Ein Aprilscherz, eine Buchhandlung und eine E-Mail-Konversation

Der Aprilscherz dieses Blogs scheint dieses Jahr wirklich gut bei unserer Leserschaft angekommen zu sein. Vielen Dank für die zahlreichen Rückmeldungen. “Komisch” ist nur, wenn man seinen Text unlizensiert und ohne Erlaubnis plötzlich auf einer kommerziellen Seite wiederfindet. Liebenswürdig wie ich bin, habe ich einfach ein paar nette Zeilen per Mail hingeschickt, da das Kommentieren nicht möglich ist.

Hier mein E-Mail-Text, den ich gestern abgesandt habe: Weiterlesen

Gütesiegel “No Digital” in der Bibliothek

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Der Moderne Zettelkatalog

Die Digitalisierung ist nicht länger aufzuhalten? Wer nicht aufs E-Books setzt, hat im Konkurrenzkampf um den Kunden bereits verloren. Die Bibliothek als “Digitale Zapfsäule der Nation” ist der logische Schritt in der Evolution dieser Einrichtung. Bist du nicht digital, bist du nicht vorhanden. Die digitale Profilneurose von Bibliotheken stört mehr und mehr KollegInnen. E-only, e-book first sind dabei Schlagwörter, die hier und da schon die ein oder andere Schlagader bei Kollegen hat gefährlich anschwellen lassen.

Brauchen wir in unseren “Digitalen Lebenswelten” nicht auch einen Raum, in welchem wir durchatmen können, in welchem ein Handyverbot gilt, die analoge Vinylschallblatte knisternd durch die Kopfhörer uns einen Musikgruss schickt, das Zelluloid summend uns bewegte Bilder sendet und ein Buch noch alle haptischen Vorteile mit sich bringt, dass es zum Erlebnis macht?

Die Stadtbibliothek in Egeln hat sich jetzt nach intensiver Beratung dazu entschlossen, genau dieser Raum zu werden, analog, echt, greifbar. In einem Pilotprojekt will die mit dem Q-Siegel Stufe I ausgezeichnete Bibliothek einen beruhigenden Standard für ihre Kunden schaffen. Erholung pur im Stress digitaler Wellen, eine Ruheoase in Informationsflut.

Auf die Frage, wie weit die Verweigerung der Digitalität geht, antwortete die Bibliothekarin Frau N.:

Besonders begeistert sind unsere Kunden von der Serendipity bei der Katalogrecherche. Wir haben uns gegen einen Alphabetischen und für einen systematischen Katalog entschieden. Dieses Risiko war es wert, wie uns die Kundenreaktionen zeigen. Entdecken wird einfach groß geschrieben bei uns.

Schwierigkeiten beruhen allerdings noch beim Umgang mit der ungewohnten Technik wie Plattenspieler oder Film- und Diaprojektoren. Daher sind unsere Beratungsstunden am Donnerstag immer bestens besucht.

Angesprochen auf die eigene Arbeit, lächelte Frau N. vielsagend:

Für uns selbst bedeutet innerhalb von “No Digital” die größte Umstellung, dass wir für die Erstellung der Katalogkarten jetzt in der Regel unsere Schönschrift bemühen. Dies ist einfacher, als mit der Schreibmaschine zu arbeiten. Dank Stempelkarten für die Bücher und Kundenkarten ist die Verwaltung ohne PC viel zeitsparender. Und wir ersparen uns selbst viel Stress mit komplizierten Lizenzen. Und so ein moderner Zettelkatalog hat kaum noch etwas vom Image der verstaubten, abgegriffenen Katalogkarten und speckigen Katalogkästen.

Auch der Bürgermeister der Stadt untersützt das Projekt nicht nur mit deutlichen Worten:

Wir unterstützen den Vorstoß unserer Stadtbibliothek und finazieren mit 12.000,- Euro einen geeigneten Medienraum, in dem ein professioneller Plattenspieler, Diaprojektor und Filmgenerator stehen werden. Zudem möchte ich unseren Bürgerinnen und Bürgern danken, durch deren Spenden eine hervorragende Sammlung an interessanten analogen Angeboten zusammengekommen ist, welches in den nächsten Wochen durch die Bibliothek vermittelt werden kann.

Gütesiegel NoDigital

Gütesiegel NoDigital

Der Standard für das Siegel “No Digital” wird in dieser Bibliothek für 365 Tage erprobt. Sollte sich dieses Konzept bewähren, will man im Sinne einer “Roadshow” Informationsveranstaltungen in ganz Deutschland für kleinere Öffentliche Bibliotheken veranstalten. Arbeitskapazitäten dürften bis dahin freiwerden, da der Berg an Schenkungen bis dahin eingearbeitet sein wird.

Die bisherigen positiven Reaktionen seitens des örtlichen Buchhandels und regionaler Verlage überraschte die kleine Bibliothek ebensosehr wie die vermehrten Angebote der in der Börde-Hakel ansässigen Autorinnen und Autoren zu kleinen “intimen” Leseabenden in den Räumen der Bibliothek. Auch dies lässt die Bibliothek auf einen großen Erfolg ihrer doch nicht ganz umunstrittenen Aktion hoffen. Einige wenige kritische Stimmen befürchten dann doch, dass die Öffentliche Bibliothek der Stadt den Anschluss verliert.

Hilflosigkeit und Ohnmacht auf Verlegerseite

Bei Textkritik heißt es:

Das verfassungsmäßig verbürgte Grundrecht von Urhebern auf freie und selbstbestimmte Publikation ist derzeit massiven Angriffen ausgesetzt und nachhaltig bedroht.

Und da passt die Googlepolitik und die OA-Politik hinein. Oh Schreckgespenst: Nur einmal eine lächerliche Entschädigung von 60 $ pro eingescanntem Buch von Google? Deutsche Verleger reagierten darauf beunruhigt mit einen öffentlichen Appell.

Die ersten Unterzeichner des von Manfred Meiner, Vittorio Klostermann und KD Wolff zusammen mit dem Heidelberger Literaturwissenschaftler Roland Reuss Schreibens sind der Zeit-Herausgeber Michael Naumann, der Chef des Carl Hanser Verlags Michael Krüger und namhafte Autoren wie Daniel Kehlmann (“Die Vermessung der Welt”), Sibylle Lewitscharoff (Preis der Leipziger Buchmesse) und der Konstanzer Bibliothekar Uwe Jochum. Dies sind nur einige der bisher 253 Unterzeichner (Stand: 23.03.09, 23.00 Uhr).

Der Aufruf sieht das deutsche Urheberrecht durch international agierende Firmen ausgehöhlt und auf Dauer bedroht. Google und Youtube werden als Plattformen illegal hochgeladener Inhalte angesehen, mit deren Hilfe geistiges Eigentum entwendet wird.

In der Frankfurter Rundschau ist ein Feuilleton des Literaturwissenschaftlers Roland Reuss veröffentlicht worden. Hier äußert Reuß sich in einer propagandistischen Art und Weise zu Googles sicherlich nicht immer korrekten Art und Weise im Umgang mit Werken. Untermalt wird dies mit eine Totenkopfmaschinenmaske Google als “Bücherfresser”. Geschmacklos war das erste, was mir dazu einfiel.

Geschmacklos und wenig objektiv ist auch die Wortwahl mit dem das beschrieben wird, was Google Books macht. Schamlos, Enteigner, angeblich, freibeuterisch, grenzenlos, bedingungslos, Gier, ad acta legen, lethargisch, gedankenlos, alternativlos, Prostitution, Schlange, gewaltsam, Kollateralschäden – dies alles sind Begriffe aus dem Wortarsenal, mit dem Reuss allein auf der ersten Seite auf unbedarfte und leider vielleicht auch uninformierte Leser schießt. Nach einer sachlichen und zweckdienlichen Auseinandersetzung mit einem Problem klingt das nicht.

Im Gegenteil, der Artikel hinterlässt den Eindruck, dass hier jemand hilflos und überfordert um sich schlägt, weil ihm irgendwie nicht jeder Recht gibt und ihm Felle und Argumente schwimmen gehen. – Bei dieser Wortwahl merke ich, dass ich ebenso wie bei dem propagandistisch längst nicht mehr sachlich bin. Wenn ich jedoch nicht mehr in meinem subjektiven Empfinden sachlich bleiben kann, sollte ich diesen Beitrag eigentlich nicht weiterschreiben, um nicht auf die gleiche Stufe zu rutschen wie Herr Reuss.

Im Zentrum des Appells steht daher die Forderung an die Bundesregierung, das “bestehende Urheberrecht entschlossener und mit allen Mitteln” zu verteidigen.

Dies kann jedoch nicht die Antwort auf die sich ändernden Rahmenbedingungen sein. Die Informationswelt ist geprägt durch neue Möglichkeiten, wo der Leser sehr schnell selbst zum Autor wird, und neuen Anforderungen, z.B. E-Books oder auch die immer stärker werdende Digitalisierung. Man muss sicherlich nicht jeden Trend mitmachen, aber sich von vornherein vor den Neuerungen zu verschließen und auch nicht die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass andere wie die “Allianz deutscher Wissenschaftsorganisationen” für ihren Bereich gewichtige Argumente haben, kann auf Dauer tödlich für die Branche und Autoren sein, die hier nicht mit Schritt halten.

Ich habe im Zusammenhang mit dem Internet und der dort stattfindenden Veränderung der Medienwelt nicht ein einziges Mal das Wort “Medienevolution” gehört. Immer hatte sich da wohl der kleine Buchstabe r (Medienrevolution) eingeschlichen.

Eine Steurung der derzeit stattfindenden Veränderungen ist notwendig. Aber Steuerung heißt nicht das Steuerrat stur auf Kurs zu halten, weil die nächste Monsterwelle (Veränderung) das Schiff damit von der Seite erwischen und unter Wasser drücken könnte. Man muss auch Gegensteuern und in diesem Fall ist der Artikel von Reuss wohl als ein panisches Übersteuern zu werten.

Solche Artikel wie dieser von Herrn Reuss gehören in diese Diskussion genauso wenig wie ein all zu blauäugiger Umgang mit Open Access. Beides schadet der Wissensgesellschaft und ihrer Zukunft mehr als dass es hilft.

Quellen
Reuss, Roland: Enteignet die schamlosen Enteigner! via Frankfurter Rundschau Online
Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte Institut für Textkritik
Schärferes Urheberrecht versus Künstlersozialabgaben für Google via heise online