Google vs. Bibliotheken: 1:0

Der Titel dieser Überschrift wurde auf einem von Studenten angebotenen Workshop auf dem Bibliothekssymposium BOBCATSSS im Jahre 2005 in Budapest verwendet und eignet sich ebenso für die in diesem Beitrag beschriebene Studie. Vor kurzem wurde auf der Webseite Alltagsforschung.de der Frage nachgegangen, ob Suchmaschinen wirklich schneller sind und ob sich die Recherche in einer Bibliothek überhaupt noch lohnt. Im folgenden Interviewauszug werden die Lesegewohnheiten des New Yorker Autors Malcolm Gladwell näher beschrieben, über die er auch in einem Interview Auskunft gab.

I try to get to Bobst Library, at New York University, about once a week, to make my way through my favorite academic journals. I don’t really have a set pattern: mostly I just browse through the databases, or root around in the footnotes of things that I’ve liked. In the evening, before going to sleep, I read books.”

Gladwell zählt zu der Minderheit von Menschen in seinem Lande, die das Internet kaum nutzen. Werden Menschen mit den Lese- und Mediengewohnheiten eines Malcom Gladwell bald vom Aussterben bedroht sein oder wird die Lesekultur (Papierbücher und Papierzeitschriften) durch eine kleine Minderheit erhalten bleiben? Manchen Menschen ist der Gang in die Bibliothek und die Recherche vor Ort zu aufwändig. Es soll durchaus Studenten geben, die sich damit prahlen möglichst wenig in ihrer Studienzeit in der Bibliothek gewesen zu sein bzw. alles von zuhause online zu erledigen und die Bibliothek kaum als notwendig für das Fortkommen im Studium zu erachten. Die Frage ist doch, sind Suchmaschinen wie Google schneller, was die Recherche betrifft oder finden Suchende in der Bibliothek schneller ihre gewünschten Informationen? Eine an der Universität Michigan durchgeführte und am 15. November 2010 veröffentlichte Studie unter der Leitung der Professorin Yan Chen mit dem Titel “A Day without a Search Engine: An Experimental Study of Online and Offline Search” wollte es genauer herausfinden. Sie teilte 244 Studenten in zwei Gruppen. Eine Gruppe durfte nur Suchmaschinen im Internet verwenden und die andere nur die Bibliothek. Jede Gruppe hatte die Aufgabe bestimmte Informationen zu finden z.B. Antworten auf Fragen oder weitere Recherchequellen. Am Ende gewann “Google”. Dank Google fanden die Testpersonen die für das Experiment gesuchten Informationen in 99,7 % der Fälle. Bei der “Bibliotheksgruppe” lag die Quote bei 90 %. Hinzu kommt die Zeitersparnis: Eine durchschnittliche Internetrecherche in diesem Experiment dauerte 7 Minuten, wohingegen diese in der Bibliothek 22 Minuten dauerte. Der Google-Chefökonom Hal Varian kommentierte diese Ergebnisse folgendermaßen:

” […] It took them 7 minutes to answer the questions on Google and 22 minutes to answer them in the library. Think about all the time saved! Thirty years ago, getting answers was really expensive, so we asked very few questions. Now getting answers is cheap, so we ask billions of questions a day, like “what is Jennifer Aniston having for breakfast?” We would have never asked that 30 years ago.”

Prof. Yan Chen ist der festen Überzeugung, dass das Internet auch mehr Spaß mache:

“Wer online recherchieren durfte, fand die Aufgabe spannender, die Informationen interessanter und den Suchprozess weniger ermüdend.”

Dennoch lohnt es sich die Studie genauer durchzulesen und sich dem Schwierigkeitsgrad der Recherchefragen zu widmen. Waren die Rechercheaufgaben vielleicht doch besser für die Recherche in Suchmaschinen geeignet? Lag es an der mangelnden Informations- und Recherchekompetenz der Studenten, die im Offline-Bereich mehr Schwierigkeiten haben als im Online-Bereich? War die Studie von Anfang so konzipert, dass der Sponsor und Dienstleister der “University of Michigan” (Google) am Ende öffentlichkeitswirksam als die bessere Alternative dargestellt wird? Würde Google alleine ausreichen, wenn es sich um eine konkrete Seminarbeit oder Bachelorarbeit handelt? Meines Erachtens kommt es doch auf das an, wonach eigentlich gesucht wird. Diese absoluten Antworten, ob die Nutzung einer Suchmaschine besser ist, weil sie schneller die Ergebnisse liefere, müssen aber nicht grundsätzlich immer besser sein. Diese Art von Studien bringen der Firma Google eine gute Publicity, aber wer entwickelt denn Studien, die Bibliotheken eine bessere Publicity einbringen könnten?

Beta-Stadium für LOTSE-Tutorial “Einstieg ins Internet”

Wie “Einstieg ins Internet”? Da befinde ich mich doch schon, wenn ich das Tutorial gefunden habe. Der Titel ist auf jeden Fall unglücklich gewählt. “Einstieg in die Recherchewelt des Internets” würde zumindest klarer machen, dass es thematisch um die Recherche bei Google & Wikipedia geht. Es soll all jenen weitergeholfen werden, die bei einer schnellen Internetrecherche nicht fündig werden:

Dabei lassen sich mit ein paar Kniffen die schärfsten Klippen umschiffen, und dann bietet das Netz einen guten Einstieg für verschiedenste Themen. Im Tutorial „Einstiege ins Internet“ gehen unsere Protagonisten Sofia und Stefan auf die Suche nach ersten Informationen im Internet – und wir wollen Ihnen damit Lust machen, selbst gezielt und effizient im Internet zu suchen.

Sofia und Stefan führen in Dialogform zu Problemen und ihren Lösungen. Dabei geht es um:

  • Was bietet die einfache Suche bei Google? (2:14)
  • Wofür eignet sich Wikipedia und worauf ist zu achten? (4:03)
  • Welche Google-Treffer sind wirklich nützlich? (2:07)
  • Was bietet die erweiterte Suche bei Google? (2:08)
  • Zusammenfassung (0:37)
  • Links & Literatur (0:35)

Noch steht das Tutorial in der Beta-Version, d.h. es ist noch ohne Quiz und ohne Ton.

Technisch gelöst wurden die langen Ladezeiten und auch die optische Gestaltung hat sich verbessert. Dennoch gibt es weiterhin Probleme: Ich hätte gerne auch von hier aus direkt auf das jeweilige Tutorial verlinkt, jedoch startet immer gleich die Flash-Animation (sowohl mit Rechts- als auch Linksklick). Das ist aus meiner Sicht ungünstig. Als Bibliothekarin, die auf dieses Tutorial verweisen möchte, muss ich erst umständlich erklären, welches Tutorial, der sicherlich immer längerwerdenden Liste, ich denn nun tatsächlich meine. Aus Erfahrung weiß ich, dass Studierende bei Anfragen möglichst gleich die Problemlösung (wenn auch Hilfe zur Selbsthilfe) serviert haben möchten.

Ergänzt wird das Tutorial wiederum durch ein Skript und außerdem durch ein Skript zur Funktionsweise von Suchmaschinen.

Gerne möchte ich auch nochmal auf die immer noch laufende Diskussion zu Tutorial und Informationskompetenzvermittlung bei Beitrag LOTSE fragt: Plagiate – (k)ein Problem? vom 15.05.2010.

Hilfetipps zur Onlinerecherche

Für manche ist es eine intuitive Selbstverständlichkeit, wie sie im Internet recherchieren. Geübte Googler gibt es genug, doch manchmal tut es gut, sich die Regeln der Recherche noch einmal bewusst zu machen. Eine erfolgreiche und effiziente Suche beginnt schon vor dem Moment, wo man die ersten Buchstaben in den Suchschlitz tippt.

1. Bereiten Sie die Suche sorgfältig vor.
Eine gut vorbereitete Suche erspart Ihnen viel Suchzeit. Besonders notwendig ist diese Vorbereitung, wenn Sie über einen zeitabhängigen Internetzugang verfügen.
Eine Ad-hoc-Suche kann zu Glückstreffern führen, aber Sie werden kaum die besten Suchtreffer erhalten. Bevor Sie sich durch Bildschirm und Tastur ablenken lassen, setzen Sie sich vorher einmal mit Stift und Papier hin und legen ein kleines Mindmap an.
Mindmap Schema (auf Flickr.com von ppip unter CC: BY-NC-SA)
Ausgehend vom Thema (a), sollte man sich überlegen, was zum Thema dazu gehört (b-d) und welche Stichwörter (e-f) sich diesen zuordnen lassen. Sie werden mehr im Vorfeld finden als Sie glauben und damit Ihre Suche erheblich verbessern. (Ergänzen Sie das Mindmap ruhig im Laufe Ihrer Recherche, damit Sie einen guten Überblck über Ihr Thema behalten.)

2. Verschaffen Sie sich einen ersten Überblick.
Sie sollten sich, wenn Sie in das Recherchethema erst einsteigen, erste grobe Informationen suchen. Nutzen Sie dazu Lexika, Online-Enzyklopädien, Lehrbücher oder auch Internet-Suchmaschinen.

3. Sammeln Sie passende Suchbegriffe.
Seien Sie kreativ bei der Sammlung von passenden Stichwörtern, um Ihre Suche einzugrenzen. Synonyme, d.h. andere Worte mit gleichem Sinngehalt, können ebenfalls zu relevanten Treffern führen. Notieren Sie die Stichwörter, damit Sie diese bei Ihrer Recherche zur Hand haben. Mit Hilfe des Mindmaps behalten Sie einen guten Überblick über Ihre Suchbegriffe und Ihre Zuordnung zu Ihren eigentlichen Fragen. Sollten Sie Hilfe brauchen, um weitere Suchbegriffe zu finden, kann Ihnen vielleicht der MetaGer-Web-Assoziator weiterhelfen.
Wordle: recherche

4. Überprüfen Sie Ihre Suchergebnisse.
Nach der ersten gründlichen Suche sollten sie die Qualität und Relevanz Ihrer Suchergebnisse überprüfen. Gegebenenfalls modifizieren Sie die Suchbegriffe für die nächste Rechercherunde und kombinieren Sie neu.

5. Variieren Sie Ihre Recherchemittel.
Recherchemittel sind beispielsweise Suchmaschinen, Bibliothekskataloge und Linklisten. Ihnen allen ist gemeinsam, dass Sie nur einen bestimmten Ausschnitt des möglichen Informationsangebotes abdecken. Nutzen Sie daher verschiedene Recherchemittel für Ihre Suche. Auch Google kann Ihnen nicht alle Informationen liefern, die es zu einem Thema gibt. Alles was zum Deep Web gehört, d.h. besonders tief verlinkt ist, ist für Google genauso unsichtbar wie passwort- und IP-Netz-geschützte Inhalte. Das heißt, Inhalte aus Datenbanken und E-Journals werden Sie nur sehr begrenzt finden.

6. Nutzen Sie Expertenwissen.
In vieler Hinsicht geht nichts über das Wissen von Experten. Nutzen Sie dazu Newsgroups, Blogs oder schreiben Sie einen Experten direkt an. Scheuen Sie sich nicht davor, denn auch Experten sind Menschen und sie freuen sich, wenn ihr Wissen geschätzt wird. 🙂 Mehr dazu

7. Validieren Sie gefundene Informationen.
Sie sollten gefundenen Informationen niemals einfach so vertrauen. Es gibt verschiedene Kriterien, mittels denen Sie die Qualität des Ergebnisses überprüfen können.
Ein erster Hinweis ist das Vorhandensein der gesuchten Begriffe im Titel, in der ggf. angezeigten Zusammenfassung oder dem Ausschnitt des Dokumentes. Bei Bibliothekskatalogen oder gut erschlossenen Datenbanken können auch angegebene Schlagwörter, die explizit den Inhalt beschreiben. Hilfreich kann es auch sein, bei Büchern einen Blick ins Inhaltsverzeichnis, die Einführung und das Schlusswort zu werden und bei Zeitschriftenaufsätzen Abstracts auf die Suchbegriffe durchzusehen. Viele Bibliothekskataloge bieten bereits die Möglichkeit, sich das Literaturverzeichnis zu einem aktuellen Buch herunterladen zu können.
Das nächste Kriterium ist die Qualität und Zuverlässigkeit. Sehen Sie auf den Internetseiten bereits erste grobe Rechtschreibfehler? Wirkt der Text zusammengestückelt? Sind weitere Quellen angegeben? Sind die Zitate ordentlich gekennzeichnet?
Ein weiterer Hinweis auf eine entsprechende Zuverlässigkeit der Quelle kann auch die Domain sein. Gehört die Seite einer Institution oder eher einem Privatmann. Informieren Sie sich über den Autor (Fachmann?). Ist er ein Experte, Student oder eine interessierte Privatperson?
Es gibt weitere Kriterien, die Sie für die Bewertung der Internetquellen heranziehen können. Mehr dazu

8. Speichern Sie die Dokumentenadresse ab.
Stimmen Relevanz und Qualität des gefundenen Dokumentes, speichern Sie die Onlineadresse in Ihren Bookmarks ab. Es gibt kostenlose Literaturprogramme wie Citavi oder Zotero, mittels denen Sie diese Links und erste weitere Informationen zu den Dokumenten abspeichern können. Zotero ermöglicht es Ihnen auch, einen Screenshot der Seite abzuspeichern.

9. Fragen Sie andere um Hilfe.
Manchmal hat man ein Brett vorm Kopf. Man hat sich auf bestimmte Suchbegriffe versteift, ist nicht mehr in der Lage, um die Ecke zu denken oder kennt einfach bestimmte Informationsquellen nicht, die für die Recherche geeigneter sind als Google. Fragen Sie deshalb andere, sei es im Internet oder im realen Leben. Wenden Sie sich an (Studien)Kollegen, Experten oder die Informationspezialisten Ihrer Bibliothek. Sie werden Ihnen sicherlich weiterhelfen können.

10. Geben Sie nicht auf!
Die Recherche ist ein aufwendiges Unternehmen. Sie benötigen Zeit und Geduld. Recherchen führen nicht immer sofort zum besten Ergebnis. Nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie sich nicht entmutigen. Trial & Error gehört dazu. Suchbegriffe, die bei einem Recherchemittel funktionieren, können bei einer anderen Suchmöglichkeit zu einem Nulltreffer-Ergebnis führen.

Weiterführende Webadressen
Ostermann, Marcus: Die 12 Goldenen Regeln der Internet-Recherche auf WiWi-TreFF
Literatur suchen Lotse, Projekt der Universitäts- und Landesbibliothek Münster
Böhner, Dörte: Suchen & Finden – Recherche-Tutorium auf jere-mias.de
Recherchemittel und Recherchestrategien in Datenbanken der Universitätsbibliothek Bern
Neudecker, Andreas: Suchen im Internet

1 2