[Adventskalender] 24.12.2019 – Frances Hodgson Burnett

Frances Hodgson Burnett (* 24. November 1849 in Manchester, England; † 29. Oktober 1924 in Plandome, New York; gebürtig Frances Eliza Hodgson) gemeinfrei seit 1995.

Der Kleine Lord

Verfilmung von 1936

Das gesamte Buch in Übersetzung von Emmy Becher (1854 – 1922) kann auf LibriVox gehört bzw. als Hörbuch auch heruntergeladen werden.

[Adventskalender] 23.12.2019 – Christian Morgenstern

Christian Otto Josef Wolfgang Morgenstern (* 6. Mai 1871 in München; † 31. März 1914 in Untermais, Tirol, Österreich-Ungarn), großteils gemeinfrei seit

Das Weihnachtsbäumlein

Christian Morgenstern, 1910 via Wikimedia Commons


Es war einmal ein Tännelein,
mit braunen Kuchenherzlein
und Glitzergold und Äpflein fein
und vielen bunten Kerzlein:

Das war am Weihnachtsfest so grün,
als fing es eben an zu blühn.

Doch nach nicht gar zu langer Zeit,
da stand’s im Garten unten,
und seine ganze Herrlichkeit
war, ach, dahingeschwunden.
Die grünen Nadeln war’n verdorrt,
die Herzlein und die Kerzlein fort.

Bis eines Tags der Gärtner kam,
den fror zu Haus im Dunkeln,
und es in seinen Ofen nahm –
hei! tat’s da sprühn und funkeln!
Und flammte heim- und himmelwärts
in hundert Flämmlein an Gottes Herz.

Quelle:

Morgenstern, Christian: Gedichte – Verse – Sprüche, Eurobuch || Eurobooks, 1998, S. 348

[Adventskalender] 22.12.2019 – Luise Büchner

Luise Büchner (* 12. Juni 1821 in Darmstadt; † 28. November 1877 ebenda) gemeinfrei seit 1948.

Die Geschichte vom Christkind-Vogel

Christkind aus dem Struwelpeter, Heinrich Hoffmann via Wikimedia Commons

Unter den vielen Vöglein, die in Wald und Feld herumfliegen und singen und zwitschern, gibt es einen ganzen kleinen, bunten Vogel, der kleinste von allen, den nennen die großen und gelehrten Leute den Zaunkönig. Die Kinder aber und die einfältigen Leute, zu denen die Tante auch gehört, die sagen, wenn er vorüberfliegt: »Das ist der liebe Christkindvogel!«

Freilich wissen sie kaum, weshalb er so heißt, die Tante weiß es aber und erzählt es dem Mathildchen und dem [30] Georg folgendermaßen: »Ich habe euch noch gar nicht gesagt, daß vier Wochen vor Weihnachten der Nikolaus auf dem freien Platz droben auf dem Böllstein jeden Abend ein großes Feuer anzündet, das ist das Weihnachtsfeuer. Daran wärmen sie sich, er und das Christkindchen, wenn sie in der Nacht ganz erfroren heimkommen, und dann bleiben sie oft bis zum Morgen dabei sitzen und arbeiten für die Weihnachtsbescherung. Da geschah es aber einmal vor langer, langer Zeit, daß der Nikolaus neben dem Feuer einschlief, statt zur rechten Zeit Holz nachzulegen, und das war ein rechtes Unglück, denn es begab sich grade am Weihnachtstag, und einen dümmeren Streich hätte der Nikolaus gar nicht machen können. Als das Christkindchen herauskam und sein Kerzchen anzünden wollte, mit dem es die Weihnachtsbäume anbrennt, da war auch nicht das kleinste Köhlchen in der Asche mehr aufzufinden, obgleich der Nikolaus wie ein Blasebalg hineinblies, daß ihm der Staub in die Kehle flog und die Asche ins Gesicht. Seitdem ist seine Stimme noch viel rauher geworden und sein Gesicht noch einmal so dunkel als vorher. Es war aber gar nichts zu machen. Aus war das Feuer und guter Rat teuer. Zündhölzchen, die man hätte anstreichen können, gab es damals noch nicht, und wenn auch der Nikolaus endlich ganz unten aus seinem Sack einen Feuerstahl und ein Stückchen Zunder herauskramte, so war damit doch nicht geholfen. Er hatte auch da nicht acht gegeben, hatte den Sack im Schnee liegen lassen, nun war der Schwamm naß, und wie er auch draufschlug und sich die Finger zerhieb, kein Fünkchen, das aus dem Stahl sprang, konnte zünden. Das gute Christkindchen war da zum erstenmal in seinem Leben bitterböse, und es hätte gern den Nikolaus fortgejagt, wenn es nur gleich einen andern gehabt hätte. Weiterlesen

[Adventskalender] 21.12.2019 – Otto Roquette

Otto Roquette (* 19. April 1824 in Krotoschin bei Posen; † 18. März 1896 in Darmstadt) gemeinfrei seit 1967.

Deutsche Weihnacht

Ueber dem Schnee in der heiligen Nacht
Funkelt das Sternengeleite.
Fern in Frankreich auf einsamer Wacht
Schaut der Soldat in die Weite.

Weit, so weit ist der Sternenraum,
Weit, wie die Lieb’ ohne Schranken!
Heimathlichter am Tannenbaum
Geh’n ihm durch die Gedanken.

Mutteraugen und Jugendlust,
Kinderlachen und Singen –
Leuchtend geht’s ihm auf in der Brust,
Will ihm das Auge bezwingen.

Kalt und eisig schneidet der Wind,
Horch! Was schwirrt durch die Bäume?
Weg von der Stirn, vom Auge geschwind
Streicht er die fremden Träume.

»Dank dir, du fränkischer Winterhauch,
Der mir pfeift um die Ohren!
Hier wird in heiliger Weihnacht auch
Neu uns die Liebe geboren.«

»Treue Brüder von Süd und Nord
Steh’n auf dem Posten wir Alle.
Deutschland hoch! sei mein Jubelwort,
Ob ich heut, ob ich morgen falle!«

Lautlos schimmert die heilige Nacht,
Still ist’s droben und nieden.
Schütze dich Gott, du treue Wacht,
Bring’ uns den Sieg und den Frieden!

Quelle:

Roquette, Otto: Deutsche Weihnacht, In: Gedichte.- 3. veränderte und vermehrte Auflage; J.G. Cotta, 1880.- S. 135-136.
Digitalisat Google Books

 

[Adventskalender] 19.12.2019 – Wilhelm Hey

Kein Adventskalender ohne Schneemann!!! 😉

Johann Wilhelm Hey (* 26. März 1789 in Leina; † 19. Mai 1854 in Ichtershausen) gemeinfrei seit 1925.

Hey, Wilhelm: Schneemann, In: Fünzig Fabeln Für Kinder, via Wikimedia Commons, Bild von Otto Speckter (* 9. November 1807 in Hamburg; † 29. April 1871 ebenda)

Schneemann

(Entstehungsdatum: 1833)

 

Seht den Mann, o große Not!
wie er mit dem Stocke droht
gestern schon und heute noch!
Aber niemals schlägt er doch.
Schneemann, bist ein armer Wicht,
hast den Stock und wehrst dich nicht.

Freilich ists ein gar armer Mann,
der nicht schlagen noch laufen kann;
schleierweiß ist sein Gesicht.
Liebe Sonne, scheine nur nicht,
sonst wird er gar wie Butter weich
und zerfließt zu Wasser gleich.

Quelle:

Hey, Wilhelm: Fünfzig Fabeln für Kinder / [Wilhelm Hey.] In Bildern gezeichnet von Otto Speckter. Braunschweig [u.a.] 1920. Westermann.
Digitalisat: Publikationsserver der TU-Braunschweig

[Adventskalender] 18.12.2019 – Paula Dehmel

Paula Dehmel (* 31. Dezember 1862 in Berlin als Paula Oppenheimer; † 9. Juli 1918 in Steglitz b. Berlin) gemeinfrei seit 1989.

Weihnachtschnee

Paula Dehmel via Wikimedia Commons


Ihr Kinder, sperrt die Näschen auf,
Es riecht nach Weihnachtstorten;
Knecht Ruprecht steht am Himmelsherd
Und bäckt die feinsten Sorten.

Ihr Kinder, sperrt die Augen auf,
Sonst nehmt den Operngucker:
Die große Himmelsbüchse, seht,
Tut Ruprecht ganz voll Zucker.

Er streut – die Kuchen sind schon voll –
Er streut – na, das wird munter:
Er schüttelt die Büchse und streut und streut
Den ganzen Zucker runter.

Ihr Kinder sperrt die Mäulchen auf,
Schnell! Zucker schneit es heute;
Fangt auf, holt Schüsseln – ihr glaubt es nicht?
– Ihr seid ungläubige Leute!

Quelle:

Dehmel, Paula: Das liebe Nest: Gesammelte Kindergedichte, Leipzig, E. A. Seemann, 1919. Vollständige Neuausgabe. Herausgegeben von Karl-Maria Guth. Berlin 2016. S. 53
Zugriff über Google Books

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[Adventskalender] 17.12.2019 – Else Ury

Johanna Else Ury (* 1. November 1877 in Berlin; ermordet am 13. Januar 1943 im Konzentrationslager Auschwitz) gemeinfrei seit 2014.

Weihnachtsabend fern der Heimat

Buchcover der unter dem Text erwähnten Ausgabe von Nesthäkchen im Kinderheim, o.J.

Nun endlich kam die Bescherung für die Bewohner der Villa. Die Kinder konnten es schon gar nicht mehr erwarten. Als die Weihnachtsklingel erklang und die Türen zum Zimmer der Frau Kapitän, das die Zöglinge sonst nur selten betraten, sich öffneten, wagten sie sich zuerst nicht näher. Viele Tischchen standen in dem geräumigen Zimmer, und auf jedem flammte das selbstgeputzte Weihnachtsbäumchen. Ganz anders als zu Hause sah es aus und doch – als Fräulein Mahldorf am Klavier jetzt »Stille Nacht, heilige Nacht« anschlug, und alles mit heller Stimme einfiel, da hatte kein Kind das Gefühl, in der Fremde zu sein. Dasselbe Lied sangen jetzt die Eltern und Geschwister daheim, die Klänge des Weihnachtsliedes verbanden sie mit ihren Lieben in der Ferne.

Kaum war der letzte Ton verzittert, so war auch kein Halten mehr. Ein jedes stürzte zu seinem Tischchen, das es an dem Weihnachtsbäumchen herauserkannte. Aber noch immer wurden die verheißungsvoll umfangreichen Pakete aus der Heimat nicht geöffnet. Da lag noch so manches, was erst noch mit Jubel in Empfang genommen werden mußte. Jedem der kleinen Mädchen hatte Frau Kapitän einen Bernsteinanhänger an einem Kettchen zur Erinnerung geschenkt. Von Tante Lenchen bekamen sie ein Album mit Ansichten der Insel Amrum. Fräulein Mahldorf hatte ihnen »Friesische Sagen und Märchen« aufgebaut, und selbst Miß John hatte auf jedes Tischchen ein Päckchen Schokolade gelegt. Das war ein Glück, ein Freuen und sich Bedanken. Dann aber ging’s an die Heimatskiste. Die Papiere und Schnüre flogen, glückselige Ausrufe begleiteten ein jedes Stück, das den Tiefen der Kisten entstieg.

»Ein Täschchen – ein Sonntagskleid – ach, die entzückenden Schuhchen – Hurra, ich hab’ den Rodelschlitten, den ich mir gewünscht – und ich die Markensammlung. – Tante Lenchen, sehen Sie bloß mal, eine richtige Uhr« – so ging das hin und her.

Frau Kapitän und Tante Lenchen hatten die Gabe, sich mit jedem der Kleinen mit zu freuen. Vor soviel Kinderglück mußte jede trübe Erinnerung, die gerade an festlichen Tagen des Jahres ihre Stimme besonders laut zu erheben pflegt, verstummen.

Aber die Damen selbst gingen auch nicht leer aus. In der Handarbeitsstunde bei Fräulein Mahldorf hatten die Mädelchen alle für Frau Kapitän und für Tante Lenchen emsig gestichelt. Kissen und Deckchen, Körbchen und Läufer waren da entstanden, mit denen die so treu für sie Sorgenden erfreut wurden.

Inzwischen hatte Frau Kapitän ihren Dienstboten, Line und Dörthe, den Weihnachten beschert. Auch in den Heimatspaketen der Kinder fand sich eine nette Kleinigkeit für die Mädchen des Hauses. Außerdem war es Sitte, daß die Zöglinge jedem Mädchen drei Mark gaben. Von ihrem Taschengelde, das Frau Kapitän für die Kinder verwaltete, wurden ihnen dieselben ausgezahlt.

Für Annemarie bedeutete das eine schwierige Überlegung. Die Kleine hatte nicht vergessen, daß Dörthe damals kurz nach ihrem Eintritt ihre Unordentlichkeit Tante Lenchen gemeldet hatte. Was – dafür, daß die Dörthe sie verklatscht hatte, sollte sie ihr noch obendrein einen ganzen Taler schenken? Nein, das tat sie bestimmt nicht. Zehn Pfennige war mehr als genug für sie. Was konnte man sich für einen Groschen nicht alles kaufen! Ein kleines Badepüppchen, einen Triesel, einen winzigen Ball, Gummizucker und Johannisbrot. Nein, wirklich, die Dörthe konnte noch ganz zufrieden sein, wenn sie ihr einen ganzen Groschen schenkte!

Nachdem Doktors Nesthäkchen Line, der Köchin, ihren Taler und den Blusenstoff von den Eltern überreicht hatte, wandte sie sich an Dörthe. Auch diese bekam aus Berlin einen netten Stoff.

»Da«, sagte Annemarie und händigte dem Hausmädchen das Geschenk der Eltern ein, »und hier ist noch ein Groschen für Sie, Dörthe« – das klang ungeheuer großartig – »und wenn Sie mich, als ich herkam, nicht verklatscht hätten, daß ich meine Sachen herumliegen lasse, hätte ich Ihnen sogar einen Taler geschenkt!« So – die Dörthe sollte wenigstens doch auch wissen, warum die Line einen Taler bekam, und sie nur einen Groschen.

Das Mädchen machte ein ganz betroffenes Gesicht. Viele Jahre war sie schon in der Villa Daheim, aber solch ein Weihnachten hatte ihr noch kein Kind angeboten. Sie wußte nicht, sollte sie sich ärgern oder lachen.

Auch Tante Lenchen, die Annemaries Rede gehört, mußte sich zur Seite wenden, um ihre belustigte Miene zu verbergen. Dann aber neigte sie sich zu dem energischen kleinen Blondkopf herab.

»Annemarie,« flüsterte sie ihr zu, »hätte die Dörthe mir damals nicht mitgeteilt, daß du deine Sachen herumliegen läßt, dann würde ich mich jetzt bei der Wochenkontrolle wohl nicht jedesmal über deinen Schrank und deine Kästen freuen können. Du bist der Dörthe nur zu Dank verpflichtet, daß du jetzt ein ordentliches kleines Mädchen geworden bist!« sagte sie mahnend.

Doktors Nesthäkchen wurde rot. Es schwankte. Dann aber siegte Annemaries gutes Herz. Wenn das wirklich so war, daß sie der Dörthe dankbar sein mußte – und Tante Lenchen mußte es doch wohl wissen – dann war es Anrecht, dem Mädchen den Taler nicht zu geben. Schnell lief die Kleine hinter Dörthe her.

»Da, Dörthe, ich hab’s mir doch anders überlegt, da haben Sie Ihren Taler! Aber den Groschen müssen Sie nun wiedergeben: Jetzt lachte die Dörthe wirklich über das drollige kleine Mädchen – Annemarie fand das ganz in der Ordnung. Natürlich, die konnte sich auch freuen, wenn sie den Taler nun doch noch bekam.

Nachdem die Bescherung in der Villa vorüber war und die schönen Geschenke genugsam bewundert worden, schlüpften die Clarsenschen Kinder in ihre warmen Mäntel. Nun ging es zu Vadder Hinrich und Modder Antje in das mit Eiszapfen behangene Friesenhäuschen, denen ihren Weihnachten zu bringen.

Else Ury : Weihnachtsabend fern vom Elternhause, Kap. 19 In: Nesthäkchen im Kinderheim, Nesthäkchen Bd. 3; Illustriert von Professor R. Sedlarek, Meidinger’s Jugendschriften Verlag G.m.b.H., 202. bis 216. Tausend, o.J., S. 160 – 163.

[Adventskalender] 16.12.2019 – Adolf Kußmaul

Adolf Kußmaul (* 22. Februar 1822 in Graben bei Karlsruhe; † 28. Mai 1902 in Heidelberg) gemeinfrei seit 1973.

Weihnacht-Abend in Wien.

Adolf Kußmaul via Wikimedia Commons


Wir verabredeten uns mit einigen Bekannten, Dr. Julins Geinitz aus Altenburg, Dr. Friedrich Wieger aus Straßburg, u. A., den Weihnachtabend zusammen zuzubringen. — Geinitz, ein geschickter Chirurg, ließ sich bald nachher in seiner Vaterstadt nieder und hat dort mehr Blasensteinschnitte gemacht, als die meisten deutschen Chirurgen, denn nirgends in Deutschland kommen Blasensteine häufiger vor, als bei den Bauern des Herzogtums Sachsen-Altenburg1). Wieger ist 1876 mein Kollege an der neu errichteten Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg geworden. — Als Ort unsrer Zusammenkunft bestimmten wir das Weinhaus des kaiserl. Hoflieferanten Leidenfrost in der Altstadt.

Ehe wir uns zu unsern Bekannten begaben, beschlossen Bronner und ich,unsre Hauswirtin aufzusuchen, eine artige Wienerin, die uns viele Gefälligkeiten erwiesen hatte, um sie zu fragen, womit wir ihrem Töchterchen, einem lieben Kinde von 6—7 Jahren, Freude machen könnten, wir wollten ihm ein Andenken unter den Christbaum legen. Sie empfing uns mit betrübter Miene, ihr Mann wolle nichts vom Christbaum und von Bescherung überhaupt wissen, er stamme aus dem Reich, aus der Gegend von Walldürn, war somit ein Landsmann von uns, und behaupte, bei ihm zu Hause würfen die Leute nicht so unnötig das Geld zum Fenster hinaus. Sie hätte ihrem Kinde eine Puppe, eine „Gretel”, bescheren wollen, er aber gebe es nicht zu.

Wir schämten uns des filzigen Landsmannes, gingen eilends fort und trieben, um die Ehre unsrer badischen Heimat zu retten, einen schönen Christbaum auf, kauften das nötige Zubehör und eine niedliche Puppe. Nachdem wir unsre Schätze heimgebracht, riefen wir die Mutter und baten sie, uns den Baum schmücken zu helfen. Mit zitternden Händen, Thränen in den Augen, stand sie uns bei, die Lichter wurden angezündet und geklingelt. Das Kind kam schüchtern herein, zuerst sprachlos vor Staunen über den leuchtenden Baum, als wir ihr aber die Puppe zeigten, die ihr beschert war, stürzte sie darauf zu und drückte sie fest an ihre Brust mit dem Schrei: „a Gretel! a Gretel!” Der Alte war hinter ihr hereingekommen und lachte mit dem ganzen breiten Gesichte. Wir ermahnten ihn, sich zu bessern und in Zukunft weniger filzig zu sein.

Vergnügt, als hätten wir die schönste Bescherung in der Heimat mit den Unsrigen gefeiert, gingen wir zu unsern Bekannten und tranken „türkischen” Wein, Negodiner aus Serbien, das damals noch zur Türkei gehörte; erst viele Jahre nachher habe ich diesen guten Wein wieder gekostet in Belgrad, das inzwischen Hauptstadt des Königreichs Serbien geworden war.

Quelle:

Kussmaul, Adolf: Jugenderinnerungen eines alten Arztes. — Stuttgart, 1899. S. 384385. Digitalisat: Heidelberger historische Bestände – digital, DOI: https://doi.org/10.11588/diglit.15258

  1. Vgl. I. Geinitz, Ueber die Steinkrankheit im Altenburgischen. Deutsche Klinik, 1858. []
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