[Leseempfehlung] “Friedhof der Datenträger”: Ein Zeit-Interview mit Eric W. Steinhauer

Wie bereits auf der Facebookfanseite von Libreas und bibliothekarisch.de gepostet, enthält die “Zeit-Online” ein Interview mit Eric W. Steinhauer mit dem Titel “Friedhof der Datenträger”. An dieser Stelle sei darauf nochmals als Blogpost für alle Facebookabstinenzler und Nicht-Zeitleser hingewiesen. Jedes Jahr um die Halloweenzeit hält Steinhauer eine Vorlesung zur Kulturwissenschaft des Morbiden. Zum Beispiel über Bibliotheksmumien. Diese Leseempfehlung für den heutigen Feiertag Allerheiligen und den morgigen Tag Allerseelen, passt nach wie vor gut in diese Zeit und zu diesem Thema.

Anbei ein kurzer Auszug aus Steinhauers Aussagen: “Bibliothek und Friedhof haben erstaunliche Gemeinsamkeiten.[…] Man kennt Praktiken von Bücherbestattung”

Ein weiterer interessanter Hinweis aus dem Interview sind folgende Lese- und Vortragsempfehlungen:

“Mit einer Lesung zum Friedhofsrecht fing alles an. 2010 folgte die Vampyrologie für Bibliothekare. Seither hält Eric W. Steinhauer, Dezernent an der Universitätsbibliothek Hagen, in jedem Herbst eine Halloween Lecture zu »bibliothekarischen Aspekten der Kulturwissenschaft des Morbiden«. Die Vampyrologie, stellte Steinhauer vor zwei Jahren fest, gehört zu den wenig beachteten Lehrgegenständen, aber gleichwohl seien »entsprechende Kenntnisse für jeden verantwortungsbewusst handelnden Bibliothekar unverzichtbar«. Nach dem Buch zur Vampyrologie ist auch die Publikation zur Lesung von 2011 im Eisenhut Verlag erschienen: »Theorie und Praxis der Bibliotheksmumie – Überlegungen zur Eschatologie der Bibliothek«. Darin beleuchtet der Autor das Schicksal der bekanntesten Exemplare. Neben der Mumie Schepenese in St. Gallen zählen dazu deren Kolleginnen in Wien, San Lazarro, Cambridge und Lissabon oder die deutschen Bibliotheksmumien in Kassel und Leipzig. Die diesjährige Lecture findet am 6. November um 18 Uhr im Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin statt: »Der Tod liest mit… Seuchengeschichtliche Aspekte im Buch- und Bibliothekswesen«.”

Es wäre wünschenswert, wenn auch die Stadt Wien, die bekannt ist für ihr morbid-bizzares Verhältnis zum Tod, nächstes Jahr Eric W. Steinhauer einladen könnte, eine Vorlesung abzuhalten, z.B. im Bestattungsmuseum oder auf dem Zentralfriedhof. Das würde gut passen. Welche Stadt verfügt sonst noch über ein solch reichhaltiges Repertoire an Literaten, Austro-Poptexter, Musikern und Humoristen, die sich so intensiv mit dem Morbiden und der Mentalität ihrer Einwohner auseinandersetz(t)en? Diese Stadt hat einen Ruf zu verteidigen, den Eric W. Steinhauer mit den bibliothekarischen Aspekten der Kulturwissenschaft des Morbiden durchaus Aktualität und Aufmerksamkeit verleihen könnte. Weiterlesen

Bücher brennen bei 233 Grad Celsius

Bücher sind mehr als nur Bücher. Sie gibt es inzwischen hochklassig digitalisiert, multimedial gefasst im Internet. Es ist schon faszinierend, z.B. die Manessische Handschrift im Netz durchblättern zu können, wo doch das Original für zu kostbar ist, um es jedermann zugänglich zu machen. Das digitale Buch dabei kann sogar aus kleinen schwarz-weiß bedruckten Flächen vor einer Webcam bestehen, die auf dem Computerbildschirm dann Poesie erzeugen.

Sprache und Literatur wandeln sich mit den Möglichkeiten der neuen Medien. Diesen Wandel erkundet der Kunsttemple mit seiner Ausstellung “233° – eine andere Bibliothek”. Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf Ray Bradburys Verfilmung von François Truffauts Science-Fiction-Roman “Fahrenheit 451”, in dem jeder Bücherbesitz verboten ist und durch andere Medien ersetzt wird. Bei 233 Grad ist die Temperatur erreicht, bei der Bücher verbrennen.

Die Fragestellung ist dahinter, was Bibliotheken bieten könnten, wenn alle Bücher verbrannt sind. Da wären Hörbücher, Verfilmungen von Gedichten und Lyrik im Netz, per Zufallsgenerator entstandene Poesie. Gezeigt wird auch, wie die Grenze zwischen Buchseite und Bildschirm verschwindet, wie in dem Projekt von Amarant Borsuk und ihrem Mann Brad Bouse, beide Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, USA. Sie stellen im Kunsttempel ihre Internet-Animation “www.betwenpageandscreen.com” vor.

Entspricht bei ihrem Projekt noch die Form dem Inhalt?

Ihre Computer-Animation (unter betweenpageandscreen.com), die sich per Buch steuern lässt, hat etwas so Spielerisches, wie sich die beiden Liebenden mit Worten umkreisen.

Auch andere Kuriositäten lassen sich in der Vernisage bewundern. So gibt es die mit 400 Bänden größte Schüttelreim-Sammlung zu bewundern, die Manfred Hanke der Stiftung Brückner-Kühner überlassen hat. Die steht ausnahmsweise ganz konventionell im Bücherregal. Dann gibt es Filmrequisiten zu bewundern, die vom Berliner Buchbinder Markus Rottmann hergestellt wurden und unter denen sich u.a. Hitlers Dokumentenmappe aus der Eichinger-Produktion „Der Untergang“ und Dachauer KZ-Akten aus Scorseses Drama „Shutter Island“ befinden.

Die Vernissage läuft bis zum 21.11. im Kunsttempel, Friedrich-Ebert-Str. 177, Kassel statt und kann von Donnerstag bis Sonntag von 15.00 – 18.00 Uhr besucht werden. Führungen werden nach Vereinbahrung angeboten (Tel. 0561/24304).

Quelle:

Busse, Mark-Christian von : Jenseits der Gutenberg-Galaxie, HNA.de