Ranganathan für Repositorien

Ed Summers, seines Zeichens Bibliotheks-Hacker und Repositorienspezialist, hat einen interessanten Beitrag in seinem Blog inkdroid über “gute” Repositorien geschrieben. Darin wendet er die Fünf Gesetze der Bibliothekswissenschaft auf Repositorien an:

1. Repositorienobjekte sind zum Benutzen da

Repositorien können zwar als so genannte Dark Archives konzipiert und betrieben werden, aber das stellt ihre Existenzberechtigung in Frage, die darin besteht, von Menschen benutzt zu werden. Was nicht benutzt wird, wird schnell unbrauchbar oder – wie Ed Summers es ausdrückt – verrottet sogar.

2. Jedem Leser / jeder Leserin sein bzw. ihr Repositorienobjekt

Repositorien müssen die unterschiedlichen Anwendungsfälle (Use Cases) einer heterogenen Nutzerschaft unterstützen, die durch die verschiedenen Blickrichtungen auf Repositorienobjekte entstehen.

3. Jedem Repositorienobjekt sein Leser

Gleiches gilt selbstverständlich auch umgekehrt: Repositorienobjekte müssen über verschiedene Wege auffindbar sein, von innen über intelligente Such- und Filterfunktionen genauso wie von außen (“Discovery happens elsewhere“). Dafür müssen sie eindeutig referenzierbar sein.

4. Die Zeit des Lesers / der Leserin sparen

Repositorien müssen vernetzbar sein, damit ihre Inhalte über verschiedene Sucheinstiege effizient und effektiv gefunden werden. Idealerweise werden sie so automatisch Teil des Recherche-Workflows der Nutzerinnen und Nutzer. Die Repositorienobjekte kommen zum Nutzer und zur Nutzerin, nicht umgekehrt.

5. Das Repositorium ist ein wachsender Organismus

Repositorien sollten immer erweiterbar sein (Skalierbarkeit) und sich neuen Entwicklungen anpassen können. Dies bedeutet, dass der Lebenszyklus der Repositorienobjekte und der Funktionen des Repositoriums weitestgehend technologieunabhängigkeit sein sollten.

Diese Betrachtung fasst die Anforderungen an (digitale) Repositorien wie ich finde präzise zusammen beziehungsweise reduziert die oft diffusen Blickrichtungen auf das Wesentliche. Ein bemerkens- und bedenkenswerter Ansatz, der durchaus Mantra-Potenzial hat.

Quellen:
Ed Summers: on “good” repositories, inkdroid, 08.03.2011
Lorcan Dempsey: Discovery happens elsewhere, orweblog, 16.09.2007
Rosemie Callewaert (@rcallewaert): Could Ranganthan his 5 Laws of Library Science serve as a touchstone for repositories? ~> http://t.co/dYCkFGl via Twitter

[Leseempfehlung] Österreichs Büchereiperspektiven mit Schwerpunktheft zur E-Bibliothek

Der Büchereichverband Österreich gibt die Fachzeitschrift “Büchereiperspektiven” heraus. Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe 4/10 ist dieses Mal “Die E-Bibliothek. Lesen auf einen Klick”.

Simone Kremsberger beschreibt auf zwei Seiten im ersten Beitrag “Library without Walls” virtuelle Bibliotheken in Österreich und internationale Best-Practice-Beispiel.

Helmut Windinger weist mit “Die digitale Bibliothek” kurz auf Chancen und Probleme bei der Nutzung derzeitiger E-Book-Angebot hin. Robert Luckmann spricht von “E-Books für das ganze Land” und stellt in seinem Beitrag das Onleihe-Angebot der Stadtbibliothek Salzburg vor, ohne jedoch die technisch verursachten Nachteile dieses Angebotes zu erwähnen. Roswitha Schipfer berichtet im Artikel “Guter Start – was nun?” von den Grazer Erfahrungen mit der Onleihe und den weitergehenden Zielsetzungen, um das Angebot zu verbessern. Das “Berufsbild ändert sich” stellt Verena Lenes, Zuständige für das Onleihe-Angebot der Stadtbibliothek Linz, im Interview mit Simone Kremsberger fest, während Katharina Marie Bergmayr, der Stadtbücherei Wien im Interview mit Frau Kremsberger feststellt, dass man mit der “Virtuellen Bücherrei Wien” “mit der Zeit geht“. Bis dahin liest man viel Werbung für das Onleihe-Angebot der Divibib und nur ganz selten verirrt sich ein kritischer Ton in die Beiträge, weil alle viel zu “froh” sind, ein digitales Angebot in dieser Form ihren Nutzern zur Verfügung stellen zu können.

Michael Bloch, Herwig Jobst und Gerald Wödl beschreiben wie mit der “Digitalen AK-Bibliothek” und dem Vertriebspartner Ciando eine gemeinsame Digitale Bibliothek für Österreich mit den Länderkammern der Arbeiterkammer gestartet werden soll. Zielgruppe hier sind „Special-Interest-Zielgruppen“ (z. B. Betriebsräte).

Jens Thorhauge berichtet über die Bemühungen in unserem Nachbarland Dänemarke “Digitale Bibliotheken
in Dänemark”
aufzubauen. Marian Korens schreibt über die Erfahrung bei Musik und E-Books der “Digitalen Services in den Niederlanden“. Deutlich werden hier die Anforderungen an einen solchen Service genannt, wenn es um Musik geht. Für E-Books wird dieser Service gerade erst aufgebaut.

Weitere Themen sind die neuen E-Reader, die jedoch einfach nur kommentarlos verglichen werden, ein Rückblick auf die E-Book-Lounge in der Hauptbücherei Wien aber auch veränderte Nutzung der Medien, z.B. das Lernen mit dem iPad, das Lesen mit dem Handy und das World Wide Book als interaktive Literatur im Netz.

Alle Beiträge der Zeitschrift “Büchereiperspektiven” lassen sich als PDF online lesen.

Die niederländische Stiftung Bibliotheek.nl nahm ihre Arbeit auf [+ Richtigstellung]

Seit dem 1. Januar diesen Jahres gibt es im niederländischen Bibliothekswesen die Stiftung Bibliotheek.nl. Sie ging aus dem ehemaligen Verband “Vereniging van Openbare Bibliotheken” und dem “Sectorinstituut Openbare Bibliotheken” hervor. Mit der Stiftung Bibliotheek.nl wird die digitale Bibliothek der Niederlande erweitert und effizienter verwaltet.  Die Stiftung trägt zur Erweiterung und Verwaltung der nationalen digitalen Bibliothek bei. Unter ihrem Dach sind alle öffentlichen Bibliotheken der Niederlande zusammengefasst.

Ein Blick auf die Webseite http://www.stichtingbibliotheek.nl lohnt sich, wie ich finde. Wer wie ich, nicht die niederländische Sprache beherrscht, wird dennoch das meiste verstehen, auch wenn es (noch) keine englische Übersetzung der wichtigsten Inhalte auf der Webseite gibt. Diese kompakte Webseite soll die Sichtbarkeit der öffentlichen Bibliotheken der Niederlande im Internet erhöhen, eine gemeinsame Informationsinfrastruktur anbieten, um mit jeder Bibliothek leichter in Kontakt treten zu können. Außerdem soll dieses Internetportal die Entwicklung und Umsetzung von digitalen Produkten und Dienstleitungen erleichtern. Daraus werden sich dann Kooperationen mit Bibliotheken und anderen Einrichtungen des kulturellen Sektors ergeben.

Der folgende Imagefilm liefert einen Vorgeschmack darauf, was zukünftig in den Niederlanden von innovativer Bibliotheksarbeit noch zu erwarten sein wird. Obwohl er auf niederländisch ist, kann er bei genauem Hinhören doch von Menschen, die Deutsch können, verstanden werden.

[update]Richtigstellung: Sollte der Eindruck entstanden sein, dass die Stiftung erst zum 1.1.2011 entstanden ist, bitte ich dies zu entschuldigen. Es tut mir sehr leid. Natürlich ist das offizielle Gründungsdatum der 1.1.2010. Ich selbst war wohl noch nicht ganz im Jahr 2011 angekommen. Mit freundlichen Grüßen, Wolfgang Kaiser [/update ; 12.01.2011]

Es gilt noch viele Probleme bei der Deutschen Digitalen Bilbliothek zu lösen

Nächstes Jahr soll mit der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) ein gigantisches Online-Vorhaben starten. Das Internetportal der DDBN soll jedermann Zugriff zu hochauflösenden Bildern, Millionen Handschriften, Fotografien und anderen kulturellen Schätzen verschaffen. Dabei reichen ein paar Mausklicks, um zum Ergebnis zu kommen. Dabei soll das gesamte relevante Wissen, dass derzeit in Biblitoheken und Museen Deutschlands versteckt ist, zugänglich gemacht werden. Außerdem soll sich die DDB als Portal erweisen, über das man irgendwann auf das gesamte Wissen der Welt zugreifen können soll. Utopie oder nur eine extrem ehrgeizige Vision?

Momentan müssen die Macher der DDB jedoch mit vielen Problemen kämpfen und dafür Lösungen finden.

Im Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv sieht man heute schon die Chancen für die Wissenschaftler. So wäre es den Wissenschftlern eine erhebliche Erleichterung, wenn sie sich im Internet schon ein Manuskript anschauen können, bevor sie dann im Archiv mit dem Original arbeiten. Das würde das Original schonen, weil die Wissenschaftler noch besser vorbereitet damit arbeiten könnten.

Fasznierend dürfte sich die DDB auch auf Kunst- und Kulturinteressierte auswirken. Wollten Sie nicht schon mal die Handschrift Jeand Pauls bewunder oder sehen, welche Korrekturen Ludwig von Beethoven an seinen Diabelli-Variationen gemacht hat. Und haben Sie sich nicht schon mal die Frage gestellt, welche Schätze ungezeigt in den Magazinen der Museen schlummern?

Die Leiterin des Delf von Wolzogen und ihre Kollegen waren so begeistert von der Idee, ihre Bestände allen zugänglich zu machen, dass sie schon lange bevor von der DDB überhaupt die Rede war, anfingen, Originale ihres Archivs zu scannen. So waren 2002 bereits fast 20 000 Publikationen, darunter viele Fontane-Handschriften eingescannt. Sie waren Vorreiter und eigentlich zu schnell, denn die Technik, die sie vor knapp 20 Jahren nutzten ist heute veraltet und es fehlte an passenden Standards. So ist die Auflösung vieler Scans einfach zu gering. Um Masse zu schaffen, verzichtete man zunächst darauf, einzelne Aufnahmen zu katalogisieren, d.h. sie durchgängig mit Schlagwörtern, Seitenzahlen und Kapitelüberschriften zu beschriften. Damit können diese digitalsierten Archivalien kaum für die DDB nutzbar gemacht werden.

Und hier ist das Fontane-Archiv kein unglücklicher Einzelfall, denn viele Einrichtungen haben losgelegt und arbeiten auch heute noch ohne vernünftigen, auf ein großes Ganzes ausgerichteten Plan. Nun, verwunderlich ist das nicht, da die Bundesregierung erst 2009 beschloss, eine nationale digitale Bibliothek aufzubauen, zu einem Zeitpunkt, da unzählige Einrichtungen längst in eigenen Projekten ihre Kräfte bündelten. So ist das Konzept der DDB auch nicht darauf ausgelegt, zentral die Medien zu sammeln und für einheitliche Digitalsierungsrahmenbedingungen und -richtlinien zu sorgen, sondern ihr Auftrag ist es, eine Struktur zu schaffen, in der dann die bestehenden digitalen Beständer der Institutionen zusammengeführt werden sollen. So soll ein Internetportal geschaffen werden, das seinen Nutzern einen einheitlichen Zugang zu den Beständen der 30.000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen bietet.

Die Idee ist schwierig umzusetzen, da die einzelnen Institutionen, die bereits zwischen 120 und 150 Millionen Euro investiert haben, ihre Eigenständigkeiten bewahren möchten.

[…] es hakt heftig bei dem Versuch, die vorhandenen digitalen Bestände nun auch tatsächlich zusammenzuführen. Ein Grund dafür ist der deutsche Föderalismus.

In Brandenburg hat man aus den Erfahrungen des Fontane-Archivs gelernt. Dort gibt es bereits seit 2007 die “Brandenburgische Runde Digitalisierung von Kulturgut” mit Vertretern von Bibliotheken, Museen und anderen Bildungseinrichtungen, welche vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur gegründet wurde. In Planung befindet sich ein Landeskompetenzzentrum entstehen. Doch Kehrseite dieses Angebots ist, dass sie an der Landesgrenze halt macht und eine Koordinierung zwischen den Ländern weiterhin fehlt. Hier bedarf es einer zentralen Leitung. Kann dies die Deutsche Nationalbibliothek leisten, bzw. will sie es? Wenn nicht, gibt es andere Möglichkeiten, die von den Verantwortlichen in den Ländern angestrebt und akzeptliert werden kann? Oder muss erst eine entsprechende Einrichtung ähnlich des abgewickelten Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI) geschaffen werden?

Aus den Fehlern des Fontane-Archivs, wo man drauflosdigitalisierte, ohne einen Blick fürs Ganze zu haben und aus den Fehlern all der anderen Einrichtungen hat man nur bedingt Lehren gezogen. So hat man sich bis heute noch nicht auf ein ideales Format für Scans und Katalogisierungsdaten geeinigt. Und auch was digitalisiert werden sollte, ist noch nicht mal ganz klar. Benötigen wir Digitalisate desselben Buches, welches oft nicht nur in verschiedenen Institutionen, sondern auch in verschiedenen Ländern vorliegt. Keiner kann nachvollziehen, was bereits vorhanden ist, denn eine verlässliche Gesamtübersicht der Bestände gibt es nicht. So gibt es viele Scans bereits doppelt und dreifach. Und auch der Zugang derzeit ist oft schwierig oder von Außen gar nicht möglich, weil gar nicht bekannt ist, dass es das bereits digitale Scans gibt.

Die Schuldfrage an diesem Durcheinander ist nicht ganz so einfach. Sind die Museen und Bibliotheken schuldig, die fortschrittlich sein wollten und seiten Jahren dabei sind, ihre Bestände zu digitalisieren? Ist der Bund schuldig, der es nicht schafft, die Projekte ordentlich zu koordinieren? Sind es die fehlenden Strukturen in den Ländern, die einen Austausch untereinander erheblich erschweren?

Für die Macher der DDB ist klar, dass diese organisatorischen Probleme lösbar sind. Noch ein großes Thema sind die Verfahren der automatischen Bild- und Texterkennung, welche die Katalogisierung dieser Massen deutlich vereinfachen würden. Ein Verzeichnis der digitalisierten Bestände (Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke, ZVDD) der einzelnen Wissenschafts- und Kultureinrichtungen ist im Aufbau. Derzeit sind sich alle sicher, dass die DDB Ende 2011 online geht und wachsen wird. Dazu sollen Bund und Länder jährlich 2,6 Millionen Euro beisteuern. Diese Summe reicht für die Entwicklung und den Betrieb der Internetseite der DDB. Nicht finanzierbar sind damit jedoch weitere Digitalisierungen.

Die Finanzierung der neuen Digitalisierungen ist das größte Problem der DDB. Frankreich stellt dafür nach einem Beschluss von 2009 750 Millionen Euro zur Verfügung. Deutschland? Da ist an so eine Summe nicht zu denken. Da wird gekleckert statt geklotzt, so dass beispielsweise die Mitarbeiter im Fontane-Archiv ihre Fehler längst ausgebügelt haben wollten und die zu gering aufgelösten Bilder erneut eingescannt und die Katalogisierung abgeschlossen haben wollten. Doch es fehlt an Personal dafür und so werden ihre Digitalisate wohl nicht Teil der DDB.

Und nicht alle Kultureinrichtungen und Museen haben ein wirkliches Interesse, Teil der DDB zu werden und ihre Bestände in ausreichender Auflösung zugänglich zu machen. Hier denkt man über Zugangshürden nach, damit die Einnahmen auch zukünftig stimmen. Kritisch äußerte sich z.B. der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Prof. Hermann Parzinger zu dem Gedanken, alles kostenfrei zugänglich zu machen. Er benötigt eine Refinanzierung der Angebote, um seine Objekte zugänglich und erhalten zu können. So müssten neben den technischen und strukturellen Problemen auch ideelle Einstellungen gelöst werden. Von urheberrechtlichen Dingen will ich hier erst gar nicht sprechen, denn die Historie allein wird einen Erfolg der DDB meiner Meinung nach nicht möglich machen. Otto Normalverbraucher erwartet mehr als nur Nachweise und “alte” Kulturschätze.

Quelle,
Ehrich, Isso: 2011 geht ein Jahrhundertvorhaben ans Netz: die Deutsche Digitale Bibliothek, Märkische Allgemeine

Die digitale Downloadzone der öffentlichen Bibliotheken in South Dublin

Der digitale Buchservice “South Dublin Libraries” wurde sogar schon für den European E-Gouvernment Award nominiert. Er war der erste Buchservice seiner Art, der von einer irischen Kommune zur Verfügung gestellt wurde.

Digitale Bibliotheken benötigen Personal und verteilte Speicherplätze

Die Digitalisierung von Büchern, wissenschaftlichen Arbeiten, audio/audiovisuellen/visuellen Dokumenten bietet dem Nutzer in punkto Zugang und Verfügbarkeit viele Vorteile, aber es gibt noch viel zu tun, wenn es um unsere Digitalen Bibliothek (Repositorien) geht. Nach Ansicht der deutschen Akademien der Wissenschaften ist es dringlich, sie vor den Manipulationsgefahren zu schützen. Dennoch sieht Professor Gerhard Schneider, Direktor des Rechenzentrum darin keinen Grund, digitale Bibliotheken zu zentralisieren, gerade im Gegenteil, wenn um vorsätzliche Datenfälschungen geht, gerade im Gegenteil.

Auf dem Anfang Oktobers beendeten Workshop der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften1 haben sich rund 50 Wissenschaftler und Vertreter großer deutscher Bibliotheken mit den Problemen der Langzeitarchivierung auseinandergesetzt. Im Ergebnis kam man zu der Forderung, dass digitale Archive weltweit dem Zugriff der Politik entzogen werden und zudem über verschiedene Länder verteilt werden müssten. So ließen sich heute zwar Manipulationen an digitalen Texten nachweisen, aber oft sei dann der originale Inhalt nicht mehr bekannt. Durch viele originale Kopien könnte so der Wortlaut wieder hergestellt und zusätzlich verifiziert werden. Mit der Authentizität und Integrität der Daten steht und fällt aber auch die Bedeutung der digitalen Bibliotheken für die Wissenschaft.

Auch für den Beruf des Bibliothekars sieht Schneider viele Änderungen. “Papier hat einfach immer weniger Bedeutung”, vertritt Schneider seine These, wonach mit fortschreitender Digitalisierung BibliothekarInnen künftig noch verstärkter computergestützt arbeiten werden. Es sei aber ein Irrglaube, dass die digitalen Bibliotheken zukünftig dann auch mit weniger Personal auskommen würden.

Quelle:
Gefahr für digitale Bibliotheken, Südwest Presse (dpa-Meldung) (08.10.2010)

  1. Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist die Dachorganisation von acht deutschen Wissenschaftsakademien. Etwa 1700 Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen zählen zur Union. []

Google lässt seine Bibliothek erforschen

Google hatte mit Google Books 2004 ein Projekt angestoßen, dass gar nicht durchdacht war. Ziel war es einfach, alles Wissen der Welt online sichtbar zu machen und dazu zählen auch Bücher. Doch was anfangen mit diesem Projekt? Wie dieses optimal gestalten und allen zugänglich machen? Urheberrechte? Anfangen und machen hieß erstmal. Das Google Books settlement diente dazu, unter anderem die Copyright-Fragen zu klären. Auch sonst verlässt man sich da bei Google in aller Ruhe auf Gerichtsentscheidungen. Doch wie kann man die Bücher den Nutzern besser zugänglich machen? Um den Nutzen seiner rasch wachsenden Online-Bibliothek besser erfassen zu können, gibt Google dieses und nächstes Jahr je eine halbe Million Dollar aus.

Finanziert werden damit zwölf Projekte unter verschiedenen Fragestellungen und außerdem weden Tausender der online zugänglichen Bücher geprüft.

Google is hoping the research will validate its long-held belief that making electronic copies of old books will bring greater enlightenment to the world.

Damit will man auch den Vorwurf entkräften, Google, welches das Copyright mit Füßen tritt, würde Bücher nur digitalisieren, um den eigenen Profit zu steigern.

Zu den Gewinnern von Googles “Digital Humanities Awards” gehört auch ein Projekt der George Mason University, welches durch tiefere Analysen des Vokabulars zeitgenössischer Bücher ein genaueres Porträt des Viktorianischen Zeitalters zeichnen möchte. Das Projekt am Magdalen College Oxford erstellt einen Index übersetzter europäischer Literatur des Zeitraums von 1701-1917 (Bibliotheca Academica Traslationum), um die Änderungen der Übermittlung von Wissen innerhalb dieser Periode zu untersuchen. Andere Forscher der University of California, Los Angeles und der University of Washington erforschen Werkzeuge und Techniken zur automatisierten Bibliotheksanalyse. Für Google forschen derzeit 23 Gelehrte an 15 Universitäten.

Der Enthusiasmus von Google beim Buchscannen wurde inzwischen durch verschiedene änhängige Gerichtsverfahren bezüglich Urheberrechtsverletzungen etwas gestoppt. Dennoch sind derzeit über 12 Millionen Bücher eingescannt, wobei nicht alle online gestellt wurden. Betroffen sind vor allem copyrightgeschützte Bücher out of Print. Hier wartet Google auf eine Entscheidung bezüglich des Google Settlement, um so die Rechte für den digitalen Vertrieb von Büchern Out of Print zu erhalten. Viele lehnen dies ab, z.B. das U.S. Department of Justice, Verbraucherschützer und Google-Konkurrenten, die befürchten, dass dem Giganten so zu viel Macht auf dem digitalen Buchmarkt eingeräumt wird.

Quellen:

Orwant, Jon: Our commitment to the digital humanities, Official Google Research Blog
Google puts $1m into academic research projects for digitised books, Guardian.co.uk PDA digitalcontentblog
Liedtke, Michael: Google finances projects to test digital library, Associated Press
Google prüft Online-Bibliothek, nachrichten.at

Ein Blick zurück – mein persönlicher BID-Kongress 2010

Auch von mir ein paar Eindrücke zum gerade zu Ende gegangenen 4. Leipziger Kongress für Information und Bibliothek, bevor der allseits bekannte Alltagstrott wieder das Regiment übernimmt.

Was ist hängen geblieben? Ein paar (persönliche) Schlaglichter:

  • Nationallizenzen werden von Allianzlizenzen abgelöst
  • Allianzlizenzen werden ein Zweitveröffentlichungsrecht zwingend beinhalten
  • “Neues vom Urheberrecht”: gruppenbezogene Schrankenregelung soll Fragmentierung beenden
  • Der OPAC ist tot – es lebe der OPAC
  • Spieltheorie (homo ludens) bei der Vermittlung von Informationskompetenz

Ich hoffe, ich werde in den nächsten Tagen noch dazu kommen, ein wenig detaillierter auf diese Themen einzugehen. Insgesamt kann ich mich Dörtes Eindruck nur anschließen, dass aktuellen Themen (z.B. Open Data oder auch dem Social Web und seiner Bedeutung für Bibliotheken) wenig bis gar kein Raum (im wahrsten Sinne) gegeben wurde. So interessant und ehrenvoll die zahlreichen Aktivitäten der Zukunftswerkstatt (inkl. der Vereinsgründung) auch waren und weiterhin sind, sie machen eines deutlich: zwischen eingeschworenen “Traditionalisten” und den gern als “Junge Wilde” bezeichneten Akteuren besteht ein breiter Graben, den man gut und gerne auch als Digital Divide bezeichnen könnte. Gemeint ist hier nicht die generelle Debatte über die (Ir)Relevanz einzelner Dienste wie etwa Facebook oder Twitter, sondern die Botschaft, die viele dieser Diskussionen unter Bibliothekaren unterschwellig mittransportieren: die latente Angst des Kompetenz- und Bedeutungsverlusts, wenn man sich nur erstmal mit dem “Teufel” eingelassen hat, verbunden mit der Überlegung, welches denn die Kernaufgaben der Bibliothek sind und wie und ob “digitale Angebote” im weitesten Sinne überhaupt in das klassische Bibliotheksportfolio passen.

Ich persönlich denke, dass die nächsten Jahre richtungsweisend und spannend sein werden für die Bibliothek als Institution und auch als Prinzip. In sofern schließe ich den Kreis dieses Postings, indem ich mich jetzt schon mal auf den (hoffentlich mutigeren) 100. BibliothekarInnentag hier in Berlin freue!

Jahrhundertealtes Wissen auf Knopfdruck

Wir alle hätten gern auf Knopfdruck das Wissen der letzten Jahrhunderte auf unserem Bildschirm, während wir es uns mit einer Tasse Kaffee/einem Bier auf dem Sofa bequem machen. Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) schafft ein Archiv der Zeitgeschichte und digitalisiert dafür 400.000 Seiten von 15 verschiedenen Zeitungstiteln der ehemaligen Kronländer der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Zu den Titeln zählen die Zeitungen “Pester Lloyd”, das “Pester Lloyd”, das “Prager Tagblatt”, die “Cernowitzer Allgemeine Zeitung” oder die “Bukowinaer Nachrichten”. Bis Ende des Jahres will man etwa 25 Laufmeter an Zeitungen digitalisiert und online gestellt haben. Dann können neben historischen Ereignissen auch Feuilletons, Theater-Rezensionen und sogar Inserate von damals im Netz gelesen werden.

Es werden aber nicht nur Zeitungen für das Projekt “AustriaN Newspapers Online” digitalisiert. Unter dem Namen “ANNO” werden auch Fotos, Ton- und Filmaufnahmen zugänglich gemacht. Finanziert wird es aus dem ÖNB-Haushalt und durch EU-Gelder. Möglichst lückenlos sollen am Ende die österreichischen Medien bis 1939 abrufbar sein. Bei jüngeren Ausgaben wird man warten müssen, da gedruckte Medien erst 70 Jahre nach Tod des Autors gemeinfrei werden.

Im digitalen Archiv können die Zeitschriften über Jahresregister gefunden werden. Der erste digitale Eintrag stammt aus dem Jahr 1716. Außerdem steht ein Zeitungsregister und eine Liste mit den letzten hinzugefügten Titeln zur Verfügung. Wer gerne etwas Gedrucktes in der Hand haben möchte, kann einzelne Seiten oder die ganze Ausgabe ausdrucken. Man sollte sich jedoch vorher die Anleitung dazu durchlesen, da diese Funktion nicht ganz so intuitiv zu bedienen ist. Was fehlt momentan ist eine Volltextsuche oder eine inhaltlich, thematische Erschließung. Doch daran wird nach eigener Auskunft gearbeitet.

Bettina Kann, Leiterin der ÖNB-Hauptabteilung “Digitale Bibliothek”, macht deutlich, dass durch die Digitalisierung nur die Information bewahrt wird, nicht jedoch die Medien selbst. So kann die Information auch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Vorrang haben die Zeitungen auch daher, weil sie sich langfristig wohl als erste zu Staub zersetzen.

Um einen dauerhaften Zugang zu ermöglichen, wird das digitale Archiv auf einem speziellen System von Festplatten gespeichert und auf einem zweiten, identischen System gespiegelt. Dabei werden beide Festplattensysteme fortlaufend aktualisiert. Hinzu kommen Sicherungskopien auf Magnetbändern, die in einem Hochsicherheitsbunker bei Sankt Johann im Pongau gelagert werden. So sollte auch im Falle einer Katastrophe Österreichs Kulturgut nicht verloren gehen.

Übrigens beginnen die meisten Zeitungen in der digitalen Bibliothek erst mit dem 19. Jahrhundert. Davor gab es nämlich nicht viel zu lesen. Zeitungen erschienen generell unregelmäßig und sahen ein bisschen wie Flugblätter aus.

Warum konnte ich mich eigentlich bei diesem Satz von Eva Stanzl nicht des Eindrucks erwehren, sie steht mit erhobenen Zeigefinger und freudestrahlenden Gesicht da, ganz in der Manier “Ich weiß was. Ich weiß was!” …

Die älteste noch laufend erscheinende Tageszeitung des Projektes ist die “Wiener Zeitung”, aus der Artikel stammt, durch den ich auf das “ANNO” aufmerksam wurde. Sie wurde 1703 von Kaiser Leopold I gegründet. Viele andere Zeitungen der digitalen Bibliothek begannen erst im 19. Jahrhundert. Der Verleger der Zeitung erhielten das Privileg, über die Neuigkeiten bei Hof zu berichte und alle amtlichen Mitteilungen bekannt machen zu dürfen. Aufgrund ihres Engagement für die Pressefreiheit wurde sie 1857 verstaatlicht. Heute sind bereits eine Million Seiten dieser Tageszeitung online.

Quelle:
Stanzl, Eva: Auf Knopfdruck zum Wissen der letzten Jahrhunderte, Wiener Zeitung, 11.03.2010 // gedruckt: 12.03.2010

Eine öffentliche digitale Bibliothek für Deutschland ein Muss

So unklar wie die Zukunft der Bibliothek ist, ist doch klar, dass sie dennoch auch in digitaler Form vorliegen muss – nicht sollte und nicht könnte, sondern MUSS. Dass Texte in Zukunft digital sind, kann man sich bei dem bereits heute digitalen Texteaufkommen und dem Hype ums E-Book denken. Die Bibliothek muss sich dieser digitalen Zukunft stellen. Die digitale Zukunft heißt nicht, dass das Gebäude Bibliothek, die gemütlichen und stolzen Lesesäle oder unsere Buchkultur, wie wir sie heute kennen verschwinden, aber die Aufgaben der Bibliothek werden sich ändern. Die Bibliothek muss heute Schritt halten mit der digitalen Revolution und ihre Funktionen anpassen. Sie werden Horte des Wissens bleiben, des alten Wissens, auch des neuen Wissens. Das gelingt jedoch nur, wenn sie den Zugang zu allen Formen der Text- und Wissensproduktion gewährleisten kann. Doch momentan muss man ängstlich zuschauen, wie Bibliotheken zunehmend vom aktuellen Wissen abgehängt werden. Dies geschieht an verschiedenen Fronten.

Für Ulrich Johannes Schneider stehen die Zeichen für ein baldiges Gelingen derzeit nicht gut. Er bezeichnet das Versagen der Bibliotheken und der sie stützenden Institutionen als eklatant. Es gibt mit der “Deutschen Digitalen Bibliothek” (DDB) ein im Dezember 2009 auf höchster politischer Ebene beschlossenes Projekt, welches dieses Jahr starten soll. So richtig losgehen wird es für die DDB wohl erst 2011. Diese digitale Bibliothek soll wie “Google Books” alles Gedruckte, ob Zeitschrift oder Buch, von Gutenbergs Zeit an zugänglich machen. Ein Jahrhundertprojekt, das vor unlösbare Aufgaben oder die Quadratur des Kreises gestellt wird, wirft man einen Blick auf die Anforderungen, die zu bewältigen sind. Hier mal ein Teil der aufgestellten Forderungen/Ziele des Jahrhunderprojekts DDB1, 2:

  • Attraktives Angebot für alle Bürgerinnen und Bürger
  • Komfortabler und weitestgehend kostenfreier Zugang
  • Zentraler Zugang zu Informationen aus über 30.000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen (Bibliotheken, Archive, Museen etc.)
  • Alternative für Autoren und Verlage zu “Google books”
  • Nur unter Wahrung des geltenden Urheberrechts

Weiterlesen

  1. Über das Projekt DDB []
  2. Deutsche Digitale Bibliothek []
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