Bibliotheken gegen Rassismus (Teil 1)

Durch Zufall stieß ich am Dienstag auf Twitter auf den BiblogTecarios und die Bloggerin Irene Blanco, welche den spanischen Hashtag #BibliotecasAntirracistas verwendete. Sie gibt den spanischsprachigen Leser*innen einen Gesamtüberblick über die Situation in den USA, die nach dem Mord an George Floyd eine große Bewegung auslöste.

Im zweiten Blogbeitrag zum selben Thema, der morgen erscheint, wird versucht einen Teil des durchaus sehr gelungenen Beitrags von Blanco auf Deutsch zu übersetzen. Zahlreiche Bibliotheken und deren Verbände, sowie Mitarbeiter*innen in den USA  solidarisieren sich aktuell mit den Opfern von Rassismus, indem Statements gegen Rassismus und Polizeiwillkür abgeben. So arbeitet die Bibliothek des Davidson College an einer Handreichung im Umgang mit Rassismus. Das ist nur eines von sehr vielen Beispielen:

Auch die IFLA solidarisiert sich mit der nun weltweit entstandenen Bewegung:

Das Library Freedom Projekt ist der Auffassung, dass es nicht ausreicht “Black Lives Matter” zu sagen/zu posten oder allgemein nur als Position zu vertreten. Die Initiatoren des Projekts gehen einen Schritt weiter, der nach den zahlreichen Ereignissen um die Gewalt gegen People of Color verständlich und nachvollziehbar ist:

“The current global uprisings for Black Lives have made it clear that police power is enormous, deadly, and unaccountable. […] Now is the time for libraries to divest from police. Police and their surveillance technologies do not belong in libraries, and they inhibit our ability to promote our values of intellectual freedom, privacy, and access.”

Das Projekt ruft dazu auf, dass Bibliothekar*innen die Macht der Polizei im öffentlichen Bibliotheken beschneiden, um Minderheiten zu unterstützen und die ethischen Werte der Profession zu verteidigen. Begründet wird dieser Aufruf wie folgt:

“Black, Indigenous, and POC librarians have repeatedly expressed how police presence in libraries threaten their safety and that of their communities.”

Die durch Polizeikräfte verursachte Eskalation und Brutalität geschah schon des Öfteren in Bibliotheksgebäuden. Statt eigene Deeskalationsstrategien zu fahren und alternative Wege zu gehen, wurde riskiert, dass Polizeigewalt insbesondere gegen schwache und verwundbare Menschen stattfindet. Darüber hinaus besteht die Profession Bibliothekar*in in überwältigender Mehrheit aus weißen Frauen, die aus historischer Sicht heraus eine beispiellose Beihilfe/Mitschuld an der Gewalt gegen Schwarzen geleistet haben.

Es werden zahlreiche Vorschläge gemacht, wie die Zusammenarbeit mit der Polizei vermieden werden kann:

  • Untersuchen Sie wie die Polizei in ihrer Bibliothek Macht ausübt?
  • Sind diese im Gebäude? Teilen Sie Aufnahmen aus der Überwachungskamera mit der Polizei?
  • Wird die private Sicherheit des Bibliotheksgebäudes durch die Polizei garantiert? Tragen private Sicherheitsmitarbeiter*innen Waffen mit sich?
  • Inwiefern findet eine Kommunikation oder Kooperation von Polizist*innen/Sicherheitsmitarbeiter*innen und dem Bibliothekspersonal statt? Treffen diese gar Entscheidungen alleine ohne Rücksprache zu halten?  […]
  • Vom Bibliotheksetat könnten anstatt Polizeipersonal, Investionen getätigt werden, um Sozialarbeiter*innen zu engagieren oder eine größere Kooperation innerhalb der Netzwerke der Community erreicht werden.

Die auf der Webseite genannten Vorschläge sind sehr ausführlich. Im Grunde genommen geht es darum eigene Ressourcen zu verwenden, das Personal weiterzubilden, wie z.B, durch Deeskalationstrainings. Es sollte keinesfalls zu einer Kriminalisierung von Jugendlichen kommen, die im Teenageralter einem Gruppenzwang ausgesetzt sind. Ferner soll davon abgesehen werden Überwachungstechnologien (z.B. CCTV) genutzt zu werden. Als Zeichen der Verpflichtung zu diesen Hinweisen und Vereinbarungen sollte jede Bibliothek eine Email an die Organisation Library Freedom Project senden. Auf der Webseite befinden sich weiterführende Links und Lesehinweise zum Thema.

Der US-Amerikanische Soziologe Alex Vitale, ein Polizeiforscher und Autor des Buches “The end of policing” kritisiert die Militarisierung der Polizei in seinem Land und auch die damit einhergehenden Erwartungen:

“Wir haben die Polizei damit beauftragt, die sozialen Probleme zu lösen, Massenobdachlosigkeit, die Verbreitung von psychischen Krankheiten, den Drogenschwarzmarkt und so weiter, was den Zweck hatte, sich nicht mit den zugrunde liegenden Strukturen dieser Probleme zu beschäftigen. So ist die Polizei in immer mehr Bereiche unseres Lebens vorgedrungen.”

Hierzulande hat sich in den letzten Jahren, nicht erst seit dem PAG (Polizeiaufgabengesetz)  in Bayern die Tendenz gezeigt, dass die Polizei bzw. deren Mitarbeiter*innen immer mehr ähnliche Rollen einnimmt. Im Gespräch mit einem Bekannten aus der Jugendzeit, der heute bei der Polizei tätig ist, hörte ich die Klage heraus nicht für alles “Elend” zuständig zu sein und nicht die Rolle des Sozialarbeiters spielen zu wollen.

Sind also private Sicherheitsdienste die “bessere” Alternative? Ich glaube diese Frage lässt sich nicht pauschal mit ja oder nein beantworten.

Wie sollten sich Bibliotheken verhalten, wenn es Ereignisse von einer solchen Tragweite gibt, die mittlerweile eine weltweite Bewegung ausgelöst haben?

Gibt es hierzulande Bibliotheken, die mehr mit der Polizei zusammenarbeiten anstatt selbst zu deeskalieren und eigene Lösungswege zu gehen? Inwiefern gibt es eine Offenheit von Seiten des Bibliothekspersonals jedweder Einrichtung Vorgehensweisen und Strategien zu hinterfragen?

 

Die Corana-Regeln der Stadtbibliothek Würzburg