“Mit den Büchern kamen die Probleme.”
Platzprobleme, die Bibliotheken kennen, sind allerdings dabei nicht gemeint, sondern sittliche Probleme. Im 18. Jahrhundert war die Bibel nicht mehr der “one and only” Lesestoff. Die Menschen lasen diesen Text nicht immer und immer wieder, sondern griffen zu vielen Büchern, die sie oft nur einmal lasen. Und diese Menschen brauchten Rat, was sie lesen sollten.
Helfen konnten Literaturkritiker, die genau wußten, welche Lektüre seelische oder soziale Abgründe bei den Mitmenschen verursachen konnten. Nicht lesbar waren die gängigen Romane.
“Hochverrath an der Menschheit” seien die, urteilte der Philosoph Johann Adam Bergk. Eine “Pest der deutschen Literatur”, schob der Publizist Johann Georg Heinzmann nach.
Auch der Erfurter Pfarrer wußte vor diesen Romanen zu warnen, weil die Leser sich mit diesen belletristischen Romanchen eine Idealwelt erträumten und nicht im hier und jetzt lebten. Dadurch würden sie mit dem, was Gott geschaffen hat, nicht mehr zufrieden sein. Die von diesen Volksaufklärern gefürchteten Bücher wurden um 1800 hauptsächlich durch die recht kurzlebigen Leihbibliotheken verliehen. Sie wurden aber auch in private Gelehrten- und Adelsbibliotheken, halböffentliche Hofbibliotheken und in Büchersammlungen von Kirchen, Schulen und Universitäten aufgenommen. Diese Bibliotheken sind teilweise erhalten geblieben.
Als Nachschlagewerk konzipiert weist der Band “Lesewelten – Historische Bibliotheken”, herausgegeben von Katrin Dziekan und Ute Pott, “Büchersammlungen des 18. Jahrhunderts in Museen und Bibliotheken Sachsen-Anhalts” auf einem Blick und im Einzelnen nach. Dieses Buch entstand als Nachbereitung des “Lesewelten”-Themenjahres 2007 der Landesinitiative “Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert”.
Dieses Buch behandelt populärwissenschaftlich und reich bebildert sowohl bekannte Bibliotheken, wie die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen oder der Landesschule Pforta, als auch unbekannte kleinere Sammlungen aus Schlossmuseen, Archiven und großen Bibliotheken.
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In 30 Aufsätzen, eingeteilt in sechs Abteilungen, werden 30 Sammlungen vorgestellt. Da ist zum einen ein Beitrag über die evangelische Marienbibliothek in Halle. Diese Bibliothek war bis ins späte 17. Jahrhundert die einzige öffentliche Bibliothek in Halle und wurde in den vergangenen 20 Jahren wieder in einen vorbildlichen Zustand gebracht. Beschrieben wird auch die Francisceumsbibliothek in Zerbst, die Bücherei Gleims in Halberstadt und der Grimms in Haldensleben, die Bibliotheken in Dessau, Ballenstedt, Quedlinburg und Köthen, sowie im Klopstock-, Händel- und Winckelmann-Museum.
Besonders interessant sind die Erkenntnisse, die zu den verlorene Sammlungen der Familie Alvensleben, der Stolbergs in Wernigerode, der Sammlung im Schloss Wörlitz und der Klaus-Synagoge in Halberstadt gesammelt wurden. Deren Verluste entstanden oft schon lange vor den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges. So wurden in Folge der Wirtschaftkrise um 1930 herum wertvolle Bestände von ihren Besitzern in Wernigerode, Wörlitz und Wiederstedt verkauft.
Das Buch wird Dienstag, den 31.05.2011 um 18.00 in der Universitätsbibliothek, August-Bebel-Straße 13 in Halle vorgestellt. Die Herausgeberinnen Katrin Dziekan und Ute Pott sprechen mit Dr. Marita von Cieminski von der halleschen Universitäts- und Landesbibliothek und Uwe Quilitzsch von der Kulturstiftung DessauWörlitz über die Buchsammlungen, deren Geschichte(n), Verluste und Neuerwerbungen. Richard Bartl aus Halberstadt liest historische Texte zu den in den Sammlung enthaltenen Büchern, ihren Sammlern und Lesern.
Katrin Dziekan, Katrin; Pott, Ute (Hrsg.) : Lesewelten – Historische Bibliotheken : Büchersammlungen des 18. Jahrhunderts in Museen und Bibliotheken Sachsen-Anhalts. – 428 S., geb., mit zahlr. Farbabb. – ISBN 978-3-89812-538-3.
Quelle:
Lesewelten – Historische Bibliotheken : Buchpräsentation des Mitteldeutschen Verlags in Kooperation mit der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Pressemittelung der MLU
Eger, Christian: Im Bücherbergwerk, Naumburger Tageblatt