[Adventskalender] 22. Dezember

Vom Schenken
Joachim Ringelnatz

Schneemann

Schneemann

Schenke groß oder klein,
aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten die Gabe wiegen
sei dein Gewissen rein.

Schenie herzlich und frei.
Schenke dabei,
was in dir wohnt
an Meinung, Geschmack und Humor,
so daß die eigene Freude zuvor
dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
daß dein Geschenk
du selber bist.

[Adventskalender] 21. Dezember

Weihnachten 1944
(Als ich keinen Urlaub bekam)
Heinz Erhardt

Winternacht

Winternacht

Wenn es in der Weltdezembert
und der Mond wie ein Kamembert
gelblich rund, mit etwas Schimmel
angetan, am Winterhimmel
heimwärts zu den Seinen irrt
und der Tag stets kürzer wird –
sozusagen wird zum Kurztag –
hat das Christkindlein Geburtstag!
Ach, wie ist man dann vergnügt,
wenn man einen Urlaub kriegt.
Andrerseits, wie ist man traurig,
wenn es heißt: “Nein, da bedaur ich!”
Also greift man dann entweder
zu dem Blei oder der Feder
und schreibt schleunigst auf Papier
ein Gedicht, wie dieses hier:

Die Berge, die Meere, den Geist und das Leben
hat Gott zum Geschenk uns gemacht;
doch uns auch den Frieden, den Frieden zu geben,
das hat er nicht fertiggebracht!
Wir tasten und irren, vergehen und werden,
wir kämpfen mal so und mal so …
Vielleicht gibt’s doch richtigen Frieden auf Erden?
Vielleicht grade jetzt? — Aber wo? …

Quelle:
Das große Heinz Erhardt Buch, Bertelsmann Club, 1984, S. 307-308

[Adventskalender] 20. Dezember

Ein Winterabend
Georg Trakl

Winterabend

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinert die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.

[Adventskalender] 19. Dezember

Advent
Loriot

Schnee

Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneeflöcklein leis herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.
Und dort, von ferne her durchbricht
den dunklen Tann ein helles Licht.

Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
So kam sie mit sich überein:
Am Niklasabend muss es sein.

Und als das Häslein ging zur Ruh,
das Rehlein tat die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn
den Gatten über Kimm und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei- drei- viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süß im Dunkeln,
derweil die Sterne traulich funkeln.

Und in der Guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.

Nun muß die Försterin sich eilen
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Weidmanns Sitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied,
was der Gemahl bisher vermied.
Behält ein Teil Filet zurück
als festtägliches Bratenstück.
Und packt sodann, es geht auf Vier –
die Reste in Geschenkpapier.

Von Ferne tönt´s wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist’s, der in so tiefer Nacht
so spät noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt auf goldnem Schlitten
mit einem Hirsch herangeritten.
Sagt, gute Frau, habt Ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?

Die sechs Pakete, heil’ger Mann,
s’ ist alles, was ich geben kann.
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise,
die Silberschellen klingen leise,
im Försterhaus die Kerze brennt,
die Glocke klingt, es ist Advent.

https://www.youtube.com/watch?v=sUIrb6GLmoA – “Loriot – Advent (Kanni…” Dieses Video ist aufgrund des Urheberrechtsanspruchs von Susanne and Bettina von Bülow nicht mehr verfügbar.

Bearbeitet am 07.06.2018

[Adventskalender] 18. Dezember

Die hohen Tannen atmen heiser
Rainer Maria Rilke

Gefrorene Äste und Beeren

Gefrorene Äste und Beeren

Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.
Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.

Da singt die Uhr, die Kinder zittern:
Im grünen Ofen kracht ein Scheit
und stürzt in lichten Lohgewittern, –
und draußen wächst im Flockenflittern
der weiße Tag zur Ewigkeit.

[Adventskalender] 16. Dezember

Weihnachtszeit
Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Weihnachtsschneemänner

Weihnachtsschneemänner

O schöne, herrliche Weihnachtszeit!
Was bringst du Lust und Fröhlichkeit!
Wenn der heilige Christ in jedem Haus
teilt seine lieben Gaben aus.
Und ist das Häuschen noch so klein,
so kommt der heilige Christ hinein,
und alle sind ihm lieb wie die Seinen,
die Armen und Reichen, die Grossen und Kleinen.
Der heilige Christ an alle denkt,
ein jedes wird von ihm beschenkt.
Drum lasst uns freuen und dankbar sein!
Er denkt auch unser, mein und dein!

[Adventskalender] 15. Dezember

Weihnachtszeit
Martin Greif

Merry sleepy christmas!

Merry sleepy christmas!

Wunder schafft die Weihnachtszeit.
Vor dem Dorf, darin verschneit
Jeder Hof und jedes Haus,
Vogelbeerbaum, Nacht für Nacht
Hundert Lichtlein trägt, entfacht,
Die da leuchten weit hinaus.
Achtet seiner Herrlichkeit
Niemand auch im Wintergraus,
Bläst der Wind doch keins ihm aus,
Alle strahlen dicht gereiht –
Wunder schafft die Weihnachtszeit.

[Adventskalender] 14. Dezember

Christbaum
Ada Christen

Weihnachtsbaum

Weihnachtsbaum

Hörst auch du die leisen Stimmen
aus den bunten Kerzlein dringen?
Die vergessenen Gebete
aus den Tannenzweiglein singen?
Hörst auch du das schüchternfrohe,
helle Kinderlachen klingen?
Schaust auch du den stillen Engel
mit den reinen, weißen Schwingen? …
Schaust auch du dich selber wieder
fern und fremd nur wie im Traume?
Grüßt auch dich mit Märchenaugen
deine Kindheit aus dem Baume? …

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