Bei der 1894 gegründeten Deutschen Zentralbibliothek für Blinde (DZB) werden große Veränderungen angekündigt. Nach 55 Jahen verabschiedet man sich dort von den sehr anfälligen reparaturaufwendigen und zu teuren Hörbuchkassetten. Ersetzt wird die Kassette im nächsten Jahr durch das CD-Format DAISY. Die Umstellung wird zeitgleich in den elf weiteren Blindenbibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz erfolgen.
DAISY bringt einige Vorteile mit sich: Auf eine DAISY-CD passen bis zu 40 Stunden lange Hörbücher, bzw. mehrere kürzere Bücher. Handelsübliche CDs können gerade einmal 80 Minuten speichern. Außerdem kann man in den Hörbüchern wie in einem Buch blättern und man kann (in verschiedenen Ebenen) im Buch suchen.
DZB-Direktor Dr. Thomas Kahlisch weiß, dass die Welt digital ist Der blinde Informatiker kündigt damit große Veränderungen für 8754 Nutzer der Bibliothek an. Ein wenig problematisch ist denn schon, denn 4/5 der Nutzer sind älter als 70 Jahre und sind die Handhabung von Kassetten gewohnt. Sie müssen nun auf CD oder Internet wechseln oder warten bis das Buch in Braille-Schrift erscheint. Allerdings beherrschen nur sehr wenige diese Blindenschrift.
Das wird an den Entleihungen vom Vorjahr deutlich: 2563 Mal wurden Braille-Bücher ausgeliehen (2007: 2476), 162 229 Mal Hörbücher (2007: 152 229). Ein Drittel der ausgeliehenen Hörbücher waren Kassetten.
Durch die Digitalisierung verspricht Kahlish eine bedienerfreundliche Alternative zur Audiokassette. Insbesondere der Versand von Hörbüchern über das Internet sei ein Vorteil.
Unumschränkt ist dieser Vorteil noch nicht, denn wirkliche Voraussetzung ist ein flächendeckender schneller Internetzugang auch auf dem Land. Ziel der DZB ist es, ihre Leser stärker in die Gemeinschaaft zu integrieren.
“Ein Großteil unserer Anrufer, die ihre Bestellung abgeben, lebt alleine. Wir sind eine richtige soziale Kontaktstelle für sie.”
Auch der Blinden- und Sehbehinderten-Verband (BSV) zweifelt nicht daran, dass die Nutzer die in einem Alltag voller Hürden diese neue auch noch meistern werden. Damit niemand daran scheitert, wird es auch Schulungen im Umgang mit den neuen Geräten geben.
Die sächsische Verbandsvorsitzende Angela Fischer sieht in der Umstellung:
“Gerade für ältere Menschen ist das DAISY-Format eine Erleichterung. So fällt das mühsame Vor- oder Zurückspulen weg. Man kann bequem in einem Buch blättern, von Artikel zu Artikel springen.”
Hauptgrund für diese doch recht abrupte digitale Umstellung sind Kürzungen der Landeszuschüsse. Allein 2008 wurden drei Millionen Euro eingespart.
Von dem Geld werden Musiknoten, Zeitschriften, Geografiekarten sowie 1050 Reliefkalender, 150 Hörbücher und bis zu 200 Braille-Bücher pro Jahr produziert. Zurzeit entsteht in der DZB der Bestseller “Die Märchen von Beedle dem Barden” der “Harry Potter”-Autorin Joanne K. Rowling.
Dem sinkenden Budget gegenüber steht eine steigende Anzahl von Nutzern und Ausleihen.
Den kostenlosen Versand haben weltweit 8754 Blinde und Sehbehinderte genutzt (2007: 8351). Bestellungen kommen sogar aus Neuseeland.
Kahlisch sieht auch weitere Möglichkeiten für DZB. Die Bibliothek könnte auch für Legastheniker von Interesse sein, allerdings untersagt das Urheberrecht eine Ausleihe an diese Betroffenen.
“Dieses Problem wird zu wenig thematisiert in Deutschland. In ähnlichen Bibliotheken in Skandinavien sind ein Viertel der Nutzer blind oder sehbehindert, drei Viertel Legastheniker.”
Quellen:
Deutsche Zentralbücherei für Blinde stellt auf digitale Medien um via Standard.at
Zentralbücherei für Blinde stellt Ausleihpraxis um via Volksstimme Sachsen-Anhalt Newsticker