Schweizer Urheberrecht bleibt liberaler

Die Rechtskommission des Nationalrats des Schweizer Parlaments hat Empfehlungen für die Novelle der neuen Schweizer Urheberrechtsgesetzgebung abgegeben. Die Rechtspolitiker hielten sich dabei eng an den Beschluss des Ständerats.

Demnach sollen einerseits „wirksame technische Maßnahmen zum Schutz von Werken und anderen Schutzobjekten nicht umgangen werden dürfen“. Andererseits soll Kopierschutzknacken etwa für den Eigengebrauch ausdrücklich erlaubt werden. Ein solches Umgehen technischer Schutzmaßnahmen müsste aber in einer rechtlichen Grauzone stattfinden: Programme zu diesem Zweck sollen mit der Revision eigentlich illegal werden.

Die Schweizer Sektion der IFPI hat sich vor der Entscheidung für die gesetzliche Verankerung eines Schutzes technischer Schutzmaßnahmen eingesetzt.

Ihr ging es dabei auch darum, dass die Umgehung von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) in jedem Fall und ausnahmslos verboten werden sollte.

Die Schweizerische Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) oder die Swiss Internet User Group (SIUG) haben sich dafür eingesetzt, diese Klausel ganz zu kippen oder stark einzuschränken.

Angesichts der Forderungen der IFPI befürchtete die SIUG vor allem eine Diskriminierung von Sehbehinderten durch DRM. Gemäß der bisherigen parlamentarischen Kompromissformel soll es nämlich etwa auch erlaubt werden, einen geschützten Text in einem Standard-Format zu speichern und so das Lesen für Blinde und Menschen mit Sehstörungen dank entsprechender Hilfstechniken zu erleichtern.

Die Änderung des Schweizer Urheberrechtsgesetzes (URG) bleibt so mit dem Votum der Rechtskommission allgemein. Die Möglichkeiten im Rahmen der gesetzlichen Schrankenreglungen wie das Kopieren für den rein privaten Gebrauch sowie für „wissenschaftliche Zwecke“ können so nicht durch DRM eingeschränkt werden.

Im Vergleich zum deutschen Ansatz im Urheberrecht bleiben die Schranken des Urheberrechts gleichberechtigt neben dem Interesse der Verwerter (DRM-Schutz) bestehen. Hier unterscheidet sich die Verfahrensweise erheblich von der Diskussion in Deutschland. Lobbyarbeit gibt es auch bei unseren Schweizer Nachbarn, aber die Politik erinnert sich dabei auch an diejenigen, die die Informationen nutzen. So geht es halt auch.

Quelle:
Krempl, Stefan: Schweiz will weiter DRM-Knacken zum Eigengebrauch zulassen via heise online

95 Jahre Schutzfrist gefordert

Die IFPI fordert in Europa 95 Jahre Schutzfrist für das geistige Eigentum. Bisher werden durch das Urheberrecht und internationale Verträge immerhin noch stolze 50 Jahre Schutzfrist für Tonaufnahmen eingeräumt.

An einem Treffen diese Woche traf die Bundeskanzlerin mit der IFPI zusammen, um über die veränderten Rahmenbedingungen «der Musikindustrie als eine der tragenden Säulen der Kreativwirtschaft» zu sprechen, wie in der Medienmitteilung auf der Website der deutschen IFPI zu lesen ist.

Bei dem Treffen ging es um den Schutz der Interessen der Tonträgerhersteller (vermutlich weniger um die der Künstler) vor „Piraten“. Entsprechend wurden Forderungen nach Einschränkungen bei der Privatkopie laut.

eispielsweise sollen nach der IFPI die Internet-Service-Provider dazu verpflichtet werden, den Service-Vertrag mit Kunden, die Urheberrecht verletzende Inhalte online stellen, zu kündigen.

Okay, man kan verstehen, dass lebende Künstler (z.B. Udo Jürgens, Paul McCartney) ein Problem darin sehen, wenn ihre frühen Stücke nach einer über 50jährigen Bühnenkarriere plötzlich gemeinfrei werden. Hier kann man eine Verlängerung der Schutzfrist auf Lebenszeit akzeptieren, aber 95 Jahre ist heftig. Und wie gehen Künstler wie Johannes Heesters damit um, die nun schon von diesen Problemen eingeholt worden sind?
Eine interessante Entdeckung hat Lawrence Lessig in seinem Blog:engl: festgehalten:

As reported yesterday, there was an ad in the FT listing 4,000 musicians who supported retrospective term extension. If you read the list, you’ll see that at least some of these artists are apparently dead (e.g. Lonnie Donegan, died 4th November 2002; Freddie Garrity, died 20th May 2006). I take it the ability of these dead authors to sign a petition asking for their copyright terms to be extended can only mean that even after death, term extension continues to inspire.

I’m not yet sure how. But I guess I should be a good sport about it, and just confess I was wrong. For if artists can sign petitions after they’ve died, then why can’t they produce new recordings fifty years ago?

Kritiker werfen der IFPI und den Fordernden sogar einen Vertragsbruch mit der Öffentlichkeit vor. Den Künstlern und Firmen waren die Regeln und Bedingungen bereits vorher bekannt. Zudem haben sich diese auch noch in ihrem Sinne verbessert. Und zu glauben, dass die Künstler nach diesen 50 Jahren leer ausgingen, ist auch nicht der Fall. Für jedes Leermedium werden pauschale Abgaben an die VG Ton fällig und daraus würden die Künstler anteilig bezahlt, auch nach Ablauf der Schutzfristen.

Quellen:
IFPI fordert 95 Jahre Schutzfrist in der EU auf Digitale Allemende
Gehring, Robert A.: Musikindustrie drängt Bundeskanzlerin zu Urheberrechtsverschärfung via iRights.info
Michalk, Stefan: Bundeskanzlerin trifft Vertreter der internationalen Musikindustrie Bundeskanzlerin trifft Vertreter der internationalen Musikindustrie via IFPI.de

Schaffen Tote noch neue Werke?

Nun, diese Frage scheint sich für die IFPI nicht zu stellen. Mehr denn je wird das Urheberrecht in ihren Händen zu einem Marktinstrument, mit dem man Monopole schaffen kann. Fünfundneunzig Jahre Schutzfrist heißen umgekehrt, immer schneller veraltendes Wissen wird immer länger geschützt und so mit immer länger zu totem „Wissenskapital“. Bereits jetzt sind verwaiste Werke ein großes Problem. Die schnelllebige Medienbranche ist gar nicht in der Lage, hundertprozentig lückenlos nachzuweisen, wer welche Rechte besitzt. Das liegt unter anderem an den vielen Verlagsankäufen, -zusammenlegungen und -teilungen. Hier schaut schon verlagsintern ja niemand wirklich mehr durch, wer welche Rechte danach noch besitzt. Und wenn es darum geht, die Erben von Rechten ausfindig zu machen, wird es ganz schwer. Wer weiß denn noch, was der Vater, Großvater, geschweige denn der Urgroßvater oder auch mütterlicherseits an Werken geschaffen worden ist und wer an diesen Werken auch noch irgendwelche Rechte besitzt? Für Bibliotheken und Forscher ist doch jetzt schon nicht mehr nachvollziehbar, wann ein Werk keine Rechte besitzt. 25 Jahre mehr Schutz bedeutet 25 Jahre mehr Probleme und nicht unbedingt 25 Jahre Mehreinnahmen durch die Verwerterindustrie. Hier mag es zwar einige wenige Ausnahmen geben – denken wir an Walt Disney und Micky Mouse, doch dann wird es schon schwieriger.

Was wir heutzutage in einer wissensbasiert lebenden Welt benötigen, ist ein klares, einfach verständliches Urheberrecht mit genauen Definitionen von Geltungsdauer und Umfang. Uninteressant meines Erachtens ist es da eher, die Verwerter noch weiter zu schützen, die durch ihre Monopolstellung genug Geld damit machen. Wissen und Informationen müssen nicht nur bezahlbar bleiben, sie müssen auch zugänglich erhalten werden.

Schweizer Verbraucherschützer sehen den Informationsnutzer

Der schweizer Musikindustrieverband IFPI wurde in einem heute veröffentlichten offenen Brief von der Schweizerischen Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) aufgefordert, von ihren Forderungen bezüglich der Revision des Schweizer Urheberrechtsgesetzes (URG) umgehend abzulassen. Danach verlangt die IFPI Schweiz vom Nationalrat technische Schutzmaßnahmen Heilmittel gegen die sinkenden CD-Umsätze im Gesetz zu verankern. In der bis jetzt einschlägig geltenden Bestimmung des URG ist noch nicht verboten, dass ein Musikfan diese technische Kopiersperre umgehen darf, wenn er damit lediglich eine Kopie für den Eigenbedarf anfertigt. Sollte der Antrag im Nationalrat scheitern, fordert die SKS die IFPI Schweiz auf, darauf zu drängen, dass jegliche Software, die Systeme zum digitalen Rechtemanagement (DRM) umgeht, im neuen URG verboten wird.
Befürchtet wird, das dass die Revision des Urheberrechtsgesetzes die Balance zugunsten der milliardenschweren Unterhaltungsindustrie verschiebt.
Anders als in Deutschland sieht man jedoch ein, dass dem Konsumentennicht zugemutet werden soll, zwischen legalen und illegalen Internet-Angeboten unterscheiden zu müssen, d.h. das Herunterladen von Musik oder Filmen zum persönlichen Gebrauch bleibt auch nach Revision des URG uneingeschränkt zulässig.

Nach den Entscheidungen von Apple iTunes und anderen Musikanbietern, DRM abzuschaffen, würde die Schweiz, sollten die Änderungen so ins Gesetz eingehen, die Entwicklungen an sich zu Ungunsten ihrer Bürger verschlafen. DRM als reiner Kopierschutz hat in keinster Weise in einem Gesetz manifestiert zu werden. Modeerscheinungen einer sich erst findenden neuen Informationsform haben in einem Gesetz nichts verloren, wenn auch klar sein sollte, dass das Urheberrechtsgesetz sich den neuen Anforderungen im Sinne von Rechtsschutz, Interessensballance und Rechtssicherheit zu stellen hat.

Quelle:
Sperlich, Tom: Schweizer Verbraucherschützer fordern Musikindustrie zur Umkehr auf via heise online

Langzeitarchivierung kippelt

Hier nochmal ein paar Informationen rund um die Langzeitarchivierung. Der Artikel ist kurz vor dem Hilferuf aus dem Deutschen Musikarchiv erschienen.

Mit zwei Problemen haben die Archivare von Informationen zu kämpfen:

  1. Einmal mit dem exponentiellen Wachstum von (digitaler) Information
  2. und andererseits fehlenden Möglichkeiten für die Langzeitarchivierung.

Derzeit gängige Speichermedien für digitale Daten wie CDs, DVDs, Festplatten unterliegen mechanischen und erosiven Einflüssen und müssen daher als ungeeignet angesehen werden. Ein weiteres Problem ist die fehlende Kompatibiblität von Speicherdateiformaten und der Lesesoftware.

Mit den digitalen Datenmengen verhält es sich wie mit dem Klimawandel, den alle kennen, aber niemand weiß, wie er in den Griff zu bekommen ist. Die Marktforscher von IDC haben mit ihrer Studie zum digitalen Datenaufkommen „The Expanding Digital Universe“:engl: versucht, dem Phänomen einen Namen zu geben.

Wohin also mit der anschwellenden Datenflut, die sich schon 2010 zu zwei Dritteln aus den privaten Quellen speisen wird. Die gute, alte Festplatte reicht heute selbst da kaum noch aus. Stark im Ansteigen ist die Verwendung von Flash-Speichern, wie sie in USB-Sticks und in den meisten tragbaren digitalen Endgeräten wie Handys oder Musik-Playern verwendet werden. Technisch gesehen könnten sie auch die rotierende Festplatte in PCs ersetzen.

Die technische Möglichkeit ist derzeit finanziell jedoch nicht zu stämmen. Aber auch Festplatte und Flash-Speicher sind keine Lösung für eine langfristige Speicherung der digitalen Daten. Diese müssen daher weiterhin auf CDs und DVDs geschrieben werden.

Der deutsche Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft (IFPI) hat erst diese Woche errechnet, dass sich die Zahl der Benutzer, die sich digitale Inhalte auf CD/DVD brennen, von 1999 bis 2006 vervierfacht hat. Auf der Hitliste ganz oben ist nach wie vor Musik (70 %), gefolgt von privaten Fotos oder Videos (67 %) – Hauptverursacher des „digitalen Urknalls“.

Allerdings sind sich die Forscher zurecht uneinig, wie lange solche Träger halten. Dass die von den Herstellern häufig bezeugte Haltbarkeit von 50 Jahren bei richtiger Lagerung und Behandlung nicht hinhaut, haben unlängst die Schlagzeilen aus dem Deutschen Musikarchiv bewiesen.

Quelle:
FORMAT – Die digitale Ewigkeit ist wackelig: Wie Datenberge richtig konserviert werden auf networld.at (17.03.2007)