Eine kleine Glosse: Prohibition bei E-Books

Derzeit habe ich das Gefühl, wenn es um E-Books geht und entsprechende Angebote seitens der Verlage für Endnutzer und Bibliotheken, kann man fast von einer Prohibition sprechen. Süchtigmachend sind Bücher ja schon an sich und der E-Book-Leser ist besonders süchtig, denn bei entsprechenden Angeboten liest er wesentlich mehr. Was bleibt also über, als die zunehmende Zahl süchtiger E-Book-Leser vor den schädlichen Einflüssen des Buches zu beschützen?

Andererseits führt das wie bei der alkoholischen Prohibition dazu, dass böse Piraten sich erheben und zu Schmugglern werden, die dann nicht zu fassen sind.. Sie Schmuggeln den verbotenen Stoff zu verschiedenen Quellen, von wo aus der “wissende” Leser sein Suchtmittel beschaffen kann. Und wie während der Prohibition erleben wird, dass Verbote nur dazu führen, dass der geneigte Süchtige sich seinen Stoff aus illegalen Quellen beschafft und auch nicht immer weiß, welches Viehzeug (Würmer, Viren, Trojaner) er sich da auf sein Gerät einschleppt. Auch ist die Qualität nicht immer die beste, aber zum Teil besser, als die durch Digital Rights Enforcement (hartes DRM) beschädigten Dateien.

Schauen wir uns mal an, welche Varianten es gibt, um Nutzer in die Illegalität zu treiben:

  1. Gar kein E-Book-Angebot machen, weil die Bücher könnten ja geklaut werden. – Damit bringt man findige Köpfe dazu, die interessanten Bücher einzuscannen, OCR-Software darüber laufen zu lassen und dieses dann als E-Book illegal anzubieten. Ergebnis: Buch und Einnahmen weg, potentielle E-Book-Leser und Kunden weg, alle unzufrieden, weil die Qualität schlecht ist und es keinen finanzielle Einnahmen für den Verlag gibt.

  2. Das E-Book kommt erst zeitversetzt. – Der geneigte Leser wird sich nicht E-Book und P-Buch zulegen. Er wird ggf. auf das E-Book warten, das dann vergessen, weil es andere interessante Angebote gibt, die er ja auch noch lesen könnte. Kann er nicht warten, will das Buch aber lesen, dann nutzt er Bücher der Variante 1. Ergebnis: Einnahmen weg, Nutzer verärgert und Buch und Einnahmen weg, potentielle E-Book-Leser und Kunden weg, alle unzufrieden, weil die Qualität schlecht ist und es keinen finanzielle Einnahmen für den Verlag gibt.

  3. DRE schützt das Buch bis zur Unnutzbarkeit. – Das DRE wird durch IT-Kundige beseitigt und das Buch landet auf illegalen Download-Börsen. Der geneigte Leser kauft einmal ein solches geschütztes Buch, sieht, die Qualität ist schlechter als die, die er aus illegalen Quellen bekommt. Ergebnis: Die meisten beschaffen sich die “befreiten” Bücher in besserer Qualität von illegalen Plattformen mit dem Risiko, das Lesegerät zu infizieren oder mehrere Anläufe (Zeit) zu benötigen, um ein Buch guter Qualität zu erhalten. – Ergebnis: Leser, potentieller Kunde beschafft sich so ein Buch nur einmal. Weitere Bücher bezieht er dann wieder illegal. Der zahlwillige Kunde wird mit schlechter Qualität verärgert, zumal das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht stimmt. Der Verlag generiert geringe Einnahmen.

Zu ähnlichen Ergebnissen wie in dieser StudieStudie zu den Filesharern der Musik, gelangt auch J.K. Rowling. Sie berichtet

[… ], dass ein attraktives, legales Angebot Piraterie eindämmen kann, als sie die „Harry-Potter“-Bände in digitaler Version zur Verfügung stellte: Die Entscheidung, auf DRM zu verzichten (zu Gunsten eines digitalen Wasserzeichens), habe die Piraterie nicht beflügelt, sondern reduziert, so die Erfahrung der „Pottermore“-Betreiber. Unmittelbar nach dem Start des E-Book-Programms sei das illegale Angebot zwar größer geworden, doch die Community habe die Raubkopien abgelehnt (hier mehr).

Liebe Verlage, nur mal so ganz nebenbei:
Viele Ihrer Kunden haben ein Urheberrechtsbewusstsein. Sie möchten einen angemessenen Preis für die Schöpfung der von Ihnen vertriebenen Werke von Autoren zahlen. Dies wird sicherlich sichtbar in dem Projekt “The Humble eBook Bundle”, wo Nutzer E-Books erwerben, ganz nach dem Motto: “Pay what you want. Support charity. Read.” Also, bitte gebt uns die Möglichkeit, legal, zu fairen Preisen Bücher als E-Books zu erwerben oder kostenfrei über eine Bibliothek zu beziehen. Die Bibliotheken selbst sind ja bereit, entsprechend für die Subskription von E-Books zu bezahlen (siehe die steigenden Zahlen teilnehmender Bibliotheken bei der Onleihe) bzw. Tantiemen dafür zu entrichten.

Warum also verwehrt ihr mir und anderen, die legal an E-Books kommen wollen diese Möglichkeit bzw. kriminalisiert uns im Vornherein, indem ihr uns unterstellt, wir werden die Bösen sein, die E-Books ungehindert ins Netz schleusen wollen?

Die Prohibition ist gescheitert und das wird auch bei den E-Books passieren. Es ist noch kein DRM-System aufgebaut worden, dass nicht geknackt wurde. Die Musikindustrie zeigt, dass man mit dem psychologischen Schutz, aber Dateien guter Qualität zu angemessenen Preisen, seine Kundschaft halten kann. Ich persönlich war froh, als ich aus sicherer Quelle ohne großen Aufwand meinen Stoff beschaffen konnte. Und dafür bin ich wie viele andere bereit, etwas zu zahlen. Nutzt dieses Potential, liebe Verlage. Es ist da, aber Ihre Leser haben eine klare Vorstellung davon, was sie akzeptieren und was nicht.

Verschärfung des Urheberrechts gefordert

Angesichts “schwieriger Ertragsmöglichkeiten für journalistische Angebote im Internet” fordert der Axel Springer Verlag eine Änderung des § 44a UrhG. Dieser erlaubt vorrübergehende Verfielfältigungshandlungenim Rahmen der Datenübertragung im Netz. Dabei werden auch geschützte Werke bei Zugangsprovidern oder im Browsercache kurz zwischengespeichert.

Christoph Keese, bei Axel Springer Leiter “Public Affairs”, sieht bereits in Proxy-Servern Verfielfältigungsinstrument und bedauert, dass mit der im § 44a UrhG gesetzlichen Ausnahme, die auch in der EU-Copyright-Richtlinie enhalten ist, Provider komplett vom Urheberrecht befreit wären.

Eine Bank zahle zwar 80.000 US-Dollar für ein spezielles Terminal des Wirtschaftsdienstes Bloomberg. Suche der Direktor des Finanzhauses dagegen im Internet nach Presseberichten über einen Mittelständler, der bei ihm um einen Kredit nachfrage, zahle er dafür keinen Cent.

Keese behauptet dabei, dass sich dieses Unternehmen an der vom Axel Springer Verlag bereitgestellten Information “bereichern” würde. Deshalb müsse seiner Meinung nach der Paragraf 44a korrigiert werden.

Verlage haben im Internet ein “strukturelles Problem”.

Der “Profi-Journalismus” habe sich zwar auch online allen Geredes über Bürgerjournalisten und Blogger zum Trotz durchgesetzt. Sämtliche erfolgreichen aktuellen Nachrichtenportale würden auf “klassische journalistische Qualitätssicherungsprozesse setzen”, unabhängig davon, ob sie nun Ableger traditioneller Medienhäuser oder eigens gegründete “Weblogs” wie die Huffington Post seien.

Springer habe dabei ein Dilemma, denn die Refinanzierungsmöglichkeiten durch Werbeeinnahmen oder Sponsoring sind nicht ausreichend und müssten mittels Printgeschäft quersubventioniert werden. Und gerade das Printgeschäft hat momentan ernsthafte Probleme, da das Internet das Geschäft wegnehme. Und hier müsse die Politik einschließen und Gesetzeslücken schließen.

Wenn strukturelle Probleme bestehen, dann stellt sich die Frage, warum Verlage wie Axel Springer nicht aktiv werden. Diese strukturellen Probleme entstehen doch auch durch unrealistische Preisvorstellungen und nicht offen dargestellte Kosten. Es geht nicht an, dass das Lesen eines Artikels schon mindestens 50 Cent kosten sollen. Die Differenz, die sich aus der Verrechnung der Aufwendungen für die Online-Ausgabe und die Printausgabe ergibt, müsste entsprechend auf ein Nutzungportfolio umgelegt werden, welches nicht nur einen einzelnen Artikel betrifft. Da bin ich so naiv zu glauben, dass sich das in den Preisen für Artikel im Internet in billigeren Preisen niederschlagen müßte. 50 Cent pro Artikel lassen sich da meiner Meinung nach nicht rechtfertigen. Bei so einer Preispolitik schließt man Leute von Informationen aus. Dafür das Urheberrecht mißbrauchen zu wollen ist einfach nur frech.

Quelle:
Krempl, Stefan: Axel-Springer-Verlag fordert Verschärfung des Urheberrechts via heise online