OPUS: Operation gelungen, Patient…?

In einer konzertierten Aktion im Herbst des vergangenen Jahres konnte dem Patienten OPUS 4 durch eine beherzte Operation am offenen Herzen das Leben gerettet werden. Was war geschehen?

Die Repository-Software OPUS hatte 2008 in den Spiegel geschaut: ein Fältchen hier, ein graues Haar dort – eine Verjüngungskur musste her. Flux eine Schönheits-OP angesetzt und OPUS würde sich zukünftig als OPUS 4 mit ganz anderen Augen entgegenlächeln.

Vieles wurde OPUS von den Ärzten versprochen: ein Baustein nationaler und internationaler Open Access-Netzwerke sollte es zukünftig sein, an Forschungsdatenbanken angebunden werden und nicht zuletzt als Hochschul- beziehungsweise Forschungsbibliographie dienen können – doch nach kurzer Visite war klar: eine Schönheits-OP würde da nicht reichen. Also wurden tiefergehende Eingriffe vorgenommen, die dem Patienten stark zusetzten. Die Folge war, dass OPUS 4 im Frühjahr 2010 endgültig ins Wachkoma fiel.

Im darauffolgenden Sommer übernahmen das Zuse-Institut Berlin und der KOBV den Patienten in diesem Zustand und versuchten zunächst, sich einen Überblick über die Krankengeschichte zu verschaffen. Offenkundig war, dass OPUS 4 unter einem besonders schweren Fall von Featuritis litt – zugegeben, eine heutzutage weitverbreitete Erkrankung. Dies erhöhte die Komplexität der Behandlung. Zudem zeigten sich bei dem Patienten bereits deutliche Anzeichen einer schizophrenen Veranlagung: einerseits sollte er für alle Nutzergruppen – also Administratoren, Bibliothekare und Endnutzer – einfach zu bedienen sein. Gleichzeitig sollte er jedoch komplexe und hochspezielle Anforderungen im Zeitalter von digitalen Forschungs(roh)daten und einer hochgradigen Heterogenität der unterschiedlichsten Fachdisziplinen bedienen.

Die vorliegende Krankenakte dokumentierte die bereits erfolgten Eingriffe und Behandlungsmethoden nur recht lückenhaft. Zudem hatten viele verschiedene Ärzte mitunter widersprüchliche Medikationen verabreicht. Dies erschwerte die Diagnose und machte eine Reihe von einschneidenden Entscheidungen notwendig. Denn wo gehobelt wird, da fallen Features – zum Wohle des Patienten. Die Frage, die wir uns während der Behandlung des Öfteren gestellt haben war: was ist wichtiger? Ausgefeilte Kosmetik oder ein gesundes Herz und funktionstüchtige Organe? Nein, die Prioritäten waren klar: nur eine Konzentration auf die Kernfunktionen schafft letztlich die Basis für schrittweise Funktionserweiterungen.

Trotz der prognostizierten geringen Überlebenschancen des Patienten wurde also alles Menschenmögliche unternommen, um den Patienten OPUS 4 nicht nur zu retten, sondern ihm auch alle Möglichkeiten für die freie Entfaltung seiner zukünftigen persönlichen Weiterentwicklung zu bieten. Herausgekommen ist eine moderne Repository-Software zur Erschließung, Veröffentlichung, Administration, Recherche und Verbreitung elektronischer Dokumente mit flexibel anpassbaren Dokumenttypen, einer Bibliographiefunktion und einer benutzerfreundlichen Oberfläche, unter der eine leistungsfähige Suchmaschinentechnologie Spaß am Finden macht.

Nach einem derartigen Krankheitsverlauf benötigte der Patient OPUS 4 verständlicherweise eine entsprechende Rehabilitationsphase, in der die eine oder andere Nachbesserung vorgenommen wurde. Mit dem „Oster“-Release der Version 4.1 im April dieses Jahres hat der Patient OPUS 4 jedoch endgültig das Krankenlager verlassen und ist nun gewappnet für zukünftige Herausforderungen. Doch nach dem Release ist bekanntlich vor dem Release und deshalb gilt für uns im Interesse unserer Kunden: da müssen wir ran!

Original:
Thiede, Doreen: Operation gelungen, Patient… lebt!, Vortrag gehalten auf dem 9. KOBV-Forum, 12.09.2011
Dazugehörige Vortragsfolien

Ranganathan für Repositorien

Ed Summers, seines Zeichens Bibliotheks-Hacker und Repositorienspezialist, hat einen interessanten Beitrag in seinem Blog inkdroid über „gute“ Repositorien geschrieben. Darin wendet er die Fünf Gesetze der Bibliothekswissenschaft auf Repositorien an:

1. Repositorienobjekte sind zum Benutzen da

Repositorien können zwar als so genannte Dark Archives konzipiert und betrieben werden, aber das stellt ihre Existenzberechtigung in Frage, die darin besteht, von Menschen benutzt zu werden. Was nicht benutzt wird, wird schnell unbrauchbar oder – wie Ed Summers es ausdrückt – verrottet sogar.

2. Jedem Leser / jeder Leserin sein bzw. ihr Repositorienobjekt

Repositorien müssen die unterschiedlichen Anwendungsfälle (Use Cases) einer heterogenen Nutzerschaft unterstützen, die durch die verschiedenen Blickrichtungen auf Repositorienobjekte entstehen.

3. Jedem Repositorienobjekt sein Leser

Gleiches gilt selbstverständlich auch umgekehrt: Repositorienobjekte müssen über verschiedene Wege auffindbar sein, von innen über intelligente Such- und Filterfunktionen genauso wie von außen („Discovery happens elsewhere„). Dafür müssen sie eindeutig referenzierbar sein.

4. Die Zeit des Lesers / der Leserin sparen

Repositorien müssen vernetzbar sein, damit ihre Inhalte über verschiedene Sucheinstiege effizient und effektiv gefunden werden. Idealerweise werden sie so automatisch Teil des Recherche-Workflows der Nutzerinnen und Nutzer. Die Repositorienobjekte kommen zum Nutzer und zur Nutzerin, nicht umgekehrt.

5. Das Repositorium ist ein wachsender Organismus

Repositorien sollten immer erweiterbar sein (Skalierbarkeit) und sich neuen Entwicklungen anpassen können. Dies bedeutet, dass der Lebenszyklus der Repositorienobjekte und der Funktionen des Repositoriums weitestgehend technologieunabhängigkeit sein sollten.

Diese Betrachtung fasst die Anforderungen an (digitale) Repositorien wie ich finde präzise zusammen beziehungsweise reduziert die oft diffusen Blickrichtungen auf das Wesentliche. Ein bemerkens- und bedenkenswerter Ansatz, der durchaus Mantra-Potenzial hat.

Quellen:
Ed Summers: on “good” repositories, inkdroid, 08.03.2011
Lorcan Dempsey: Discovery happens elsewhere, orweblog, 16.09.2007
Rosemie Callewaert (@rcallewaert): Could Ranganthan his 5 Laws of Library Science serve as a touchstone for repositories? ~> http://t.co/dYCkFGl via Twitter