Die Nachricht, dass die Anton-Saefkow-Bibliothek in Berlin-Lichtenberg Bibliothek des Jahres 2011 ist, war ja schon länger bekannt. Zum heutigen „Tag der Bibliotheken“ wird am Abend im sächsisches Großenhain die Karl-Preusker-Medaille an Bundespräsident a. D. Horst Köhler verliehen, mit dessen Nominierung doch auch einige auch aus der Bibliothekswelt ihre Verwunderung, ihr Unverständnis und ihre Skepsis offen zeigten. Zum Start der bundesweiten Bibliothekswoche (24.-31.10.) wird der Preis von 30.000 Euro vom Deutschen Bibliotheksverband e.V. und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius zum zwölften Mal vergeben. Es war vor allem das ganzheitliche Konzept, was letztendlich die Jury von der Anton-Saefkow-Bibliothek überzeugte hatte. Wie Nikolaus Bernau bereits am 14.06. in der Berliner Zeitung im Artikel „Mehr Migranten an die Ausleihe“ erwähnte, befindet sich die Anton-Saefkow-Bibliothek inmitten eines typischen DDR-Plattenbauviertels in Lichtenberg. Welches Signal kann aber durch die Verleihung an andere Bibliotheken ausgehen? Es reicht heutzutage nicht architektonisch modern und bildungsbürgerlich aufzutreten, sondern auch die sozialen Unterscheide im Stadtteil aufzugreifen und die unterschiedlichen EinwohnerInnen, welche bespeilsweise aus der ehemaligen Sowjetunion und Vietnam stammen, „mitzunehmen“ und ihnen einen adäquaten Service zur Verfügung stellen:
„So vermittelt eine russischsprachige Bibliothekarin nicht nur Bibliotheksangebote, sondern hilft auch beim Umgang mit Ämtern und Bewerbungen. Bibliothekseinführungen für Teilnehmer von Integrationskursen, Bürgernähe durch Angebote als Bürgerinformationszentrum, Sprechstunden des Gesundheitsamts und der Verbraucherzentrale sind weitere Beispiele für die Leistungen des Bibliotheksteams.“
An dieser Stelle möchte ich ein Plädoyer aussprechen, dass Berlins Stadtteilbibliotheken mehr gefördert werden sollen, anstatt zu glauben, dass mit weniger Mitteln immer gute Qualität erreicht werden kann. Im Artikel „Viel mehr als Bücher“ von Marijke Engel schreibt die Autorin ein „riesiges Budget brauche man nicht, um gute Arbeit zu leisten“. Das mag ja richtig sein, aber Nikolaus Bernau schrieb Mitte Juni in „Mehr Migranten an die Ausleihe„, dass laut der Bezirkspolitikerin Katrin Framke (Die Linke) Lichtenberg so viel Geld für Bibliotheken ausgebe wie kein anderer Bezirk Berlins. Falls diese Aussage tatsächlich zutreffen sollte und nicht Wahlkampfrhetorik war, verwundert es einem dann schon, dass ein so finanziell klammer Bezirk wie Lichtenberg-Hohenschönhausen das meiste Geld (rund 95.000 € jährlich) für Bibliotheken ausgibt im Vergleich zu allen anderen Stadtbezirken Berlins.
An dieser Stelle sei lobend Elvira Ullmann erwähnt, ohne deren Arbeit die Bibliothek vermutlich diesen Preis nicht erhalten hätte. Herzlichen Glückwunsch und danke für Ihre vorbildliche Arbeit:
„Die in Kasachstan geborene Bibliothekarin hangelt sich seit Jahren von einem befristeten Vertrag zum nächsten, aber ohne ihre Arbeit hätte es den mit 30.000 Euro dotierten Preis für die Bibliothek sicher nicht gegeben. Sie sorgt für den 3.000 Medien umfassenden russischsprachigen Bestand, der in ganz Berlin gefragt ist, der aber gerade für die vielen Russland-Deutschen in Lichtenberg ein Schatz ist. Mit ihren Sprachkenntnissen steht sie auch jenen zur Verfügung, die vorne beim Bürgeramt Schwierigkeiten mit den Formularen haben. Elvira Ullmann verfügt über einen Etat von rund 2.000 Euro pro Jahr, für den sie Bücher, CDs, DVDs und Zeitschriften kaufen kann. Sie weiß um die Vorlieben ihrer Klientel, „und ich informiere mich ständig über Neuerscheinungen“, sagt Ullmann.“
Bernau stellte mit seinem Artikel „Mehr Migranten an die Ausleihe“ keinessfalls fest, dass es mehr Menschen mit Zuwanderungshintergrund an der Ausleihe arbeiten sollen, sondern, dass es in Berlin generell im Vergleich zum prozentualen Anteil von Migranten an der Stadtbevölkerung viel zu wenig BibliothekarInnen mit Zuwanderungshintergrund gibt. Welche Antworten liefern zukünftig die sich im Entstehen befindliche Koalition aus CDU-SPD, die Ausbildungseinrichtungen und Hochschulen (in Berlin-Brandenburg), welche BibliothekarInnen ausbilden? In der Mittelpunktbibliothek in der Adalberstr. in Berlin-Kreuzberg konnte dieses Jahr ein Fachangestellter für Medien und Information, der türkischer Herkunft ist, nach seiner Ausbildungnicht übernommen werden, weil der Bezirk kein Geld übrig hatte. An dieser Stelle zitiere ich nochmals Bernau für sein engagiertes Plädoyer für mehr Förderung und mehr Wertschätzung von Bibliotheken, Mehrsprachigkeit und MitarbeiterInnen mit Zuwanderungshintergrund:
„So klagen Bibliothekare schon seit Jahren, dass der Anteil von fremdsprachigen Medien weit unterhalb des prozentualen Anteils der eingewanderten Bevölkerung liegt. Auch überwiegen englische, französische und spanische Bücher und Medien bei Weitem diejenigen in polnischer, türkischer, arabischer, russischer oder vietnamesischer Sprache. Und nur ein minimaler Bruchteil der Berliner Bibliothekare hat einen, wie es so unschön heißt, „migrantischen Hintergrund“ mit Kenntnis solcher Sprachen. Doch die ist wichtig, wenn etwa Mütter endlich einen Deutsch-Kurs belegen wollen, aber das Buch dazu nicht finden. Die Informationsmaterialien der meisten Bibliotheken gibt es nur in deutscher Sprache. Die Wähler hören zwar gerne Reden über die hundertfach belegte Bedeutung der Bibliotheken für die Integration von Minderheiten. Aber wenn es zum Spruch kommt, plädieren sie eher für eine neue Straße. Ist das in Lichtenberg anders? Kaum. „