, tut nix für die lokale Buchwirtschaft3 und macht sich auf Dauer genauso abhängig wie die Kunden von Amazon, die aber i.d.R. wenigstens wissen, dass sie sich da in ein bequemes Abhängigkeitsverhältnis begeben. Das sehen Ihre „Kunden“ nämlich nicht. Liebe Bibliotheken, Sie haben einen Ruf zu verlieren und setzen zur Zeit alles daran, das zu tun. Was passiert, wenn wie versprochen dann andere Anbieter hinzu kommen? Muss da für jeden Anbieter ein entsprechend eigener Verkaufsbutton eingeblendet werden?

Ich finde das scheinheilige Angebot der Onleihe zum Kotzen und auch das offensichtlich immer mehr im Kundenbegriff denkende Bibliothekswesen, dass sich auf sowas einlässt! Hier wird etwas als „Win-Win-Situation“ verkauft, was nur einen Gewinner kennt und einen großen Verlierer. Und diese Verlierer werden Öffentliche Bibliotheken sein, die in direkte Konkurrenz zu anderen Online-Buchhändlern treten, die ihren gesetzlich implizierten Auftrag verlassen. Sie zeigen damit deutlich, dass Öffentliche Bibliotheken in einer sich digitalisierenden Welt überflüssig werden4, wenn es darum geht, jedermann einen Zugang zu Informationen zu ermöglichen, um am Geschehen in der Gesellschaft teilhaben zu können. Offensichtlich ist dies ein Punkt, bei dem Bibliotheken nicht sehen wollen, dass sie sehenden Auges ihren eigenen Fortbestand gefährden.

[Update]
Es geht schon los. Der Börsenverein sieht Probleme bei den Provisionszahlungen. Da hat der Protest seitens der Vertreter der Verlage und des Buchhandels nicht all zu lange auf sich warten lassen und der Ton wird vermutlich noch ein wenig härter werden, als er jetzt ist.

[Update]
Hier nochmal eine etwas sachlichere Auseinandersetzung von mir hier im Blog:
Onleihe, Kaufbutton, Bibliotheken

Quellen:
Onleihe führt Kaufbutton ein, Onleihe Blog
EKZ bietet Onleihe-Kunden Kauf-Option an: Bibliotheken bauen E-Commerce aus, Buchreport.de
Plieninger, Jürgen: Ein Verkaufsbutton bei der Onleihe?, Netbib
Haupt, Johannes: E-Book-Verleih Onleihe bekommt Kaufen-Option, Lesen.net

  1. Warum konnten nicht 100% positiv abgedeckt werden? Wir sprechen hier von elektronischen Medien, die nicht physisch irgendwo vorliegen. Es gibt genug Lizenzmodelle, die genau das ermöglichen könnten. []
  2. Tochterfirma der ekz []
  3. Ach ja, die lokale Buchwirtschaft ist lokal und verfügt ja leider i.d.R. über kein eigenes Verkaufsportal. Auch da ist man also auf das Angebot von Marktriesen angewiesen. Hm, wie laut würde die deutsche Buch- und Verlagsbranche aufheulen, wenn Bibliotheken da auf Amazon verweisen würden, so in der Art: Sie besitzen einen Kindle und können daher das Angebot unserer Onleihe nicht nutzen? Hier können Sie das Buch für Ihren Kindle bei Amazon erwerben. []
  4. Lesen Sie bitte auch die Kommentare zu diesem Beitrag vom Mai 2014. Das „Erfolgsmodell Onleihe“ ist im Grunde eine teure Mogelpackung für Bibliotheken. []

32 Kommentare

  • Pingback: Die Onleihe als Verkaufsplattform | schneeschmelze | texte

  • Ich könnte solchen Diensten auch nur dann was Positives abgewinnen, wenn die Urheber von ihnen profitieren würden. Tun sie aber nicht. Gut gebrüllt, gefiel mir sehr, das Posting.

    • Dörte Böhner

      Das ist noch ein weiterer Aspekt, dem man irgendwie nicht immer genug Aufmerksamkeit beimisst. Die Onleihe selbst spricht auch immer nur von den Verlagen, die nicht bereit sind, ihre Werke der Onleihe zur Verfügung zu stellen. Ob das im Interesse der Autoren ist, denen durch die Verlage viel Angst gemacht wird, wage ich (mehr als nur) manchmal zu bezweifeln. Es geht in all den Dingen immer nur um die Interessen der Verlage, nicht jedoch die der Autoren und ihrer Leser. Aber das ist wohl eine neue Diskussion rund um die Onleihe und E-Book-Angebote in (Öffentlichen) Bibliotheken.

  • Pingback: Fachliches Versagen oder bewusst schädigendes Verhalten |

  • Georg

    Meine Bibliothek macht demnach noch nicht am Test des Kauf-Buttons mit…wie habe ich mir das vorzustellen? Einfach ein Button neben dem Buch? Wer bekommt die Provision? Profitiert die Bibliothek und kann davon Bücher kaufen? Ist die Auszahlung an die Autoren überdurchschnittlich? Eine gemeinnützige, städtische oder Uni-Bibliothek sollte zumindest darauf bestehen!

    Oder schlimmer: Bekomme ich nach Ablauf der Leihe eine Meldung der Art: Keine Verlängerung mehr möglich. Wollen Sie die verbliebenen xyz Seiten für #foo Euro kaufen? Diese DRM-Systeme sind ja wie Viren, da ist alles möglich.

    Ach ja, noch eine Frage: Wie wurden hier die Fußnoten softwareseitig gelöst? Wurden dafür bestimmte WP-Plugins eingesetzt? Ich finde es sehr elegant gemacht, wieso bin ich nie auf die Idee gekommen? Irgendwie erwartet man Fußnoten bei Büchern eher als im Netz. :peinlich:

  • Dörte Böhner

    Hallo Georg,

    wenn ein E-Book oder Hörbuch „entliehen“ oder vorgemerkt ist, so dass Sie es nicht mehr zuende lesen können, erhalten Sie laut dem, was ich gelesen habe, einen Link bei der Anzeige des Buches eingeblendet, über den Sie das Buch erwerben können. Die Provision für den Kauf geht dann an Ihre Bibliothek. Die Beteiligung der Autoren wird durch die Verlage wahrgenommen und die VG-Wort. Die Bibliothek führt für jedes verliehene Buch eine Pauschale an die Verwertungsgesellschaft ab, die daraus pauschal nach einem bestimmten Schlüssel Verlage und Autoren beteiligt. Bibliotheken jedweder Art haben leider nicht die Macht und – wenn Sie an kleine Bibliotheken denken – auch nicht die finanzielle Ausstattung, um für Sonderkonditionen für Autoren zu sorgen. Die müssen das im Vorfeld geschickt über den Autorenvertrag mit dem Verlag verhandeln.
    Das DRM-System hat wenig mit der Verkaufsoption zu tun, sondern sorgt durch technische Maßnahmen, die nicht umgangen werden dürfen, für die künstliche Verknappung der digitalen Datei. Dass dadurch die Nutzung der Bücher nicht sehr kompfortabel ist, ist ein Nebenprodukt, von dem wir nicht wissen, ob das nicht sogar gewollt ist. Es gibt zunehmend eher forensisches DRM, dass Sie nicht bemerken, z.B. eine Einlagerung einer Nummer oder ähnlichem in Ihre Datei, so dass sich zurückverfolgen lässt, dass Sie und niemand anderes die Originaldatei erworben haben.

    Zum PlugIn für die Fußnoten: Da setzen wir WP-Footnotes ein. Es hat jedoch einen Fehler. Wer Fußnoten einfügen möchte, kann dies direkt hinter der Stelle mit Fußnotentext tun, aber bearbeitet werden muss der Text dazu im HTML-Editor. Im anderen Editor funktioniert die Auszeichnung nicht und wenn man zwischen beiden Editoren hin- und her wechselt, löscht dieser visuelle Editor die gemachte Auszeichnung.

  • Ich habe gewisse – juristische – Vorstellungen, wem die Bibliothek gehört. Und ich habe gewisse Vorstellungen, ob die Frage „Provision und wohin sie fließt“ in die Entscheidungskompetenz der Bibliothek fällt. Ulkige Idee, den Kostenträger nicht mit einbeziehen zu wollen…

    • Dörte Böhner

      Hi Susanne,

      ich fürchte, die Provision landet im Stadtsäckelchen und wird dort herzlich Willkommen geheißen, um irgendwelche Löcher zu stopfen, wenn sie nicht zu gering ausfällt. Über die Höhe stand ja nix in der Presseerklärung. Ob die entsprechenden Bibliotheken allerdings weiter gedacht haben, als ihren „Kunden“ einen „tollen Service“ anzubieten und nebenbei sich noch eine „kleine Einnahmequelle “ $_$ zu eröffnen, weiß ich nicht. Leider habe ich auch noch keine Stellungnahme weder seitens der Verbände, der Büchereizentralen noch der teilnehmenden Bibliotheken gelesen. Ich bin zumindest gespannt auf die Antwort der Ethikkommission des DBV zu der Einreichung von DonBib. Achtung Ironie: Und so wird der Kostenfaktor Bibliothek Dank Kaufbutton der Onleihe vielleicht doch endlich zu einer erträglichen Einnahmequelle … :ruhig:

      • Liebe Dörte,

        der Vertragspartner der DiViBib GmbH ist der Träger der Bibliothek. Hat den jemand gefragt? Oder machen wir das einfach so…? Und wollen wir wetten, dass die Provision nicht ausbezahlt wird, sondern einem Budget bei der DiViBib gut geschrieben wird? Und damit wird es nur noch schlimmer 🙂

        Was unterscheidet die Bibliotheken mit Ihrem eBook Angebot da noch von Amazon? Bei Amazon geht es einfacher, größere Auswahl an eBooks und es läuft auf 75% aller eBook-Reader (das entspricht m.E. etwa dem Marktanteil des Kindle)

        Die „Vision“ von Herrn Ulmer ist doch keine Vision von Bibliotheken, sondern bei Amazon schon annähernd Realität.

        Aber das ist alles nicht überraschend, nur verteufelt.

        Zum Kotzen finde ich diesen Onleihe Schachzug eigentlich nicht – er war doch seit dem Erwerb von soforthoeren http://de.wikipedia.org/wiki/Diderot_Media zu erwarten.
        Merkwürdig finde ich allenfalls, dass Bibliothekare nach wie vor überrascht sind, wenn sich herausstellt, dass die ekz ein ganz normales Unternehmen ist – und nicht die Heilsbringerin des Bibliothekswesens. Und noch merkwürdiger finde ich, wie viele Bibliothekare dennoch darauf beharren und alle Zeichen an der Wand ignorieren.

        Aber wahrscheinlich ist es für das eigene Seelenheil netter, wenn man das Budget bei einem Heilsbringer in den Klingelbeutel wirft als bei einem Geschäftspartner, der doch nur Profit machen möchte 😉

        Cheerio
        Susanne

        • Dörte Böhner

          Hi Susanne,
          das ist mir im Laufe der Diskussion auch klar geworden, dass mich eigentlich mehr das Verhalten der KollegInnen verärgert, die sich ob mit oder ohne Träger darauf eingelassen haben, als das geschäftsmäßige Verfahren der DiViBib Onleihe. Da verärgert mich eher, dass sie zwar ganz offensichtlich geschäftliche Interessen vertreten (berechtigt), dies aber mit so einem netten Mäntelchen einer Win-Win-Situation für beide Seiten verkleidet. Und wie Lemminge beginnen sich die Bibliotheken nun über die Klippe zu stürzen …
          Leider trinke ich keinen Alkohol, um mir das Ganze mit einem Weichzeichner angenehm zu trinken…

          LG,
          Dörte

  • Matthias Ulmer

    Liebe Frau Böhner, Es wird immer wieder vom Bibliotheksvertretern behauptet, dass das Ausleihen von Büchern nicht den Kauf substituiert, sondern dass Ausleihen direkt zu Käufen führt. Auch bei E-Books wird das jetzt wieder vorgetragen. Wenn es stimmt, dann ist es gegenüber den Nutzern ja ein Serviceangebot, dass ihnen die Option im Bibliothekskatalog geboten wird.

    Wenn Onlinebuchhandlungen bei jedem Titel neben unterschiedlichen Formaten auch Kauf und Leihoptionen nebeneinander stellen, dann sehe ich beim Kaufbutton nur einen parallelen Service. Irgendwann wird der Bibliothekskatalog die print- und digital-Ausleihe kombinieren, dann hat der Leser einen zentralen Katalog, der den Buchbestand, die Fernleihe, die Onleihe, den Zugriff auf die Deutsche Digitale Bibliothek und das Angebot des kommerziellen Buchhandels integriert. Dann kann die Webseite der Bibliothek für ihre Nutzer wirklich die Funktion von Amazon übernehmen, erste Anlaufstation für eine Information über das Buchangebot zu werden. Ob das so kommt, das kann man in Frage stellen. Aber den Weg dazu sollte man sich auch nicht ideologisch verbauen.

    Wenn es einmal zehn verschiedene Anbieter digitaler Leihsysteme für Bibliotheken gibt, dann kann bei jeder ein regionaler Buchhändler vorstellig werden und sich um den Link bewerben. Dann ist die Rückvergütung ein Baustein in der gesamten Lieferantenbeziehung zwischen Bibliothek und Buchhändler. Auch da finde ich fault niemandem die Hand ab, wenn er das zulässt.

    Ich habe mich selbst sehr beim Bibliotheksverband und bei der Divibib um ein alternatives System zur Onleihe bemüht. Aber es gibt aktuell schlicht keinen Bedarf. Die Onleihe ermöglicht es, die Nutzer mit der digitalen Ausleihe vertraut zu machen und Erfahrungen zu sammeln. Mit der Erweiterung des Modells ist auch die Zahl der Zugriffe je Titel flexibler geworden. Das von mir vorgeschlagene vollständig offene System scheitert an der fehlenden Berechenbarkeit der entstehenden Kosten. In ein paar Jahren ist das ausgereift, der Markt stabil und gesättigt und es wird berechenbarer sein, dann sind auch offenere Lösungen möglich.

    Und noch ein letztes zur immer wieder kolportierten Behauptung, Verlage würden sich gegenüber der Onleihe sperren. Die 160.000 Titel im Angebot der Onleihe sind eine ganze Menge in Relation zu den 22.000 E-Books die die Hamburger Bücherhalle als größte Onleihe in Deutschland anbietet. Da kann der Katalog für die Nutzer noch gewaltig erweitert werden, bevor man über die Not klagen muss, dass Verlage Titel nicht frei geben. Ja, es fehlen zwei wichtige Verlagsgruppen. Aber auch die sperren sich nicht, sondern sie verhandeln seit langem mit der Divibib und soweit ich weiß besteht das Bremsen nicht auf Seiten der Verlage.

  • Dörte Böhner

    Lieber Herr Ulmer,

    Ihr Argument für den Kaufbutton ist also, dass Verlage ein Messinstrument benötigen, anhand dessen Sie sehen, wie sich aus den „ausgeliehenen“ Büchern Käufe für Sie entwickeln? Da kann man ja stattdessen einen Button einfügen: Dieses Buch würde ich kaufen, lieber Verlag. Ich für meinen Teil sehe Bibliotheken nicht in der Aufgabe, ein Marketinginstrument für Verlagsverkäufe zu werden.
    Und jedes Service-Angebot hat Grenzen – die Überschreitung der grundsätzlichen Idee einer Öffentlichen Bibliothek als nicht-kommerzieller Ort/Treffpunkt ist für mich so eine. Und mit dem Angebot eines Kaufbuttons in dieser Art durch Bibliotheken überschreitet diese Grenzen innerhalb des Selbstverständnisses von Bibliotheken, denn aus meiner Sicht gilt das, was für die Bibliothek als realer Ort gilt auch für die virtuelle Seite von Bibliothek. Der Onleihe, die mit ihren Töchterunternehmen nur verkaufen will, sei das Angebot so einer Option jederzeit belassen, wobei eben gerade bei der Presseerklärung im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine gewisse Scheinheiligkeit meines Erachtens nicht zu übersehen ist.

    Meine Hauptkritik richtet sich sehr deutlich an die teilnehmenden Bibliotheken, die hier einen Paradigmenwechsel einläuten, ohne dabei ihre Fachkollegen mit einzubeziehen und die Folgen genauer zu bedenken. Das parallele Angebot von „Leihe“ und Verkaufsangebot ist in auf gewinnausgerichteten Plattformen von Online-Buchhändlern sicherlich ein verkaufsförderndes Argument. Aber Verkaufsförderung ist nicht Aufgabe der Bibliotheken, im Gegenteil. Die sollen für jedermann den Zugang zu Informationen ermöglichen, unabhängig vom leeren oder gefüllten Geldbeutel. Dass Ihre Verlegersicht hier anders ist, gewinnoptimiert, ist klar.

    Irgendwann wird der Bibliothekskatalog die print- und digital-Ausleihe kombinieren, dann hat der Leser einen zentralen Katalog, der den Buchbestand, die Fernleihe, die Onleihe, den Zugriff auf die Deutsche Digitale Bibliothek und das Angebot des kommerziellen Buchhandels integriert.

    Gilt das dann auch für den Buchhandel, der sagen wird: Und wenn Sie sich das Buch und damit den Zugang zu dieser Information nicht leisten können, erhalten Sie diesen in Ihrer örtlichen Bibliothek? Mit Klick auf diesen Button, können Sie dort das Buch kostenlos bestellen. Ich glaube eher nicht. Oder verbauen Sie sich dieser ideologischen Idee?

    Wenn es einmal zehn verschiedene Anbieter digitaler Leihsysteme für Bibliotheken gibt, dann kann bei jeder ein regionaler Buchhändler vorstellig werden und sich um den Link bewerben. Dann ist die Rückvergütung ein Baustein in der gesamten Lieferantenbeziehung zwischen Bibliothek und Buchhändler. Auch da finde ich fault niemandem die Hand ab, wenn er das zulässt.

    Hm, wenn es mal überhaupt drei vernünftige funktionierende Anbieter zum lizenzieren von Büchern gäbe, dann würde es Konkurrenz auf dem Markt geben und Bibliotheken könnten wählen. Dann würden vielleicht auch Buchhandlungen auf die Idee kommen, sich bei den Bibliotheken zu bewerben … Wenn da nur nicht das Wörtchen wenn wäre und diese eventuell auch falschen Machtvorstellungen … Diese Wenn-Liedchen und -Spielchen kann man aus verschiedenen Blickwinkeln spielen. Und wenn da nicht diese für mich faszinierende Vorstellung wäre, dass es noch einen Ort gibt, ob analog oder digital, wo ich hingehen kann, ohne dass jemand Geld von mir will …

    Mit der Onleihe sind Markenträume wahrgeworden. Wie hätte ein alternatives System ausgesehen? Noch marktorientierter? Noch divergenter zu grundlegenden Einstellungen von Bibliotheken? Werbungfinanzierte Literatur im Online-Bereich? Ich weiß, es tut sich in Bezug auf Lizenzen bei der Onleihe zur Zeit einiges. Und das geht an vielen Stellen in eine Richtung, die passender für eine digitale Welt ist und sich ein wenig von der analogen Welt verabschiedet. Dies ist sicherlich eine genauere Betrachtung auch durch die Büchereizentralen und Onleihe-Konsortien wert. Doch wie will man Erfahrungen sammeln, wenn man keinen Mut zum Ausprobieren vielleicht auch ganz radikaler Ideen hat? Da straucheln Bibliotheken dann aber auch oft genug durch starre Budgets, die man nicht an der einen Stelle streichen kann, um an anderer Stelle zu experimentieren. Ich weiß, dass es Zeit benötigt auf beiden Seiten und dennoch werden die Onleihe und ich in der momentanen Situation keine Freunde.

    Dass Verlage inzwischen einsehen, dass sie Teil eines E-Books-Geschäfts werden müssen, glaube ich Ihnen. Wenn der Gewinn stimmt, sind sie gerne mit dabei. Und schön, dass die Hamburger Bücherhallen als größter Onleihe-Teilnehmer 22.000 Titel in den Katalog übernehmen kann und anbieten kann. Im Vergleich zu anderen Bibliotheken steht da auch eine Masse an Geld dahinter. Aber auch sie können/wollen eben nicht das ganze Angebot der Onleihe finanzieren. Das muss ja auch nicht sein, nur schafft eben die finanzielle Schere bei der Ausstattung von Bibliotheken andere Probleme, denen das deutsche Bibliothekswesen her werden muss und da dürfen im Sinne einer guten Informationsversorgung aller Einwohner von Städten und Kommunen in Deutschland, Marktgesetze nicht die Oberhand gewinnen, denn die finanziell Schwachen fallen an der Stelle sowieso oft genug hinunter.

    Warum das Wider gegen den Kaufbutton? Verlage/Buchhandel können anbieten, was sie möchten. Bibliotheken müssen allerdings sich klarmachen, was ihre vorrangige Aufgabe ist. Und die ist es unter Garantie nicht, Verkaufskanal zu sein …

    • Matthias Ulmer

      Liebe Frau Böhner, mir geht es nicht um einen Messparameter. Das ist nicht messbar und Sie wissen ja, dass Verlage Bibliotheken immer unterstützt haben, weil sie die Leseförderung als wichtig erachten, auch ohne Messbutton. Ich frage mich nur, warum man sich jetzt so echauffiert, wenn tatsächlich auch bei einem Bibliotheksnutzer ein Kaufanreiz umsetzbar wird. Ja, Verkaufsförderung ist nicht Aufgabe der Bibliothek. Aber ist denn die Verhinderung von Verkaufsförderung die Aufgabe? Und gibt es zwischen beiden Polen nichts? Wenn ich Ihre Argumentation verfolge, dann kommt es mir so vor als wäre die Mission der Bibliothek möglichst viele Lesewünsche kostenlos zu befriedigen und so vor dem Kommerz zu retten. Für eine produktive Partnerschaft zwischen Bibliotheken und Verlagen im Sinne eines gemeinsamen Ziels kommt mir das seltsam verkrampft vor. Mit der Ausleihe von E-Books von zu Hause aus ist für den Buchhandel etwas entstanden, was ihm Angst macht. Man kann das zu verstehen versuchen und dann eine gemeinsame Position finden, in der die Partnerschaft tatsächlich zum Ausleihbutton auf der Buchhandelsseite führt.

      Das von mir vorgeschlagene Modell bestand darin, dass einer Bibliothek die Gesamtheit des E-Book Angebots im Haus zur Verfügung steht, kostenlos, und dann jede Ausleihe einen Betrag X kostet. Dieser Betrag würde etwa dem bisherigen Anschaffungsetat dividiert durch die Zahl der Ausleihen entsprechen. Wenn ein gekauftes Buch im Schnitt 10 Mal ausgeliehen wird, dann betragen die Kosten ja auch effektiv ein Zehntel der Anschaffungskosten. Übertragen aufs E-Book hätte das den Vorteil, dass ein selten gefragtes Buch auch nur mit geringen Kosten für die Nuzung zu Buche schlägt und nicht Werke gekauft werden, die keiner je liest. Es gäbe auch keine Begrenzung der Zahl an Parallelen Ausleihen. Bei zu großem Erfolg müsste eine Kommune das Angebot deckeln, dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Insgesamt würde man mit einem solchen System die Bibliotheksbudgets aber steigern können, weil man den echten Nutzen gut kommunizieren kann. Auch das, die Steigerung der Bibliotheksetats, wäre eine sinnvolle Aufgabe der gemeinsamen Lobbyarbeit. Im derzeitigen ideologischen Konflikt geht Ihnen der Partner dafür verloren.

      Wir im Buchhandel und Sie in den Bibliotheken diskutieren viel über unsere Zukunft. Ich sehe die in einem engen Miteinander, in einem gemeinsamen Auftrag zur Verbreitung von Literatur, zur Förderung der Lesefähigkeit, zur Pflege der buchaffinen Teile der Gesellschaft, in einem Dreieck zwischen Buchhandel, Bibliothek und Bildungseinrichtungen. Ideologische Blockaden halte ich nicht für hilfreich.

  • Tilda

    Sehr geehrte Frau Böhner.

    Als berufliche wie private Vielleserin und als überwiegend berufliche Bibliotheksbenutzerin sah ich nach der Erstankündigung eher die Komfortfunktion, habe den Kopf schief gelegt und mich still gefreut.

    Erst der zweite Blick auf Folgen und Abläufe dieses Kaufknopfs macht den Konflikt klar. Vielen Dank, Frau Böhner, dass Sie uns hier die Augen öffnen!

    Fair wäre diese Option nur dann, wenn einerseits jederzeit beliebig viele Exemplare ausgeliehen werden können. Übrigens, bei der Entlehnung sehe ich die DRM-Verstümmelung der Bücher nicht so schlimm – stört nicht. Und fair wäre andererseits, wie Sie oben schreiben, wenn dann die Shops neben der Kauf- auch die Entlehnoption anböten.

    Während meiner Schulzeit habe ich die überwiegende Zahl meines Lesestoffs aus der öffentlichen Bibliothek bezogen. Diese Anzahl Bücher hätte ich mir nie und nimmer leisten können. Jedoch wurde ich so zur gerne-und-viel-Leserin. Ohne öffentliche Bibliothek wäre das nicht passiert.

    Inzwischen kaufe ich meinen privaten Lesestoff. Vielleicht können auch die besorgtesten Verlage einen Blick so weit in die Zukunft wagen, zu sehen, woher ein guter Teil ihrer künftigen Kunden kommen könnte.

    • Dörte Böhner

      Hallo Tilda,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Die Onleihe ist schon recht kompfortabel, wenn man erstmal so weit ist, dass alles eingerichtet ist. Der Nachteil dieser „DRM-Verstümmelung“ der Onleihe liegt darin, dass Sie das Ganze nur für eine bestimmte Zeit ausleihen können (es sei denn, man kennt die Tricks, wie man trotzdem das Buch zuende lesen kann) und sie mit Ihrem elektronischen Buch weniger machen können als mit dem gedruckten Exemplar. Was spricht gegen eine Ausleihe von nur einem Exemplar pro Monat, wenn aber dafür derjenige, der es liest entweder aktiv zurück geben kann, weil es ihm nicht gefällt und der nächste bekommt es, bzw. er kann es in seinem Lesetempo zuende lesen, auch wenn schon der nächste das Exemplar des Monats ausleihen darf.

      Zu der Entlehnoption der Shops: Vermutlich wird da eine Mietoption draus. Sie können z.B. das Buch für die Hälfte des Preises für vier Wochen mieten oder eben zum vollen Preis auf unbegrenzte Zeit lizenzieren. Geld will der Verlag an der Stelle auf jeden Fall machen. Die Idee gab es schon mit Libreka und hat Libreka nicht gerettet.

      Ich war auch viele Jahre lang Powerleserin einer öffentlichen Bibliothek und bin auch durch die begeisternde Bibliothekarin zu einer Vielleserin geworden (derzeit im Minimum 5-6 Bücher im Monat). Heute bin ich leider keine passionierte Bibliotheksbenutzerin mehr, weil durch Umzüge und Öffnungszeiten von ÖBs es nicht mehr so passt… Also kaufe ich Bücher bzw. lizenziere E-Books und das ist nicht wenig Geld, was ich da den Verlagen und dem Buchhandel zukommen lasse. Dazu kommt, dass ich längere Zeit auch fleißig Bücher für die Bibliothek, wo ich gearbeitet habe, erworben habe. (Vermutlich gleicht sich das aus Sicht der Verlage damit auf Null aus.)

      Spottend könnte man sagen, die Interessenvertreter der Verlage haben nicht Angst, dass Bibliotheken ihnen gefährlich werden könnten, sondern sie haben Angst, dass sie ein Krümelchen Gewinn durch sie verlieren könnten. Da man zahlenmäßig nicht genau belegen kann, wie Bibliotheken ihren Gewinn positiv beeinflussen, werden eben die Aktivitäten der Bibliotheken an der Stelle kleingeredet oder als gefährlich bezeichnet. Kostenlos ohne dabei eine Gewinnoptimierung oder noch besser -maximierung im Sinn zu haben, gibt es in einer Marktwirtschaft nicht. Bibliotheken sind soziale Einrichtungen und sollten darauf achten, dass es da zu keiner Schieflage kommt. Der Kaufbutton der Onleihe bringt aber Bibliotheken und ihre zugrundeliegende Idee genau darein.

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