Neues Angebot: Teure E-Book-Vermietung von Libreka

Auf der Frankfurter Buchemesse habe ich mir dieses Jahr unter anderem Informationen zu Leihmodellen von E-Books geholt.1 Dabei hatte ich unter anderem ein Gespräch mit Libreka, die pünktlich zur Messe ihren E-Book-Verleih mit derzeit 760 Titeln2 gestartet hat. Die entleihbaren Bücher können für 4 Wochen genutzt werden.

Libreka auf der Frankfurter Buchmesse 2012

Libreka auf der Frankfurter Buchmesse 2012

Die E-Books stammen vom Ulmer-Verlag, vom Hanser-Verlag, vom Engelsdorfer Verlag und vom Verlag Droschl.3

Vergleicht man die Unterschiede mit den Preisen zum gedruckten Buch, fallen bei allen Beteiligten die Rabatte zum Miet-E-Book in etwa gleich gut aus. Je teurer das Buch, desto günstiger ist es vergleichsweise, dieses zu mieten. Beim Ulmer-Verlag sind die Preise von Print-Buch zu E-Book nicht so deutlich auseinander wie z.B. bei Engelsdorfer. Dennoch drängt sich bei den Preisen für mietbare Bücher der Verdacht auf, dass man möchte, dass dieses Modell keinen Erfolg hat und man dennoch gerne weiterhin unbefriste Lizenzen verscherbeln möchte. Da die mehrfache,und zeitlich befristete Überlassung einer “digitalen Kopie” derzeit mehr Aufwand macht als die das Verscherbeln einer lebenslang gültigen Lizenz, die dann irgendwann vergessen wird, reguliert man das eben über den Preis.

Schon die Sprachwahl lässt einiges erwarten und man wird dann bitter enttäuscht. Leihe bedeutet ja eigentlich kostenlose Nutzung. Zum Verleih, bzw. der Leihe heißt es im § 598 BGB: “Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten. Im Fall von Librekas E-Book-Verleih kann überhaupt nicht von kostenloser Überlassung die Rede sein, wie die Zahlen oben eindrucksvoll belegen. Richtig müsste es daher wohl Vermietung von Zugangs- und Leserechten oder Einräumung einer kostenpflichtigen, zeitlich befristeten Lizenz heißen. Kompliziert! Und auch kompliziert durch das DRM.

E-Books konnten wir noch nie wirklich kaufen, sondern immer nur mit bestimmten Nutzungsrechten lizenzieren. Die derzeitigen Lizenzen lassen i.d.R. jedoch eine zeitlich unbeschränkte Nutzung zu. Um die zeitliche Einschränkung durch Digital Rights Enforcement (DRE) zu ermöglichen, bleibt nur der Einsatz technischer Schutzmaßnahmen. Dies verkompliziert die Nutzung, denn neben der Plattform, wo man das E-Book runterlädt, z.B. eben Libreka, muss man sich noch bei Adobe Digital Edition4 anmelden.

Rechtlich gesehen ist der “Verleih”, wie ihn Libreka und die beteiligten Verlage planen, eine Vermietung.5 Laut § 535 BGB wird dabei ein Vertrag zwischen Vermieter und Mieter geschlossen, bei dem der Vermieter “dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren” hat. Im Gegenzug ist der Mieter “verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten”.

Für Öffentliche Bibliotheken (ÖB) ergibt sich aus diesen Angebot ein großes Problem. Die Verlage, die darüber relativ billig wiederkehrende Einnahmen generieren können, haben natürlich kein Interesse mehr daran, ÖBs gute Konditionen zum Verleih von E-Books zu ermöglichen. Sie sehen in den ÖBs Konkurrenz, die es kleinzuhalten geht. Dazu braucht man nur einen Blick zu den amerikanischen Bibliotheken werfen, wo sich große amerikanische Verlage weigern, mit Bibliotheken zu verhandeln und Verträge abzuschließen. ÖBs widerum, die jedem einen möglichst kostenfreien Zugang zu Informationen ermöglichen sollen, können diese Aufgabe nicht mehr im ausreichenden Maße erfüllen. Süffisant Bibliotheken darauf zu verweisen, dass sie die Bücher ja weiterhin als Printbuch zur Verfügung stellen könnten oder an hermetisch abgeschlossenen Leseplätzen6.

Die Preisgestaltung ist ebenfalls fragwürdig und meiner Meinung nach zu hoch angesetzt7. Die “verliehenen” E-Books werden nicht abgenutzt und sie können ohne Qualitätsverlust beliebig oft und zudem auch gleichzeitig durch die Verlage “verliehen” werden8. Hier würden Mehreinnahmen generiert, die dann hoffentlich auch genauso deutlich und hoch an die Autoren weitergegeben werden. Natürlich entstehen den Verlagen selbst bei diesem Verfahren Kosten für die Entwicklung und Nutzung eines passenden DRE-Repertoirs, das vermutlich genauso schnell ausgehebelt wird, wie dies bereits jetzt der Fall bei DRM ist. Dann muss das DRE angepasst, verschärft und verstärkt werden, was wieder Kosten verursacht, die Nutzung verschlechtert und das System hoffentlich irgendwann zum Scheitern bringt.

Wir haben sicherlich heutzutage mit einer starken Abgrenzungsfrage zu tun. Womit können Verlage noch so viel Geld verdienen, dass es für sie wirtschaftlich ist9 und ab wann ist es das nicht mehr, so dass an dieser Stelle dann die Bibliotheken zusehen können, was sie anbieten dürfen? Muss hier vom Gesetzgeber extra eine Schranke im Urheberrecht geschaffen werden, die es allen ermöglicht, ungehindert Zugang zu Informationen zu erhalten? Ganz kostenlos (Subskriptionskosten, Tantiemen etc.) ist dieser Zugang ja schließlich nicht, da der Zugang, den Bibliotheken derzeit gewähren, über Steuergelder refinanziert wird. Wie kann der Gesetzgeber also Bibliotheken bei ihrem Auftrag der Leseförderung, der kulturellen Arbeit und Bildungsaufgaben unterstützen? Kein Wunder, wenn Bibliotheken teuer für grottige E-Book-Angebote wie die Onleihe bezahlen müssen. Durch das E-Book wird deutlich, dass Verlage zunehmend eine Konkurrenz in Bibliotheken sehen oder sie andererseits nur noch als tolle Vertriebsplattformen wahrnehmen, um ihre Güter an den Konsumenten zu bringen.

Unbestritten ist, dass das E-Book und digitale Medien ansich Möglichkeiten bieten, für die es derzeit noch keine adäquate Lösung und es in vielen Bereichen einen immensen Regelungsbedarf gibt. Wohlwollen scheint jedoch momentan nicht mehr gegeben zu sein. Ganz deutlich wird dies in einer Mitteilung des Börsenblatts zum neuen Geschäftsfeld “E-Book-Leihe” vom 11.10.2012:

Matthias Ulmer nimmt an, dass künftig mehr E-Book-Leser dazu übergehen werden, Titel nicht dauerhaft zu speichern, sondern nach Bedarf auf sie zuzugreifen. In diesem Zusammenhang erwachse den Verlagen eine Konkurrenz aus den Onleihe-Angeboten der öffentlichen Bibliotheken, die auf Dauer das Geschäftsmodell der Verlage gefährden könnten. Längst sprächen die Bibliotheken nicht mehr ihre ursprüngliche, eher einkommensschwache Zielgruppe an, sondern einen wesentlich größeren Nutzerkreis. Hier steuere man auf einen Konflikt zu.

Dies hat zu einer heftigen Diskussion bei Inetbib geführt und kann gerne dort nachgelesen werden.

E-Books selbst waren auf der Buchmesse Teil der Gespräche. Eine Sache ist mir bei einer Diskussionsrunde hängen geblieben.

Zufällig bin ich am Freitag verspätet noch zu folgender Diskussion gekommen:

Veranstaltungen auf der Frankfurter Buchemesse

Veranstaltungen auf der Frankfurter Buchemesse, Freitag 12.10.2012

Dort habe ich eine ganze Weile den vier Diskutierenden zugehört.

Diskussion zum Thema: Read me if you can!

Diskussion zum Thema: Read me if you can! – Eric Merkel-Sobotta, Thibaut Kleiner, Christina Mussinelli, Ronald Schild

Christina Mussinelli sagte sinngemäß, dass die Probleme mit E-Books nicht unbedingt urheberrechtlicher oder lizenzrechtlicher Art seien. Man müsse verstehen, dass es sich bei E-Books um Services handle. Services – Dienstleistungen also, keine Information, kein geistiges Eigentum, sondern Services – eine Darbringungsart. Müssen wir uns also zukünftig darum streiten, wer welche Services erbringen darf? Und worin besteht der Service bei E-Books? In der Gestaltung, in der Darbringung, im Einrichten eines Zugangs? Wie soll dieser Service rechtlich dann verankert werden? Ich hoffe mal, ich hab da irgendwas falsch verstanden. Eine kurze Zusammenfassung dieser Diskussion gibt es beim BuchMarkt.

Willkommen im Kampf zwischen Verlegern und Buchhandelsriesen um Marktanteile. Hoffen wir, dass die Öffentlichen Bibliotheken als schwächstes Glied nicht dazwischen zermahlen werden. Die leidtragenden werden die LeserInnen sein, die keinen Zugang zu aktueller Literatur in einer modernen Form erhalten. Und vielleicht sollten die Verlage ab und zu mal einen Blick in die “The eBook User’s Bill of Rights” werfen, um zu sehen, was sich ihre Kunden tatsächlich wünschen.

Zu den Bildern:
Die Bilder sind von mir und stehen unter einer CC BY 2.0 – Lizenz.

  1. Libreka wird als erster E-Book-Verleiher auf den Markt gehen. Amazon folgt vermutlich Ende Oktober für Prime-Kunden mit einem Verleihangebot für ein Buch im Monat und eine Jahresgebühr von 29,00 Euro. []
  2. Die Zahl der Titel ist gering und auch die Verlage gehören nicht unbedingt zu den großen Publikumsverlagen. Hier setzt man wohl eher auf Flatratemodelle wie z.B. bei Skoobe.de. []
  3. Stichprobenartig habe ich für die Verlage mal Kosten für den Erwerb einer Volllizenz ohne starkes Digital Rights Management (DRM) und einer Leihlizenz mit DRM gegenüber gestellt.
    Droschl: 6,99 zu 5,49 €; 14,99 zu 10,99 €;
    Engelsdorfer: 4,99 zu 3,49 €; 5,99 zu 4,49 €; 6,99 zu 4,99 €; 7,99 zu 5,99 €; 8,99 zu 6,49 €; 9,99 zu 7,49 €; 14,99 zu 10,99 €;
    Hanser: 9,99 € zu 7,49 €;
    Ulmer: 5,99 zu 1,49 €; 7,99 – 9,99 zu 1,99 €; 11,99 zu 2,49 €; 12,99 – 14,99 zu 2,99 €; 18,99 zu 3,99; 22,99 zu 4,99 €; 29,99 zu 5,99 €; 33,99 zu 6,99 €; 37,49 zu 7,49 €; 44,99 zu 8,99 €; 54,99 zu 10,99 €; 74,99 zu 14,99 €; []
  4. Im Übrigen ein guter Tipp: Notieren Sie sich an einer Stelle, z.B. ihrem Papieradressbuch oder so, die E-Mail-Adresse, das Passwort und ihre Adobe-ID, weil man die sehr schnell vergessen kann. Theoretisch muss man sich nur einmal bei Adobe Digital Edition anmelden. Die ID benötigt man aber dann für die verschiedenen Geräte, auf denen man letztendlich die E-Books lesen möchte. Wenn man die nicht parat hat, kann es komplizierter werden. []
  5. Der E-Book-Verleih von Amazon ist bei der folgenden rechtlichen Betrachtung einmal außen vor. Eine Einordnung des dort gewählten Modells mit einer Jahresgebühr usw. fällt nicht so leicht. Hierbei handelt es sich eher um ein Flatrate-Modell wie z.B. Skoobe.de. []
  6. Die E-Books würden in diesem Fall tatsächlich nur an einem speziellen Rechner in der Bibliothek, natürlich ohne Speicher- und Druckmöglichkeiten, oder auf einem gesperrten E-Book-Reader lesbar sein. []
  7. Sinnvoll wäre es auf jeden Fall die Preisgestaltung am E-Book-Preis und nicht am Printbuch-Preis zu orientieren. Dass dies derzeit nicht der Fall ist, sieht man, wenn man sich bei der Libreka-Vermietung die Titel nach Preisen sortiert anzeigen lässt. []
  8. Die Verlage können beliebig viele und verlustfreie digitale Kopien anfertigen. Eine zeitliche und stückzahlenabhängige Einschränkung kann nur künstlich durch DRE erzeugt werden. []
  9. Diese Grenze sinkt, durch verbesserte und somit kostengünstigere Micropayment-Verfahren und gute bereits vorhandene personalisierte Dienste. []

BGH vertagt Entscheidung im Rechtsstreit Ulmer Verlag vs. TU Darmstadt

Gleich vorneweg: Entschieden ist nichts. Das erwartete Grundsatzurteil gab es nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 20.09.2012, I ZR 69/11 die Entscheidung über die Grundsatzfrage, ob Bibliotheken Digitalisate eines Lehrbuchs anfertigen und über elektronische Leseplätze zugänglich machen dürfen, ausgesetzt und an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgegeben.

Drei Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sollen nun rechtlich durch den EuGH vorab beantwortet werden:

  1. Greift § 52b UrhG, wenn die Rechteinhaber der Bibliothek in unbefristeten Lizenzverträgen die Nutzung von Werken in elektronischen Leseplätzen zu angemessenen Bedingungen anbietet?
  2. Haben Bibliotheken das Recht, sämtliche gedruckten Werke zu digitalisieren, um sie in einem elektronischen Leseplatz ihren Nutzern zur Verfügung zu stellen.
  3. Dürfen die Bibliotheken die Werke so zugänglich machen, dass sie ganz oder teilweise auf Papier ausgedruckt oder auf USB-Sticks abgespeichert und mitgenommen werden dürfen?

Seit Mai 2009 beschäftigen sich die Technische Universität Darmstadt, der Ulmer-Verlag, der Deutsche Bibliotheksverband, der Börsenverein und diverse Gerichte mit diesen Fragen. Sie alle kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Gegen das Urteil (AZ 2-06 O 172/09) des Verfahrens vor dem LG Frankfurt vom 13.05.2009 ging der Verlag in Revision. Am 16.03.2011 wurde das Urteil (AZ 2-06 O 378/10) der Revision veröffentlicht worden und untersagte den Druck und das Anfertigen digitaler Kopien von den im Rahmen des § 52b UrhG digitalisierten Werken.
Mit einer Sprungrevision ging man dann zur Urteilsfindung an den BGH.

Zum Hintergrund:

Die TU Darmstadt bot in ihrer Bibliothek über elektronische Leseplätze ihren Nutzern Zugang zu digitalisierten Werken aus dem Bestand der Bibliothek an. Aus diesen konnte die Leser dann beliebige Seiten ausdrucken, bzw. das Werk auf einen USB-Stick abspeichern. Der Ulmer Verlag, dessen Buch “Einführung in die neuere Geschichte”unter den von der Bibliothek digitalisierten Büchern befand und der seiner Meinung nach, ein angemessenes digitales Angebot machte, sah darin einen Verstoß gegen den Bibliotheksschranke genannten § 52b UrhG.

Grundlage des § 52b UrhG ist Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG, nach der Mitgliedsstaaten die Rechte von Urhebern und Verlagen einschränken dürfen. Die Einschränkung besteht darin, dass für die Nutzung der Werke keine Regelungen über Verkauf und Lizenzen gelten und diese sich in Sammlungen öffentlich zugänglicher Bibliotheken befinden.

Mehr dazu:
Bundesgerichtshof legt EuGH Fragen zur Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken vor, Bundesgerichtshof, Pressemitteilung Nr. 155/2012
BGH erbittet Vorabentscheidung des EuGH zur Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken, Kostenlose Urteile
BGH legt EuGH Streit um Urheberrecht vor : Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken, Legal Tribune Online
BGH: EuGH soll Fragen zur Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken klären : zu BGH, Beschluss vom 20.09.2012 – I ZR 69/11, Beck-aktuell

Siehe auch:
Positionen zu § 52b UrhG, IUWIS

Fliegen die Brieftauben bald auch in Zürich?

Die Anspielung des Titels bezieht sich auf eine ähnliche Diskussion, die wir hier 2007 im Blog bereits führten, als es um das Verbot des elektronischen Dokumentenversandes bei Subito ging. Inzwischen haben wir uns in Deutschland daran gewöhnt, dass die Dokumente größtenteils nur noch in Papierform ausgehändigt werden.

Nun kommt es rund um den elektronischen Dokumentenlieferdienst der ETH-Bibliothek in der Schweiz wieder zur Diskussion darum, da mehrere Verlage für wissenschaftliche Fachzeitungen sich an dieser wichtigen Dienstleistung stören.

Wolfram Neubauer, Direktor der ETH-Bibliothek hat nun zum Rechtsstreit mit der International Association of Scientific, Technical and Medical Publishers (STM) Stellung bezogen. STM hatte Ende 2011 beim Handelsgericht Zürich eine Klage gegen den Dokumentenlieferdienst der ETH-Bibliothek eingereicht. Die klagenden Veralge sind wie fast nicht anders zu erwarten Elsevier, Springer und Thieme. Diese spielen ähnlich wie der Ulmer-Verlag in der Klage gegen die TU Darmstatdt die Vertreter in einer Art Musterprozess und werden wohl auch finanziell von den anderen Mitgliedern der Association unterstützt werden.

Ziel von STM ist es, den Versand von Scans aus wissenschaftlichen Publikationen durch die ETH-Bibliothek an Kunden innerhalb der Schweiz verbieten zu lassen. Wesentliches Argument hierbei ist die Aussage der Verlagsvertreter, dass die wissenschaftlichen Verlage eigene Dokumentenlieferdienste unterhalten würden, die die Versorgung von Forschung und Entwicklung gleichermassen sicherstellen könnten.

Natürlich wird durch die Klagenden auch generell die Lieferung von Aufsatzkopien in elektronischer Form als ein Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen des Schweizer Urheberrechts angesehen. Die Kopienlieferung wäre somit illegal.

Nun selbstverständlich sieht die ETH Zürich bzw. die Bibliothek die Lieferung dieser elektronischen Kopien durch das Schweizer Urheberrechtsgesetz gedeckt, zumal dei entsprechenden Gebühren an die einschlägige Inkassostelle ProLitteris abgeführt werden. Dabei erbringt die ETH-Bibliothek eine

“innerhalb der geltenden Urheberrechtsbestimmungen für den Forschungsstandort Schweiz (…) sinnvolle Dienstleistung zu akzeptablen finanziellen Bedingungen (…).”

Durch die Klage der Wissenschaftsverlage besteht die Gefahr, dass die Regelung des Art. 19 Abs. 2 des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes, die das auszugsweise Kopieren aus Zeitschriften ausdrücklich erlaubt, unterlaufen wird. Rechtsanwalt Martin Steiger sieht darin einen eindeutigen Standortvorteil des Forschungsplatzes Schweiz im Gegensatz zu Deutschland, wo derartige Kopien verboten sind.

Die inzwischen von einer Reihe von Verlagen aufgebauten eigenen Lieferdienste sind für die entsprechenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unattraktiv, da die Kosten mit ca. 30 Euro pro Artikel drastisch höher als beim Dienst der ETH Zürich der Fall sind und die Nutzung dieser einzelnen Dienste auch unkompfortabler für den Nutzer sind. Hier muss jeder Verlag extra angeschrieben werden, während bei der ETH-Bibliothek nur diese Ansprechpartnerin ist. Der Nutzer muss sich nicht mit unterschiedlichen Preisstrukturen, Lieferbedingungen, Abrechnungsmodalitäten usw. beschäftigen.

Aus Sicht Neubauers ist die

(…) Reaktion der genannten Verlage (…) ein Beispiel dafür, dass die Interessen von Wissenschaft und Forschung hinter jenen der Verlage zurückzustehen haben, da die Argumentation der Verlage bzw. ihrer Vertreter folgende Punkte offensichtlich unberücksichtigt lässt:

  • Mehr oder weniger alle wissenschaftlich relevanten Zeitschriften werden durch die Ergebnisse von öffentlich geförderter Forschung getragen.
  • Die Hauptlast der Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse (also das Peer Reviewing) wird von der Scientific Community erbracht, die Verlage spielen lediglich eine unterstützende Rolle.
  • Die Hauptkunden aller grossen Wissenschaftsverlage sind mit weitem Abstand die wissenschaftlichen Bibliotheken, die wiederum in ihrer überwiegenden Zahl durch öffentliche Förderung getragen werden.

Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht zwischen den Dienstleistungen der ETH-Bibliothek für Wissenschaft und Forschung und den kommerziellen Interessen der Verlage abwägt.

Quellen
Neubauer, Wolfram: Den Verlagen ein Dorn im Auge, ETHlife
Steiger, Martin: Freies Wissen: Verlage verklagen Bibliothek der ETH Zürich, Steiger Legal
Agosti, Donat: Ein Bärendienst an der Forschung, NZZ

Freiheit für Digitale Kopien

Mit dem § 52b UrhG ist es deutschen Bibliotheken seit 2008 erlaubt, ihre erworbenen Bücher zu digitalisieren. Im Ergebnis darf die digitalisierende Bibliothek diese digitale Kopien unhabhängig von (kostenpflichtigen) Ausgaben der Verlage dann den Nutzern der Bibliothek zugänglich machen. [Satz zwecks besserer Verständlichkeit überarbeitet, Anm. d. Verf., 21.04.2011] Inhalt und Umfang bestimmen sich dabei nach § 52b UrhG. Allerdings hat die Umsetzung dann zu juristischen Verwerfungen zwischen Bibliotheken und Verlagen geführt.

Die zwei einstweiligen Verfügungsverfahren und das Musterverfahren in erster Instanz zwischen der TU Darmstadt und Ulmer brachten keine rechtliche Klarheit, da die Urteilsbegründungen deutlich von unterschiedlichen Ansätzen ausgehen.

Mit dem sogenannten “3. Korb”, der seit einiger Zeit von der Bundesregierung vorbereitet wird, soll eine wissenschaftsfreundlichere Ausgestaltung des Urheberrechts vorangetrieben werden. Dies entstammt einer Forderung des Bundesrates bei der Verabschiedung des “2. Korbes” 2007. Anhörungen zu diesem neuen Gesetz fanden im Herbst 2010 statt.

Die TU Darmstadt hat nun vor diesem Hintergrund sich dazu entschieden, vor dem Bundesgerichtshof eine Sprungrevision gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankfurt (16.03.2011) zu beantragen. So erhofft man sich ein höchstrichterliches Urteil, welches Klarheit über die derzeit unsichere Rechtssituation zu schaffen. Durch diesen Musterprozess soll aus Sicht der TU Darmstadt die Freiheit von wissenschaftlicher Textarbeit unter den sich veränderten Bedingungen eines Digitalzeitalters gewahrt und verteidigt werden.
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Digital lesen ja – aber ansonsten ab zurück ins Mittelalter

Die ULB Darmstadt hatte Ende 2008 mit der Digitalisierung von 500 der meistgenutzen Lehrbüchern aus ihrem Bestand nach § 52b UrhG begonnen und diese auf Leseplätzen in der Bibliothek angeboten. Der Eugen Ulmer-Verlag sah darin seine ureigenen Verwertungsinteressen verletzt und klagte, um einerseits zu verhindern, dass seine Produkte ohne einen gesonderten Vertrag mit dem Verlag digitalisiert werden und dass von diesen Digitalisaten Privatkopien angefertigt werden dürfen.

Die TU Darmstadt hat am Mittwoch, wie hier berichtet, den Musterprozess gegen den Eugen Ulmer-Verlag in erster Instanz verloren. Danach besitzen ihre Bibliotheksbenutzer kein Recht auf Privatkopien bei nach § 52b UrhG digitalisierten Werken. Das Ausdrucken und Herunterladen ist nach dem am Mittwoch verkündeten Urteil ein unzuluässiger Eingriff in die wirtschaftlich ausgerichteten Verwertungsinteressen eines Verlages.

Die Universitäts- und Landesbibliothek darf zwar grundsätzlich gedruckte Werke aus ihrem Bestand digitalisieren. Sie darf diese auch an elektronischen Leseplätzen zur Verfügung stellen. Damit hat die Bibliothek im Rahmen des § 52b UrhG gehandelt und das Vorgehen ist bis dahin urheberrechtskonform. An dieser Stelle gab die 6. Kammer des Landgerichts Frankfurt, welche auf Urhberrecht spezialisiert ist, der Klage des Verlages nicht recht. Verboten ist es jedoch, dass Studenten Kopien der digitalisierten Werke anfertigen können, wobei es egal ist, ob dies in digitaler oder gedruckter Form geschieht. Damit folgten die Richter dem Antrag des Eugen Ulmer Verlages auf das Verbot von Kopien.

Schon 2009 hatte der Ulmer Verlag zusammen mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels eine einstweilige Verfügung gegen die Uni erwirkt, um nicht nur das Anfertigen von Privatkopien zu verbieten, sondern um auch die Digitalisierung von Büchern und Texten nach § 52 b UrhG ohne vorherige Genehmigung durch den Verlag zu verhindern. Das Oberlandesgericht Frankfurt erklärte bereits damals das Erstellen von Kopien von diesen Digitalisaten für unzulässig. Doch die Uni drang auf einen Hauptverhandlung, um endgültige Rechtssicherheit zu erreichen.

Eigentlich hatte der Ulmer-Verlag kein Interesse, den Streit mit der Technischen Universität Darmstadt in eine Hauptverhandlung zu überführen. Ihm reichte die bereits in den Vorverhandlungen erzielte Rechtssicherheit.

Der Prozess hat für die etwa 200 Hochschulbibliotheken und alle öffentlichen Bibliotheken in Deutschland einen Mustercharakter. Daher unterstützt der Deutsche Bibliotheksverband die TU Darmstadt, welche sicherlich vor dem Oberlandesgericht in Berufung gehen wird oder mit einer Sprungrevision gleich vor den Bundesgerichtshof ziehen wird.

In einer ersten Beurteilung des Urteils sieht die TU sich in ihrer Auffassung des Vorgehens bei der Digitalisierung bestätigt. Jetzt will man weiterhin für das Recht auf freie Kopien für die Wissenschaft kämpfen.

Nolte-Fischer (Direktor der Uni- und Landesbibliothek, Anm. d. Verf.) sieht einen „Rückfall ins Mittelalter“, wenn wissenschaftliche Quellen künftig wieder von Hand abgeschrieben werden müssten, um verlässlich zitieren zu können. Was für die Print-Welt gelte, müsse auch in der digitalisierten Welt erlaubt sein.

Nolte-Fischer verteidigt die Digitalisierung der 100 Bücher damit, dass seine Studierenden so die Texte auch dann nutzen können, wenn alle gedruckten Exemplare ausgeliehen wurden. Die Bücher waren nur im Lesesaal der Bibliothek zugänglich, konnten jedoch kopiert werden. Mit der einstweiligen Verfügung, nahm die ULB das digitalisierte Angebot wieder vom Server, da es aus Sicht des ULB-Direktors wertlos geworden war.

Durch das Kopierverbot sei das eigentliche Ziel des § 52b UrhG, der mit der Urheberrechtsänderung von 2008 Teil des Gesetzes wurde, nämlich den Zugang zu modernen Medien zu vereinfachen, ins Gegenteil verkehrt worden.

„Uns geht es nicht um Raubkopien oder darum, etwas kostenlos zu bekommen“, betont der ULB-Direktor. Die Bibliothek zahle Tantiemen für die Nutzung der Digitalversionen an Verwertungsgesellschaften, wie etwa die VG Wort, die wiederum an Verlage und Autoren zahle. Die Unibibliothek wehre sich aber gegen das von den Verlagen angestrebte Monopol auf digitalisierte Werke.

Für die TU Darmstadt und den Direktor der ULB geht es nicht allein um Geschäftsinteressen. Vielmehr hat man auch die Arbeitsbedingungen von Studenten und Wissenschaftlern im Auge. Daher ist das Urteil (AZ 2-06 O 378/10), wie es jetzt durch das Landgericht Frankfurt ergangen ist, für die Bibliothek in Bezug auf die Privatkopie im digitalen Bereich ein herber Rückschlag.

Ob der Verlag und der Börsenverein sich und seiner Branche mit diesem Prozess einen Gefallen getan hat, darf bezweifelt werden. Bereits 2009 kam Prof. Dr. Thomas Hoeren zu der folgenden Einschätzung, die auch 2011 nichts an ihrer Gültigkeit verloren hat:

Der Ton macht die Musik; man muß nicht wild auf alles einschlagen, was sich bewegt. Kein Wunder, dass die Hochschulen zunehmend über Open Access nachdenken und die DFG eine eigene Forschungsstelle zu Rechtsfragen des Open Access finanzieren wird. Und kein Wunder, dass der Börsenverein und seine Adepten – wie die VG Wort – von vielen Wissenschaftsautoren links liegen gelassen werden, wenn es um die Zukunft von orphan works und den Google-Zugriff auf Bücher geht.

Quellen:
Ludwig, Astrid: Leseplatz ja, Ausdrucken nein, Frankfurter Rundschau (siehe auch die zahlreichen, teils sarkastischen Kommentare)
Am Computer in Bibliotheken ist nur Lesen erlaubt, Nassauische Neue Presse

[Kurz] Link zum Urteil Ulmer vs. TU Darmstadt

Urteil des Landgerichts Frankfurt, 6. Zivilkammer im Rechtsstreit Eugen Ulmer KG vs. Technische Universität Darmstadt

Danach ist es der Bibliothek untersagt, dass Teile der Werke, die sie auf den Leseplätzen in der Bibliothek angeboten hat, ausgedruckt oder auf USB-Sticks und anderen Datenträgern vervielfältigt wird und diese Vervielfältigungen die Räumlichkeiten der Bibliothek verlassen. Die Bibliothek muss zudem Auskunft geben, wie viele Vervielfältigungsvorgänge gedruckt und elektronisch es bereits gegeben hat. Der Schaden muss der Klägerin, der Eugen Ulmer KG ersetzt werden. Bei Zuwiderhandlung kann ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro fällig werden.

Die Urteilsbegründung fehlt noch.

Erste Informationen zum Urteil Ulmer vs. TU Darmstadt [Update, 16.03.2011, 15:20 Uhr]

Ein Gerichtssprecher des Landgerichts Frankfurt am Main erklärte buchreport.de zu dem heute zu erwartenden Urteil im Urheberrechtsstreit zwischen dem Eugen Ulmer Verlag und der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, dass laut Urteil eine Vervielfältigung der eingescannten Werke durch die Bibliotheksnutzer nicht zulässig sei. Danach dürfen die von den Bibliotheken digitalisierten, urheberrechtlich geschützten Bücher, welche auf elektronischen Leseplätzen vorgehalten werden, weder ausgedruckt noch auf USB-Sticks gespeichert werden.

Keine Informationen gab es bisher zu der zweiten strittigen Frage, ob es Bibliotheken weiterhin erlaubt ist, Bücher ohne erworbene Lizenz zu digitalisieren. Abzuwarten ist hier das Vorliegen der schriftlichen Ausfertigung des Urteils.

Er gehe davon aus, dass beide Parteien nun auch den nächsten Schritt zum Bundesgerichtshof gehen werden, erklärt Verleger Matthias Ulmer auf Anfrage von buchreport.de. Schließlich sei es ihnen wichtig, alle Fragen in diesem Urheberrechtsstreit grundsätzlich zu klären.

In der jetzigen Form ist jedoch der § 52b UrhG für Bibliotheken wenig sinnvoll – viel Aufwand, um Bücher zu digitalisieren, wenig Nutzen für ihre Leser. Da kann man die Bücher auch nochmal kaufen.

Zur Vorgeschichte – Infos hier im Blog

Quelle:
Urteil des Landgerichts Frankfurt im Ulmer-Urheberrechtsstreit : Kopieren verboten, buchreport.de

Auch dazu (update):
ULB Darmstadt vs. Ulmer Verlag: Richter untersagen Kopieren, Börsenblatt
Uni-Bibliotheken: Leseplatz ja, Herunterladen nein, Newsticker Süddeutsche Zeitung
Studieren ohne kopieren, hr-online.de
Kein Ausdrucken und Herunterladen in Bibliotheken, SWR.de

Rechtsstreit Ulmer Verlag vs. TU Darmstadt geht in die Hauptverhandlung

Gestern startete die Hauptverhandlung des Stuttgarter Eugen Ulmer Verlages gegen die Technische Universität Frankfurt. Dabei steht die kostenlos Benutzung elektronischer Leseplätze in Bibliotheken im Mittelpunkt der Streitigkeiten. Der Ulmer-Verlag möchte verhindern, dass seine Produkte digitalisiert und dann den Bibliotheksbenutzern kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Besonders strittig ist dabei das Ausdrucken der Dokumente. Insbesondere die Frage eines kostenlosen Downloads von Teilen dieser für elektronische Leseplätze erstellten Dokumente ist strittig. Erwartet wird eine Entscheidung der Urheberrechtskammer des Landgerichts Frankfurt am 02. März 2011.

Über das vorausgegangene Eilverfahren, in dem die Bibliothek einen Teilerfolg für sich verbuchte, haben wir im Blog bereits mehrfach berichtet. Das Landesgericht bestätigte, dass die Erstellung von Digitalisaten nach § 52b UrhG für Leseplätze erlaubt ist. Auch das Ausdrucken von Teilen des Inhaltes sei danach erlaubt, ein Download jedoch untersagt. Dagegen war der Verlag in Berufung gegangen und hatte damit in soweit Erfolg, dass auch der Ausdruck untersagt wurde. Zwar wurde auch in dieser Entscheidung die Rechtmäßigkeit § 52b UrhG nicht in Frage gestellt, aber er wurde zum “zahnlosen Tiger”.

Im jetzigen Hauptsacheverfahren dieses Musterprozesses soll ein abschließendes Urteil ergehen. Dieses könnte dann aufgrund der zu klärenden Rechtsfragen später direkt vom Bundesgerichtshof überprüft werden.

Quelle:
Verlag kämpft vor Gericht gegen elektronische Leseplätze an der TU Darmstadt, Echo online

Wiedermal Krach ums Urheberrecht – Alfred Kröner Verlag vs. Fernuniversität Hagen

Der Börsenverein ist sich sicher, dass das Urheberrechtsverständnis von Hochschulen die Zukunft von Lehr- und Fachbüchern gefährdet. Daher unterstützt der die Klage des Alfred Kröner Verlags gegen die Fernuniversität Hagen (Klageschrift). Angestrebt wird durch diese Klage eine grundsätzliche Klärung, welche rechtlichen Vorgaben durch die Hochschulen beachtet werden müssen, wenn urheberrechtlich geschützte Werke für Forschung und Lehre (elektronisch) zugänglich gemacht werden sollen. Der geschätzte Streitwert dieser Klage liegt bei 76.580,00 Euro.

Vorgeworfen wird dabei der Fernuni Hagen, dass sie mehrere Kapitel des Fachbuchs “Meilensteine der Psychologie” des Verlages “TAUSENDEN” Studierenden in ihrem Intranet kostenlos zugänglich macht, ohne dass dafür eine Genehmigung seitens des Verlages eingeholt worden sei. Studierende hätten im Internet einander geraten, dass daher eine Anschaffung des Titels nicht notwendig sei.

„Wenn wissenschaftliche Autoren und Verlage hochwertige Lehr- oder Fachbücher entwickeln und diese von den Hochschulen verwendet werden, sollten sie dafür auch gerecht vergütet werden“, sagt Dr. h.c. Karl-Peter Winters, Vorsitzender des Verleger-Ausschusses im Börsenverein. „Alles andere ist eine Enteignung geistigen Eigentums unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit.“

Bei dem Lehrbuch wird ein neuartiges Fachbuchkonzept zur Geschichte der Psychologie umgesetzt. Dieses wurde vom Kröner Verlag mit hohem Aufwand in den Markt eingeführt. Die Fernuni hatte ihren Psychologiestudierenden 91 von 550 Seiten (ca. 20 Prozent) zugänglich gemacht, ohne vorher beim Verlag um Erlaubnis zu bitten. Kritisiert wird zudem, dass diese Seiten nicht nur auf der Lernplattform gelesen werden konnten, sondern auch von dort auf eigene Speichermedien kopiert werden durften. Dabei beruft sich die Fernuni auf den § 52a UrhG. Der Verlag reichte nun nach einer erfolglosen Abmahnung einer Unterlassungsklage gegen die Universität ein.

Der Börsenverein und die Wissenschaftsverlage sehen das Lehr- und Fachbuchgeschäft durch das Infkrafttreten des § 52a UrhG im Jahr 2003 in dramatischer Weise gefährdet, da der Paragraf Bildungsinstitutionen erlaubt, kleine Teile von veröffentlichten Werken auch ohne vorherige Erlaubnis der Rechteinhaber zu Unterrichts- und Ausbildungszwecken zu digitalisieren und ihren Schülern/Studierenden zur Verfügung zu stellen. Doch die genaue Reichweite der Vorschrift und was genau im Einzelnen getan oder unterlassen werden muss, ist durch den Paragrafen und die Rechtsprechung noch nicht ausreichend geklärt. Zudem ist es immer noch nicht geregelt, wann eine Vergütung angemessen ist, denn im Gesetzestext ist eine Pflicht zur “angemessenen Vergütung der Rechteinhaber” verankert. Bund und Länder haben den Autoren und Verlagen bisher kein Geld für die Nutzungen von Lehr- und Fachbüchern gezahlt.

Der § 52 a UrhG war bereits vor Inkrafttreten sehr umstritten und gilt vorerst nur bis Ende 2012. Börsenverein und Wissenschaftsverlage halten ihn für ersatzlos streichbar, da sie in der Zwischenzeit genug alternative Lizenzmodelle entwickelt hätten. Manchem Bibliothekar mag dies wie Hohn klingen, denn es gibt sicherlich zig Lizenzmodelle, die aber nur bedingt der Wirklichkeit und den Notwendigkeiten in Bibliotheken gerecht werden. Dies beginnt größtenteils bei riesigen E-Book-Paketen bis hin zu Einzel-E-Book-Angeboten mit eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten. Fragen des dauerhaften Zugangs, des Kopierens, der Zugänglichmachung nach Ablauf einer Sperfrist für mehrere Nutzer (z.B. der Altauflage bei Erscheinen einer Neuauflage), etc. sind nicht geklärt. Lizenzmodelle, die nur den herkömmlichen analogen Modellen nacheifern und dabei auf starke technische Schutzmaßnahmen setzen, sind ebenfalls abzulehnen. Hier kann man nicht einfach fordern, den Paragrafen ersatzlos zu streichen. Wichtiger ist es, die Spielregeln beim Umgang mit diesem Paragrafen zu testen und sie ggf. anzupassen. Dazu zählt auch zu klären, was unter einer “angemessenen Bezahlung” zu verstehen ist.

In dieser Hinsicht kann die Klage des Kröner Verlages dazu beitragen, eine handhabbare Lösung für den § 52a UrhG als Modelllösung zu erhalten. Hoffentlich bleibt man hier nicht wieder auf halber Strecke stehen und verschleppt die Entscheidung, wie dies im Falle des Ulmer Verlags gegen die TU Darmstadt geschehen ist.

Der Börsenverein möchte mit der zu diesem Zeitpunkt folgendes erreichen:

“Der Gesetzgeber soll vor der im kommenden Jahr anstehenden Entscheidung über eine weitere Verlängerung oder eine ersatzlose Streichung der derzeit bis zum 31.12.2011 befristeten Vorschrift dafür sensibilisiert werden, welche Probleme die Regelung in der Praxis bringt”, so Justiziar Dr. Christian Sprang, (…).

Dazu feuert man jetzt auf allen Kanälen zu diesem Thema.

Quellen:
Börsenverein: Urheberrechtsverständnis von Hochschulen gefährdet Zukunft von Lehr- und Fachbüchern, Börsenblatt, Pressemeldung des Börsenvereins, mit Kommentaren
Affären: Börsenverein begrüßt Klage des Kröner Verlages gegen Fernuni Hagen / Musterprozess: Klageschrift zum Download bereit, Buchmarkt.de
Urheberrechtsverständnis von Hochschulen gefährdet Zukunft von Lehr- und Fachbüchern, Bildungsklick.de

Grundsatzstreit um Digitale Kopie und Elektronische Leseplätze geht weiter

Eigentlich hatte der Ulmer-Verlag kein Interesse, den Streit mit der Technischen Universität Darmstadt in eine Hauptverhandlung zu überführen. Ihm reichte die bereits in den Vorverhandlungen erzielte Rechtssicherheit.

Die TU Darmstadt will jedoch weiter für das Recht von Bibliotheken kämpfen, gedruckte Werke selbst digitalisieren und ihren Studierenden so zugänglich machen zu können, welches nach § 52b UrhG seit 2008 vom Gesetzgeber Bibliotheken eingeräumt worden war.

Bibliotheken sollten in die Lage versetzt werden, ihren Nutzern häufig genutzte Werke auch unabhängig von (vorhandenen oder fehlenden) Verlagsangeboten in digitaler Form anzubieten. Der Gesetzgeber trug damit einem wichtigen Ziel der EU-Richtlinie zur „Harmonisierung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ Rechnung. Jedermann sollte den Zugang zu digitaler Information erhalten.

Die TU Darmstadt wollte diesen Paragraphen nutzen und wurde dann vom Ulmer Verlag verklagt. Verlag und Börsenverein des deutschen Buchhandels fordern, dass vor dem Digitalisieren der Werke erst eine Erlaubnis des jeweiligen Verlages eingeholt wird. Außerdem wollen sie dem Lesern das grundsätzliche Recht auf die Herstellung einer Kopie zum persönlichen Gebrauch verwehren. Würde der Verlag mit dieser Einstellung durchkommen, so wäre das neu geschaffene, schon während des Gesetzgebungsverfahrens heftig von Bibliotheken und Verlagen umstrittene Recht eigentlich wertlos.

Im Sommer diesen Jahres akzeptierte die TU Darmstadt daher die zweiter Instanz ausgesprochene einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichts Frankfurt nicht und erzwang eine Klage des Verlages gegen die TU. “Die Digitalisierung nach §52b UrhG war ein Ausloten der Möglichkeiten, die sich für Bibliotheken ergeben. Durch das zweite Urteil muss man dieses Angebot als gescheitert ansehen”, war das Fazit von Herrn Nolte-Fischer auf dem diesjährigen Bibliothekskongress. Auch das Fazit der Würzburger Universitätsbibliothek lautet, dass das Urteil den § 52b UrhG damit ad absurdum führen würde. Die gefundene Lösung des OLG Frankfurt macht ein Bibliotheksangebot in dieser Form überflüssig.
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